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Alpenländer-Bote
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Seite 5 von 16
Datum: 12.04.1925
Umfang: 16
ffc. B. Gr«» * LMNtggs-Nntrrhsltung 18 Wolf Haberlcmd. Erzählung von Ferdinand Benz. Grete suchte Wolf überall zu fesseln und ihm nahe zu sein. Aber er hütete sich, ihr irgend wel ches Zeichen einer besonderen Bevorzugung zu ge ben. Er wollte um keinen Preis die Ruhe seiner Seele noch einmal gefährden. Mit Ausflügen in Regensburgs Umgebung vor- rannen die Osterferien nur zu rasch und'Wolf kehrte in sein Seminar zurück, während Artur sei nen Dienst schon seit einigen Tagen ausgenommen

hereinführen. Thilderl war zornig und ihre Gedanken flogen Zwischen Wolf und dem klotzigen Bauernburschen, der steif auf der Bank saß, hin und her und zogen Vergleiche. „Grüß dich Gott, Thilderl!" sprach der fremde Dauer. Sein Sohn grüßte und lochte verlegen. „Du weißt ja, Thilderl, warum wir gekommen sind," fuhr der Bauer fort. „Ihr beide sollt glück lich werden miteinander auf dem schönen Holler-? Hof. Deine Mutter oder dein Vater wird es dir schon gesagt haben?" „Meine Eltern haben mir nichts mitgeteilt

. Ich kann keinen Mann mehr liebhccken, so lange ich lebe. Es gibt nur einen, an dessen Seite ich Glück finden würde. An ihm hängt meine ganze Seele. Ich kann ihn nie vergessen. — Mutter, ich liebe unfern - Wolf!" Der Mutter stand für Augenbllcke das Herz still vor Schrecken. Es war ihr, als müßte etwas Ent setzliches sich ereignen, als müsse das Haus ein- stürzen. Sie rang nach Atem, als würgte sie je mand am Halse. Sie setzte sich in das Dunkel der «tubenecke. Ihre Füße trugen sie nicht mehr. „Um Gvtteswillen

," seufzte sie nach einiger Zeit und preßte die Hand krampfhaft zusammen. „O Kind, was für ein Geschick schwebt über uns. Nie darfst du cm Wolf denken in irdischer Liebe. Er wird Priester und ist von Gott berufen. Kind, ich bitte dich zertritt diese Gedanken von Anfang an." „Willst du mich unglücklich machen? Ich mag keinen anderen, weil ich ihn lieb habe. Mutter, gib mir den Wolf, laß mir meinen Wolf!" Thilderl rang die Hände und weinte. „Ich beschwöre dich Kind, laß ab, sag nichts mehr davon

, du bringst mich ins Grab!" Die Frau stehle wie eine Verzweifelnde. Jetzt mußte sie mit der Zeit ihre Schande heraussagen und schreien: ..Du kannst deinen Bruder nicht heiraten! Wolf ist dein Bruder." Wann würde dieser schreckliche Tag kommen? Sie wünschte sich aus das Sterbe bett, um kurz vor ihrem Tode alles zu offenbaren und dann auf ewig Abschied nehmen zu können, Später tröstete sich Frau Hedwig mit dem Ge danken, daß Wolf bei seinem Berufe blecke und von Thilderls Plänen gar nichts wisse. Aber neue

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Seite 5 von 16
Datum: 11.01.1925
Umfang: 16
fit. L. Btto 5. 2?0I1 IN i iterhsltungf « Wolf Haberlanö. Erzählung von Ferdinand Venz. Hatte Wolf an Mezberger einen väterlichen Freund, so war ihm Thilderl wie eine liebe Schwe ster. Oft kam sie zu ihm und konnte stundenlang in seine lateinischen Hefte sehen und die fremden Wörter betrachten, die Wolf mit flinkem Stifte hinschrieb. Das Mädchen brachte ihm manch be sondere Speise, die ihm die Mutter schon in der Absicht gab, daß Wolf auch etwas davon bekom men sollte. Thilderl

war aber zugleich das Gesamtpublikum, dem Wolf in fteier Erzählung alles kundgaü, was in feinem Knabengeiste hin- und herwogte. Mit jedem Tage wurde das Staunen des Mädchens größer. Es erzählte den Eltern und Dienstboten, was es bei Wolf hörte. Alle waren neugierig und suchten ihn zu bewegen, daß er ihnen beim Essen auch seine Geschichten erzählen möchte. Aber ganz umsonst. Nur einer wurde der Vertraute seiner Geheinmisse, nämlich der alte Toni. Dieser war in den feuchten Herbsttagen wieder von der Gicht

ge plagt und lag entweder in seiner Kammer, oder saß in der Ofenecke. Ihn besuchte Wolf alle Tage und erzählte ihm seine Pläne und Arbeiten. Als wiederum der Winter von Oedenhaid Ab schied nahm und die Schafe täglich schon an den Südseiten der Berge grasten, als wieder die Zeit kam, in welcher die Rosse des Schäfers Landhaus auf den Acker zogen und die vom Schreiner aus gebesserten Hürden wieder ausgestellt wurden, da begann Wolf verdächtige Zeichen in seine Hefte zu malen, daß Thilderl große Augen

machte und der kranke Schaftoni den Kopf schüttelte. „Bub, ich glaub, du wirst ein durch und 'durch G'studierter. Jetzt bist du noch so jung und kannst schon hebräisch schreiben, wie der alte Samuel mit seiner krummen Nase." Was der Wolf zeichnete, waren griechische Buch staben. Immer weiter drang er ein in die Geheimnisse fremder Sprachen. Unter der beständigen Miene anstrengenden Nachdenkens hatte das längliche Gesicht des Knaben einen ernsten, willensstarken Ausdruck angenommen

. Seine Schulkameraden, die einstens ihn neckten und wie ihre Eltern ihn für einen Ueberflüsiigen gering schätzten, suchten jetzt seine Freundschaft: aber er ließ sie kurz an und ging trotzig seine eigenen Wege. Nur mit Thilderl ging er zur Kirche und an ihrer Seite heim. Sie wußte sich niemand auf Erden, mit dem sie so gerne plauderte, wie mit Wolf. Was für herrliche Tage brachte der Sommer wieder! Wie leicht arbeitete es sich in der Felsen burg. Kam ein Regen, so suchten die Schafe Schutz unter den weiten

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Seite 3 von 14
Datum: 01.03.1925
Umfang: 14
Sonntsgs-Anterhsltung Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Stahl bestellte die Grüße Lulus mrd Gretes und schilderte chren Zorn, daß sie nicht mitgedurft hatten. „Aber." sprach er. „ich herbe sie beruhigt und ihnen versprochen, einige Blindschleichen und Frösche für sie zu sangen." „Aber jetzt kommt doch in meine Burg, wo ihr die Rucksäcke oblegen könnt!" „Bravo, in die Burg! Ist sie weit weg?" fragte Seiling, „Da ist sie, bei den Felsen!" Sie gingen einige Schritte empor und traten

einer Joppe hatte Wolf ein blaues, weites Staubhemd an; nur barfuß war er nicht mehr, weil seine Fuß sohlen in der Stadt weich geworden waren und er nicht mehr wie früher mit seiner Hornhaut über spitzige Steine und Dörner lausen konnte, ohne einen Schmerz zu verspüren. Eine neue Hornhaut sich wachsen zu lassen, war ihm aber zu schmerzhaft. Außerdem konnte er sie nicht aus nützen, weil die Ferien zu Ende gingen, bis ein richtiger Dorn von ihr cünvich und sie nicht mehr durchbohren konnte. Zuerst zeigte

ihnen Wolf die Gegend mit Ber gen, Wäldern und fernen Dörfern. Drüben lag sein Olymp, der Berg mit den vielen Felsabstür- zen. Nach Osten deutend deklamierte der Schäfer: „Eos im Safrangewand' erleuchtete rings nun die Erde, Als der Donnerer Zeus die Unsterblichen rief zur Versammlung k Auf den obersten Gipfel des vielgezackten Olympos." Dabei wies er hinüber zu den Felsenschrofen und verlebendigte dadurch bei seinen Freunden das tote Wort des Buches. Dann aber wurde die Burg außen und innen untersucht

und als groß artig befunden. Auf ihren kleinen Wanderungen in Sicht der Herde gab es aber so viele Dinge, die sie interessierten, daß Wolf genug zu erklären hatte und manchmal selbst Liberfragt war. Die Augen der. Städtler fanden vieles, was Wolf als alltäglich übersah. Vor lauter Freude und Wisiensdrang dachten die drei gar nicht an Hunger und Durst. Es wurde aber Abend wie alle Tage und Wolf mahnte zum Aufiwuch. Er hing sich Seilings Rucksack auf den Rücken, die Freunde rafften alles übrige zusam men

