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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 15 von 16
Datum: 26.09.1903
Umfang: 16
Rr. 7. Ich werde Ihnen bei Ihren Arbeiten behilflich sein. Wir werden miteinander noch weiter plaudern. Ich heiße Athanase Guiraudet." „Mit Freuden gehe ich auf Ihren Vorschlag ein. Sie haben mich gewonnen." „Umso besser! Kommen Sie also sofort in mein Heim. Ich kann Sie zwar in keine prunkenden Gemächer führen; denn Sie wer den begreifen, daß es bei einem Angestellten mit zwölfhundert Fran ken Gehalt nur ganz bescheiden aussehen kann. Doch wir sind am Ziele. Treten wir ein." Beide traten ein. III. Herr Guiraudet führte Paul Gerald

in ein älteres, aber immer noch schmuck aussehendes Haus, ganz verschieden von den neuen Häusern, deren Mieter äußeren LuXus gegen Mangel an Luft, Raum und Licht eintauschen. Paul wurde in eine bescheidene, im Erdgeschoß gelegene Wohn ung geführt, welche den Ausblick auf einen kleinen Garten gewährte. Dieser war nett und einfach. Das schönste Zimmer war hoch, breit und getäfelt. Sechs Fauteuils, mit etwas verblaßtem Stoff überzogen, eine Wanduhr in einem Gehäuse von Eichenholz und ein langer Tisch bildeten

die ganze Ausstattung. Als Paul und Herr Guiraudet eintraten, saß ein junges Mäd chen am Tische, über ein großes, aufgeschlagenes Buch gebeugt. Rasch erhob sie sich. „Meine Tochter!" sagte Herr Guiraudet zu Paul. „Iulienne, hier stelle ich dir Herrn Paul Gerard, einen meiner Freunde dieses Jahres vor." Julienne machte mit dem Kopf eine kleine Verneigung, ohne etwas zu erwidern. Nachdem ihr Vater sie auf die Stirn geküßt hatte, setzte sie sich wieder an die Arbeit. „Kommen Sie junger Freund," sagte Herr

Guiraudet zu Paul, „wir wollen uns einmal unser Gärtchen näher ansehen." Paul folgte dem alten Manne und trat mit ihm ins Freie. Die Julienne war von mittlerer Statur. Ihr schönes Antlitz leuchtete bleich oder eher erblaßt. Sie hatte lange, magere Hände mit Ge lenken von außerordentlicher Feinheit. Ihr braunes Kleid mit gerade herablaufenden Falten widersprach der herrschenden Mode. Einzig auf die Haartracht schien das junge Mädchen größere Aufmerksamkeit zu Papst Pius X. verlegen. Dichte, üppige

, blauschwarze Haare umrahmten ihr blasses Gesicht. Die einzige Schönheit Juliennes waren die Augen, ihre schwarzen, geistvollen, ruhigen, sanften Augen. Sie schienen zu sagen, daß sie mehr Glück und Liebe geben als erhalten. „Sie betrachten meine Tochter?" sagte Herr Guiraudet zu Paul; „das gute Kind ist keine Schönheit, aber ein Engel. Ein Engel kindlicher Liebe! Wissen Sie, was sie jetzt für mich tut? Sie lernt hebräisch." Paul konnte ein Läch eln nicht zurückhalten. Aber der alte Herr

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 14 von 16
Datum: 08.06.1907
Umfang: 16
90 „Ich halbe nicht di« Ehre, Sie »u kenne»", erwiderte er und wandte sich mit höflicher Verbeugung ab. Erstarrt blickte sie ihm nach, während tiefe Blässe ihr Ant litz überzog. Sinnend faßte ihre Hand nach der Stirne. „Es ist Paul!" murmelten die blutlosen Lippen. „So gewiß, wie ich arme, ist es mein Gatte. Es ist seine Gestalt, sein Antlitz: und dennoch", fügte sie nachdenklich hinzu, „träume ich oder wache ich? Wie kann Paul plötzlich ein Herr Dale und Parlamentsmitglied geworden

