. Man fürchtet in Rom, daß Deutschland unter Hindenburgs Führung be ginne, wieder groß und stark und mächtig zu wer den und daß ein erstarktes Deutschland die ge waltsame Losreißung und die völlige Versklavung Deutschsütirols nicht genehmigen könne. Italien hat Angst bekommen, Angst um das von ihm wi derrechtlich geraubte Gut, das in der Brenner grenze seine symbolisch-geographische Verkörperung gefunden hat. Die richtige Betrachtung und Beurteilung die ser Streitfrage kann nur erfolgen, wenn man sich zuvor
über die geschichtliche Bedeutung der Bren nergrenze klar wird und sich einigermaßen in ihre historische Vergangenheit vertieft. Da kommt man nun schon beim ersten Versuch zu der unverrück bar feststehenden Tatsache, daß es eine Brenner grenze bis zum Jahre 1922 überhaupt gar nie gegeben hat, weder eine politische, noch eine geo graphische, noch eine kulturelle. Sie ist erst im Frühjahre des genannten Jahres geschaffen wor den, nachdem sie politisch durch den Schandvertrag von St. Germain von den „Siegerstaaten
" auf Grund der Wilsonschen Irrlehre vom „Selbstbe stimmungsrecht der Völker" durch den Raub Deutschsüdtirols in die Welt gesetzt worden war. Der Brenner, der niederste und bequemste lleber- gang über die Alpenkette, auf dessen Scheitel noch Getreide wächst, war nie eine Volks- oder Lauoes- grenze, sondern stets eine Land- und Leuteverbin dung. «südlich wie nördlich wohnte der gleiche stamm, herrschte die gleiche Sprache, Mundart, Sitte, Anschauung, Lebensweise. Niemals hatte dieser Gebirgspaß
die Bedeutung einer Staats grenze, ja auch nur der Grenze eines besonderen Berwaltungsgebietes gehabt; der Brenner hat die Deutschtiroler nicht voneinander geschieden, son dern sie miteinander verbunden. Die Art der Bo denbebauung, das System des ländlichen Grund eigentums, die Bauart der Siedlungen, sie Archi tektur, die Künste und Gewerbe, mit einem Wort alles, was den nationalen Charakter eines Volkes ausmacht, war im ganzen deutschen Tirol diesseits und jenseits des Brenners von gleicher Beschaffen heit
und unterschied sich wesentlich vom Trentino, der in dieser Beziehung ganz den norditalienischen Charakter trug. Niemals in der Geschichte war der Brenner Völkergrenze. Die rhätische Urbevölke- saß im ganzen Reich der Ostalpen verteilt. Die spärlichen römischen Kolonnen faßten überall zwischen ihnen Fuß und wichen im ganzen Bereich dem eindringenden Germanentum. Als nach der ostgotischen Periode gleichzeitig von Norden her Bajuwaren, von Süden her Longobarden in Tirol eindrangen, lag die Grenze