¬Der¬ Schlern ; 1. 1920)
badet immer seid Ihr die Berge des Lichtes, eines anderen, höheren, lebensvolleren Lichtes, als der Himmel es den übrigen Bergen geben will! Ihr Berge, voll eigenster Form! Keine Bergerscheinung kommt der Euren gleich. In überwältigender Kühnheit hat Euch die Baukraft der ewigen Natur gemeißelt und getürmt, so wild und groß, so jäh und schrecklich, so zartgegliedert und so unglaublich. Kleinster Tiere, blumen- gleicher Wesen, meeresgeborenes Werk seid Ihr und dem Armeer entstiegen, ins Licht
Gegenwart dulden; dort ein dünnes Fingerlein, das aus dem sonnenroten Stein des Grates aufgereckt wird. And wie lebendig wach, sendes Märchen, wie die steingewordene Dichtung göttlicher Träume seid Ihr. Da- rum reißt der Anblick Eurer Schönheit uns empor zur Göttlichkeit der Empfindung, der Sehnsucht und des Wollens! Ihr Berge, reichsten Wechselspiels, entzückendster und furchterweckendster Laune! Heut« goldlichtbeg offen vor dem blauen Himmel als unwiderstehliche Verlockung hervortretend, morgen
Glühen, das zitternd wie daS Feuer im glutigen Stahl Eure Leiber durchbebt. 'Selbst im Stundenkreis eines einzigen Tages wechselt Eure Erscheinung fort und fort. Der Beweglichkeit des Lichtes folgt Euer Ausdruck und Euer Wesen sogar, und wenn andere Berge das Bild höchster Beharrlichkeit bieten und sich nur nach Kraft der Beleuchtung, des Schattens, der TageShelle oder Tagestrübe richten, so habt Ihr die Kraft, all dies hundertfach ver- stärkt und verändert Euch anzueignen und uns schauen zu lassen
. Ihr Berge der Farbensymphonien! Es gibt keine Färbung, der Eure Felsen unfähig wären. Wenn sie in dem feinen Grau, im Gelb, Orange und Kirschrot, im Blau aller Tönungen, in dem Lichtglanz der keine Farbe, nur einziger Schimmer ist, in der Rotglut des höchsten Abendleuchtens erscheinen, so ist es das Spiel der Sonne und der Nacht mit der Farbe des Gesteins; aber ein Spiel, das sie in dieser Buntheit, in diesem taumelnden Wechsel, in diesem köstlichen Tanz von Farben und Stimmungen nirgends zu spielen