, einige Pfiffe erschollen und die Herde sam melte sich und folgte den drei Hirten, welche sie zur Tränke und dann in den Pferch führten. Artur unb Seiling versuchten, die Pfiffe und Schnalz laute nachzuahmen, mit denen Wolf die Herde lockte. Sie hätten ihr bestes Turnerkunststück da für hergegeben, wenn sie auch nur halbwegs so Seifen und locken hätten können. Beim Schäferkarren ging der Jubel los. Ein ichtiges Häuschen auf zwei Rädern mit einem nichtigen Bette mitten auf dem Acker. Daneben ?er große

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Seite 5 von 14
Datum: 15.03.1925
Umfang: 14
Somitags-Änterhsltung Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Artur und Seiling sahen mit großen Augen auf Wolf. Sie hatten ihn noch nie ausgelassen fröhlich gesehen, aber dieser Ernst und diese Feierlichkeit war ihnen noch nicht bei ihm begegnet. Zum ersten mal Lachten sie daran, was es heißt, einen Beruf wählen. Sie sahen, daß ein Beruf von einem Men schen ungeheuer viel fordert, sogar das Leben. Das Sabelrasseln, das Einherstolzieren, das Be wundernlassen verblaßte vor ihrem Geiste

. Sie sahen weißen Schnee auf der Erde und neben ihnen war er rot von ihrem Blute. Sie schwiegen und dachten an den alten Schaftoni und den gro ßen Krieg, den er seit Jahren prophezeite. Wolf aber stellten sie sich vor, wie er im schwatzen Ta- lare einherschreitet, wie er sich niederbeugt über bleiche Gesichter der Sterbenden und wie ein Lä cheln huscht über die Mienen der Kranken, wenn sie ihn sehen und seine ruhigen Worte hören. Langsam verlosch die Glut des Himmels. Schwei gend erhoben sich die drei

. Wolf pfiff und lockte zur Heimkehr. Als sie mit der Herde zum Pferche kamen, war Thilderl bereits dort. Wolf streute noch rasch sei nen Tieren rotes Salz in die ausgestellten Rinnen, das sie gierig aufleckten. Dann trieb er sie in den Pferch. Die Freunde hatten bereits „Fräulein" Thilderl artig begrüßt und begannen, jeder mit eigenem Löffel bewaffnet, aus der gemeinsamen Schüssel zu essen. Es mundete ihnen vorzüglich und nach vielen Lobreden auf Thilderl und ihre Kochkunst mußte Wolf den Schlafraum

. In weiter Ferne flammte ein Wetterleuchten auf. Wolf blickte sich um. Die Luft war dunstig und der Himmel überzogen: „Heute Nacht könnt ihr ein Konzert hören, denk ich, in welchem die Trom meln und Pauken vorherrschen," bemerkte Wolf. „Wir müssen uns doch ein ruhiges Plätzchen suchen, zumal wir schon von der Herde weit entfernt sind." Sie gingen zur Schäfervilla, packten an und schoben sie näher zur Herde hin und zwar an den Ackerrain, in den Schutz hoher Schlehen- und Hol lunderstauden. Das Stroh wurde

nachgetragen. Wolf verhing vorsichtig den unteren Teil des Wa gens mit dichter Mache, die keinen' Regen und keinen Wind durchließ. Sie bot dem Hunde Schutz in stürmischen Nächten. Das Gestrüpp hielt den Hauptanprall des Regens auf. wenn es wirklich Gewitter geben sollte. Der Schlafsack war auf dem Stroh gebreitet. „Gute Nacht." hieß es und jeder kroch auf sein Lager. Auch Tyras legte sich der Länge nach zu Wolfs Füßen. „Schlaft nur ruhlg zu. auch wenn es donnert und blitzt. Das Dach ist gut

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Seite 3 von 14
Datum: 29.03.1925
Umfang: 14
Kt IS. «ew » ü Ammtsgs-A ntert lsl tung liiiiüi Wolf Havelland. Erzählung von Ferdinand Benz. »Nun, Thilderl, wenn ich so ein Sänger bin. mutz ich natürlich das nächstemal bekanntgeben: Mor- gen singt ein weltberühmter Tenor. Nicht erschrek- ken, meine Herrschaften!" „Ach, jetzt lacht er uns auch noch aus!" schmollte rhilderl. Mit allerlei Neckereien, die Zwischen Thilderl und Wolf hin- und herschrssen, kamen die drei rasch nach Oedenhaid. Die Hollerin war wieder in sich zurückgesunken

. Vor ihrem Manne und Wolfs scharfem Gesichte hätte sie nicht um die Welt den Schleier von ihrer Seele reitzen können. Was würde Wolf sagen? Sie auslachen und mit 2lb- Mu von sich stotzen? Konnte er nicht mit Recht sagen: Jetzt brauche ich keine Mutter mehr! In meiner Kindheit hätte ich ihrer bedurft!" Diese Gedanken schlugen ihrem Anlauf zum offenen Be kenntnis zu ihrem Kinde die Füße ab. Wolf bekam nach acht Tagen vom Pfarrer das Dekret zugesandt, in welchem die Nachricht stand, daß Wolf Haberland

in das bischöfliche Seminar als Kandidat ausgenommen sei. Der Student freute sich und mit ihm die geistlichen Herren und besonders die Hollerbäuerin. Der Pfad war hiemit betreten, der Wolf zum Priestertum emporführen sollte. War ihm der Weg nicht zu steil und nicht zu dornig? Die Zukunft mußte entscheiden. Gar oft quälte ihn das Heilandswort: Viele sind beru fen, wenige aber auserwählt. War er ein Er wählter? 11 . Nach der Freiheit der Ferien, die Wolf größten teils bei seiner geliebten Herde verbracht hatte, kam

zu verwirklichen gewesen. Die Bäuerin wollte übri gens von einem Ersatz nichts wissen und Thilderl at beleidigt, wenn Wolf davon redete. Im Seminar selbst wurde Wolf freudig begrüßt. Er kannte manche, die am Gymnasium bei ihm gewesen waren und auch Theologie zu studieren begannen. Im Studiensaale hatte jeder ein Pult für sich. Das war sein Eigentum, sein kleines Reichs Jeder ordnete es sich nach seinem Geschmacke. Die Bü cher wurden säuberlich aufgestellt, die Schreibge genstände geordnete, einige religiöse

Bilder oder Figuren schufen einen altarartigen Hintergrund. Die Werkstatt war fertig, die Arbeit konnte ausge nommen werden. Wolf hatte noch etwas beson deres in seinem Pulte, ein Sträußlein verdorrter Heideblumen, die er auf seiner Weide gepflückt hatte, und ein Bäuschchen Wolle, das er seiner »Hexe", seinem Lieblingsschafe, beim Abschied ab- genommen hatte. So hatte er den Anblick und den Dust von Herde und Heide bei sich. So unschein bar diese Andenken waren, so milderten

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Seite 5 von 16
Datum: 04.01.1925
Umfang: 16
Herrn, der mit wenigen Schritten am Schafkarren ftcmfcr Auf seinem Strohsack aber saß der er schrockene Wolf, l nt das Wbinsonbüchlein neben die Laterne gesunken war. Er war gerade bei der Vertreibung der Menschenfresser vom Eilande des Helden. Toni und Wolf schauten einander lange an; dann brachen sie in lautes Lachen aus, das vom Walde her widerhallte. „Junge, du markierst Gespenster!" „Ich Hab nur gelesen." „Gelesen? Man liest doch bei Tag und nicht bei der Laterne." „Ich kann aber nimmer

