Nr. 105. „Bozner (Zeitung Südtiroler Tagblatt)'' Donnerstag, drn 7. Mai 1396. Rußland und England m China. Nachdem im englischen Unterhause der Staatssekretär VeS Auswärtigen, Herr Curzvn, erklärt hat, der russische Gesandte Baron von Slaol habe ihn unterrichtet, daß die von den Zeitungen gemachten Mittheilungen über einen geheimen Ver trag zwischen Rußland und China, nach welchem dieses an jenes große Theile seine» Reiches abgetreten, gänzlich unbe» gründet sind, ist eS nothwendig, darauf
hinzuweisen, daß dieses Dementi sich jedenfalls nicht auf den Bertrag bezieht, sondern auf Nachrichten welche Londoner Blätter, namentlich der „Globe' in den allerletzten Tagen brachten. Darnach sollte China an Rußland ziemlich. de« ganzen Norden, deü. Reiches, nämlich die Mongolei und Mandschurei gegen die russische Zuficherung, e« gegen auswärtige Feinde zu vertheidigt», abgetreten haben. Da« wäre nun allerding« etwa« Ungeheuerliches, indessen muß man sich erinnern, daß ganz ähnliche Nachrichten schon
einmal vor einiger Zeit durch die englischen Blätter gingen, nach welchen auch Rußland in den Besitz des nördlichen Chinas fast bis zum Vantfe-Kianz treten sollte. Damit soll nicht etwa gesagt sein, daß diese Nachrichten auch nur einige Wahrscheinlichkeit für sich hätten. Rußland ist zwar an das Nehmen gewöhnt, aber die Vor theile, welche e« aus dem letzten chinesisch-japanischen Kriege, namentlich durch die Hilie Frankreich« und Deutschlands auch nur in den bisher bekannten engeren Grenzen zieht
, sind so außerordentlich, daß es wohl geraume Zeit dauern wird, ehe eS w-iter greift. Nur einen Einwand könnte man gegen die Vermuthung erheben, daß Baron StaalS Dementi sich nur am die jüngsten Mittheilungen de» „Globe' bezicht, daß nämlich auch der durch die „Ülorth China Daily NewS' veröffentlichte Vertrag schon die Abtretung chinesischen Gebietes an Rußland enthalte, aber wenn man jenen Verlrag genau liest, dessen Wortlaut ja sowohl das in China erscheinende englische Blatt und nach ihm Londoner Blätter
veröffentlichten, wird man finden, daß von Gebietsabtretungen gar nicht oder d»ch nur in enger Begren zung die Rede ist, indem China Rußland die Besetzung einer Insel gegenüber Talienwan und einige Punkte an der Süo- seite vom Hindschun, zum Zwecke von Besestigungen einräumt. Die Mittel, durch welche Rußland sich Einfluß und Herrschaft in diesem Theile Chinas sichert, sind ganz andere. Ist diese Kombination richtig, so hat Rußland den un geheuren Vortheil, daß es durch das rechtzeitige Dementi der Alarm