88 Erster Abschnitt. sam neu erworben werden, auch bei Erbübergang unterliegt es mancherlei Beschränkungen und Abgaben. Ein nachlässiger oder sonst ungeeigneter Bauer kann vom Gute entfernt werden *). Auch den Totfall möchte ich fur Tirol zu den grundherrlichen Abgaben zählen 2 ). Die hierhergehörigen Nachrichten sind wesentlich auf das Inntal beschränkt. Für die spätere Zeit bieten die Weistiimer auffallend wenig Stoff; als ausdrücklich betontes Rechtsinsiitut mufs die Grundherrschaft seit

dem 16. Jahrhundert ganz zurück getreten sein; es gibt aus dieser Zeit gar keine Bautädinge, und Analogien anderer deutscher Landschaften legen die Annahme nahe genug, dafs auch in Tirol die Grundherrschaft zum blofsen Kenteninstitut herabgesunken ist. Besondere Pflichten des Grund' herrn werden ja bei der dinglichen Natur der Verhältnisse nicht erfordert; anführen will ich, dafs einmal von ihm die Versorgung mit einem Pfarrer verlangt wird 3 ), doch mag hier der geistliche Stand des Herrn mitspielen. Einflufs

doch die dunkeln Züge über wogen haben (sie spiegelt am deutlichsten die Beschwerde von •^■Sstelpfund 1426), denn die elementare Erregung des Volkes — Namentlich wirtschaftlich begründet, auch religiöse Gründe spielen Wein — äufserte sich in Tirol wie ja auch anderwärts in dem Bauernaufstände von 1525, der noch ein kleineres, wie es scheint, ■oehr durch persönliche Ehrsucht eines einzelnen (Balthasar Dosser Von Lüsen) ins Werk gesetztes Nachspiel in den Jahren 1561/62 hatte. Ich habe soweit von „äufseren

' Bedingungen des tirolischen Volkslebens gesprochen und gehe nun zur Charakteristik der »inneren' Anlage des tirolischen Volkstums über. Indem ich von ^eser landläufigen Unterscheidung zunächst Gebrauch gemacht ^be, bin ich mir wohl bewufst, dafs streng genommen nur die Natürliche Umgebung als solche von dem menschlichen Innenleben Völlig ablösbar ist, während die wirtschaftliche und soziale Ent- 1) Vgl. oben S. 27 f. 2) Vgl. Ina ma S. 404. 3) Zingerle, Sagen, Märchen und Bräuche aus Tirol (Innsbruck 1859

. Dieses Verhalten der Herren gab ein Beispiel für die Wohl fahrtspflege innerhalb der bäuerlichen Bevölkerung selbst. Hinzu kam aber das starke Gewicht, das die Kirchenlehre gerade auf die Werke christlicher Barmherzigkeit legte. Ihr Einflufs war in dem Grade wirksam, dafs den ursprünglich frei moralischen Hand lungen bald in wachsendem Mafse eigennützige Jenseitshoffnungen zugrundegelegt wurden. Obzwar das gewifs auch in Tirol der Fall war B ), verlohnt es sich doch, die Formen des Wohl wollens

sie ein gewissenloser Gatte um ihr Geld bringt '). Man kann verordnen, die elend nach Hause zurück gekehrten Verwandten sollten von den Hausherrn gehalten werden „als wie der andern derselben hausvolk eins' 8 ). Man kann, wie 1) Vgl. Kastelpfund (1426) IV, 326ff. 2) Glums (1440) III, 6, Schlots Tirol (1505) IV, 8. 3) Zingerle Nr. 1099 (Brixen). 4) Chur (1427) III, 337. 5) S. oben S. 54f. 71 f., unten S. 343 f. 6) S. oben S. 116, unten S. 347 f. 7) Münsterthal (1427) III, 352, s. oben S. 61. 144. 154. 8) Thum (1575

zu verhindern. Aufser dem Magddienste kommt namentlich die mehr verantwortungsvolle und selbständige Besorgung der Almwirtschaft 4 ) für das Weib in Betracht; dann werden Mädchen auch zum Drehen des Mühlrades, zur Besorgung der Backöfen gebraucht 5 ). Die eigentliche Bestimmung der Frau aber ist die zur Ehe; unter dem üblichen Erbe der Tochter spielt die Brauttruhe 11 ) ihre ständige Rolle, und der älteren Jungfern gedenkt wie anderwärts auch in Tirol der Volksmund mit leiser Ironie

der Hauswirtschaft nicht zu denken, wie sie im ostfalischen Rechtsgebiete bestand, vgl. Schröder S. 735. 1) Mölten (1581) IV, 179, s. oben S, 85f. 2) Sterzing (ca. 1400) IV, 428, vgl. Fastnachtsspiele I, 109f. 3) Stäben und Tablant (1621) III, 324. 4) Tirol (1462) IV, 60. 5) Brixen (1378) IV, 389, vgl. Grimm S. 351. 6) Thum (1575) IV, 6Ö2. 7) Zingerle S. 429. 8) Bucb VII, Tit. XIV. 9) Buch III, Tit. VI.

des Lechtales wegen einer gelungenen Kriegslist vor den Männern zum Opfer s ) gehen dürfen. Nur das Privileg, in der Kirche den Hut aufzubehalten, scheinen die Weiber schon im bäuerlichen Tirol des 17. Jahr hunderts gehabt zu haben 4 ). Ein wesentliches Unterscheidungsmal in der Auffassung der Geschlechter bietet die sexuelle Ehre 6 ). Sie ist nur für die Frauen stärker ausgebildet 6 ), doch bleibt der Ehebruch des Mannes nicht ungestraft. Jedenfalls aber sinkt der persönliche Wert der Frau in ganz

von Heergewäte und Grade namentlich in Tirol üblich — ich ge stehe offen, dafs ich auf das materielle Ehe- und Erbrecht nicht geachtet habe ; die Entscheidung über diese Frage und viele andere, die unsere Unter suchung im Vorbeigehen streift, ist Sache der Rechtsgeschichte. 1) III, 352.

es im 13. Jahrhundert noch bis Jenbach Ladiner gegeben hat (vgl. Kögler, Tirol als Gebirgsland, Samml. gemeinnütz. Vortr. XVI, II, S. 11), im Vintschgau bis ins 18. Jahrhundert, hindert nicht, dafs diese Ge biete wesentlich deutsches Recht haben. Auch mit dem Volksbewufstsein mufn es übereingestimmt haben, denn es findet sich in ganz autonomen Ge meinden geradeso wie in den herrschaftlich beeinflufsten. 2) Vgl. K. Th. v. I n a m a - S t e r n e g g „Die Entwickelung der deutschen Alpendörfer' in Baumer-lliehls Hisf

durchzuführen. Eine sorg liche Abwehr alles Fremden macht sich in der Denkart der unteren Kreise geltend, eine Gesinnung, die den höheren Schichten in all gemeinen Kulturfragen besser angestanden hätte. Das „heilige almuesen' *) behält — ohne weiteres in katholischen Ländern wie Tirol, wo man ja den Evangelischen gegenüber gerade auf die guten Werke Gewicht legen mufste — seinen Ehrentitel ; aber seine Darreichung wird in einer Weise verklausuliert, die der Vorstellung einer unbedingten Heiligkeit