Stichproben : ein historisch-politischer Beitrag zur Geschichte Tirols der letzten Jahre
erst neulich erhitzten sich ja konservative, selbst geistliche Politiker über die Branntweinsteuer viel mehr als über manche wichtige kirchliche Ange legenheiten und meinten, mit dieser Agitation sogar die christlichsoziale Partei aus dem Sattel zu heben. Aber, im Ernst, den Bereich der poli tischen Fragen bildet die ganze staatliche Gesetzgebung, und die umsaßt vor allein rein politische Fragen (Verfassungsfragen, Verwaltungsange legenheiten, Rechtspflege, Wehrkraft
u. s. w.), dann kirchenpolitische, weiters wirtschaftspolitische und sozialpolitische Fragen. Was ist es doch für ein ungeheuerliches Verlangen, daß eine politische Partei für den ganzen Umfang dieser Fragen die bischöfliche Führung programmäßig anerkennen und annehmen solle I Kann man wirklich bei irgend einem Wählerkreis im Ernst auf die Dauer ein solches politisches Programm wirksam zur Geltung bringen? Dazu wäre wahrhastig auch nötig, daß der jeweilige Bischof, wir wollen nicht direkt sagen, unfehlbar sei, wohl
nach der Religion des Fürsten. — Es kann auch in politischen Fragen von sehr großer Tragweite eine Meinungsverschiedenheit unter den Bischöfen geben. Was hat dann zu gelten? Als Fürstbischof Vinzenz Gasser wegen seiner hervorragenden Begabung eine führende Stellung in der politischen Partei Tirols inne hatte, wie sie vorher und nachher bisher noch kein Bischof in Tirol zur Geltung gebracht hat, gab es eine Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob man den Reichsrat beschicken solle oder sich fernehalten müsse