Maria, Spiegel der Gerechtigkeit : Betrachtungen und Vorträge für den Monat Mai
feit, ohne welche Niemand den Herrn sehen wird; und sehet zu, daß Keiner Gottes Gnade verscherze . . , so drückt er klar auS, daß der Gegenstand unserer Betrachtung auch unsere Pflicht ist. Um so mehr werden wir daher von Maria zu lernen suchen (Vgl. noch Joh. 15, 5 und I. Cor. 15, 10.) Die Anerkennung der Gnade aber' ist jene Gesinnung, ver- möge welcher man, waS der Gnade ist, nicht sich selbst Zufchreibt, sondern eben der Gnade, und so sehr man auch geistlichen Ge winn daraus gezogen
, so viel man auch gute Handlungen voll- bracht, so sehr man auch mit ihrer Hülfe auf dem Wege der Ge rechtigkeit, Tugend und Heiligkeit fortgeschritten, immer muß man sagen: auch das ist nicht mein, auch das nicht, sondern der Gnade; und auch das und das ift nur der Gnade. Ist jene Mitwirkung und diese Anerkennung nothwendig? Und in wie hohem Grade finden sich beide an Maria? Ich antworte zuerst im Allgemeinen auf diese Frage mit den lelbsteigenen Worten Marias, die sich finden im 10. Cap. der Offenbarungen der heil
. Brigitta. Es spricht Maria zu dieser ihrer ausgezeichneten Dienerin: „Ich war von allem Anfänge, als ich hörte und begriff, daß ein Gott sei, stets ängstlich besorgt um mein Heil. Und als ich weiters hörte, daß dieser Gott mein Schöpfer sei und mein künftiger Richter über alle meine Hand lungen, habe ich ihn auf daL Innigste geliebt, und fürchtete mich jede Stunde, daß ich ihn ja nicht beleidige, weder durch ein Wort, noch durch einen Gedanken; und ich nahm mir immer wieder vor, nichts zu lieben, außer
Ihn, und war mir Alles, WaS die Welt bieten konnte, bitter und ekelhaft .... Nachdem ich mich im Tempel Gott aufgeopfert hatte, und nach Hause zu rückgekehrt war, erglühte mein Herz noch mehr von Liebe zu Gott, und wurde täglich von neuen Wünschen einer noch grö ßeren Liebe entflammt.' — Was sagen diese Worte denn anders, als daß Maria von Kindheit an nichts mehr wünschte, als Gott zu lieben, und die durch die Liebe verdienten Gnaden immer fruchtbarer zu machen, daß also ihre Mitwirkung mit der Gnade öehorrlich und immer
im Zunehmen war? Und wenn sie gegen Brigitta fortfährk: „Deßwegen habe ich mich mehr, als eg ge- Maria, Sricgcl -kr Grrrchiigkklt. 4