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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 18 von 20
Datum: 05.08.1905
Umfang: 20
122 „Ihr wollt wohl noch den Vornehmen spielen? Denkt Ihr vielle icht, meine Regina und mein Hof sind schon Euer?" Ta wandte sich der Bauer Orth zu seinem Sohne: „Konrad, wir gehen wieder heim. Der Tanner ist ein Narr." „Was bin ich?" schrie wütend der Beleidigte und sprang auf. Aber Pohl hielt ihn fest.. Einen Augenblick schleuderten sich die Nachbarn feindselige Blicke zu. Dann wandte sich Orth an seinen Sohn: „Komm, Konrad!" „Ich bleib'!" „Geh' mit zu deiner kranken Mutter

! Wenn noch ein Unglück passieren sollt', wär's Wohl aus mit ihr." „Es passiert nichts; aber drücken will ich mich auch nicht." „Komm'!" „Ich bleibe und verspreche dir, daß ich Ruh' halte. Mit Regina kann ich ein ander Mal reden." „Tanz' nicht mit ihr!" „Warum nicht?" „Es könnt' Streit geben." „Gut, wenn's nicht sein muß, laß' ich das Tanzen." „Behüt' dich Gott, ich geh'!" Mit diesen Worten schritt der alte Orth gebückt und langsam seinem Hofe zu, bisweilen mit be sorgter Miene zurückblickend. Konrad holte

sich ein Glas Wein von der Schenke, setzte sich seitab an einen leeren Tisch, von dem aus er das Podium über schauen konnte. Regina flog gerade am Arm eines reichen Holzhändlersohnes aus der Stadt, welcher viel im Tan- ner'schen Hofe verkehrte, dahin, lachend und glückstrahlend. Uebermütig wie nie klang ihr Lachen, und ihre schneeweißen Zähne blitzten hinter den schwel lendroten Lippen hervor. Konrad sprang auf. Noch während der letzten Takte der Musik hatte er das Podium be treten, und ehe Regina

wieder ihren Platz auf der Bank eingenommen, stand er vor ihr. „Regina, nun tanzen wir ein Solo." Er warf ein großes Silber stück nach der Musikantenbucht. Die trinkfesten Spielleute ta ten einen langen Zug aus ihren Bierkrügen und hoben die In strumente von neuem. „Solo!" erklang es. Die Paare machten Konrad und Re ginen Platz. Alles um ihn schien sich drehend zu bewegen. Als er nach bäuerlicher Gewohnheit zugleich mit Reginen seinen Oberkörper nach den ersten Takten der Musik hin Das Anzengruber-Denkmal

in Wien. Entworfen von Hans Scherpe und her geneigt hatte und nun begann über den Bretterboden hinweg die ersten Schritte zu tun, strau- chelte er und wäre gefallen, wenn ihn nicht Regina mit kräftigen Armen gefaßt und gehalten hätte. Doch rasch hotte er sich wieder emporgerichtet, und nun wirbelte er dahin, als gälte es in einer Minute alle versäumten stunden nachzuholen. Während des Tanzes flüsterte er ihr in's Ohr: „Jst's wahr, daß Tanner den Pohl'schen Hof kaufen will und dich mit dem Fritz

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 18 von 20
Datum: 22.07.1905
Umfang: 20
114 „Warum? Was hat's denn gegeben? — — Ach, die dumme Geschichte mit dem Kranz? — Regina, nichts für ungut, ich Hab dir vorhin zugeseh'n, wie die . .1 Johanniskranz geworfen hast." ./Las, du hast mich belauscht?" „Net gern!" „Tu garstiger Mensch, jetzt mag ich dich nimmer." „Sei gescheidt!" „Tu weißt doch, daß das Kranzwersen nichts gilt, wenn ge sprochen oder gelauscht wird." „Desto besser, Regina! Dreizehn Jahr' möcht' ich nicht warten!" „Aber es kommt doch so!" ..Gewiß nicht!" „Laß

' mich in Ruh'!" „Regina, sei doch gut und sag' mir, wie ist's jetzt. Kommt dir denn das Jasagen gar so schwer vor?" „Wart' noch! Bis zum Herbst wird vielleicht alles gut. Du weißt es ja, daß der Vater wegen des Ver gleichs wieder ganz aus ein der ist." „Wenn's mir nachging', dürft' dein Vater die ver dammte Wiese mitsamt der Waldspitz nehmen!" „Großer Gott, könnt's denn möglich sein, daß wir zwei auch so werden!" „Wo denkst hin, Re gina? Laß' die Alten brm .en; wir heiraten doch 1" Aber Regina ließ

sich nicht trösten. Die Ellen bogen auf den Schoß ge stützt, barg sie das Gesicht in beide Hände und schluchzte, daß ihr die hel len Tränen durch die schlanken Finger rannen. In diesem Augenblicke hörten die Beiden ein leich tes Knacken in der Hecke lttr bemerkten die Gestalt des oei Tauner bediensteten Großknechts Moritz, welcher tat, als habe er nur so im Vorbeigehen in den Garten geblickt. Regina wandte sich ab. Konrad blickte dem Großknecht, der nun den Weg durch die Felder nahm, unmutig

nach. „Solche Lauscher wollt' ich mir schon vom Leib halten!" „Das ist leicht gesagt — der gilt beim Vater alles." „Und du hast viel zu viel Aufhebens mit ihm gemacht! Hast über seine Späße gelacht, und dir Neckereien gefallen lassen." „Es ist wahr! — Jetzt reut es mich auch. Aber nun ist's zu spät." „Noch nicht! Acht' ihn nicht weiter — wenn er dir gleich- giltig ist." „Konrad!" „Regina, mir scheint säst, der Moritz bildet sich was ein." „Was meinst denn?" „Der möcht' sein Vatergut wieder und deinen Hof

dazu. Du könnt'st ihm dazu helfen!" „Konrad jetzt hör' auf — dich quält die Eifersucht." „Net gerad'. Du bist ja auch noch frei. Aber wenn du mich gern hast, so sag's jetzt." „Ich Hab' dich lieb, Konrad!" Da hallten Schritte vom Hose her. Regina flüsterte: „Der Vater kommt! — Grüß Gott, .Herzlieber! Morgen abend seh'n wir uns wieder. — Oder kommst mit herein?" „So nicht, wenn ich rächt freien darf." „Hab' Geduld, Konrad!" Regina winkte nochmals mit der Hand und eilte dem Hofraume zu. Konrad trat erregt

