Freuden und Leiden eines Landgeistlichen ; Bd. 2
Am nächsten Morgen wanderte ich zur Waldrast hinüber. Ich traf den Herrn Nikolaus — so hieß der Priester — zu Haus. Seine Wohnung war. ein Kloster, in alten Zeiten von Nonnen bevölkert, die langst anderswo einen Aufenthalt gefunden hatten. Die Kapelle ist in's Kloster eingebaut und das ganze Gebäude umfaßt von drei Seiten ein niedliches Gärtchm, dessen vierte Seite von einer himmelhohen Felswand begrànzt und abgeschlossen wird. Das Plätzchen ist still und traulich, wie nicht leicht
eines. Im Garten fand ich Herrn Nikolaus in àer Haselstaudenlaube an einem festen Tisch von Eichen- Holz sitzend; ein tüchtiger Stoß Schriften, in Hefte zier lich zusammen gebunden, lag vor ihm auf dem Tisch, in einem blätterte er. Ich hatte ihn in meinem Leben nie gesehen, war ihm völlig unbekannt, hatte mich aber doch des herzlichsten Empfanges zu erfreuen. Nikolaus war ein schmächtiges Mannchen, kurz und hager; sein auf fallend in's Lange gezogene Gesicht, sein schöner Mund, seine großen, blauen Augen