Nr. 24 Donnerstag, den 80. Jänner 1936 Seite 3 Wie aus einer Orientreise nichts — und doch eine andere wurde Von Willy Pollak Und das kam so: Also man sitzt da ganz behaglich in dem schönen Budapest, man träumt sich bereits in die Wundermärchen des Orients hinein, phantastische Bilder tauchen vor uns auf, man schmiedet Pläne, wie man am besten die Reise aussühren will — erst Belgrad und Sofia, und dann weiter in die Türkei und Kleinasien, und wäh rend all das als so ganz abgemachte Sache gilt
muß man doch auch etwas für seine Bildung tun, und es hört sich ganz nett an, wenn rnan davon zu Hause er zählen kann. Am schönsten ist natürlich Budapest im Sommer — da blühen die Rosen aus der Margareten-Jnsel. man fährt zum Balatonsee oder nach Lilafüred ins Hochgebirge — aber erzählte ich Ihnen schon, wie wir 'Silvester feierten? Vornehm) wie wjr nun sind, blieben wir natürlich im „Gellert", aber da gab's auch eine „Hetz", zuerst fabelhaftes Diner und dann wurde getanzt und geküßt und Konfetti
von Urgemütlichkeit für mich, ein Stückchen Romantik und ein bißchen Biedermeier, nichts Haftendes und Treibends, ein wenig Großstadt und doch rings herum die Berge und Höhen. Sehen Sie, gnä dige Frau, das muß man lieben, um zu verstehen, und auch in dem uralter: Hotel Elefant, in dem wir uns nun behag lich sein lassen, liegt so etwas von Urgroßvaterszeiten, das uns rasch hier rvarm werden läßt. Und heute nachmittags werden wir auf dem Hilmteich Schlittschulaufen, wie in unserer Kinderzeit, so ganz richtig
, aber nur für wenige Tage! Der hübsche Hafen, weiter draußen die Adria, und Schloß Miramare, in dein einst Kaiser Maxi milian glückliche Tage verlebte, heute der Wohnsitz des Herzogs von Aosta — die terrassenförmig gebaute Stadt, ein klein wenig an Neapel erinnernd, ein anmutiger An blick. Und große und kleine Schisse und hübsche, schwarz äugige Italienerinnen. , Venedig: Kanäle, Paläste, schwarze Gondeln, und in mitten dieses unruhigen, etwas düsteren, ja unheimlichen Getriebes ganz große Kunst, Zeugen
des Klassizismus, aber auch der Macht dieses Jnselvolkes. dessen armseligste Hütte mit zu diesem Freilichtmuseum gehört, das uns immer wie der packt und das wir doch nie ganz verstehen werden, ver stehen können. Und nun, gnädige Frau, rasch noch einen Blick nach Mailand, bev«r wir uns unserem vorläufigen Ziele, der Rivieva, nähern. Es ist hier alles imposant, ein wenig nüchtern. Sehen Sie den Bahnhof, er" ist erst vor wenigen Jahren erbaut worden, ein Kolossalgebäude, wie es in Europa wohl kaum einen zweiten