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 17 von 20
Datum: 22.07.1905
Umfang: 20
als möglich. Nur wer mit Kindern nicht gesegnet war wie Orth und Tanner, mußte sich mehr Gesinde halten. Toch hieß es gleichwohl überall selbst mit zngreifen. Ohne Aufsicht blieb das Gesinde niemals. Ter alte Orth sah daher auch ein wenig schief auf f.inen Lohn, der so verspätet von der Kirche zurückgekommen war. „Wo treibst du dich herum?" „Vater, ich war bei Regina. Nach dem Essen muß ich mit dir reden. Aber jetzt will ich schnell zum Füttern gehn." „Es wär' Zeit!" brummte der Bauer und sah nach den Heu

sie denn dich?" „Ich denk' schon, Vater!" „Und die Eltern?" „Tie wohl auch." — „Erst die schöne Waldspitz' und jetzt den Konrad auch noch — müssen denn die alles —?" „Aber. Vater, für die Waldspitz' hast du doch den schönen Miesengrund, und wenn ich die Regina Heirat', ist ja alles eins. Und eine Bäuerin müßt' ja doch herein, die was versteht. Die Regina kennt sich aus." „Glaubst, andere nicht?" „Hierherum nicht leicht eine wie die." „Kommt darauf an." „Und gern' haben muß ich meine Frau

auch können, sonst • " „Ich fahr' morgen nach Hohdorf. Da ist die Mutter daheim, und ihre Freundschaft ist reich. Dort schau ich mich für dich nach Einer um. Mit dem Heuen könnt Ihr schon morgen ansangen. Bis mittag bin ich wieder zurück." „Vater laß das — ich könnt's nicht verwinden. Der 'Regina darfst nicht entgelten lassen, was dir der alte Tanner angetan hat." „Mit der Regina tut's nie gut —" „Doch, Vater! Sag' halt, ja!" Ter Bursche hatte seines Vaters Rechte ergriffen, und seine treuen, bittenden Blicke senkten

im Sorgenstuhle, „ich glaub' immer, das geht nicht gut aus." „Warum denn, Vater? Regina ist doch so gut!" „Das verstehst du nicht! — Und jetzt laß' mich in Ruh!" Konrad nickte seiner Mutter zu, die zur Bewirtung der Frau Nachbarin Tanner ein blankes, zinnenes Kaffeegeschirr auf den mit weißen Leinen gedeckten Ahorntisch stellte, und eilte hinüber ^um Garten hintxr dem Tanner'schen Gute. Von der Gartenhecke führte eine hölzerne Gittertüre ins Freie. Tort stand Regina und wartete. Sie ließ den Burschen herein

. Dieser nickte ihr freudig zu. „Schön ist's von dir, Regina, daß du schon da bist." ,^So, Konrad, setz' dich dorthin. Mein Platz ist da!" Sie wies auf eine kleine Bank und setzte sich selbst auf den stark gekrümmten Stamm eines nahen Apfelbaumes. Konrad nahm Platz und blickte dem Mädchen treuherzig in die Augen: „Regina, willst meine Frau werden? Meinem Vater wär's reckt." Regina hatte zwar keine lange Rede erwartet. Denn sie kannte ihren Konrad. Aber nun war's ihr doch zu plötzlich gekommen. Sie zupfte

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Tiroler Post
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Seite 14 von 16
Datum: 21.07.1905
Umfang: 16
und Unterricht Z SchulgeL Organisa 99—30 # Vijitftarten $ schön und billig liefert die jfyuchdruc^erei „7yroli<t'\ Seit 1904 Monatsschrift zum T der Verehrung des h Kefte, je 18 Setten Erzählungen, Kedich Oesterreich Mk. 1-90. Prospekte und Bezug- 60 Pfg. und werden hohen Rabatt. Das Zahlreichen Im gleiche! zur Unterhandlung u strationen. Enthalten zähkungen, darunter K 2-—. Die dritte derselben gegen hohen Zu beziehe. „Warum? Was hat's denn gegeben? — — Ach, die dumme Geschichte mit dem Kranz? — Regina

, nichts für ungut, ich Hab dir vorhin zugeseh'n, wie du den Johanniskranz geworfen hast." „Was, du hast mich belauscht?" „Net gern!" „Tu garstiger Mensch, jetzt mag ich dich nunmer. „Sei gescheidt!" „Tu weißt doch, daß das Kranzwerfen nichts gilt, wenn ge sprochen oder gelauscht wird." „Tests besser, Regina! Dreizehn Jahr' möcht' ich nicht warten!" „Aber es kommt doch so!" „Gewiß nicht!" „Laß' mich in Ruh'!" „Regina, sei doch gut und sag' mir, wie ist's jetzt. Kommt dir denn das Jasagen gar so schwer

vor?" „Wart' noch! Bis zum Herbst wird vielleicht alles gut. Du weißt es ja, daß der Vater wegen des Ver gleichs wieder ganz aus einander ist." „Wenn's mir nachging', dürft' dein Vater die ver dammte Wiese mitsamt der Waldspitz nehmen!" „Großer Gott, könnt's denn möglich sein, daß wir zwei auch so werden!" „Wo denkst hin, Re gina? Laß' die Alten brummen; wir heiraten doch!" Aber Regina ließ sich nicht trösten. Die Ellen bogen aus den Schoß ge stützt, barg sie das Gesicht in beide Hände und schluchzte

, daß ihr die hel len Tränen durch die schlanken Finger rannen. In diesem Augenblicke hörten die Beiden ein leich tes Knacken in der Hecke und bemerkten die Gestalt des bei Tauner bediensteten Gres.k eehtsMo itz, welcher tat, als habe er nur so im Vorbc'geh'n i.t den Garten -geblielt. Regina wandte sich ab. Konrad blickte dem Großknecht, der nun den Weg durch die Felder nahm, unmutig nach. „Solche Lauscher wollt' ich mir schon vom Leib halten!" „Das ist leicht gesagt — der gilt beim Vater alles." „Und du hast

viel zu viel Aufhebens mit ihm gemacht! Hast - über seine Späße gelacht, und dir Neckereien gefallen lassen." „Es ist wahr! — Jetzt reut es mich auch. Aber nun ist's zu spät." „Noch nicht! Acht' ihn nicht weiter — wenn er dir glerch- gi'ltig ist." „Konrad!" „Regina, mir scheint fast, der Moritz bildet sich was ein." „Was meinst denn?" „Der möcht' sein Vatergut wiedet und deinen Hof dazu. Du könnt'st ihm dazu helfen!" „Konrad jetzt hör' auf — dich quält die Eifersucht. „Net gerad'. Du bist ja auch noch frei

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 14 von 16
Datum: 15.07.1905
Umfang: 16
110 streifen von Ohr zu Ohr unter dem Kinn weg stehen. Auch Latte Fritz Pohl's Kleidung einen mehr städtischen Schnitt. Als er so mit Regina Tanner aus der Kirche kam und neben dieser hinschritt, angelegentlich in sie hinein redend, meinten die älteren Bäuerinnen, die zu zweien und zu dreien hinterdrein gingen, die reiche Regina Tan ner wäre für den jun gen Pohl und seines Vaters heruntergekom- mene Wirtschaft wohl eine Retterin aus der Not; aber als sie sa hen, daß Regina

eine Waldspitze, welche in den öffentlichen Büchern dem Bauern Orth zugeschrieben war. Orth Grundstücke achteten, desto höher stieg jetzt deren vermeintlicher Wert. Den Anwälten trug der Prozeß unerschöpfliche Sporteln ein. Ci: verstanden ihr Geschäft. Doch Regina Tanner, die, zur Jungfrau herangewachsen, den Verkehr mit ihrem Jugendgespielen Konrad Orth nicht missen wollte, und auch dieser selbst wußten es bei ihren El tern durchzusetzen, daß endlich ein Vergleich zustande. kam. Konrad und Regina liebten

sich wie Geschwister. Sie sahen sich Tag für Tag, sprachen und scherzten zusammen, und das gut herzige Wesen Konrads tat der scheuen, unzugänglichen Regina um so wohler, je strenger sie von der Dorfjugend fern gehalten wurde. Tenn Regina war von tiefem, der Erheiterung und Aussprache bedürftigem Gemüte. Konrad und Regina litten daher in gleicher Weise unter der Feindschaft der Väter und hatten nichts unver sucht gelassen, dieselben zu versöhnen. Aber als die beiden Baum nach dem Vergleiche, den man entgegen

