. Ja dazumal ist manch Vater- und Mutterherz schwer gewesen vom Leid, und wurde auf die Bitte: Gib uns heute unser täglich Brot! ein rechter Nachdruck gelegt, und ein Seufzer trug sie gen Himmel. So ging's auch dem Solinger Bote auf der Kölner Landstraße. Er betete auch diese Bitte jetzt aus tiefstem Herzens grund und dachte dabei an Weib und Kind und an den eigenen Magen, der gewaltig bellte, weil er erstaunlich leer war. Sieh' 'mal da! sagte er plötzlich, bückte sich und hob von der staubigenStraße
: Der, der's verloren hat, braucht's auch. Ich wollt', ich könnt's ihm wiedergeben! Solche Gedanken hört immer einer, der nichts Gutes vergißt, das ist der Herr im Himmel, der wohl weiß, wie er's lenken soll. Der Bote sieht sich überall um, aber es ist niemand da, den er fragen könnte, ob er etwas verloren? — Er war aber noch nicht weit fortge gangen, da kam einer hinter ihm hergestiefelt, daß man hätte meinen sollen, er sei auch ein Solinger Bote und ging expreß. Als er zu dem Boten kam, war's
ein wohlgekleideter Herr, dem man's eben ansah, es fehle ihm nicht das Brot für seine Kinder, wenn er noch deren hatte. „Guten Morgen!" sagte er zu dem Boten. „Habt Ihr nichts gefunden?" „Was habt Ihr denn verloren?" fragte der Bote, um Gewißheit zu erhalten, ob er denn auch der Rechte sei. „Ein Päcklein in blaues Papier geschlagen, unversiegelt, und steht darauf geschrieben: Ein Hun dert Taler in Kassenanweisungen, und drinnen im Papiere liegen zwanzig Fünftalerstücke," sagte der Fremde. „Seht 'mal
zu, ob es das ist," sprach der Bote, und reichte dem Fremden das unverletzte, unverkürzte Päcklein.