¬Der¬ Kunstfreund ; N.F., 22 - 23. 1906 - 1907
Tagen hatte Deutschland kein Siegesfest gefeiert, kein Jubel hatte Deutschlands ver wüstete Fluren durchfallt, als nach einem dreißigjährigen Kriegselend der Friede ge schlossen war. Jedwedes deutsche .Herz schlug höher, als deutsche Heere Sühne für eine siebenjährige Schmach im Herzen Frankreichs, in Paris gefordert und Weber war Zeuge dieser Siegessreude gewesen, im Lande, das Napoleons Siegerschritt am schwersten gefühlt und dessen Söhne sich der Heldentaten ihrer Väter bewußt, aus eigener
Kraft sich aufgerafft, mit dem Schwert die Ketteu zu brechen, die ein Fremder gewagt, Deutschlands Söhnen aufzuzwingen. Auch Weber war ein Sohn Germanias, auch er hatte des Baterlandes Schmach betrauert, auch er stimmte ein in die Jubelhymne, die Deutschland nach dem Sturz des französischen Kaisers saug, wenn er auch nicht das Schwert mitgezogen hatte. Die Tonna rauschte fort und fort; und hatten in ihrem Rauschen die Namen Gleichen, Tilly und Banner geklungen, so klang jetzt noch ein anderer Name
sich von außen geräusch los die Tapetentür, die Weber vorhin nicht zu öffnen vermocht, und herein trat eine Gestalt in der Tracht des Mittelalters, das Haupt bedeckte eiu Barett mit einer Reiher feder und am goldenen Gürtelband trug sie eine Leier. „Steht auf, großer Tondichter', sprach der Eintretende, „ich bin der Graf von Gleichen, dem einst dies Schloß gehörte, ich habe in jenem. Himmelbett geschlafen,, in dem Ihr jetzt ruht und habe der Musik gehuldigt wie Ihr. Die Gleichen aller Ge nerationen
, die je in diesen Mauern ge lebt, haben heut eine uächtliche Versamm lung; seid dojrt unser Gast, wie Ihr der meine seid. Ihr werdet manches sehen und hören, was Ihr sobald nicht vergessen sollt und was in Eure fernsten Tage hinüber klingen wird, zum Andenken an die erste Nacht in Gräfentonna, in der Ihr die Gast freundschaft der Grafen von Gleichen ge nossen.' Weber spürte nichts mehr von Müdig keit, jedwedes Ruhebedürfnis war ver schwunden. Nur die Neugierde erwachte, eine spukhafte Gesellschaft zu schauen
, dessen Schritte man auch nicht hörte. Vor der schweren Eichentür, die Weber als den Eingang zum Ahnen saal erkannte, blieben sie stehen, und aus einen Wink des Wirtes öffnete ein Page dieselbe. Sie traten ein in den von zahl losen Kerzen erhellten Ahneusaal, der in dieser Beleuchtung Weber Noch einmal sp groß deuchte, als er ihm am Tage erschienen war; und der «Raum- umfaßte eine solche Menge Menschen, wie der Eintretende am Tage es garnicht für möglich gehalten hatte. Die Ritter und Burgfrauen, die er vorhin