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 14 von 16
Datum: 12.08.1905
Umfang: 16
12 f> fdjicb aus dcm Tanner'schen Hofe mit einer kalten, kurzen Ab weisung Reginens auf Nimmerwiedersehen. Das war ein harter Schlag für den alten Pohl. Von den weiteren Plänen, welche dieser mit dem verstorbenen Tauner geschmiedet, wollte Regina gleichfalls wollen, um seine bürgerliche Ehre wiederherzustellen, gaben ihm Hat und Trost. — III. Seit der verhängnisvollen Kirchweih waren neun Jahre ins Land gegangen. Haag war das stille Dorf geblieben, aus dem Tanz und Musik für immer ver bannt

schien. Regina Tanner bewirtschaftete an der Seite ihrer Mutter das große Gut ihres verstorbenen Vaters mit uner müdlichem Fleiße und verstand es, das bedeutende Vermögen desselben in umsichtigster Wei se zu verwalten. Sie .arbeitete wie ein Mann und übte strenge Zucht über das Gesinde. Die Bauern von Haag, die sich zu weilen in der Dorfschenke zu einem Gespräche über alle und jeden trafen, meinten, sie sei „der zweite Tanner, auch so genau und hartnäckig wie der Alte." Daß sie sich gleich

, wie sie es bei ihrem verstorbenen Ehegatten, freilich oft vergebens, versucht hatte. Kein besonderes Ereignis hatte die Eintönigkeit des bäuerlichen Lebens während dieser neun Jahre für Regina Tanner und deren Mutter unterbrochen. Fritz Pohl hatte nach Ablauf der üblichen Trauerzeit dem Tan- ner'schen Hofe einen Besuch abgestattet und ernstlich um Regina gefreit. Diese stand in ihrem ganzen bäuerlichen Stolze vor dem geschnic- Das alte Serail in Konstantinopel, vom Meere aus gesehen. gelten und gebügelten Burschen und sah

ihn mit ihren scharfen Augen so groß und ernst an, daß diesem das Wort in der Kehle stecken blieb. War das dasselbe Mädchen, welches so ausgelassen lustig mit ihm getanzt hatte? Nein! Er erkannte sie nicht wieder und ....... nichts wissen. So gab es für Pohl keinen Halt mehr. Er mußte verkaufen und war froh, daß er sich mit seiner fahrenden Habe und ein paar hundert Gulden in ein Sägewerk retten konnte, das sein Sohn pachtweise übernommen hatte. Daß Regina Jahr um Jahr im gleichen Einerlei der Arbeit

, als ob Regina diese Kühnen als willkommenes Spielzeug ihrer jungferlichen Belustigung be trachtete. Je nach der beson deren Eigenart des Freiers fuhr sie den einen barsch an und wies ihm kurzweg die Türe, den andern wieder ließ sie in ratloser Unge wißheit, um ihn gelegentlich um so deutlicher über die Un- bezwingbarkeit eines noch un berührten , Willensstärken Frauenwesens zu belehren. So war sie bei der männli chen Bauernjugend ebenso gefürchtet, wie gehaßt. Auch manch einem jun gen Abenteurer

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 13 von 16
Datum: 26.08.1905
Umfang: 16
Nr. 34 uliterlMmgsblatl zur „Tiroler Land-Zeituug". das stille dort. Erzählung aus dem bayerischen Vogtlaude von Hugo Christoph Heinrich Meyer. Lchdrnck verboten. Alle Rechte Vorbehalten. (Schluß.) Nach der Ernte ließ Regina durch ihren Advokaten eine Klage gegen den Nachbar Orth einreichen. Konrad, dem der Vater das Bauerngut zu eigen .übergeben hatte, stellte Widerklage. Der Pro- i zeß nahm seinen Gang. Augenschein, Zeugenvernehmung, Ver handlung auf Verhandlung folgten. „Wie die Alten sungen

. An diesem Tage fand sich fast ganz Haag in der Kirche zu sammen. Auf dem Heimwege hatte sich Ortsvorsteher Kühn vor übergehend zu Regina Tauner und deren Mutter gesellt. Jhneu voraus gingen Konrad Orth und dessen Haushälterin, die Tief- dorfer Kathrine. Kuhn neigte sich vertraulich zur Witwe Tanner: „Wißt Ihr schon, Bäurin, daß es mit dem Konrad Orth und seiner Base aus Tiefdorf seine Richtigkeit haben soll? Um Weih nachten ist Hochzeit. Seht nur, wie sie's mit einander können!" In der Tat unterhielten

sich die beiden eben Besprochenen vortrefflich. Sie scherzten und lachten sogar. Desto einsilbiger und unwirscher ward Regina, und auch deren Mutter ging schweigend ihre Wege. Kühn bemühte sich vergeblich, die beiden aufzumuntern. Tie Bemerkung des Vorstehers Kühn, die sie wohl vernommen hatte, gab Reginen einen Stich ins Herz. Vergeblich sagte sich Regina, Konrad sei nicht mehr da für sie. — Vergessen wollte sie ihn. Umsonst. — In solcher Stimmung hatte sie mit der Mutter ihren Hof erreicht. Tie Kirchgänger

billigten die dem Ge rüchte nach bevorstehende Verheiratung des Konrad Orth mit Kath- - rinen und gönnten der Regina Tanner dieses Ende ihrer einstigen Liebschaft. — So habe es kommen müssen! — Nachmittag verdüsterte sich der Himmel. Regina saß am Fen ster ihrer Wohnstube und blickte durch die Scheiben ziellos ins Freie. Eine tiefe Schwermut überkam sie. Nun begann es draußen zu stür men. Flocken wirbelten. Der Winter hielt Einzug. Auch in ihrer Seele war es winterlich und stürmisch. Reue und tiefe

: Regina, immer wieder Regina! Da scholl das Geläute eines Schlittenfuhrwerkes von der Dorf straße herauf. Die beiden hatten das Unwetter wenig beachtet, aber ein Fuhrwerk läßt man nicht unbesehen vorüber, zumal, wenn es der erste Schlitten ist. Kathrine trat an's Fenster. „Der Tausend! Das sind ja die Tannersrappen. Und die junge Tannerin steht daneben. Sie deutet das Dorf hinauf. Da fährt der Schlitten schon weiter. Es liegt einer drin. Regina Tan ner geht in den Hof zurück. — Nun kommt

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Tiroler Post
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Seite 13 von 16
Datum: 21.07.1905
Umfang: 16
und Tanner, mußte sich mehr Gesinde halten. Doch hieß es gleichwohl überall selbst mit zugreifen. Ohne Aufsicht blieb das Gesinde niemals. Ter alte Orth sah daher auch ein wenig schief auf seinen Sohn, der so verspätet von der Kirche zurückgekommen lvar. „Wo treibst du dich herum?" „Vater, ich war bei Regina. Nach dem Essen muß ich mit dir reden. Aber jetzt will ich schnell zum Füttern gehn." „Es wär' Zeit!" brummte der Bauer und sah nach den Heu wägen, ob jedes Rad gut geschmiert war und die Seile

auch." — „Erst die schöne Waldspitz' und jetzt den Konrad auch noch — müssen denn die alles —?" „Aber. Vater, für die Waldspitz' hast du doch den schönen Miesengrund, und wenn ich die Regina Heirat', ist ja alles eins. Und eine Bäuerin müßt' ja doch herein, die was versteht. Tie Regina kennt sich aus." „Glaubst, andere nicht?" „Hierherum nicht leicht eine wie die." „Kommt darauf an." „Und gern' Haben muß ich meine Frau auch können, sonst —" „Ich fahr' morgen nach Hohdorf. Da ist die Mutter daheim

