Italien, das aus nachbarlichen Gründen ein gewisses Interesse an unserer Staatenbildung haben könnte, ist es keinesfalls; das zeigt schon die Sprache, welche die Klerikalen, die sa die Zwischenträger des Selbständigkeitsgedankens sind, in ihren Blättern gegen Italien führen. SDer Ton, den sie anfchlagen, ist durchaus kein versöhnlicher, sondern eher als aufreizend zu bezeichnen. Italien hat aber auch kein Interesse an einein selbständigen Tirol. Im Gegenteil, früher oder später
wird es den Anschluß an Deutschland suchen, um den ländergierigen Jugoslawen, mit welchen schon vielfache natio nale Reibungen bestehen, wirksamer entgegen treten zu können. Für diesen Anschluß an chas Deutsche Reich wäre ein dazwischen liegendes selbständiges Tirol nur hinderlich. Auch Deutsch land, das seine Handelsbeziehungen mit Ita lien gerne wieder aufnehmen wird und auch poli tisch cm Italien eine Stütze suchen dürfte, könnte eine Republik Tirol nur als einen eingeschobe nen störenden Fremdkörper betrachten
, beson ders wenn dieser in Abhängigkeit von einer drit ten Macht steht. Dieser schädigende Einfluß des in Aussicht genommenen neuen Staatgebildes auf die ita lienische und deutsche Politik weist aber auch auf den Urheber der Idee hin. Weder England noch Amerika haben ein Interesse, zwischen Italien und Deutschland einen Keil einzuschieben: nur Frankreich, das beide Staaten mit Argwohn be obachtet, kann wünschen, beiden möglichst unbe quem zu werden, und dazu soll Tirol
mit seiner Selbständigkeitserklärung mißbraucht werden. Nun sehen wir aber auch schon, in welche Rich tung unsere künftige Politik gedrängt würde: Ein gegen Italien und Deutschlaird freund schaftlich^ gesinntes Tirol würde den Franzosen nichts nützen. Wir müßten demnach, ob es uns paßt oder nicht, eine hauptsächlich gegen Deutsch land, das von den Franzosen noch immer mit ihrer ganzen Leidenschaftlichkeit gehaßt wird, feindselige Politik betreiben und den beiden Staaten Hindernisse und Erschwernisse aller Art bereiten. An diesem Punkte
aber ist ihnen ein Greuel. Daher also kommt es, daß sich die Franzosen eben an diese Partei und an feine andere wendeten und nur mit den Christ lichsozialen geheim verhandelten, denn nur bei ihnen konnten sie auf Verständnis und Gegen liebe rechnen. Je größer die Entfernung zwischen Italien und Deutschland ist, desto lieber ist es den Fran zosen, deshalb wären sie mit der Rückgabe Deutsch-Südtirols an Tirol wohl einverstanden, aber — Deutsch-Südtirol ist nicht in französi schem, sondern derzeit in italienischem Besitz