Erste Beilage zu Nr. 17 der „Lienzer Zeitung' vom 10. Juni 1899. Sonnwenöspruch. L o lodere, Feuer, und knistere laut Und brenne und senge all giftiges Kraut, Auf daß es uns nimmer versehre! Nicht Eisenkraut und Rittersporn, Nicht Beifuß, Klette, Judendorn Und mancherlei schädliche Beere! I Nein, schlimmeres Kraut als dieses ist, Gen das wahngläubig vor vieler Frist Die Väter zu Hilfe dich riefen, Viel schlimmeres ist's, das wir dir weihn; Das schleicht sich und bohrt sich verzehrend
. Indessen wurde ein nennspeichiges mit leicht entzündlichem Werg umgebenes Nad . von neun Männern — 3X3, weil die Dreizahl den Germanen heilig war, so schnell von Ost nach West um seine Achse gedreht, daß sich durch die Reibung das wilde Feuer entzündete. Diese Glut mußte vor Sonnenaufgang gewonnen sein, wenn sie heiligende Gewalt besitzen sollte. Unter Jauchzen und Waffenklirren fachten dann Gottesfrohnden den Holzstoß an, und blumengeschmückte Gesippen tanzten um ihn den Schwerttanz und warfen
Giftkraut in die Glut, um es zu ertöten, und Heilkraut, uns die Segenskraft des Feuers zu erhöhen. Wer das Feuer umtanzt, wer es umsungen und hineingeschaut hatte, der blieb das Jahr hindurch von vielen Uebeln, namentlich vom Sonnenstiche und von Augenübeln befreit. Vieh, daß man über die Brandstelle führte, blieb vor Verhexung geschützt, und die Asche des verglommenen Feuers vermehrte die Frucht barkeit des Bodens und übte große Heilkraft in vielen Dingen. Dann opferten sie drei Thiere: einen weißen
aber trugen sie nach Hause, um mit ihnen das heilige Herd feuer neu zu entzünden, und die verkohlten Ueberreste nagelten sie an die Thüren und warfen sie auf das Dach, um den Blitz und dem Bösen den Weg zu wehre»; denn Glut selbst, die des Gottes reinen Leib verzehrt hatte, war so heilig nnd rein, daß sie Siech tum nicht duldete. So war der Sonnwendbrauch unserer Väter in der grauen Vorzeit goldenen Tagen. Als dann das Christentum in die deutschen Wälder drang und dem germanischen Götter glauben ein Ende