, und ihre Freundschaft ist reich. Dort schau ich mich für dich nach Einer um. Mit dem Heuen könnt Ihr schon morgen ansaugen. Bis mittag bin ich wieder zurück.", „Vater laß das — ich könnt's nicht verwinden. Der Regina darfst nicht entgelten lassen, was dir der alte Tanner angetan hat." „Mit der Regina tut's nie gut —" „Doch, Vater! Sag' halt ja!" Ter Bursche hatte seines Vaters Rechte ergriffen, und seine treuen, bittenden Blicke senkten sich tief in die feuchtgewordenen Augen des Vaters. Konrad wußte es. Sein Vater

? Regina ist doch so gut!" „Das verstehst du nicht! — Und jetzt laß' mich in Ruh!" Konrad nickte seiner Mutter zu, die zur Bewirtung der Frau Nachbarin Tanner ein blankes, zinnenes Kaffeegeschirr auf den mit weißen Leinen gedeckten Ahorntisch stellte, und eilte hinüber mm Garten hinter dem Tanner'schen Gute. Von der Gartenhecke führte eine hölzerne Gittertüre ins Freie. Dort stand Regina und wartete. Sie ließ den Burschen herein. Dieser nickte ihr freudig zu. „Schön ist's von dir, Regina, daß du schon

da bist." „So, Konrad, setz' dich dorthin. Mein Platz ist da!" Sie wies auf eine kleine Bank und setzte sich selbst ai.f den stark gekrümmten Stamm eines nahen Apfelbaumes. Konrad nahm Platz und blickte dem Mädchen treuherzig in die Augen: „Regina, willst meine Frau werden? Meinem Vater wär's recht." Regina hatte zwar keine lange Rede erwartet. Denn sie kannte ihren Konrad. Aber nun war's ihr doch zu plötzlich gekommen. Sie zupfte verschämt und dunkelrot geworden an den Franzen ihrer seidenen Schürze. Aber Konrad

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 15 von 16
Datum: 29.07.1905
Umfang: 16
u nb kein anderer die stolze Regina als sein Eheweib heim- fjjbren würde. Nun, da die Eltern am Tanzboden beisammen saßen, mußte ja auch ohne sein Zutun ein Wort das andere geben. Denn wenn es auch an Freiern um Reginen nicht fehlen konnte, so wußte doch Avnrad nur zu gut, was die Mütter bereits besprochen und beschlossen verrauschte der sonnige Nachmittag im Fluge. Eben hatte die Musik eine Pause gemacht. Konrad und Regina eilten zu den Eltern, neben denen auch das Pohl'sche Ehepaar Platz

genommen. Man trank sich „Gesundheit" zu. Konrad und Regina saßen Hand in Hand. Die Mütter derselben gaben sich mit lachenden Augen Winke, und Frau Tanner verstand das beredte Mienenspiel der freundlichen Nachbarin. Sie neigte sich zu ihrem Manne und flüsterte ihm angelegentlich ins Ohr. Tanner runzelte einen Augenblick die Ztirn. Es war, als wollte der alte Groll wieder aus dem Tiefsten den rechten Augenblick nicht zu verpassen. Wütend stieß ihn seine Frau in die Seite, als sie hörte

und mit erkünstelt barschem Ton: „Na, wenn's gar so pressiert, mein'thalben — Er soll sie " Begierig lauschten Konrad und Regina den Worten Tanners, als sich plötzlich aller Augen auf Frau Orth richteten, welche ihrem Manne erbleichend in die Arme gesunken war. Konrad war auf gesprungen, um Branntwein und Wasser zu holen. Er spritzte der Mutter Wasser ins Gesicht, und rieb ihr die Schläfe mit Branntwein. Tabei bemerkte er: „Tie Mutter hat's wieder einmal am Herzen. Das geht vorüber." Aber das Bewußtsein kehrte

der tief Ohnmächtigen lange nicht zurück, und dann mußte sie förmlich heimgetragen werden. Auch Frau Tanner und Regina verließen den Tanzplatz, um der Nach barin beizustehen. Nur Tanner selbst wurde von dem Nachbarn Pohl mit aller hand Fragen und Neuigkeiten noch festgehalten. Hatte doch der schlaue Pohl den ganzen Nachmittag wie ein Fuchs gelauert, um Zimmerleute und Schreiner verkaufen und Ihr seid der erste Mann ringsum. Mein Fritz ging' Euch in allem an die Hand." „Das wär alles st' an recht

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Tiroler Post
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Seite 14 von 16
Datum: 14.07.1905
Umfang: 16
zähtungen, darunter h K 2-—. Die dritte N derselben gegen hohen \ Zu beziehen 110 streifen von Ohr zu Ohr unter dem Kinn weg stehen. Auch batte spritz Pohl's Kleidung einen mehr städtischen Schnitt. Als er so mit Regina Tanner aus der Kirche kam und neben dieser hinschritt, angelegentlich in sie hinein redend, meinten du älteren Bäuerinnen, die zu zweien und zu dreien hinterdrem gingen, die reiche Regina Tan ner Wäre für den jun gen Pohl und seines Vaters heruntergekom mene Wirtschaft wohl eine Retterin

aus der Not; aber als sie sa hen, daß Regina sich von ihrem Begleiter kurzweg loszumachen wußte, da regte sich der Tadel wegen des Hoch muts, dessen sie Re gina zeihten, wie auch die Schadenfreude über die Abweisung des „neu modischen" Fritz Pohl. Das große schöne Bau erngut des alten Tanner wäre einem ihrer Söhne auch recht und das saubere Mädchen dazu. Aber der Wunder größtes, das sich heute begeben, war doch, daß der Bauer und Ortsvorsteher Josef Tanner und fern Nachbar Hans Orth, die langjährigen

, eine Wiese und eine Waldparzelle. Tanner beanspruchte eine Waldspitze, welche in den öffentlichen Büchern dem Bauern Orth zugeschrieben war. Orth Grundstücke achteten, desto höher stieg jetzt deren vermeintlicher Wert. Ten Anwälten trug der Prozeß unerschöpfliche Sporteln em. Sn verstanden ihr Geschäft. Doch Regina Tanner, die, zur Jungfrau herangewachsen, den Verkehr mit ihrem Jugendgespielen Konrad Orth nicht missen wollte, und auch dieser selbst wußten es der ihren El tern durchzusetzen, daß endlich

ein Vergleich zustande kam. Konrad und Regina liebten sich wie Geschwister. Lie sahen sich Tag für Tag, sprachen und scherzten zusammen, und das gut herzige Wesen Konrads tat der scheuen, unzugänglichen Regina um so wohler, je strenger sie von der Dorfjugend fern gehalten wurde. Tenn Regina war von tiefem, der Erheiterung und Aussprache bedürftigem Gemüte. Konrad und Regina litten daher in gleicher Weise unter der Feindschaft der Väter und hatten nichts unver sucht gelassen, dieselben zu versöhnen