. Jetzt ist es zwölf Uhr, jetzt wollen wir Pferch schlagen und dann schlafen. Ich habe also doch einen Geist erlöst und bin nicht umsonst in die Nacht hinausgewandert!" Nachdem der Standplatz der Schafe verändert war. krochen beide in den Karren auf den Stroh sack. Der Heimweg bei der Nacht war dem alten Geisterseher zu beschwerlich. Bald schliefen sie nebeneinander ein, friedlich der Alte, unruhig und von jagenden Träumen gehetzt der Knabe. Als sie in der Morgendämmerung von einander schieden, bat Wolf den Toni

. Ehe er forthinkte, mahnte er noch: „Bub, vergiß über deinem Buch deine Schafe nicht! Das Buch ist etwas Totes, ein Schaf aber etwas Lebendiges. Wenn du aber rechte Freude hast an den trockenen Büchern, dann halte dich an den Benefiziaten. Der Bauer nützt dir dann nichts!" Die Hollerbäuerin war in taufend Aengsten um ihr Kind, nein um ihre Kinder. Jedesmal, wenn nachts ein Gewitter über die Gegend fuhr, bangte sie auch um Wolf, den sie einsam bei seiner Herde wußte. Die Hollerin war allein zu Hause

, der Mann und die Knechte waren noch nicht heimge kommen. Nur die Mägde waren da und fütterten das Vieh. Wo mag das Thilderl fein? War es beim Wolf, war e^auf dem Wege mitten im Unwetter, hatte es sich irgendwo unter einem Busche vor dem Regen versteckt? Kaum ließ das Unwetter nach, da nahm die Hollerin einen Schirm und ging auf die Suche. Die Wolken waren in Trümmer geris sen und die Abenddämmerung machte sich geltend und brachte noch einiges Licht über die Gegend, nachdem das Düster der Regenwolken

hatten sie die Köpfchen beisammen. Die Bäuerin war unfähig, die Kinder zu wecken. Sie konnte die Geschwister nicht auseinanderrei ßen. Daß sie doch immer und allen Menschen gesagt hätte: ^.Der Wolf Haberland ist mein Bub." Viel leicht hätte sie der Hollerbauer mit ihm geheiratet. Dann hätte das Thilderl einen Bruder und sie einen Sohn, den sie nicht nur im geheimen als Kind lieben durfte. Soviel sie auch nachdachte, sie fand aus der Irrnis keinen Ausweg mehr. Die Hollerin horchte lange dem ruhigen Atem

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Seite 5 von 16
Datum: 28.12.1924
Umfang: 16
Nr. SS. Sette & Wolf HaheMnö. Erzählung von Ferdinand Venz. An einem schönen Maitage nahm der Schaftom ! seinen Lehrbuben mit zur Herde. Frisch war der Morgen, aber schwül der Mttag. Frühlingsodenr wehte ringsum. Die Herde graste an den Hängen, während die beiden Hirten und der Hund droben am Waldesrande standen. Tyras hatte eine leichte Arbeit, denn die Aecker waren weit entfernt. Der alte Hirte zündete sich seine Pfeise an, lehnte sich aus den langen Stiel seiner Schippe, blies blaue Wolken

in die Luft und blickte in die hüge lige, waldige Gegend hinaus. Wolf hatte es sehr eilig und konnte nicht ruhen. Er eilte beständig hin und her, übte sich mit seiner Schippe im Wer sen, trieb die Schafe zusammen und stellte viele Fragen. Der Alte lächelte und träumte von seinen eigenen Fugendjahren, die im kleinen Häuschen bei wenig Brot und vielen Geschwistern so lustig und selig verrannen. Schließlich aber sprach er: „Wolf, du bist ein Verschwender. Du mußt bes ser sparen. Der Tag ist lang und am Wend

sollst du auch noch Kraft haben: darum bleibe ruhig und mache nur die nötigsten Gänge!" Da stellte sich Wolf auch neben seinen Lehrer, stennnte sich gleichfalls auf den Schippenstiel und blickte in die Weite. Des dauerte eine Zeitlang. Dann begann der Kneäst von einem Fuß auf den anderen sich zu stellen. Er ermüdete. „Wenn du dich stellst," belehrte ihn der Greis, „so stelle dich immer fest aus zwei Füße, dann wirst du'nicht müde. Und vor den Leuten mußt du auch aus zwei Beinen stehen

und brach- ten sie abends wieder in die Hürden, nachdem die selben auf einem noch ungedüngten Teile des Ackers zurecht gemacht worden waren. Dann lehn ten sich beide an die Deichsel des Schäferhauses und verzehrten das Abendbrot. Langsam wurde es Abend und kühl kam der Wind aus dem Walde. Sie gingen schlafen, wie sie waren. Rur die Stiefel zogen sie aus. Zuerst kroch Wolf in den engen Bau, dann Toni. Sie zogen die Decke über sich und schlummerten. Um Mitternacht kroch der Alte her aus. Der Knabe

von neuem zu beginnen. Wolf hielt es mit den Büchern. Nochmals las er seinen Robinson und nochmals. Dann begann er ihn nachzuahmen. Droben am Waldhange, wo er die Weide überblicken konnte, baute er sich zwi schen Felsenblöcken eine richtige Hütte, in der er aufrecht stehen konnte. Er deckte sie so gut ab, daß kein Regen mehr durchdrang. Da drinnen saß er nun fast alle Tage und las, was er'nur immer er wischen konnte. Des Benefiziaten Bibliothek, so weit sie für ihn paßte, wurde vorgenommen, Band

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Seite 3 von 14
Datum: 01.02.1925
Umfang: 14
Nr. 8. em s. — - —- ■ — * SümiLsgs-Antrrhaltmig Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. So brachte sich Wolfgang gut durch, da ihm die Hollerbäuerin Pakete mit Brot und Würsten sandte und seine Hausfrau ihm viermal in der Woche reichlich kochte. Der Benefiziar und der Pfarrer, die gemeinsam dafür aufkamen, hatten es eigens verlangt. Mit feinen drei Kostplätzen aber war er ebenfalls recht zufrieden. Daß aber in Oe- denhaid Wolf nie vergessen wurde, dafür sorgte die Mutterliebe, die umso

eindringlicher sich gel tend machte, als sie unterdrückt werden mußte. Dafür sorgte auch Thilderl, die gleichsam ahnte, daß zwischen ihr und Wolf ein tieferer Zusammen hang gegeben sei. Bei den übrigen Kameraden stieg Wolf ganz be sonders durch . seine phantasievolle Erzählungs- gabe. Sie erblichten in ihm einen Abenteurer, der schon durch seine Herkunft ein ganz anderes, dor nen- und erfahrungsreicheres Leben hinter sich hatte, wie sie, die in ruhigen Familien ordnungs gemäß aufwuchfen. Am meisten

und drohenden Naturge walten, und er kam vom freudestrahlenden Ange sichte der Poesie. Einige beschlossen, in den großen Ferien Wolf zu besuchen. Sie wollten untertags in seiner Fel senburg wohnen, nachts aber im Schäferkarren schlafen und um Mitternacht ihm die Hürden stellen helfen. Sie beneideten heimlich Wolf um sein romantisches Leben. Sie hatten ja noch zu wenig von der Mutter Natur kennen gelernt. Sie hatten in Regensburg den gewaltigen Strom, der soviele Menschen an sich zog, daß an seinen Ufern

zahl reiche Städte lagern. Die Donau mit ihren Schüt ten, mit ihren Eisstößen, mit ihren schmutzigen Ge- birgswasfern zur Frühlingszeit. Aber der Strom ist zu gewaltig, um anheimelnd zu sein. Die prachtvolle Umgebung der Stadt kannten wohl die wenigsten. . Wolf bedauere nur, daß er niemand einladen konnte. Das sagte er chnen auch. Sein Haus am Berge stehe ihnen offen und: „Wenn ihr seinen Stadtherren mit einem wackeligen Schäferkarren zufrieden sein wollt, teile ich nachts mit euch gerne

