Stichproben : ein historisch-politischer Beitrag zur Geschichte Tirols der letzten Jahre
Die christlichsoziale Partei und der Klerus. II.'-) Wenn auch die programmäßige oder grundsätzliche Führung einer politischen Partei durch den Klerus und den Bischof nicht als berechtigt anerkannt werden kann, so darf doch keineswegs die faktische Vertrauens stellung des Klerus in der Partei gering angeschlagen werden. Es ist kein Zweifel, daß der Seelsorger in der Lage ist oder sein kann, eine wirkliche Vertrauensstellung in der Gemeinde einzunehmen; aber daraus
darf man daraus Folgerungen auf die Organisation einer politischen Partei ziehen. Aber geradezu beleidigend wäre die Folgerung, daß die, welche nicht den Rat des Klerus in wirtschaftlichen und politischen Fragen einholen, es deswegen irgend wie an der richtigen katholischen Gesinnung fehlen lassen. Nach der Moral sind, um einen Vergleich zu ziehen, Kinder es der Ehrfurcht vor den Eltern schuldig, sie in wichtigen Angelegenheiten, welche ihr Lebens glück betreffen, um Rat Zu fragen
; aber wenn sie den Rat nicht für geeignet halten, sind sie nicht verpflichtet, ihn zu beobachten, und wenn sie sich sagen müßten, daß die Eltern in Fragen, welche ihre Lebens stellung betreffen, gegen ihre Absichten sich wenden würden, so brauchten sie auch nicht einmal um Rat zu fragen. Wie will man mm fordern, daß die Laienwelt in dem ganzen Bereich der politischen Fragen dem Klerus und dem Bischof zu folgen und sich ihrer Führung unterzuordnen habe? Aber lehnt die christlichsoziale Partei den faktischen Einfluß
des Klerus ab? Läßt sie den Priester nicht zu zur politischen Tätigkeit? Nimmt sie nicht bereitwillig seine Ratschläge an? Im Gegenteil wird man finden, daß in der christlichsvzialen Partei die Priester nicht weniger zur Geltung und zu Ansehen kommen, ja nicht weniger Vertrauensstellungen einnehmen, als es je in der konservativen Partei der Fall war. Wir brauchen doch bloß die Namen Scheicher, Kühschelm, Schöpfer, Drexel Vergl. Nr. 1W „Bischöfliche Politik'.