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Tiroler Post
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Seite 14 von 16
Datum: 11.08.1905
Umfang: 16
bannt schien. Regina Tanner bewirtschaftete an der Seite ihrer Mutter das große Gut ihres verstorbenen Vaters mit uner müdlichem Fleiße und verstand es, das bedeutende Vermögen desselben in umsichtigster Wei se zu verwalten. Sie arbeitete wie ein Mann und übte strenge Zucht über das Gesinde. Die Bauern von Haag, die sich zu weilen in der Dorfschenke zu einem Gespräche über alle und jeden trafen, meinten, sie sei „der zweite Tanner, auch so genau und hartnäckig wie der Alte." Daß sie sich gleich

hatte die Eintönigkeit des bäuerlichen Lebens während dieser neun Jahre für Regina Tanner und deren Mutter unterbrochen. Fritz Pohl hatte nach Ablauf der üblichen Trauerzeit dem Tan ner'schen Hofe einen Besuch abgestattet und ernstlich um Regina gefreit. Diese stand in ihrem ganzen bäuerlichen Stolze vor dem geschnie gelten und gebügelten Burschen und sah ihn mit ihren scharfen Augen Io groß und ernst an, daß diesem das Wort in der Kehle stecken blieb. War das dasselbe Mädchen, welches so ausgelassen lustig

mit ihn: getanzt hatte? Nein! Er erkannte sie nicht wieder und schhd aus dem Tanner'schen Hofe mit einer kalten, kurzen Ab weisung Reginens aus Nimmerwiedersehen. Das war ein harter Schlag für den alten Pohl. Von den weiteren Plänen, welche dieser mit dem verstorbenen Tanner geschmiedet, wollte Regina gleichfalls Sängerfestes in Zürich. Verlag von Pleyer und Streuli, Zürich. nichts wissen. So gab es für Pohl keinen Halt mehr. Er mußte verkaufen und war sioh, daß er sich mit seiner fahrenden Habe und ein paar

hundert Gulden in ein Sägewerk retten konnte, das sein Sohn pachtweise übernommen hatte. Daß Regina Jahr um Jahr im gleichen Einerlei der Arbeit und des bäuerlichen Erwerbes verbrachte, als junges, schönes, reiches, genußfähiges Mädchen, das schien den guten Hangern denn doch endlich den Kreis des Möglichen zu überschreiten. Die junge heirats lustige Burschenwelt betrachtete den Tanner'schen Hof nachgerade als wie ein verwunschenes Schloß, in welches nur ein Sonntagskind mit Glück ein- dringen

und die verzauberte Maid erlösen könne. Manch einer der Burschen hielt sich für den Richtigen und unter nahm die abenteuerliche Freite. Aber es schien, als ob Regina diese Kühnen als willkommenes Spielzeug ihrer jungferlichen Belustigung be trachtete. Je nach ber beson deren Eigenart des Freiers fuhr sie den einen barsch an und wies ihm kurzweg die Türe, den andern wieder ließ sie in ratloser Unge wißheit, um ihn gelegentlich um so deutlicher über die Un- bezwingbarkeit eines noch un berührten , Willensstärken

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Seite 19 von 20
Datum: 22.07.1905
Umfang: 20
115 leiden uird fühlte auf M Mhen^ mit großem Unbehagen die Blicke des Burschen Äitdem aber Moritz die Absichten des Nachbarn Kvnrad Orth auf Regina durchschaut hatte, konnte sich das Mädchen seiner kaum ^ EMch ^benagte sich Regina bei ihrem Vater über Moritz. Tanner mies den Großknecht zurecht und drohte ihm mit der Kündigung. Aber bei den bevorstehenden gros sen Viehmärkten woll te der gewinnsüchtige Bauer seinen klugen Knecht nicht missen. Moritz wußte dies wohl. Ohne Scheu trug er endlich

Reginen die Heirat an. Die Bäue rin wurde erbost und drang darauf, der Großknecht müsse aus dem Hause. Aber der alte Tanner zauderte noch immer. Doch be hielt er seinen Günst ling besser im Auge. Nach der Ernte gab es Arbeit in der Scheune und ans dem Getreide boden. Als Regina ei nes Tages auf dem Speicher Getreide zu wenden hatte, schlich sich Moritz herzu und flüsterte der Aufschrei enden mit vor Erre gung heiserer Stimme zu: „Mein sollst du werden! Deinen Kon- rad verleid' ich dir noch, du Stolze

sich um den Hof des Tan ner. Dieser ließ ihn zum Dorfe hinausjagen. Wer Moritz drohte mit Anzeige und kam im mer wieder. Konrad und Re gina hatten sich wäh rend der Erntearbeiten seltener getroffen. Regina hatte wohl auch einige Male auf kurze Zeit im Orth'schen Hofe vorgesprochen. Aber sie wollte nicht, daß ihr Vater davon wüßte. So blieb sie niemals lange. Kvnrad's hatte sich wieder jenes bäuerliche Phlegma bemächtigt, das eine starke Leidenschaft nicht leicht auflodern läßt! Beider Gemüter beherrschte

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Tiroler Post
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Seite 13 von 16
Datum: 25.08.1905
Umfang: 16
jSÖSgf * —— Nr. 34. Gratisbeilage zur „Tiroler Post". LAOS. las stille Vors. Erzählung aus dem bayerischen Vogtlande von Hugo Christoph Heinrich Meyer. Nachdruck verboten. Alle Rechte Vorbehalten. (Schluß.) Nach der Ernte ließ Regina durch ihren Advokaten eine Klage gegen den Nachbar Orth einreichen. Konrad, dem der Vater da« Bauerngut zu eigen übergeben hatte, stellte Widerklage. Der Pro zeß nahm seinen Gang. Augenschein, Zeugenvernehmung, Ver handlung auf Verhandlung folgten. „Wie die Alten

auf die be reisten Fluren. An diesem Tage fand sich fast ganz Haag in der Kirche zu sammen. Auf dem Heimwege hatte sich Ortsvorsteher Kuhn vor übergehend zu Regina Tanner und deren Mutter gesellt. Ihnen voraus gingen Konrad Orth und dessen Haushälterin, die Tief- dorfer Kathrine. Kuhn neigte sich vertraulich zur Witwe Tanner: „Wißt Ihr schon, Bäurin, daß es mit dem Konrad Orth und seiner Base aus Tiefdorf seine Richtigkeit haben soll? Um Weih nachten ist Hochzeit. Seht nur, wie sie's mit einander

können!" In der Tat unterhielten sich die beiden eben Besprochenen vortrefflich. Sie scherzten und lachten sogar. Desto einsilbiger und unwirscher ward Regina, und auch deren Mutter ging schweigend ihre Wege. Kuhn bemühte sich vergebliche, die beiden aufzumuntern. Tie Bemerkung des Vorstehers Kuhn, die sie wohl vernommen hatte, gab Reginen einen Stich ins Herz. Vergeblich sagte sich Regina, Konrad sei nicht mehr da für sie. — Vergessen wollte sie ihn. Umsonst. — In solcher Stimmung hatte sie mit der Mutter