und nicht geneigt schien, sich in eine weitere Konversation mit ihm' einzulassen. „Ja, es ist Paul", sagte sie, „ich sehe es an seiner Haltung — wehe mir, wie ertrage ich das! Es ist ganz gewiß Paul!" Er stand am anderen Ende des Salons und schien einige Photographien zu besichtigen. Sie überwachte sein Tun mit klopfen dem Herzen; ihre Hand zitterte so sehr, daß ihr Fächer derselben entglitt, ihre Pulse schlugen fieberhaft, ihre Nerven befanden sich in der höchsten Spannung. „Es muß mein Mann

sein; kein anderer Lebender hat ein solches Antlitz wie er. Darf ich es wagen, ihn anzureden? Er erkannte mich nicht, hat meinen Namen vielleicht nicht verstanden. Ich muß zu ihm gehen, es gilt mein Leben!" Mit dem Schimmer lang unterdrückter Liebe in ihrem Antlitz durchmaß sie mit raschen Schritten den Salon und näherte sich ihm. Er blieb bei ihrem Anblick unbeweglich stehen. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm, worauf er sie mit kaltem Erstaunen ansah. „Paul", flüsterte sie, indem ihr Antlitz das seinige beinahe

streifte. „Paul, kennst du mich nicht wieder? Ich bin Ella — Ella, dein Weib!" Er lächelte eisig und versetzter „Es muß Ihrerseits ein unvergleichlicher Irrtum obwalten, Frau Waldon; ich habe keine Frau." Sie maß ihn lange mit durchbohrenden Blicken. An den „süßen Wassern" bei Konstantinopel. „Me könnt« ich mich täuschen?" versetzte sie betroffen. kann nicht glauben " Aber die Worte erstarb«« auf ihre» Lippen. Der Herzog von Brentway unterbrach ihre Unterhaltung durch eine gleichgiltige Aeu. ßerung

über die im Salon herrschende Hitze. Sie sah sich ge. nötigt, sich zu beherrschen, wie schwer es ihr auch fiel. Herr Tale verließ sie so bald als möglich, eine Entschuldigung auf den Lippen. Als sie sich umfah, hatte Herr Dale sich bereits von der Gesellschaft verabschiedet. 17. Kapitel. Paul Waldon oder jetzt Herr Dale saß allein in seinem Zimmer; vor ihm lagen Briese, Dokumente und Berichterstattungen, die er alle mit eiserner Ausdauer studiert und geprüft hatte. AirS jeder Seite schaute

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Tiroler Post
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Seite 2 von 20
Datum: 14.06.1907
Umfang: 20
Verbeugung ab. Erstarrt blickte sie ihm nach, während tiefe Blässe ihr Ant litz überzog. Sinnend faßte ihre Hand nach der Stirne. „Es ist Paul!" murmelten die blutlose« Lippen. „So gewiß, wie ich atme, ist es mein Gatte. Es ist seine Gestalt, sein Antlitz; und dennoch", fügte sie nachdenklichi hinzu, „träume ich oder wache ich? Wie kann Paul plötzlich ein Herr Dale und Parlamentsmitglied geworden sein? Er muß es sein und dennoch will er mich nicht erkennen!" Der ganze Saal schien sich vor ihren Blicken

, um sich auf eine Antwort vorzube- reiten, und sagte dann ausweichend: „Alle genialen Leute interessieren mich." „Ich wünschte, ge nial zu sein," äußerte Lord Brecon. „Ist er — Herr Dale — verheiratet?" — forschte sie weiter. „Man behauptet das Gegenteil. Ich bin ihm mehrere Male begegnet, habe ihn aber nie in Gesellschaft einer Dame angetroffen." Damit wandte sich Lord Brecon ab, da er sah, daß Frau Waldon zerstreut und nicht geneigt schien, sich in eine weitere Konversation mit ihm einzulassen. „Ja, es ist Paul

