den gesamten Lebenschythmus dieses Bauern. Die Berge stehen über den Menschen. Die Menschen haben mit den Bergen nicht viel zu tun; denn es ist dort nicht viel zu gewinnen. Wer nicht muß, steigt nicht hinauf. Der Fremde staunt, wie wenig Menschen aus der Gegend jemals auf einem dieser Berge oben waren. Man erhält sehr schlechte Auskunft über die Entfernungen, ja nicht einmal die Namen stimmen immer genau. Die Berge stehen eben schon über der engeren Bauernwelt, sozusagen zwischen Himmel und Erde
, zwischen Gott und den Menschen. Weil dort das Menschenwesen eine Grenze hat, bevölkern die Bauern ihre Berge mit anderen, „höheren' Wesen. Dort über den Almen geht das „Kaser mandl' um, in den Schrofen haust der „Damische Jager', und in den Wänden hockt die „Trub'. Was Mensch sein will, muß dem Bauer so nahe sein, daß er es anreden und angreifen kann. Die Berge und was in ihnen steckt, das sieht der Bauer nur, das spricht und greift er nicht. Gerade die Tatsache, daß die Berge über dem Bereich seiner Arme
und Beine liegen, jenseits der bäuerlichen Arbeitswelt, das macht das Besondere — das „Geistige' könnte man sagen — in der Wirkung der Berge auf die Menschen aus. Dem Fremden fällt es auf, daß fast alle Bauernhöfe hier im Tale verkehrt stehen: denn sie recken der schönen Aussicht ihre Stallseite hin; währen- man vorne bei den Stubenfenstern nur die steilen Wiesen, ein Stück Wald, ein Stück Berg und nur wenig Himmel sieht. Die Menschen hier verstehen nicht, was an einer Aussicht „schön
, könnte er nicht sein. Am deutlichsten erkennt man die Wirkungen der Berge auf die Menschen Lei jenen Leuten, die sehr viel mit den Bergen zu tun haben, also bet den Almleuten, den Hütern und Jägern. Sie sind die „Höchsten' in der Gemeinde und auch die einzigen, die mit den Bergen im Kampf stehen, wenn die Lahnen gehen oder die Wildbäche schießen, wenn die Muren die Almwkesen überschütten oder die Bergnebel das Vieh versprengen. An diesen Menschen steckt etwas ganz Eigenes, schwer zu Be schreibendes: Überquellender, kecker Mut