ihren Hof erreicht. Die Kirchgänger billigten die dem Ge rüchte nach bevorstehende Verheiratung des Konrad Orth mit Kath rinen und gönnten der Regina Tanner dieses Ende ihrer einstigen Liebschaft. — So habe es kommen müssen! — Nachmittag verdüsterte sich der Himmel. Regina saß am Fen ster ihrer Wohnstube und blickte durch die Scheiben ziellos ins Freie. Eine tiefe Schwermut überkam sie. Nun begann es draußen zu stür- men. Flocken wirbelten. Der Winter hielt Einzug. Auch in ihrer Seele war es winterlich

ihm die Vergangenheit in den Sinn: Regina, immer wieder Regina! Da scholl das Geläute eines Schlittenfuhrwerkes von der Dorf straße herauf. Die beidien hatten das Unwetter wenig beachtet, aber ein Fuhrwerk läßt man nicht unbesehen vorüber, zumal, wenn es der erste Schlitten ist. Kathrine trat an's Fenster. „Der Tausend! Das sind ja die Tannersrappen. Und die junge Tannerin steht daneben. Sie deutet das Dorf hinauf. Da fährt der Schlitten schon weiter. Es liegt einer drin. Regina Tan ner geht in den Hof zurück

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 17 von 20
Datum: 05.08.1905
Umfang: 20
und dann wieder s regungslos im tiefen Nachdenken. Bei den letzten Worten Pohls stieg ihm eine jähe Röte in's Gesicht. Er dachte wohl an seine Zusage gegenüber dem Konrad Orth. Rasch erhob er sich: „Für heut' ist's genug. Morgen kommt Ihr zu* mir, Nachbar Pohl, da rä>en wir weiter." „Kommt doch lieber wieder hierher! Ihr seht doch, wie gern Eure Regina mit meinem Fritz tanzt. Die Freud' dürft Ihr den beiden nicht verderben. Auch wir haben dann den Fritz immer bei der Hand, wenn wir ihn brauchen." „Meinetwegen

, weil Kirchweih ist. Gut' Nacht!" „Gut' Nacht!" Mit zufriedenem Lächeln sahen die beiden Pohle dem Davon schreitenden nach. Tanner teilte zu Hause seiner Frau den Vor schlag Pohls mit. Diese warnte vor Pohl und den Absichten des Fritz auf Reginen: „Denk' doch d'ran, Josef, was du heut' abend dem Konrad —" „Aus der Heirat mit dem Orth wird nichts! Morgen mach' ich's mit Pohl fertig. Mit der Regina werd' ich reden!" ,Lch auch! Du Hamster, schämst du dich nicht, noch mit der eigenen Tochter Handel zu treiben

? Fürcht' dich doch der Sünd'!" „Wir sind schon fertig!" entgegnete Tanner kurz und ging nach dem Vieh zu sehen. Tie Bäuerin wußte, daß sie nichts mehr ausrichtete. Seufzend ging sie zur Ruhe. Trüben bei Orth's gab es keine Nachtruhe. Der Bauer Orth und sein Sohn wachten abwechselnd am Bette der kranken Bäuerin. Tie Freude über die endliche Zustimmung des .Josef Tanner zur Verheiratung ihres Sohnes mit Regina hatte die Herzleidende so erregt, daß sie einen neuen Anfall bekam. Nun lag sie halb ge lähmt

. Ter herbeigerufene Arzt erklärte, daß Frau Orth der Schlag getroffen habe, und daß sie der größten Schonung bedürfe. Er be merkte im Fortgehen, ein neuer Anfall könne leicht tötlich ver laufen. Am nächsten Morgen in aller Frühe eilte Regina zu Orth's 1905. hinüber und half, wo sie konnte. Aber die Tanzmusik lag ihr noch in den Gliedern. „Kannst denn gar nicht mitkommen, Konrad?" „Vielleicht nachmittag. Geh' nur allein!" „Sei mir nicht böse und komm bald nach!" — mit diesen Worten eilte sie hinaus

. Am Hoftor stand Fritz Pohl und empfing sie mit einem Strauß Rosmarin und Veilchen. Stirnrunzelnd beobachtete Konrad vom Fenster aus, wie Regina lachend den Strauß entgegennahm und ihren Arm in den des schmucken Burschen schob. „Geh' zum Tanz, Konrad, du kannst mir ja doch nicht helfen!" redete die Mutter dem finster vor sich Hinstarrenden zu, „der Vater bleibt bei mir." „Ich mein' es wär' besser, der Vater ging' auch mit, und wir blieben beide nur kurze Zeit. So erfahren wir doch, was der alte Pohl

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 18 von 20
Datum: 19.08.1905
Umfang: 20
seine Pferde vor den Pflug und fuhr auf's Feld. Als er um die Krümmung des Dorfweges in den Hohlweg, der nach der Höhe führte, einlenkte, bemerkte er vot sich ein Gespann Ochsen, welches einen Wagen zog. Regina lenkte die Tiere. Sie ließ es sich nicht nehmen, gelegentlich selbst anzufassen, dem Gesinde ein Beispiel gebend. Auch war es ihr Bedürfnis,' in schwerster Arbeit den Ueberschuß ihrer Kraft zu verbrauchen. Konrad sah sie dahin schreiten, groß und stark und §och voll weiblicher Anmut, und trotz

in sein angrenzendes Feld ein und begann zu ackern. Am Wegrande schimmerten die Weidenblüten, an beu Rainen nickte das Wintergrün, Raben schwärmten in den Lüsten, und leise Vogelstimmen schollen aus dem Gezweig. Frühlings- mahneni! Der Landwirt kennt sie, diese wohlige Stimmung, diese noch verhaltene Lust und er gibt sich ihr unbewußt hin. Konrad und Regina verharrten in fortgesetzter Tätigkeit, er ackernd, sie säend, beide zuweilen die Blicke verstohlen hinüber, her über sendend, aber in der wunderlichsten

Stimmung, die sich bei Regina in eineni stummen Trotze, bei Konrad in großem Unmut äußerte. Haß und Liebe kämpften in ihnen, und der Haß siegte. Als Regina die Ochsen vor die Egge spannte und nun diese über das besäte Feld gehen ließ, als sie mit heller Stimme die Tiere anries und sich ihr anmutiges Gesicht von der Arbeit rötete, als sie dann anhielt und ihre Blicke über die Flur schweifen ließ, froh der Scholle, die sie in harter Arbeit bezwang, aber es im mer vermied, ihrem Nachbarn offen in's

Gesicht zu sehen, wäh rend dieser mühsam Stein um Stein aus dem vernachlässigten Acker auflas und auf den Feldrain warf, da war es mit der Selbstbe herrschung Konrads zu Ende. Zur Brotzeit wandte er den Pflug, warf ihn auf die Schleifen und fuhr nach dem Dorfe zurück. Der Knecht sollte das Feld zu Ende ackern. Regina eggte weiter. Die wußte die geheimen Regungen ihrer Seele mit starkem Willen zu bändigen. Mit Peitschenknall trieb sie die Tiere an und glättete Beet um Beet. 'Die Lust wn der Arbeit

fest. Als Regina am andern Tage den Weg mit Pfählen verschränken .ließ, riß er auch diese heraus und warf sie verächtlich beiseite. „Ich will doch sehen, wer's am längsten aushält!" bemerkte er spottend. Im August zur Getreideernte gab es neuen Streit. War im Frühjahr Regina die erste, so war nun Konrad mit dem Abernten des Getreides voran. Schon waren des letzteren Aecker abgeräumt, während Regina noch -schneiden und absahren ließ. Als nun die Tanner'schen Knechte ihre Fuhren