Be merkungen Wolf Haberland reizte und durch unge rechte Zensuren ärgerte, so vermied es der Schüler doch, gegen den Lehrer aufzutreten. Er beugte sich wie seine alten Wettertannen. Er hatte sich daran gewöhnt, sich aus den: Genörgel des alten Poda- graisten nicht viel zu machen. Gleichwohl aber teilte er seine Erfahrungen dem Benefiziaten mit. Dieser riet ihm, ruhig weiter zu dulden und des alten Va ter Homers Mahnung zu beherzigen: „Erdulde, o Herz, oft hast du schon viel Hündischeres ertragen

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Seite 3 von 14
Datum: 18.01.1925
Umfang: 14
Nr. 3. ®«te 3 . j Lünntggs-Anterhaltung Wolf Hoberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Thilderl wollte es aus ihrer Sparkasse nehmen, die Bäuerin versprach, es ihm zu schicken, Toni ver hieß ihm die halbe Invalidenrente des Christ monats. Wolf reichte der Bäuerin die Hand. Die Frau zitterte, als sie die Hand ihres Sohnes in der ihrigen hielt. Es war das erstemal im Leben. Sie hätte ihn so gerne an sich gezogen und alle mütter lichen Segenswünsche ihm Zuge flüstert. Toni war aufgestanden

und"zur Türe gehumpelt. Schmerzhaft verzog der Alte das bebartete Gesicht. Jeder Schritt schmerzte ihn. „Höllsakra!" brummte er einigemale, „heut reißt's wieder wie mit glü henden Zangen!" # Dann tauchte Toni feine krummen Finger in das Zinnerne Weihwasferkesfelchen, besprengte dreimal den Knaben und sprach feierlich: „Und weil du niemand hast, keinen Vater und keine Mutter, so will ich dir mit auf die Reise geben, was eine Mutter dem Kinde gibt." Er machte Wolf auf die Stirne, den Mund und die Brust

das Kreuzzeichen und mit tiefer Stimme fuhr er fort: „Der Segen Gottes sei mit dir! Kein böser Geist habe Gewalt über dich! Gehe hin im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes. Amen!" Die Bäuerin mußte sich abwenden. Eine herbe Qual folterte ihr Herz. Thilderl nahm den Koffer bei der einen Hand habe, Wolf bei der anderen und sie schritten durch die Felder. Wolf biß die Zähne zusammen. Er ging mit stei fem Nacken und trockenen Augen. In ihm herrschte der Trotz gegen die harte Stunde

und gegen die kommende Ungewißheit. Der Schaftom hüpfte mit einigen Seufzern auf seinen Sessel zurück und dachte an Wolf und seine Zukunft. Die Hollerbäuerin schaute ihren Kindern lange nach und weinte vor sich hin. Ein alter Hirt hckt an Wolf ihr heiliges Mutteramt geübt und sie stand daneben und konnte nicht handeln, wie ihr Herz ihr gebot. Schwere Wochen schlossen sich diesem Abschiede an, schwere Wochen, bis die Bäuerin wieder Herr wurde über sich selbst und ihr dor- nenreiches Geschick in Ergebung trug

ihnen entgegentrat, durch welchen der nähere Fußpfad führte. Hier blieb sie stehen. „Thilderl, jetzt darfst du heimgehen!" sagte der Benefiziat. „B'hüt Gort!" sprach Thilderl und reichte Wolf gang die Hand. „Hier erwarte ich dich auf Weih nachten. wenn du wieder kommst." Unbehilflich hie^ Wolfgang des Mädchens Hand In ber seinen. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein mühsames „Ja" heraus. Thildi hatte sich rasch umgedreht und war davon gesprungen. Es war ihr aber schwer ums Herz und unwillig schaute

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Seite 3 von 14
Datum: 30.11.1924
Umfang: 14
> Wolf Hwerland. Erzählung von Ferdinand Benz. 1 . Wenn ein heißer Sommer über der Oberpfalz brütete und aus den Zisternen den letzten Tropfen Wassers stahl, um damit sein glühendes Angesicht zu Kühlen, erkannte man die Bewohner von Oedenheid schon von weitem an ihrer tiesbraunen Farbe. Sie hatten einen Teint wie die Indianer. Ihre Farbe aber kam nicht allein von der Sonne, sondern auch vom Erdstaube her, der ihre Haut überzog. Sie hatten ja kein Wasser, um sich wa schen

für Mensch und Vieh. - Unter den Schulkindern aus Oedenhaid war übrigens ein Knabe, der sich keine Wassernot an merken ließ. Er saß auch nicht in der abgesonder ten Bank. Dagegen hatte er sich ernsthaft gewehrt, als ihn der Lehrer auch zu den anderen Ungewa schenen setzen wollte. „Ich habe keine Läuse, Herr Lehrer!" hatte der zwölfjährige Wolf Haberland bestimmt und mit verächtlichem Blick auf seine verdächtigen Dorsge- nossen versichert. Der Lehrer musterte den Jungen. Schnurgerade stand

an seinem Platze, nachdem er vorher noch gefragt hatte: „Habt denn ihr Wasser im Gemeindehause, saberland?"^ „Nein, aber ich wasche mich alle Tage." „Wenn ihr doch kein Wasser habt? . . ." „Ich finde Wasser genug." Der Bub gestand dem Lchrer sein Freibad nicht rm alles in der Welt ein. Er hütete sein Geheimnis Die einen Schatz. „Gibt dir deine Mutter soviel Wasser?" forschte 'er Lehrer weiter. „Ich habe keine Mutter und keinen Vater", ant wortete Wolf. „Ich meine deine Pflegemutter." „Die Hüter-Zilli gibt

mir nichts." Weiter kam der Lehrer nicht. Wenn er mehr ütte wissen wollen, hätte er am frühen Morgen nit Wolf Haberland gehen müssen. Haberland ging immer für sich allein. Er mochte nit den reichen Bauernkindern nicht in Freund- chaft kommen. Oft genug hatte er die giftigen Lücke der Männer aufgefangen, wenn er mit ihren Kindern, als er noch jünger war, in eine Stube kam. Und manchmal hatte er gehört und die Zilli hatte es ihm auch oft genug gesagt, daß er im Friedhof am besten aufgehoben wäre. „Nichts als Kosten

und bitter weinte. Die Sehnsucht nach Vater und Mutter wurde wach in ihm. Der kleine Wolf aber fand im Armenhause statt liebender Eltern die Hü ter-Zilli, die ihn aufgezogen hatte. Diese war noch nicht vierzig Jahre alt, hatte sich vor acht Jahren den Fuß gebrochen, sodaß sie stark hinkte und nicht mehr wie sonst arbeiten konnte. Sie bekam eine kleine Unfallrente und brachte sich mit Waschen. Leichenbitten, Krankenwarten und leichteren Ar beiten durchs Leben. Von der Gemeinde bekam sie jährlich

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Oberinntaler Wochenpost
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Seite 12 von 12
Datum: 15.03.1929
Umfang: 12
stolz, daß das Huhn es für Lämmchen hielt. „Lämmchen, gehst du spazieren?" rief die Feldmaus ihm zu, und Schweinchen wußte sich vor Freude nicht zu fasten. Es ging in den Wald hinein, es wollte sehen, ob es dort auch für Lämmchen gehalten würde. Der Hirsch schüttelte sein stolzes Geweih und sagte zu Schweinchen : „Lämmchen, Lämmchen, was machst dn? Da drinnen wohnt der Wolf!" Aber Schweinchen dachte nur: „Ob der Wolf mich auch für Lämmchen halten wird?" Da kam schon der Wolf und sagte