", sagte sie, „ich sehe es an seiner Haltung — wehe mir, wie ertrage ich das! Es ist ganz gewiß Paul!" Er stand am anderen Ende des Salons und schien einige Photographien zu besichtigen. Sie überwachte sein Tun mit klopfen dem Herzen; ihre Hand zitterte so sehr, daß ihr Fächer derselben entglitt, ihre Pulse schlugen fieberhaft, ihre Nerven befanden sich in der höchsten Spannung. „Es muß mein Mann sein; kein anderer Lebender hat ein solches Antlitz wie er. Darf ich es wagen, ihn anzureden? Er erkannte

mich nicht, hat meinen Namen vielleicht nicht verstanden. Ich muß zu ihm gehen, es gilt mein Leben!" Mit dem Schimmer lang unterdrückter Liebe in ihrem Antlitz durchmaß sie mit raschen Schritten den Salon und näherte sich ihm. Er blieb bei ihrem Anblick unbeweglich stehen. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm, worauf er sie mit kaltem Erstaunen ansah. „Paul", flüsterte sie, indem ihr Antlitz das seinige beinahe streifte. „Paul, kennst du mich nicht wieder? Ich bin Ella — Ella, dein Weib!" Er lächelte eisig und versetzter

es ihr auch fiel. Herr Dale verließ sie so bald als möglich, eine Entschuldigung auf den Lippen. Als sie sich umsah, hatte Herr Dale sich bereits von der Gesellschaft verabschiedet. 17. Kapitel. Paul Waldon oder jetzt Herr Dale saß allein in seinem Zimmer; vor ihm lagen Briefe, Dokumente und Berichterstattungen, die er alle mit eiserner Ausdauer studiert und geprüft hatte. Aus jeder Seite schaute ihm aber ein liebliches Antlitz entgegen. „Paul, Paul, ich bin Ella — dein Weib," hallte es unaufhörlich

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 19 von 20
Datum: 03.10.1903
Umfang: 20
Guiraudet saß in einem großen Fauteuil, abseits vom Lichte, um seine Augen zu schonen. Fräulein Julienne schrieb emsig wie immer. Das Licht der Lampe bestrahlte ihre Haare und die Stirne ihres geneigten Antlitzes. Auf einmal schien sie bei ihrer Arbeit ungeduldig zu werden. Sie erhob den Kopf und sagte zu Paul: „Verstehen Sie ein wenig Latein?" Es lag etwas wie leise Ironie in ihren Worten. Paul fühlte dies heraus und hielt es für angemessen, in ziemlich stolzem Tone zu antworten

ja, daß von allen Schriftstellern Horaz der jenige ist, an den sich die wenigsten Uebersetzer wagen. Er hat eigene Wendungen, und eine ganz ungewöhnliche Art und Weise, seine Ge danken auszudrücken. Seine Sprache ist eben weniger die gewohnte lateinische als die des Horaz. Wirklich, der Alte von Tibur*) bringt mich deshalb oft in arge Verlegenheit. Wollen Sie mir also ein wenig behilflich sein?" Julienne sagte dies mit einfacher, herzlicher Gutmütigkeit. „Gerne stehe ich zu Ihren Diensten, Fräulein!" antwortete Paul. „Gerne

