Blumen aus Tirol : ein Büchlein zur Erbauung und Unterhaltung
120 v. Schönstein Hermann, Abt Marienbelg berufen, oder durch den Bischof von Chur dem Kloster zur Erwählung em pfohlen. Kaum hatte er sein äbtliches Amt angetreten, so wurde zwar der Zwist mit dem Bischöfe von Chur beigelegt und die Strafe des Interdikts aufgehoben; aber nicht so leicht geschah die Schlichtung des Streites mit dem Vogte Ulrich von Matsch. Anfänglich ermahn te der Abt in Liebe und Güte den Edelmann semer Pflicht und machte ihm geziemende Vor stellungen, daß er zurückstelle
die dem Stifte frech und gewaltsam entrissenen Güter. Aber fruchtlos blieben diese Ermahnungen. Sonach suchte Hermann Hilfe bei Otto,, dem Grafen von Tirol. Ulrich, der von einem Verräther — Einem aus der Umgebung des Prälaten selbst — hievon Kunde erhielt, eilte Rache schnau bend mit bewaffneten Knechten in das wehr lose Stift, überfiel dasselbe am 26. August 1304, bemächtigte sich des Abtes, und ließ ihn, an Händen und Füßen mit Stricken gebunden, in das nahe Schliniger-Thal schlep pen
und ihn dort enthaupten. Die Mönche, die ihren Vorsteher nacheilen wollten, wur den durch Schläge zurückzukehren gezwungen. Der fromme Abt aber, da er sich am Rande des Todes erblickte, rief aus: „Vater, ver- v. Schönstein Hermann, Abt 121 Zeih' ihnen! Jesu, bewahre die Dei- uigen! In deine Hände empfehle ich Meinen Geist!' — Dm entseelten Leich nam brachten die Ordensmänner in das Klo ster zurück, wo sich bei dessen Grabe meh- rkre Wunderzeichen ergeben haben sollen; wes wegen auch Hermann in Marienberg