» de« 7. £>eiobet IMS. 33. Jahrgang. Baron Dipauli — Handrlsmillister. Innsbruck, 6. October. Die Kunde, die wir gestern durch den Draht hin. nehmen und mit dem schwärzesten Druck unsern Lesern übermitteln mußten, betraf die zweifelsohne voll zogene. aber amtlich zur Stunde noch nicht publicirte Ernennung des Reichsrathsabgeordneten Josef Frei herrn v. Dipauli, Gutsbesitzers in Kaltern, zum österreichischen Handelsminister. So sehr die Nach richt von der Berufung eines Landsmannes in den Rath der Krone
Existenz der Deutschen in Oesterreich zu arbeiten. Warum ist Baron Dipauli Minister geworden? Nicht etwa als Tirolischer Landsmann — solche Privi legien haben nur die Czechen und Polen — nicht einmal als Aristokrat, da er doch nicht aus Böhmen stammt, und auch nicht als geschickter Parlamentarier, denn seine Blamage als „Vermittler" zwischen Deutschen und Czechen ist noch zu frisch und unvergessen, sondern einzig und allein als Parteimann, als anerkannter Führer jenes Clubs deutsch redender Reactionäre
- belüger notorisch sind, nichtsdestoweniger aber heute Oesterreich regieren. Jenes „Zünglein" war eigent- lich immer ein Doppelzünglein gewesen, in wirklicher wie in übertragener Bedeutung. Die scharfe Spitze des einen bewegte sich im Munde des Dr. Eben hoch, die des anderen orakelte aus Baron Dipauli. Nun hat die Regierung sie beide unter ihr Haupt gebracht; der erste, ihr ohnehin so viel wie gewiß, wurde bekanntlich Landeshauptmann in Ober Österreich, der zweite, der sich länger zierte, mußte nun gar
auf die Ministerbank. „Dort ruht sie sicher, dort ruht sie gut" — die versunkene katholische Volksglocke, die so fromm zu läuten wußte von ihrer Liebe zu Gott And zum —„Volke". Darum also ist Baron Dipauli Minister geworden. Warum aber gerade Handelsminister? Der schlichte bürgerliche HauSverstand — man muß lachen über diesen Gesellen — glaubt immer, um ein Ressort minister zu werden, brauche man eingehende Kennt- niffe im Finanz-, Ackerbau-, Landesvertheidigungs-, Justiz-, Unterrichts-, Handelssache. Weit gefehlt
! Nichts braucht man als eine sichere Gefolgschaft im Parlamente, ein veräßliches Stimmenmaterial. Weil er das nicht mehr haben konnte noch wollte, mußte Dr. Baernreither sammt seinen Kenntnissen hinaus aus dem Ministerpalais. und Baron Dipauli bezieht es, obwohl er vom Reffort vorläufig nur den Wein handel kennt. Daß er aber vorher für die Haltung seiner Partei Garantien leisten mußte und es konnte, für so schlau halten wir auch den kleinsten Staats mann wie den Grafen Thun. Da sitzen sie also wieder fest