Caementis licet occupes . . . Sie hielt inne und reichte Paul das Buch hin. „Wir wollen es bester einrichten; nehmen Sie das Buch und diktieren Sie mir die Uebersetzung." Paul nahm das Buch unbefangen aus ihrer Hand entgegen. „Ich bin bereit," sagte Julienne die Feder in der Hand. Er begann den TeXt zu studieren. Herr Guiraudet lächelte hinter seiner großen Brille. Julienne harrte. „Nun?" fragte sie nach einigen Minuten tiefsten Stillschweigens. Herr Görard schien ärgerlich

zu sein. „Haben Sie einen lateinischen Diktionär hier." „Wozu?" „Ich möchte ein Wort suchen." „Welches?" „Ein schweres Wort!" „Hm! Kommt denn hier ein schwieriges Wort vor?" „Ja - - " „Welches?" „caementis." „Oh, oh! Herr Gerard!" „Bitte, Fräulein, wer kann alle Wörter einer Sprache wissen, und besonders die einer toten Sprache?" „Ich bin gegenteiliger Ansicht, Herr Paul, bei einer toten Sprache steht der Gebrauch der Wörter ein für allemal fest und der Wort bestand vermehrt sich nicht." Paul war verwirrt. „Geben Sie mir gefälligst

einen Diktionär!" *) Tibur, jetzt Tivoli, uralte, schöngelegene, italienische Stadt, beliebte Sommerfrische der alten Römer; Horaz hielt sich gerne hier auf. „Wozu?" entgegnete Julienne. „Betrachten'Sie^das Wort genau; studieren Sie den Gedankenzusammenhang und Sie werden das Wort bald finden." „Aber ... ich finde es nicht," sagte Paul, nachdem er lange Zeit studiert hatte. „Nun gut! caementis hat Aehnlichkeit mit ciment (Zement) oder anders gesagt mit moellon (Bruchsteine), mit welchem man Hafendämme

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 14 von 16
Datum: 22.06.1902
Umfang: 16
vermählten nach kurzem Abschied nach der nächsten Bahnstation, von wo der Schnellzug sie nach der Reichshauptstadt entführte, wo sie die erste Zeit ihres jnngen Glückes ver leben wollten. Sie saßen eng aneinandergeschmiegt und blickten in die im Mondlicht schimmernde, blühende Mai nacht hinaus; die junge, schöne Frau schmiegte still den Kopf an die Brust des Mannes. „Bist Du glücklich, mein Herz?" fragte er zärtlich. „O Paul, ob ich's bin!" „Bangt Dir nicht?" „O nein! Ich habe um Deinetwillen

alles verlassen, aber ich weiß auch, um welchen Preis." „Ja, Du armer Schatz hast viel ertragen um meinet willen, Mißachtungen aller Art, weil Du Dich unterstandest, einen „Vagabunden" zu lieben und Dich ihm schenktest aber Du wirst es nicht bereuen!" „Bei Dir ist meines Herzens Heimath!" „Meine süße, kleine Fee, mein Liebling!" „Paul, Du mein einziges Glück!" XX. Und nirgends auf der ganzen Welt Fühl' ich so frei mich von Beschwerde, Du guter Gott, erhalte lang Mir meinen Himmel auf der Erde. Volkslied

über uns, aber so geht es ja allen Menschen. Nach unserer Trauung kamen wir hierher und verlebten selige Flitterwochen hier bis zuui Juli, wo Paul in München engagirt war. Dort ließen wir uns häuslich nieder; als wir anderthalb Jahre dort waren, kam Hilda zur Welt. Wir waren hocherfreut, Paul ganz außer sich vor Glück; da, das kleine Ding war erst wenige Wochen alt, kam eine Sängerin, deren Liebe Paul einst um meinetwillen verschmähte, an die Bühne, wo mein Mann thätig war. Ihre Leidenschaft hatte sich in Haß

. Aber der Aufenthalt war uns doch verleidet; dazu war Paul beständig unwohl; die Luft konnte er nicht vertragen; auch Onkel Walter gefiel sein Zustand nicht; er rieth uns fortzugehen. Wir warteten, bis Pauls Engagement abgelaufen, und gingen nach Breslau, wo Onkel Waller, der sich dort eine Villa gekauft hatte, uns mit Sehnsucht erwartete. Und nun kam ein schweres Herzeleid über mich, das erste in meiner Ehe. Paul, der wie schon gesagt, in München sich sehr leidend fühlte, hatte sich die vielen Aufregungen

