¬Die¬ Südtiroler Frage : Entstehung und Entwicklung eines europäischen Problems der Kriegs- und Nachkriegszeit
DEUTSCH-ITALIENISCHER PRESSEKAMPF 369 Gleichwohl rief der deutsche Pressefeldzug in Italien einen Sturm der Entrüstung hervor. Zu seiner Erklärung muß man sich gegen wärtig halten, daß über die wahren Vorgänge in Südtirol in der italienischen Öffentlichkeit weitgehende Unkenntnis herrschte. Die strenge Zensur machte es unmöglich, über den tatsächlichen Zustand aufzuklären, und so wurden die deutschen Beschwerden als ein un begründeter Vorstoß des wachsenden deutschen Nationalismus
gegen die Brennergrenze aufgefaßt, die für jeden Italiener zum noli me tangere geworden war. In einer Sprache, die nur dem Faschismus zur Verfügung steht, wurde die deutsche Einmischung zurückge wiesen. Die „Idea Nazionale' sprach ihre Verwunderung aus, daß Deutschland die Vormundschaft über Österreich beanspruche und Südtirol und die Brennergrenze für sich erstrebe. Brutale Grob schlächtigkeit sei wohl ein deutscher Rassefehler, aber Deutschland solle aufhören, Italien als nebensächliche Macht zu behandeln
, da sonst eine neue Abrechnung zu Deutschlands Schaden erfolgen könne. Noch heftiger war die Sprache in der eigentlich faschistischen Presse, und neben dem „Popolo d'Italia' und dem ,,Tevere' schoß der „Impero' mit einem hetzerischen Leitartikel „Unser Feind von Instinkt und Rasse', der auf die größenwahnigen zehn Gebote Ma- rinettis Bezug nahm, den Vogel ab. Wohin sollte es führen, wenn diese der Person des Diktators nahestehenden Blätter davon spra chen, daß Italien der Erbfeind des „ganzen schmierigen, schwer
fälligen, hinterlistigen deutschen Zeugs' sei, daß „die ekelhaften Boches von ehemals' von neuem sich „in plumpster Flegelei' er gingen und Italien um seinen Sieg zu betrügen versuchten? Auch in der Kammer fand gelegentlich der Aussprache über den deutsch italienischen Handelsvertrag die deutsche „Einmischung' eine ent schiedene Zurückweisung und es hatte seinen bestimmten Sinn, wenn der faschistische Abgeordnete Baron Blanc sich dagegen wandte, daß Deutschland etwa die Südtiroler Frage
vor den Völkerbund bringe, denn Minderheitsfragen beständen für Italien nicht und Südtirol sei ethnographisch und geographisch lateinisches Land. Die Regierung selbst übte einige Zurückhaltung, aber in taktischer Ausnutzung der übertreibenden nach Deutschland gelangten Mel dungen Heß sie durch die „Agenzia di Roma' die Warnung hinaus gehen, daß dem Mißbrauch mit falschen Nachrichten mit größerem Herre, Südtirol 34