: „Da bist du ja, Lämmchen, ich habe schon lange Appetit auf dich gehabt?" Er zog Schweinchen sein Pelzchen aus und verschlang es. Er sagte: „Schön schineckst du mir, Lämmchen!" Mittlerweile machte Lämmchen sich Sorgen. „Wo bleibt Schweinchen so lange?" Und Schweinchen kam und kam nicht. Da lief Lämmchen fort, wie es war, nackt, ohne sein Pelzchen und rief: „Schweinchen, »rein Schweinchen, wo bist du?" Und es lief' über die Felder, und es lief in den Wald, und es kam an den Platz, wo sein Pelzchen lag und der Wolf eben

den letzten Bisten von Schweinchen hinunterschluckte. „O du schlimmer Wolf!" rief Lämmchen, „schlimmer, schlimmer Wolf, was hast du gemacht?" Da schaute Oer Wolf auf und sah Lämmchen, das er doch meinte, eben verschluckt zu haben, leibhaftig vor sich stehen. Der Wolf erschrak so sehr, daß er vor Lämmchen zurückfuhr und rücklings in die Grube fiel, die der Jäger da gegraben hatte, um ihn zu fangen. Als Lämmchen das gesehen hatte, zog es fein Pelzchen an und ging nach Haufe und weinte um Schweinchen. Dom

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Seite 4 von 14
Datum: 26.04.1925
Umfang: 14
Gelte 4. Nr. 17. Wolf Hoberland. Erzählung von Ferdinand Benz. In vollendet schöner Rede behandelte der kluge Mezberger sein Thema. Alle Herzen hatte er er mähnt u. erfreut. Zum Schluß hieß es: „Verehrter Herr Primiziant! Vergiß nie deinen Tausch im Hirtenamte! Halte in Ehren deine Schippe, die du einstens trugst bei deiner grafenden Herde. Wie du damals ein guter Hirte warst, der von seinen Schafen nicht wich bei Tag und nicht bei Nacht, nicht bei Hitze und nicht bei Ungewitter

. Sie wird dich dankbar- machen allezeit gegen jene, denen bu Sohn und Bruder gewor den bist." Lulu und Grete blickten auf und ihre Augen tra fen jene Wolfs, der ihnen gegenüber faß und einen dankbaren Blick ihnen sandte. Bleich unb angegrif fen sah er aus. aber heilige Freude leuchtete aus seinem feinen Angesichte. Die beiden Schwestern aber l>dtten nicht um al les in der Welt diesen Tag hergegeben, der ihnen so viel Freude bescherte. Sie dankten im stillen Ar tur und Seiling. die ihnen Wolf in das Haus ge bracht

hatten, als hätten sie geahnt, daß er einmal für ihren frühen Heimgang ein tröstender Freund werden würde. Nach der Predigt begann das Hochamt. Begleitet von zwei Leviten, deren Dienst der Kaplan und der Benefiziat versahen, schritt Haberland an den Altar, heiliger Gefühle voll. Die Orgel setzte ein, der Gesang erklang, Weihrauchduft schwebte in bläulichen Wölkchen über der Volksmenge wie ein Symbol der Heiligkeit. Klar und kräftig fang Wolf das Gloria, den ewigen Iubelhymnus, den in der heiligen Nacht einst

wurden lebendig und manch hei teres Erlebnis wachte auf. Lulu und Grete holten sich bei Thilderl Unter- Licht im Kuhstall und bedauerten nur, daß sie mit ihren Festkleidern nicht später ihren Rundgang machen konnten. Darüber waren sie einig, daß sie noch Wolfs Schäferhaus und seine Felsenburg be suchen mußten, wenn auch von letzterer nur noch Ruinen zu finden waren. Ganz verjüngt sah der Benefiziat Mezberger aus. Er hatte heute den erfolgreichsten Tag seines Lebens. Er sah in Wolf seinen geistigen

Sohn, den er von unten aus zur Wissenschaft erzogen hatte. Er war stolz aus diesen Schüler. Als die Unterhaltung im besten Gange war. hinkte zur Türe herein die alte Zilli, die Wolf einst aufgezogen hatte. Sie war nicht mehr recht gesund und hatte schlechte Zeiten zu erleben, weil sie nur wenig mehr arbeiten konnte. Ihr Gewand war armselig. Sie machte den Eindruck einer sehr zwei- felhaften Person. Wolf war ihr Anblick peinlich. Er flüsterte Thil derl zu: „Gib der Zilli was zum Essen!" Der Zilli

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Seite 3 von 14
Datum: 15.02.1925
Umfang: 14
Nr. 7. Seit« 8. «- Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Von den Bewohnern Oedenhaids nahm Wolf wenig Kenntnis. Er hatte sich mit niemand näher befreundet. Obwohl einige Kinder mit ihm in die Schule gegangen waren, blieb er ihnen doch im gleichen Dorfe fremd. Es war eine Scheidewand er richtet Zwischen ihm und den Bewohnern feit jenem Tage, an welchem er zur Verteidigung die Hand gegen sie alle erhob und sie schlug an ihren Kindern und am Riednerbauern. Wohl besuchte er seine Wohltäter

in Buchtal. Er brachte den geistlichen Herren viel Freude mit weil sie erkannten, daß aus ihm was Rechtes werden würde. Sie gaben ihm viel Lebensweis heit mit auf den Weg: immer zügelrck, immer mil- dernd und begütigend waren ihre Worte. Wolf sah ihren Standpunkt wohl ein und fühlte längst, daß feine Mtschüler viel unselbständiger und kindi scher waren als er selbst, und daß er gut fahre, wenn er im Sinne der ruhigen Geistlichen bei vorkommenden Streichen raten und handeln würde. Zur Christmette

war die Bäuerin mit Thilderl und Wolf gegangen. Sie tat das von nun ab in jeder WeihnachtsvakanZ. Mit weißen: Samt waren die Waldwege überbreitet und Helles Mond licht floß durch die weiten Aeste der Tannen. Nichts hörte man ringsum, nichts, als den Ton der eigenen Stimmen. Fröhlich plauderten die drei Insbesondere aber hörte man Tl)ilderls weiche Mädchenstimme, die einen prächtigen Klang hatte. Frau Hedwig genoß bei diesem nächtlichen Kirchgang, bei welchem die helle Sonne nicht jedem Blicke Vorsicht gebot

, heimlich das Glück, sich allein zu wissen mit ihren Kindern. Diese heilige Nacht gab ihr einer: kleinen Ersatz für die Qualen der Verleugnung, die Zu üben sie durch ihre eigene Schuld gezwungen war. Wenn Wolf vor ihr ein herschritt, groß und schmächtig, dazu ein wenig nach vorne neigend, und wenn sie, manchmal nur, seine Stimme vernahm, so durchrieselte sie ein Teil jener Wonneschauer, die sie einstens emp fand. wenn seines Vaters Stimme vom Chore klang. Olt dachte die Bäuerin während des Jahres

an die stille Wanderung in der heiligen Nacht und tröstete sich dabei in harten Stunden. Wolf wartete nach der Mette auf Thilderl und ihre Mutter. Die drei ließen die anderen Oeden- haider vorausgehen. Ihr lautes Gespräch und ein zelne Pistolenschüsse verhallten in der klaren Winterluft. Frau Hedwig ging langsam mit ihren Kindern. Wahre Freude wärmte ihre HerZen. Zu .Hause aber Zogen sie eine irdene Pfanne mit Metten würsten aus der heißen Ofenröhre und ließen es sich schmecken, ehe sie zu Bette gingen

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Seite 3 von 16
Datum: 19.04.1925
Umfang: 16
ISilil j Lonmä! gs-Am ifri ja! ituni 5 29 Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand B e n z. War vorbeiging, schaute hinunter, lieh einige spöttische Reden zurück und trottete lachend wei ter. Die alten Bauern behaupteten rundweg: „Der Wols ist im Krieg verrückt geworden." Nach der Felsenschicht kam Sand, durchmischt mit Geröll. Da ging es wieder leichter und rasch wuchs die Diese. Täglich kam der Bauer und fragte, ob der Veit! schon im Sand ersoffen sei. Der Sand aber war so trocken