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 14 von 16
Datum: 29.07.1905
Umfang: 16
118 mit schwarzseidenen, buntgesranzten Tüchern kunstvoll umschlungen, sodaß hinten das Haar sichtbar bleibt. Nur die Frauen tragen auch dieses durch eine buutgestickte Haube verdeckt. Also strömte das junge Volk von Haag singend und lachend zum Tanze. Konrad Orth zeigte eine fast 311 feierliche Miene, als er mit der stattlichen Regina aus Tauners Hofraum der Straße zuschritt. Die Mütter schauten dem Paare wohlgefällig nach. „Nun, Regina, wie ist's mit deinem .Vaters Läßt er mit sich reden

?" unterbrach Konrad das Schweigen. „An der Kirchweih wird er schon auftauen. Unsere Freud' woll'n wir uns deshalb nicht ver derben lassen, gelt, Kon rad?" Sie schaute ihm mit einem freundlichen Blicke in die fragenden Augen. „Ja, aber —" Kon rad sprach nicht weiter. Regina war plötzlich er blaßt und erschrocken zu rückgewichen. Moritz Heichel, dem der Fuselgenuß aus den triefenden Augen sah, hatte sich ihr aus einem Seitenwege genähert. Seine Blicke schienen ihre Gestalt zu verschlingen. Ein boshaftes

kreischten und lachten. Alle hatten sich so bald in all' die Lust gefunden, als wenn diese ein allsonntägliches Vergnügen in Haag wäre. Die Klänge ausgelassenster Festlust durchfluteten das stille Haag bis in alle licht- und luftarmen Winkel und Ecken, daß auch die ältesten Aus- Auf der Sperrmauer im Talsperrbecken bei Gemünd (Eifel). Schmuck, die Burschen wollten von der schönen und reichen Bauern tochter einen Tanz zugesagt erhalten. Fritz Pohl hatte sich erst beobachtend fern gehalten. Während Regina

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 14 von 16
Datum: 05.05.1901
Umfang: 16
der Familie in frischen Farben. Der improvisirte Geselle Berblingers stand vor dein Hause mit klopfendem Herzen. Er trat in die geräumige Hausflur ein, ordnete die Kleidungsstücke, die er von Berblinger überbringeu sollte, und bemühte sich, die Haltung eines bescheidenen Handwerksgesellen an zunehmen. Von einer Magd erfuhr er, daß der Herr Bürgermeister- abwesend sei, dagegen befinde sich Fräulein Regina in dem Wohn zimmer. Er trat in dasselbe ein und wurde von der Jungfrau nur eines flüchtigen Blickes

gewürdigt, während sie sagte: „Ei, ei, Lorenz, wie lange hat Euer Vetter die Arbeit anstehen lassen! Mein Vater ist böse geworden, und wenn es so fortgeht, wird es mit der Kundschaft in unserem Hause bald zu Ende sein." „Mein Meister war durch dringende —" Der Geselle konnte nicht fortfahren in seiner Erwiderung, denn Regina war, von dem Tone der Stimme überrascht, aufgesprungen, sah dem Schneidergesellen scharf ins Auge, und auf ihren Zügen wechselte plötzlich glühendes Roth mit der Farbe

des Erschreckens. „Verzeihung, Regina," rief jetzt Werner, „nicht länger konnte ich die Sehnsucht meines Herzens mei stern, ich mußte Euch Wiedersehen, deren Bild seit jener Stunde, als wir uns das erstemal sahen, vor meiner Seele steht, und ohne deren Besitz es für mich kein Glück gibt." „Um Gotteswillen!" erwiderte Regina ängstlich, ohne ihm ihre Hand zu entziehen, „wenn man Euch hier überraschte, ich müßte vor Scham vergehen." „Nur ein freundliches Wort, Geliebte," bat der junge Mann, „daß mir die Stunden

sie die Werber hinzuhalten wissen." „Und Du kannst noch scherzen," erwiderte Regina ein wenig zürnend, „mir ist die Sache zu ernsthaft, cs gilt das Glück meines Lebens." „Unschuldiger Scherz hat noch nie geschadet; er möge Dir bloß Zeuge sein, mit welchem Vertrauen ich der Zukunft entgegenblicke, die unserer Liebe gewiß günstig sein wird. Mir hat das Glück in meinem Leben noch wenig gellchelt; früh schon hinausgestoßen in das Getümmel der Weist, mußte ich mit Ungemach nnd Sorge kämpfen; aber ich habe nie

den Muth verloren und will nun vom Glücke das mir so lang vorenthaltene Gut mit doppelten Zinsen fordern." „Du hast mir noch nie von Deiner früheren Jugend erzählt, hast stets über Deine Herkunft und Deine Eltern ein düsteres Schweigen beobachtet; darf ich nichts davon wissen?" Der Ton der Hausglocke, die - eben angezogen wurde, überhob den Gefragten einer Antwort. Regina eilte von dem Fenster schnell I zu Werner zurück und trieb ihn mit den Worten fort: „Mein Vater kommt, begleitet von Harsdörfer

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 15 von 16
Datum: 15.07.1905
Umfang: 16
. Unaufhörlich redete Fritz, der bewegliche einem von üppigem Pflanzenwuchs halbverdeckten Hohlweg hervor kam und über eine Wiese an dem Garten Tanners vorbeischritt, hielt er plötzlich inne, und ein Lächeln spielte auf seinem sonst gleichförmig ernsten Gesichte. Da d stand Regina unter den Obstbäumen ihres Gartens und war eifrig bemüht einen Kranz Feldblumen, unter denen die orange gelbe Johannisblume zwischen der Bergjasione und anderen Wald- und Wiesenblumen hervorleuchtete, auf einen großen Apfelbaum

mit ten im Garten zu werfen. Doch der Kranz wollte nicht hängen bleiben. Regina hatte sich ihrer schwarzseidenen Jacke entledigt, und an ihren vollen, nach vorne leicht gebräunten Armen spielten die Muskeln, wenn sie, den Rücken gegen den Baum gewendet, zu neuem Wurf ausholte. Konrad kannte den Brauch. Er wußte, daß man dabei nicht sprechen und nicht angesprochen werden durfte, wenn man an Johanni zur Mittagszeit in solcher Werse die Zukunft erkunden wollte. Hinter einer dichten Hecke von wilden Rosen

es so um sie? dachte Konrad. Und wen liebte sie, daß ihr das Heiraten, an das Konrad erst auf Zureden der Eltern ernstlich gedacht, so sehr nahe ging? Warum hatte sie ihm nichts verraten? Sie hatten doch sonst kein Geheimnis vor einander? Warum wollte sie nun einen fremden Burschen? Da endlich hing das Kvänzchen hoch an den obersten Aesten. Tief aufatmend ließ Regina die Arme sinken und flüsterte vor sich hin: „Dreizehn". Unmutig wendete sie sich der Gartentüre zu, die zum Tanner'schen Hofe führte, als Konrad

auf sie zuschritt: „Grüß Gott, Regina! — Kommst heut nachmittag an den Zaun?" „Ja," antwortete sie leise und eilte in den Hof, wo die Mutter fchon nach ihr rief. Auch Konrad wurde schon längst erwartet. Seiner harrte gleichfalls ein Teil der Sonntagsarbeit. (Fortsetzung folgt.)