so zu Herzen genommen, dazu die anstrengende Reise: er legte sich in Breslau angekommen sofort zu Bett und wurde sterbenskrank. Der Typhus hatte ihn erfaßt; wochenlang schwebte er in großer Gefahr; der Onkel sagte mir, daß ich mich auf alles gefaßt machen müsse. Ach Gott, diese Angst um mein Alles! Wie zitterte ich! Aber meines Mannes jugendkräftige Natur überwand glücklich den Höhepunkt; er fing langsam an, sich zu er holen; der gute Onkel war bei der schweren Pflege meine rechte Hand; ohne ihn wäre Paul

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 10 von 16
Datum: 06.04.1902
Umfang: 16
mein Junge, mach' es Dir recht bequem, komm, stoß an, es lebe, was wir lieben!" „Auf Dein Spezielles, mein lieber Walter! Hoch soll er leben!" sang Paul fidel. „So Hab' ich es gern!" sprach. Walter. „Mit einem treuen, guten Gesellen beim heißen Punsch vereint, tausche ich mit keinem Herrscher der Erde." „Ich wundere mich, Walter, daß Du heute nicht mit Signora Cervelly und den andern bei Salviati soupiren wolltest," meinte Paul schelmisch. „Höre, Junge, Du bist ein Filou, die schöne Diva

wird den alternden Degenfeld nicht vermissen; läßt sich lieber von dem schneidigen Maestro Santini hofiren und von den Kavallerieleutnants anhimmeln; der Walter hat nie verstanden, Süßholz zu raspeln; erzähle 'mal, Paul, wie hast Du denn Urlaub bekommen? Nur Deinethalben hat der Alte den „Vampyr" drei Tage verlegt; ich war einfach baff, als ich es hörte. Du hast doch einen riesigen Stein im Brett bei ihm." „Was wollte er denn thun? Ich habe einmal darauf bestanden, ich sehnte mich -so, wieder 'mal daheim

eine rechte Weihnacht zu feiern, es ist das erste Mal, seit' seit ich " „Unter die Komödianten gerathen bin!" ergänzte Degenfeld. Paul schwieg und rührte sinnend in seinem Punschglas. Der Heldentenor beobachtete ihn eine Weile, dann legte er ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Paul, wie alt bist Du eigentlich?" Der schaute verwundert drein. „Vor kurzem dreißig geworden!" ..So erlaube nur ein offenes Wort. Ich als älterer Fre-n^d sage Dir, daß es jetzt für Dich an der Zeit ist, zu heirathen

. Die Kollegen nennen Dich den Musterjungeu, und mit vollem Recht, ich bin stolz auf Dich; Du bist wie Du sein sollst als Künstler und Mensch, ein braver, lieber Kerl, an dem ich meine Freude habe." „Aber Walter!" wehrte Paul gerührt. „Ich schmeichle nicht, Gott behüte, cs ist so, ich weiß aber auch, daß Dir etwas fehlt. „Mir — wieso denn?" „Jawohl, Dir, und ich sähe Dich so gern recht von Herzen glücklich, nein — unterbrich nckch nicht, Du willst sagen, daß unsere hohe, herrliche Muse, der Du Dich ergeben

, lieber Kerl!" sagte Paul weich und reichte ihm beide Hände herüber; warmes Mitgefühl schimmerte feucht in seinen großen Augen. „Ich fühle mit Dir!" In Dcgenfelds Zügen arbeitete es heftig, erst nach einer Weile tonnte er weiterreden. „Mein braves Weib, mein herziger Sohn, sie waren mein ganzes Erdenglück; Gott hat es genommen, ich murre nicht, aber die Erinnerung an jene herrliche Zeit vergoldet mir mein einsames Leben. Sieh, Paul, das, was ich an Lottens Seite genossen, das selbe wünsche

