Der Brenner, 19 galt als Kaiserstrasse. So knüpften sicli an die friedliche Erwerbung kriegerische Unternehmungen, weiter und weiter verschoben sich die deutschen Vorposten gegen Süden, Trient ward eine gemischtsprachige ■Stadt, in Rovereto liess sich eine deutsche Colonie nieder, selbst bis vor die Thore von Verona und Vicenza rückten deutsche Siedler vor. Dem entsprechend verlegte sich auch der Schwerpunkt des Landes nach Süden, der geistliche Mittelpunkt wurde Brisen, und es zeugt der Name
der Grafschaft Tirol davon,, dass die reizvollen Gelände des Etschthals das politische Centrum geworden waren. Heber den Brenner hingen die südlichen Ausläufer mit dem .Stammland zusammen, und wohl lässt sich Tirol defmiren als das Land zu beiden Seiten des Brenners. Mitten im Bereich deutscher Zunge gelegen, bedurfte der Brenner keiner Befestigungsanlagen; schon 1241 wurde das Schloss Lueg zerstört, welches den nördlichen Zugang zum Pass deckte, und die südlich des Passes ob Gossensass 1220 erbaute Burg
Raspenstein musste schon 1221 wieder geschleift werden. Länger erhielt sich die Veste Strassberg im Thal zwischen Gossensass und Sterzing. Dieses Schloss war ein Lehen des Hochstifts Brixen, es wechselte öfter den Besitzer und ist seit 1600 schon jene malerische Ruine, welche sich hoch über der Brennerbahn, dicht unterhalb •Gossensass, erhebt. Kein kriegerisches Gewerbe knüpft sich während des Mittelalters an den Brenner, ein friedlicher Metallbergbau gelangte an seinem Südfuss, im Pflerschthal
Erzeugnise statt, zwischen seinen engen Wänden hindurch vermittelten sich die belebenden Beziehungen künstlerischer und wissenschaftlicher Natur im Zeitalter der Renaissance und Reformation, wanderten später die Geschäftsträger Roms. Nur zweimal, 1703 und 1809, überschritten fremde Kriegsvölker das Bindeglied zwischen dem nördlichen und südlichen Tirol, und es ist wohl bezeichnend, dass in beiden Fällen der Brenner ungefährdet passirt wurde: erst im oberen Wippthal, im Sterzinger Becken, erwartete
und vernichtete der Tiroler Landsturm die Feinde. 'Die alte Strasse des Augustus und Claudius hat diese Zeiten wohl kaum noch erlebt; im frühen Mittelalter mag sie schon verfallen gewesen sein; schon 1450, also weit früher als irgend ein zweiter Alpenpass, ward der Brenner wieder fahrbar gemacht# und 1772 war die erste Kunststrasse über ihn hinweg vollendet. Unausgesetzt ist an derselben seither gearbeitet und verbessert worden, aber