¬Die¬ Südtiroler Frage : Entstehung und Entwicklung eines europäischen Problems der Kriegs- und Nachkriegszeit
408 SCHLUSSBETRACHTUNG im Mittelmeerraum gelangen zu lassen. Und dabei ist Italien infolge der gewaltigen Vermehrung seiner Bevölkerung, die jährlich nahezu eine halbe Million Menschen beträgt, auf Expansion angewiesen, ebenso wie auf Zufuhr von Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Zwei feilos ist dies Italiens beherrschendes Problem und darin ist es be gründet, wenn der Faschismus für seine Ausbreitungsbestrebungen den Begriff des Imperialismus nicht anerkennen will. „Unter Im perialismus
', so erklärte beispielsweise die „Alpenzeitung' am 25. April 1926, „versteht man das Streben einer Nation nach mehr, als ihr nötig ist. Italien strebt aber nicht mehr an, als es braucht.' Der Lebensraum, in dem Italien sich allein ausbreiten kann, ist das Mittelmeergebiet, dessen afrikanische und asiatische Küsten länder noch zahlreiche Menschen aufnehmen können, und eben des wegen erweisen sich England und Frankreich, die das Mittelmeer beherrschen, im Ernstfalle und im ganzen gesehen immer
und an die deutsch-französische Verständigung knüpfen. Insbesondere läßt ein „Rastignac'-Artikel im „Secolo' Ende Juli die Unlösbarkeit des Problems erkennen, das an die Lage der Zwickmühle erinnert. Denn wenn der Senator Morelli die Frage auf warf, ob Italien Deutsch lands Aufnahme in den Völkerbund zulassen dürfe, ohne daß hin sichtlich der Brennergrenze weitere Garantien übernommen würden so bewies das, wie sehr sich auch dieser angesehene Journalist in die Südtiroler Sackgasse festgerannt hat. England
und Frankreich, die vor allem als Garanten der Brennergrenze in Frage kommen, haben keinerlei Interesse, Italien in dieser Frage zufriedenzustellen, und es bedeutet nur eine nutzlose Bindung der italienischen Politik, daß es um dieser Frage willen den beiden Mächten nicht frei gegenüber treten kann. Als Aufnahmeland für den italienischen Bevölkerungs überschuß aber hat Südtirol nur eine geringe Bedeutung, denn ob-