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 14 von 16
Datum: 18.05.1907
Umfang: 16
,'p saßen, „siehst du den fremden Herrn dort unten an der Gar tentüre? Er kommt, um dir eine der seltsamsten Geschichten zu erzählen, die du je vernommen hast." * Paul Waldon hörte Herrn Ford in dumpfem Schweigen, in verwirrter Angst an. Bisweilen drang ein tiefer Seufzer aus seiner Brust, und Äs Herr Ford schwieg, wandte er sich in unsäglicher Liebe und Zärtlichkeit an seine Gattin. „Mein Liebling," redete er sie an, „mein teures Weib, du bist also eine vor nehme Lady!" „Ich bin deine Frau

, Paul," be eilte sie sich, zu erwidern, als sie seine heftige Gemütsbewegung bemerkte. „Und dieser Lord hat dich eingela den — dich und unseren Knaben — ihn zu besuchen — dich ohne mich!" „Wahrscheinlich wünscht er mich zu erst kennen zu lernen," erteilte sie zur Antwort. „Er wird dich zweifelsohne spä ter sehen wollen." „Dich ohne mich!" wiederholte er tonlos. „O, mein Liebling, glaube nicht, daß es mich deswegen kränkt, weil er reich und vornehm ist! Reichtum und Ansehen haben für mich keinen Wert

. Ich schätze nur dich — — o, wenn er dich mir entreißen würde!" „'Das kann er ja nicht," flüsterte sie. „Wer könnte dich von mir trennen? Bin ich nicht dein Weib, dein getreues Weib?" Seine innige Liebe, seine leidenschaftliche Verzweiflung rühr ten sie tief; sie fühlte in diesem Momente, daß sie lieber ster ben, als ihn verlassen würde. Paul vergaß, daß sie sich nicht allein befanden; er schloß ihre Hände in die seinigen und be deckte sie mit heißen Küssen und Tränen. „Wie könnte ich deinen Verlust

ertragen, mein süßes Weib? Möge der Himmel jedes Leid entfernen, das sich zwischen uns Edelmann kann uul» wird sie nicht von meinem Herzen teilen; Urteilen Sie selbst, ob sie mich nicht liebt!" „Ich sehe es," gab Herr Ford ernst zur Antwort; im Stil, len aber dachte er seufzend: „Der Himmel sei dem Manne gnä dig, der sein Glück auf ihr Gelübde baut!" „Du wirst nicht lange sortbleiben, Ella?" bat Paul. Koltern mit dem Trac6 der Mendelbahn. drängen wollte! Ich bin jeden Augenblick bereit

, für dich mein Leben zu opfern." „Und ich liebe dich ebenso treu und wahr, Paul," flüsterte sie. Er wandte sich an Herrn Ford; „Sie sehen mein Herr, daß sie mich innig liebt — mich liebt, obschon ich ihrer Liebe nicht würdig bin. Dieser vornehme Gesamtansicht von Villefranche. „Ich werde gar nicht sortgehen, Paul," versetzte sie, me, edlen Regung folgend, „wenn du mir deine Einwilligung zu du- sem Besuche nicht gerne erteilst." Aber er dachte zu hochherzig, zu edel, um dieses Opfer m zunehmen. „Nein, du mußt gehen

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 15 von 22
Datum: 01.07.1904
Umfang: 22
! Bald heißt's: zurück in die lärmende Stadt, das einförmige Leben wieder aufnehmen und abends in das öde Logis zurückkehren! Paul sagt sich, der nächste Sonntag werde ihm endlos Vorkommen im Vergleich zu diesem, so schnell entflohenen: und seine Vereinsamung werde ihn sogar mit jedem Moment schwerer drücken. Der Mensch ist nicht geschaffen zum Alleinsein; das hatte er ja oft gedacht und wiederholte sich's auch jetzt. Und Cöcile ist auch nicht mehr heiter. Zwar unendlich dankbar ist sie dem Schicksal

