von allen italienischen Staatsbürgern auf die Waage. Niemand ist so schlank und rank wie wir Südtiro ler - im Schnitt, versteht sich. Den darauf kommt’s an. Nicht auf den Durchmesser, sondern auf den Durchschnitt. Den Durchschnittssüdtiroler aber gibt’s nicht, sondern er ist ein Produkt. Deswegen will ich heute hier jenen Mann beschrei ben, der alle Statistik, die autono me wie die gesamtstaatliche, wi derlegt. Es ist mein Freund und Nachbar Karl. Karl Reichhalter, 60 Jahre alt, 1,70 groß und 140 Kilo schwer
. Ungefahr. Denn auf ein paar Kilo auf oder ab kommt es bei dieser Menge nicht an. „Das letzte Mal war ich jedenfalls 140“, erklärt Karl, und letztes Mal ist nicht lang her. Karl ist auch nicht von der Sorte Menschen, die zu verbergen su chen, was sie mit sich herumtra gen. Im Gegenteil, er zeigt alles her. Er „bringt es zur Wirkung", müsste man genau genommen sa gen. Wer den Mann noch nie gese hen hat, geht blind durch die Stadt. Oder ist Statistiker. Denn bei all ihrem Ehrgeiz, ganz genau
herauszubekommen, wie der Süd tiroler wiegt, im Durchschnitt, hätten sie das auffallendeste Ex emplar nicht einfach übergehen dürfen. Karl ist von den Rechen knechten des Astat nie gefragt worden, wie viel er wiegt Eine Nachlässigkeit! Denn angenom men, unser Durchschnittsgewicht von 75 Kilo (männlich und älter als 20) stimmt, dann hätte Karl maßgeblich dazu beigetragen. Aber Karl selbst, bescheiden und jeder Haarspalterei abhold, sieht es noch einmal anders .und fragt sich: „Wenn sie mich mitgewogen hätten
, weiß Gott, ob die Südtiro ler auch dann noch die schlank sten von Italien wären.” Wie lebt ein nur durchschnittlich großer Mensch mit 140 Kilo Kör pergewicht zusammen? Schwer, kann die Antwort nur lauten. Und zu wissen, dass man einem Volk angehört, das den Schlankheits rekord hält, vereinfacht es auch nicht. „Hätt’ ich mir nicht ge dacht", quittiert Karl die Nach richt von dieser Woche. Aber er will es sich nicht zu nahe gehen lassen. „Ich bin ja nicht drin in de ren Rechnung.“ Karl
war einmal Schlosser. Unter Schlossern sind starke Gewichte gar nicht so selten, und solang er in der Fabrik war, hat er seine Masse wiederholt mit Vorteil zum Einsatz bringen können: an der Drehbank genauso wie gegen über manchem unliebsamen Kol legen. „Da war mir’s keiner.” Heute, mit 60 und in Pension, weiß er w'eniger damit anzulan- gen. Das Aufstehen und Zu-Bett- Gehen gestaltet sich schwieriger, das Stiegensteigen lässt ihn kurz atmig werden (Karl wohnt im er sten Stock), die Essensbeschaf- lung