, wie von der Bratröhre heraus. Unverdrossen aber gruben sie, und Wolf hatte schon einen ganzen Hügel aufgeschüttet. Der Bauer bewunderte im Stillen den arbeitsamen und zähen Studenten, der nicht mehr nachgab, um keinen Preis. Zehn Meter war der Brunnen schon tief und kein einziger Tropfen Wasser lieh sich sehen. Wolf gab nun selber alles verloren. Sollte er noch wei ter umsonst arbeiten lassen? Noch einen Tag probierten sie es. Der Sand hing sich schwer an. Wolf zog und eine Freuüen- welle durchjagte seinen Leib

alle Auslagen ersetzen. Der aber nahm nichts und war froh, eine Rückzahlung bleibenden Wertes gemacht zu haben. ' Der Pumpbrunnen liefert seitdem köstliches Wasser und ist unerschöpflich. Glücklich ist der Hollerbauer und ganz Oedenhaid durch den Was serschmecker geworden. Jetzt konnten sich die Leute und die Kinder auch in heißen Sommern gründ lich waschen und ungebetene Gäste mit viel Wasser und Seife vertreiben. Für spätere Zeiten will aber Wolf die Wasser versorgung noch praktischer einrichten

, daß ihm Wolf einen großen Dienst erwiesen hatte; denn der Hof war um viele Tausende mehr wert, als vorher. Der Bauer war durch Wolfs Erfolg ganz begeistert und bedauerte, daß Wolf zum Studium gegangen. Zum zweitenmal bedauerte er das; jetzt nicht mehr, weil er an ihm durch das Studium einen treuen .Knecht, sondern einen willkommenen Schwieger sohn verlor. Er hätte ihm und Thilderl sofort sei nen reichen Hof überlassen, weil er der Ansicht war, daß ein Mann, der in kurzer Zeit Wasser beschafft, wo nie

seinen Studien hinge geben und ahnte nichts von den Plänen, die ge schmiedet wurden. Auch wagte niemand vor ihm die Sprache darauf zu bringen. Frau Hedwig litt, wie eine zu offener Schande Verurteilte nur im mer leiden mag. Oft war sie daran, wenigstens dem Mädchen und seinem Vater den Grund zu offenbaren, warum sie sich dagegen sträubte. Aber was sollte dann mit Wolf geschehen? Sollte Thil derl wissen, daß es ihr Bruder ist und ihn weiter hin wie einen Fremden betrachten und behandeln? Sie fand

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Seite 4 von 16
Datum: 25.01.1925
Umfang: 16
Sette 4. Nr. 4. s, nmtsgs-Aw terh isl [tu n; r 9 Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Der Benefiziat ließ aber das Vorkommnis nicht fruchtlos in der Vergessenheit verschwinden. Ueber alles, was ihm begegnete, Gutes und Schlimmes, gab er sich Rechenschaft und suchte für seine Er fahrung Gewinn zu ziehen. Daher sprach er: „Du darfst nicht denken, daß dein Weg. den du jetzt gehst, schön eben gepflastert ist. Das war dein Leben auf der Schafweide. Aber jetzt hast du dir Lasten aufgeladen

man auch dir nicht an, was es dir an Ueberwindung gekostet hat." Langsam schritten sie über die steinerne Brücke an dem Brückenmanne vorbei, der so scharf hin- überschaut zum Dorn, um zu sehen, welcher Kunstbau schneller fertig würde. Am anderen Tage um acht Uhr stellte der Vene- fiziat seinen Schüler auf dem Rektorate vor und ersuchte um Aufnahme desselben in die siebente Klasse. ..Von welchem Gymnasium kommen Sie?" fragte Rektor Wolf Haberland. „Von keinem, Herr Rektor!" „Von keinem?" Der Rektor strich seinen er- grauenden Spitzbart

zugelassen. Er satz allein im Zimmer der siebenten Klaffe. Nichts hatte er bei sich als seine Schreibmappe, die ihm gestern sein Lehrer gekauft hatte. Wolf hatte keine eigentliche Angst. Es erwachte in ihm vielmehr der Entschluß, sich zu wehren, so gut er konnte. Mit aller Kraft wollte er seinen Mann stellen und gegen alle Schwierigkeiten ankämpfen, wie damals, als die Buben ihn verspottet hatten und als sie mit schmerzenden Gliedern heimrann ten für ihr Sprüchlein: „Zilliwolf, Zilliwolf, wer

ist dein Vater?" Als Wolf die Einrichtung des Schulzimmers be trachtet und sich an den Tintengeruch gewöhnt hatte, der so sehr abstach vom Dufte der Berg halden und der Felder, trat ein Professor ein, schaute kurz nach dem Prüfling, gab ihm ein ge schriebenes Kapitel zum Uebersetzen in das Lateinische, machte ihn kurz auf einige Aeutzer- lichkeiten aufmerksam, setzte sich hierauf an das Lehrerpult und las Zeitung. So ging es der Reihe nach. Ein Fach um das andere wurde hervorgeholt. Sämtliche Schubladen

mit Wolf durch, um einen Einblick in feine Leistungen zu erhalten. Beide hatten darauf hin wenig Angst, daß die Priifung schlecht aus- fallen könnte. Am anderen Tage traten sie wieder vor dem Rektor an, der ihnen mitteilte, daß Wolf Haber land in die siebente Klasse ausgenommen sei und daß seine schriftlichen Arbeiten recht gut, seine mündlichen Ziemlich gut ausgefallen seien. Hocherfreut waren beide. Wolf begab sich hier auf in seine Klasse, die sich versammelt hatte, um gemeinsam mit allen Schülern

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Seite 3 von 14
Datum: 08.03.1925
Umfang: 14
Nr. 10. Seite 3. Wolf Haberlanb. Erzählung von Ferdinand Benz. Tyras ivar vor sie hingesprungerr und gab einige- male Laut, weil sie zu sehr an die Hürden preßten und sie einzudrücken drohten. Die Tiere wichen so fort zurück. Das Hundegebell aber hörten auch die Strohsackbrüder. Wol'f sah, wie die Füße in Bewe gung gerieten und half nach, indem er mit der Handfläche auf die Zehen der Träumer schlug. Nun gab es Leben im Bette des Wagens. Anfangs'kann-- ten sie sich nicht aus. Erst als sie Wolf

vernahmen: „Zwei Uhr ists, höchste Zeit zum Pferchschlagen." da krabbelten sie nacheinander aus ihrer Kiste, reckten und dehnten sich, schüttelten einander wie Ringkämpfer und dann ging die Arbeit los. Wolf nahm den Holzschlegel, lockerte den Pfahl der obe ren Ecke durch Hin- und Herwippen und zog ihn aus der Erde. Den mittleren bearbeiteten Seiling und Artur gemeinsam. Die Seitenhürde wurde weggenommen und anschließend an den bleibenden Pfahl der unteren Ecke neu ausgestellt. Artur mußte den Pfahl

halten, Wolf trieb ihn mit wuch tigen Schlägen in den Acker. Mit Eisenringen hängten sie die Hürden daran ein. Tyras hielt vor der gitterlosen Seite Wache und trieb die Schafe zurück, daß sie nicht streunen konnten. Hierauf wurde die andere Längsseite geöffnet und die Schafe in das neue, bereits fertige Dreieck getrie ben. die Pähle herausgezogen und die dritte'Seite verschlossen. Da immer eine Seite stehen blieb, hat ten sie nur noch die obere Wand einzufügen und das neue Viereck

, das noch bis zum Morgen von den Schafen gedüngt werden sollte, war" wieder fertig. Durch die Arbeit waren alle drei aus dem Schlafe gekommen. Sie standen auf dem Acker bei sammen in einsamer Nacht und ließen sich von Wolf den Zweck der Hantierung erklären. Sie wußten nicht, daß die Getreidehalme dem Acker eine Menge Stoffe entnehmen und daß man alle diese Stoffe wieder geben muß, wenn er nicht ärmliche Früchte bringen soll. Wolf wollte ihnen schon am nächsten Tage zeigen, wie des Hollerbau ern Aecker reich

herein Wolf und seine Kameraden kamen. Sie gingen zuerst zum Brunnen, wuschen und . kämmten sich; dann traten sie in die Stube. Der Hollerbauer hatte einen Mordsrespekt, als er hörte, daß Arturs Vater General und Seiling eines Regierungsrates Sohn sei. „Thilderl, gut geschlafen?" fragte Wolf. „Guten Morgen, Fräulein!" grüßten die anderen artig. „Ich mein, ihr habt dem Thilderl ein richtiges Räuschchen angehängt, ihr jungen Herrn!" sprach Toni von seinem Lehnstuhl aus. „Dafür hat uns das Fräulein