beschleunigt seine Fahrt. Eine mächtige rötliche Helle kündet die Nähe von Paris an. Die Nacht ist angebrochen: die Kulturen der Gemüsegärten, die Aecker, die Villen mit ihren Gärten bilden nur noch eine wirre Masse. Paul Liroy sieht aus seine Uhr; noch eine Viertelstunde, und man ist auf dem Bahnhof Saint-Lazare . . . Und da ist schon der weite Glassaal, wo der Zug mit höllischem Lärm einsährt, mit ihm zwanzig andere beinahe in der gleichen Mi- nute von verschiedenen andern Linien her. Nach dem Frieden

des Landlebens, der Sorglosigkeit und Illusion aufs neue der Druck der Wirklichkeit! .... Paul hilft Cöcile beim Aussteigen; fast getragen von der Menge gelangen sie an den Ausgang, dem von Menschen wimmelnden Platz, wo ohne Unterbrechung Omnibusse und Wagen zirkulieren. „Und man behauptet, Paris sei im Sommer verödet", bemerkt der junge Mann, der an ganz anderes denkt. Und nach einer Weile fragt er : „Wo wohnen Sie, Fräulein Cecile?" „Ganz nahe bei meinem Laden . . . Und ich glaube, ich will zu Fuß cehen

: denn die Omnibusse sind überfüllt und Fiaker sind keine da/ „Ich will Ihnen einen suchen . . „Nein, nein, danke ... ich gehe wirklich zu Fuß." „Erlauben Sie, daß ich Sie begleite?" „Warum nicht, Herr Paul, nachdem wir einen ganzen Tag mit sammen verbracht haben . . . aber nur bis zum Straßeneingang .." Sie gehen über den Boulevard Haußmann. Und plötzlich fühlt Paul, daß das nicht so enden darf, daß er sich sonst nie darüber trösten könnte. Es ist zwar nicht der vielgenannte „Blitzschlag", sondern ein strahlender

nicht! . . ." „Was meinen Sie, wer ich fei?" frägt er sehr ernst. „Ein sehr braver Mann," erwidert Cöcile festen Tons, und Paul fährt fort: „Und ich halte Sie für ein echtes Frauengemüt, zärtlich, tapfer, hingebend . . . Fräulein Cscile, wollen Sie meine Gattin sein?" „Ah, Herr Paul!" Und ganz zitternd mußte sie sich an den Jüngling lehnen. „Jetzt haben Sie meine Zukunft in den Händen .... Mein Gott, werden Sie mit „Nein" antworten?" Sie blickt ihn an, reicht ihm nochmals die Hand und flüstert: „Ich sage

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 12 von 16
Datum: 01.06.1902
Umfang: 16
„Weißt Du, daß der Künstlerfluch auf mir ruht, mein Liebling? Begreifst Du, was das heißt! 'Es heißt überall verkannt, verachtet, über die Achsel angesehen und beklatscht zu werden, alles Schlimme wird unserem Stande zugetraut, weil wir fahrendes Volk sind." „Ich weiß das, Paul, weiß alles, weiß auch, daß alle mich verurtheilen um meiner Liebe willen — — aber ich habe den Math, alles zu tragen, um Dir auzuae- hören!" „Du wirst mir folgen als mein Weib in die weite, schö ne Welt

nicht zur Rolandseiche, sondern zum Ruprechtstempel sandte der Mond durch die kahlen Aeste sein mildes Licht aus ein schönes, jugendliches Menschenpaar hernieder. Paul lächelte. „Weißt Du noch, wie Du gesungen: ,Mondschein am Himmel, unter Bäumen ein Platz'?" „,Da fand mich am Abend mein blauäugiger Schatz' — o Paul, ob ich es weiß!" „Es paßte merk würdig gut, das alte Lied, aus unsere Situa tion, nicht wahr?" „Warst Du mir damals schon gut, meine kleine Herzdame?" „Mein blauäugiger Schatz, das weißt