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 19 von 20
Datum: 05.08.1905
Umfang: 20
um Schnitt, seine Umgebung keines Blickes würdigend. Die Musik verstummte. Die Mäd chen bildeten Kreise. Ihr Gesang vermischte sich mit dem Jauchzen der Burschen. Nur Regina verschmähte dies. Sie stand noch bei Fritz Pohl. Da erklang ein Schrei. Es war die hel le Stimme Reginens. Fritz Pohl hatte sie unversehens geküßt. Blitzschnell erhob sich Konrad. Er gewahrte noch die küssende Bewegung Pohls, während sich Regina gewaltsam des zudringlichen Burschen zu erwehren suchte. ^ Konrad war es einen Augenblick

, als ob sich ein roter Schein um ihn verbreitete, als ob ihn eine Glut von innen erstickte. Das Messer, ohne es zu wissen, noch in der Hand, stürzte er auf das Podium und auf Fritz Pohl los. Dieser setzte sich zur Wehre, wurde aber durch einen Stoß Konrad's zu Boden gestreckt. Ta riefen mehrere Burschen: „Konrad Orth hat ein Messer! Rehmt's ihm ab! Packt ihn! Hinunter mit ihm!" Im Augenblick griffen ein Dutzend Hände nach ihm. Mit Kraft und Gewandtheit mack" sich los, Regina nach sich ziehend. Fritz Pohl

hatte sich wieum erhoben. Da er die klebrigen auf „Orths Konrad!" ruft es von allen Seiten. „Sv, also der? Ich hätt' mir's denken können. Der Apfel fällt nicht weit vom Baum. — Mach', daß du hinunter kommst, oder ich gebrauche Gewalt! Laß meine Tochter! — Donnerwetter, laß' los, sag' ich!" „Nehmt ihm das Messer ab!" ruft der alte Pohl. Konrad schleudert die ersten Angreifer zurück. Seine ungewöhnliche Muskelkraft war bekannt. Einen Augenblick herrscht Ruhe. Regina benützt diesen Moment und bricht

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Tiroler Post
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Seite 14 von 16
Datum: 18.08.1905
Umfang: 16
er vor sich ein Gespann Ochsen, welches einen Wägen zog. Regina lenkte die Tiere. Sie ließ es sich nicht nehmen, gelegentlich selbst anzufassen, dem Gesinde ein Beispiel gebend. Auch war es ihr Bedürfnis, in schwerster Arbeit den Ueberschuß ihrer Ktaft zu verbrauchen. Konrad sah sie dahin schreiten, groß und stark und doch voll weiblicher Anmut, und trotz des einfachen Gewandes die wohlhabende Bäuerin verratend. Nun war sie auf der Höhe und lenkte ihr Gespann auf das nächste Feld. Ein Bursche half ihr die Egge

Vogelstimmen schollen aus dem Gezweig. Frühlings mahnen!! Der Landwirt kennt sie, diese wohlige Stimmung, diese noch verhaltene Lust und er gibt sich ihr unbewußt hin. Konrad und Regina verharrten in fortgesetzter Tätigkeit, er ackernd, sie säend, beide zuweilen die Blicke verstohlen hinüber, her über sendend, aber in der wunderlichsten Stimmung, die sich bei Regina in einem stummen Trotze, bei Konrad in großem Unmut äußerte. Haß und Liebe kämpften in ihnen, und der Haß siegte. Ms Regina die Ochsen

. Zur Brotzeit wandte er den Pflug, warf ihn auf die Schleifen und fuhr nach dem Dorfe zurück. Der Knecht sollte das Feld zu Ende ackern. Regina eggte weiter. Die wußte die geheimen Regungen ihrer Seele mit starkem Willen zu bändigen. Mit Peitschenknall trieb sie die Tiere an und glättete Beet um Beet. Die Lust ajn der Arbeit sollte den Hunger ihrer Seele stillen. Sie wollte es nicht anders. Von da an vermied es Konrad, wo er nur immer konnte, Reginen auf der Flur zu begegnen. So kam die Heuernte heran

dort herum!" Er zeigte auf den Fahrweg nach dem Dorfe. Konrad aber fuhr unbekümmert weiter: „Ich lasse mir mein Fahrtrecht Mer Eure Wiese nicht nehmen." Er hieb auf die Pferde ein und brachte die erste Fuhre nach seinem Hofe. Der alte Orth warnte und bat seinen Sohn, mit den Tanners keinen Streit anzufangen. Konrad aber blieb fest. Als Regina am andern Tage den Weg mit Pfählen verschränken ließ, riß er auch diese heraus und warf sie verächtlich beiseite. „Ich will doch sehen, wer's am längsten aushält

!" bemerkte er spottend. Im August zur Getreideernte gab es neuen Streit. War im Frühjahr Regina die erste, so war nun Konrad mit dem Abernten des Getreides voran. Schon waren des letzteren Aecker abgeräumt, während Regina noch schneiden und abfahren ließ. Als nun die Tanner'schen Knechte ihre Fuhren wieder wie alljährlich über die abgeräumten Orth'schen Felder lenken wollten, stellte sich Konrad selbst dorthin, wo die Wagen in seine Grundstücke einbogen: „Hier gibt's keine Fahrt!" rief er. „Tie Bäuerin

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 15 von 16
Datum: 12.08.1905
Umfang: 16
In Wahrheit vermeinte Regina den volleil Ernst der LLirklich- scit, den Wert und Unwert einer Liebe in einer sehr kurzen Spanne Zeit so vollkommen erkannt zu haben, daß sie nach weiteren Lieb schaften keine Gelüste verspürte und ihr alles Kommende nur als eine Gelegenheit erschien, daran ihre Willenskraft zu beweisen -mtb itd) mit einer gewissen heiteren Art aus den mannigfachsten Verlockun- und Anfechtungen zu winden, während in ihrem Innersten cine tiefe Trauer, ein dunkler Schmerz

. Gegen den Nachbarn Orth hatte sie sich völlig abgeschlossen, „wd auch ihrer Mutter, welche des öfteren nach einer Aussprache mit dem alten Orth verlangte, wußte sie dieses Bedürf nis auszureden. Wieder war cs Spätherbst. Die Kirchweih verlief in Haag wie all jährlich ohne Tanz und Musik in tief ster Stille. Im Tanner'schen Hofe sprachen nur ver einzelte Geschäfts freunde und Ver wandte vor. Sie verabschiedeten sich alle nach kur zer Bewirtung. Es war ein mondheller Abend, als Regina nach ihrem Rundgang

in des anderen Wesen, ohne daß das Auge aus ihm ruht. Tie alte Bäuerin schob unruhig an ihrer Brille und wendete den Kopf halb nach der Tochter. „Was gibt's, Regina!" „Nichts." „Was hast du? Sind die Knechte da?" „Weiß nicht!" „Nimmls heut nicht so streng, wenn sie sonst brav und ehrlich sind!" Regina antwortete nicht. „Was fehlt dir?" forschte die Mutter weiter. „Laß mich, morgen reden wir darüber." Da nahte ms einem Sei tenweg eine Män nergestalt. Sollte einer ihrer Knechte sich erlaubt haben, zu so später

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