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Seite 3 von 12
Datum: 05.04.1925
Umfang: 12
stch ihnen entgegen auf ihrer Bahn zum Priestertume. Sie wandeln leicht dahin wie junge Heilige, voll heiligen Eifers, voll innerer Ruhe und Freude. Manch einer aber saß im Seminargarten auf ein samer Bank und grübelte. Mancher verbarg das Angesicht in den Händen und seine Seele schrie zu Gott um Erleuchtung: soll ich hintreten zum Al täre, oder hinweggehen aus der Nähe des Heilig tums? Manch einer rang mit sich einen harten Kampf und konnte keine Entscheidung finden. So sah Wolf Haberland

erschütterte Wolf in seiner tief sten Seele und verwundete ihn. Ein schrecklicher Kampf raste in ihm. Seine Seele war gegeißelt und zerfleischt. Er war wie ein Rotkehlchen, das der Habicht sich haschte und das er mit spitzen Fängen auf beit Baumast niederdrückt, um mit scharfem Schnabel ihm das zuckerrde Herz aus dem Leibe zu reißen. Mächtig und deutlich hörte er den Ruf Gottes, der ihn eirtlub in seinen Dienst. Immer war es seine Absicht und sein Ziel, Priester zu werden. Keinerlei Bedenken

hatte er noch gehabt. Jetzt aber, seit jenem Gang durch den abendlichen Wald, war eine Kluft in ihm entstanden, ein Abgrund, der ihn zu verschlingen drohte. „Ich bin ein starker und eifersüchtiger Gott," klang es in seinem Innern. Vor seinem Auge aber stand das blonde Thilderl. Wenn er in den langen Gängen auf- und ab wandelte, schwebte sie neben ihm einher: wenn er betete, klang ihre Helle Stimme ihm dazwischen: „Ach Wolf, wenn wir doch immer beisammen blei ben könnten!" Saß er auf einer einsamen Bank, so hörte

er die ernste Mahnung des Paters: „Ver zichten auf irdische Liebe!" Er stützte den Kops in die Hand. „Verzichten auf Familie!" tönte es. Da war es ihm, als drückte sich Thilderl an seine Brust und als fielen ihre Tränen auf seine Hand. Wir sich Wolf ermannte, waren seine Augen feucht und in seiner Handfläche glänzten seine eigenen Trä nen. Wenn er in der Hauskapelle zu Gott rief, er solle das zehrende Weh von seiner Seele nehmen, da wurde er noch elender und wunder. Sein Herz war wie in Bitterkeit gebadet

zu vertauschen. Er machte sich heftige Vorwürfe über seine Gleichgültigkeit in den Ferien. Er hätte sie nicht küssen sollen. Nein, damit hatte er ihn nach gegeben und seine Gewalt zerbrochen, die er im mer über sich hatte; er war nicht gefallen, hatte sich aber erniedrigt. Er war nicht tot. aber lahm an seiner Seele und hilflos, jammervoll hilflos. So verging die Nacht und mit zermartertem Kopf erhob sich Wolf in der frühen Morgenstunde, als des Präfekten Ruf durch die weiten Säle scholl: „Laudetur Jesus

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Seite 5 von 14
Datum: 07.12.1924
Umfang: 14
Gottesmutter ist eines der besten Mittel, um die Blume der Sittenreinheit in einzelnen Men schen und im ganzen Volke herrlich ausblühen zu machen. Wolf Hoberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Ehe Haberland zur Kirche ging, wusch und kämmte er sich besonders sorgfältig. Wenn ihm die Zilli kein Master ließ, sprang er davon in das nahe Felsengewirr der Berge. Dort hatte er seine Wasch schüssel. Im Moose versteckt lag eine Flasche mit Wasser, in einer Felsenspalte ein Stück eines Kam mes und eine dreieckige

auf diesem Hofe ein Frühstück, damit ie nicht nüchtern den Heimweg antreten mußten, feierlich saß der Bauer bei seinem Gaste am Tische, vährend die Bäuerin noch im besseren Gewände in ihrem schönsten Geschirr Kaffee und Kuchen auf- rug. denen im Winter würzige Würste folgten. Die Hotterleute waren die einzigen, welche auf Wolf Haberland nicht schimpften, sondern ihm heimlich viel Gutes erwiesen. Die Bäuerin brauchte sin oft zu kleinen Dienstgängen, die der Knabe ge- vistenhaft erledigte

und die ihm manche Beckhnung uck viele Eßwaren einbrachten. Der Bauer war ozusagen von Amtswegen verpflichtet, auf den dnaben einzuhalten, wett er ein gesetzlicher Vor- mnd war. Das Gespräch kam bald auf Wolf und die gestri- en Ereignisse. Der Bauer meinte: „Das sieht man dem Bur schen gar nicht an, daß er so verwegen ist." „Soll er sich hinstellen und sich halb totschlagen lassend" fragte die Hollerin. »Liecht hat er, wenn er sich um seine Haut wehrt." „Recht hat er!" bestätigte der Geistliche. „Wenn er eine Mutier hätte

schnell den Zilli wolf und den Riednerstephan." Das Mädchen verschwand. Im Nu war der Ste phan zur Stelle und freute sich, dem Wolf eins an- hängen zu können. Haberland schlich langsam her bei und schaute durch das Fenster in die Stube. Als er den Riednerbauern erblickte, zögerte er hinein zugehen. Die Hollerin aber kam heraus, nahm ihn bei der Hand und ermunterte ihn: „Komm nur, keiner soll dich mehr anrühren, so wahr ich die Hol lerin bin!" Sie schob den Knaben vor sich her in die Bauernstube

Wolf Haberland. „Wolf!" begann der Priester, „warum hast du mit Steinen auf diesen Mann geworfen?" „Er hat mich schlagen wollen. Ich lasse mich von dem da nicht anrühren." Verächtlich blickte der Knabe auf den Bauern. „Ricdner, warum haben Sie den Wolf schlagen wollen?" „Wett er meinen Buben blutig gehauen hat." „Stephan, warum hat dich der Wolf geschlagen?" „Ich weiß nicht; wir haben ihm nichts getan; wir haben gespielt." „Du Lügner, du Schuft!" zischte Wolf. „Da drau ßen

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Seite 3 von 14
Datum: 22.02.1925
Umfang: 14
Somttsgs-Antkrhsltung Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. „Eine Woche, Papa!" sprach Artur. „Wenn aber schlechte Witterung einfällt, oder Gewitter euch überraschen?" warf die Generalin ein. „Das macht nichts, gnädige Frau, dann haben wir solange Platz im Schüferkarren," erklärte Wolf. Die höflichen Umgangssormen hatte er von Selling erschnappt. Sie wollten ihm anfangs nicht über die bäuerliche Zunge, weil er sich nicht erklären konnte, warum die Generalin eine „gnädige Frau

" ist und die Hollerbäurin keine. Aber später gefiel es ihm, mit derlei Phrasen aufwarten Zu können. „Sie sollen schauen, wie sie durchkommen. Wenn sie dabei einmal tüchtig nah werden, ist ein Bad er setzt." lachte der General. „Im Notfälle läßt uns der Schaftoni in seine Kammer, oder wir richten uns ein Lager in der Scheune, auf dem Heu, oder im Strohhaufen," sprach Wolf. „Der Schaftoni? Wer ist das?" fragten die Mäd chen. „Ein alter Schafknecht, der mich das Hüten lehrte. Er ist sehr gescheit. Er versteht von der Welt

und von den Menschen mehr, als z. B. der Herr Professor Dr. Reinbach," erwiderte Wolf. „Ach, der Gochs!" riefen Lulu und Grete, denen der Spitzname durch ihren Bruder geläufig war. „Also, Iungens, schaut auch meinetwegen die Natur von der Nähe an! Trachtet, daß ihr eure Pläne durchführt! Ein Mann muß immer das vol lenden, was er vorhat. Immer, auch wenn es ihm sehr sauer wird. Das ist die Pflicht des Mannes. Die Mädchen dagegen dürfen zur rechten Zeit Kehrt machen und im Laufschritt den Rückzug an- treten

