„Familie" in Szene. „Romeo und Julia." (Benefiz Bernhard Marholm.) ,^ZW Herrn Marholm scheint es nicht so sehr an Be gabung wie an Einsicht und gutem Willen zu fehlen. Dazu kommt, daß ihm gerade in Innsbruck die nötige energische Schulung durch einen scharfen Regiffeur mangelt, der ihm bewies:, daß er noch lange nicht so weit ist, auch an einer Provinzbühne minderen Ranges in ersten Rollen aufzutceten, der ihm klarlegte, daß Nachahmungsversuche größerer Vorbilder in seiner Lage viel schlimmer
als eigene, wenn auch mißglückte, Selbsttätigkeit sind. Herr Marholm hat zu seinem Benefize den Romeo gespielt, ja er hat ihn wahrhaftig gespielt — aber wie! Er war, um mit Burckhard zu sprechen, der „traditionelle mit Krawateltenor behaftete schmachtende Jüngling." Die klägliche Tonart, die er sich für die Rolle zurechtgelegt hatte, das ruckweise Sprechen, durch ruckweise Körperbe wegungen unterstützt, eine wahre Manie, das unpassendste Wort zu betonen, machten seinen Romeo zur ungenieß baren
und unmöglichen Figur. Dabei hatte er stellen weise recht gute Ideen, die aber über den Ansatz nrcht hinausreichten und in Lächerlichkeiten ausarteten. So z. B., wenn sich Romeo-Marholm im höchsten Schmerz zu Boden wirft und klagt, so ist diese A-ußerung des Affektes ein sehr brauchbarer Behelf, die aber nicht aus- sehen darf, als wenn der Darsteller sich in grimmigem Leibschneiden winde, anstatt in Liebesgram. Dazu hatte Herr Marholm eine ganz unzulängliche Julia als Part nerin. Die unvergleichlich schöne
Balkonszene wurde von Frl. Ott und ihrem Romeo gründlich ad absurdum geführt. So sprechen eine Köchin und ihr Korporal beim Stelldichein, aber nicht Romeo und Julia. Auch Frl. Ott hatte ihre guten Momente, die aber nur blitzartig austauchten und resultatlos im N>chts versanken. Eine reizlosere Julia und ein geschmackloserer Romeo lasten sich kaum denken. Der ganze süße Hauch Ihakespeare- scher Liebespoefie war verwischt wie die Schuppen eines schönen Falters, über den eine lappige Bubenhaod geraten