, gediehen dabei zusehends und ersparten Geld. Dafür konnte:! die Hausfrauen allerdings beim nächsten Kaffeeklatsch nichts erzählen von den Reiseabenteuern, die sie überstanden hatten, wohl aber von Wonnetagen, die ihnen die Heimat schenkte, was jedoch in den Augen der Mehrzahl wertlos ist, weil bei ihnen erst hinter München die wahre Sommerfrische beginnt. Wolf war wieder in Oedenhaid. Toilderl hatte ihn abgeholt. Er übernahm wieder voll und ganz die Schafherde. Die Hollerbäuerin

wollte es nicht zulasten, aber Wolf bestand darauf. Er wollte nicht umsonst mitessen. Durch sein Eintreten konnte der Schafknecht ganz zu den Erntearbeiten verwendet werden, was dem Bauern einen Tag löhner ersparte. Dadurch erwarb sich Wolf das Recht auf seinen Unterhalt und verdiente zugleich von den Zuwendungen, die er während des Ähul- jahres empfangen hatte, einiges ab. Als er die nötigen Besuche bei den geistlichen Herren gemacht hatte, die sich über sein gutes Zeugnis freuten, ging er daran, seine Felsenburg

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Seite 5 von 16
Datum: 22.03.1925
Umfang: 16
yr- • —. ■ **. vl mm ^ Lonntsgs-Nntrrhsttuns Wolf Haberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Artur bat die Hotterin und Thilderl, sie möchten seinen Schwestern eine solche Suppe.kochen, wie sie gestern und vorgestern am Abend bekommen hätten. Das würde ihnen am liebsten sein. Die Bäuerin wollte nicht einwilligen, weil das ja gar nichts Feines sei; aber Thilderl ging dann doch daraus ein und beredete die Mutter. Was Besseres könne man ja immer noch dazu setzen. Bald dampste die gewünschte

, ZU der man nur hingehen braucht, wenn man Milch oder Rahm benötige. Grete aber lud Thilderl zu Besuch ein. Sie müsse kommen und ihr lernen, wie man Rahmsuppe Locht. Ta der Schafknecht heute nichts zu tun hatte, hü tete er die Herde und Wolf konnte mit den Herr schaften die Gegend durchstreifen, um dann diesel ben bis Mm Abendzug zur Bahn zu bringen; denn der General und feine Töchter mutzten zu ihrem größten Leidwesen schon wieder heim in die „krampsige" Stadt, wie Lulu sich ausdrückte. Selling und Artur trieben

. Aber es waren Verse und die meisten der Zuhörer hätten keine solchen fertig gebracht. Lulu schwärmte für den „Dichter" Seiling und über häufte ihn später mit Lobreden. „ Nach Seiling bestieg das Podium ein großer, feingescheitelter Jüngling in schwarzem Anzüge. Blaß war sein Angesicht. Man sah seinen Augen und seiner Stirn an, daß kein gewöhnlicher Geist dahinter steckte. Es war Wolf Haberland. Ihm. als einem der besten Schüler der Klaffe, -war die Aufgabe z-ugefallen, die Abschiedsrede zu halten

ihr nur leid, daß der „schneidige Kerl", wie sie sagte, nicht auch beim elften Regiment in Regens burg eintcat, wie Ärtur und Seiling. Was hätte das für herrliche Aussichten für sie eröffnet für die Bälle, die sie im kommenden Winter besuchen wollte. Ganz unglücklich konnte Grete werden, wenn sie daran dachte, daß Wolf Geistlicher wer den wollte. „Es ist doch schade für diesen schönen Menschen!" hatte sie einmal zu Papa geäußert, der wohl ahnte, warum es in diesem Falle schade sei. Der General

hatte einmal das Gespräch auf die Berufswahl gebracht und Wolf beredet, Philologie zu studieren. Bei seinen Kenntnissen und feiner angeborenen Kunst, einem Schüler auch das Schwerste klar zu machen, müßte ihn dieser Beruf vollauf befriedigen. Wolf aber hatte ausweichend geantwortet, gerade weil er sich leicht arbette, käme ihm nach und nach der Lehrberuf sicher ab gedroschen vor. Er hoffe, von seiner Lehrgabe einen ausgiebigeren, immer wechselnden und anregen den Gebrauch machen zu können, wenn er jene Wahrheiten

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Seite 3 von 18
Datum: 21.12.1924
Umfang: 18
*t. 51. «ette ». « Sonntsgs-Antrrhsltui iS ’ Wolf H Oberland. Erzählung von Ferdinand Benz. Als die mit saurem Rahm geschmolzene Wasser suppe gegessen war, spannten sie ein. Die Brüder nahmen die Pferde, der Vater ging hinter einem Paar scheckiger Ochsen her. Diese waren ihm lieber, weil sie einen gemütlicheren Schritt hatten, als die rasch ausgreifenden Rosse. Zuhause waren nur Hedwig und die alte Margret. Um acht Uhr kam der Postbote und gab die Zei tung ab. Die alte Magd legte

war, Haberland geheißen. Nach wenigen Tagen gesundete die junge Mutter. Niemand hatte eine Ahnung, daß Wolf Haberland, der von der Zilli aufgezogen wurde, ihr gehörte. Nach eineinhalb Jahren heiratete Hedwig auf den Hotterhof nach Oedenhaid. Es war ihr eine stete heimliche Freude und eine immer brennende Wunde, in der Nähe des Kindes zu sein, von dem sie sich losgesagt hatte. Oft ging die junge Bäurin zur Zilli und brachte ihr eine kleine Arbeit oder Nahrungsmittel, nur um Wolf zu sehen und ihn heimlich

zu liebkosen, wenn die Zilli den Rücken wandte. Erst als das kleine Thilderl zur Welt ge kommen war, vergaß sie Wolf leichter. Jetzt aber hatte ihr Mann den Wolf in sein Haus ausgenommen. Jetzt hatte sie ihn immer um sich, ihn und Thilderl, beide ihre rechten Kinder, und sie durfte ihn doch nur als Schafbuben behandeln. Sie war ganz verwirrt, wenn sie daran dachte, und sich vorstellte, was geschehen würde, wenn sie einmal, erfaßt von heiliger Mutterliebe, den blonden Pu den in die Arme schließen

und vor allen Leuten sa gen müßte: „Das ist mein Kind, wahrhaftig mein rechtes Kind!" Was würden die Leute denken und was ihr Mann tun? Würde nicht ein neues Band dadurch zerrissen werden? Würde nicht auch Wolf ihr wieder genommen und neuerdings unter fremde Leute verstoßen wer den? So tat sich die Mutter Zwang an, um wenigstens kleine Freuden an Wolf zu haben, nachdem ihr das große Glück der Mutter in Trümmer gegangen war. Am letzten April wurde Wolf aus der Werktags- schule entlassen und siedelte am nächsten

Tage in den Hollerhof über. Er hatte das beste Zeugnis seines Jahrganges. Der Inspektor hatte ihn beson ders eingehend geprüft und mit dem Benefiziaten Mezberger über den Knaben gesprochen, dessen Schicksal ihn offenbar interessierte. So nebenher be merkte er: „Mit des Buben Anlagen könnte man cher Reiche seine Söhne auflassen, sie würden für mehr als einen reichen." Im Hollerhos wurde Wolf dem alten Schaftoni Zugewiesen. Mit ihm teilte er die Schlafkammer und die Arbeit. Der graubärtige Toni

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