Du doch : ich hatte Dich schon lieb im Walde! Ich war seitdem oft so traurig !" „Mein Liebling — kennst Du das Dichter wort; ,Wem nie durch Liebe Leid geschah, ge schah durch Lieb' auch Liebe nie!? Es enthält tiefe Wahrheit." Sie waren an der Parkgrenze, aus den Fenstern der Billa Eden schimmerte Licht. „Wir wollen uns _ als Brautpaar prüfen- Gbersörfter ränge tiren, Fee!" „Ach, Paul, ich schäme mich!" „Du kleines Närrchen, da ist gar nichts znm Schämen, daß wir einander gut sind; aber wenn es Dir Glicht paßt, bringe

ich Dich zur Haltestelle der Straßenbahn; am liebsten führte ich Dich gleich heim, aber ich meine, es ist besser, daß wir heute abend nicht zusammen in der Stadt gesehen werden; die Wrenschen sind so boshaft." „Du hast recht, Paul, also an die Haltestelle, und im Hei'mbachgrund; zudem sind Blühdorns jetzt längst zurück; o Paul, was wird nun?" „Noch heute abend schreibe ich an Deine Mama und halte um Dich an." „Thue es, ich sende Dir Antwort durch Lilly; es geht nicht anders, Blühdorns müssen ins Vertrauen gezogen

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Tiroler Post
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Seite 2 von 20
Datum: 24.05.1907
Umfang: 20
Mas 111 « Gi Verkauf unc I. chem. m it neu IMT Gewis Veste Empfehl luliana N aller vom k. k. h WIEN, 1 Telephon 427 I chemische Reil Innstrasse 40, Salzburg, Imst. Innsbruck Kack liefern am be wohnliche) m Ziege neben Blerwastl Kai Schneider füi Maria There empfiehlt Reelle und gut fofeen, „siehst du den fremden Herrn dort unten an der Gar- tentüre? Er kommt, um dir eine der seltsamsten Geschichten zu erzählen, die du je vernommen hast." Paul Waldon hörte Herrn Ford in dumpfem Schweigen

, in verwirrter Angst an. Bisweilen drang ein tiefer Seufzer aus ferner Brust, und als Herr Ford schwieg, wandte er sich in unsäglicher Liebe und Zärtlichkeit an seine Gattin. „Mein Liebling," redete er sie an, „mein teures Weib, du bist also eine vor nehme Lady!" „Ich bin deine Frau, Paul," be eilte sie sich, zu erwidern, als sie seine heftige Gemütsbewegung bemerkte. „Und dieser Lord hat dich eingela den — dich und unseren Knaben — ihn zu besuchen — dich ohne mich!" „Wahrscheinlich wünscht er mich zu erst

Verzweiflung rühr ten sie tief; sie fühlte in diesem Momente, daß sie lieber ster ben, als ihn verlassen würde. Paul vergaß, daß sie sich nicht allein befanden; er schloß ihre Hände in die seinigen und be deckte sie mit heißen Küssen und Tränen. „Wie könnte ich deinen Verlust ertragen, mein süßes Weib? Möge der Himmel jedes Leid entfernen, das sich zwischen uns Edelmann kann und wird sie nicht von meinem Herzen reiß«,, Urteilen Sre selbst, ob sie mich nicht liebt!" Ben! „Ich sehe es," gab Herr Ford ernst

zur Antwort; im Sm len aber dachte er seufzend: „Der Himmel sei dem Manne drg, der sein Glück auf ihr Gelübde baut!" 9ttö= „Du wirst nicht lange fortbleiben, Ella?" bat Paul. im Zentrum d Dachl, Hofkh brücke etc. 1 mit hübschei Fremde n zimrr Naturechte Ti gut bürgerlicl und Vereine sind passende Lokale Vor behalten. g Max Resch, Besitzer. Kaltern mit dem Tracö der Mendelbahn drängen wollte! Ich bin jeden Augenblick bereit, für dich mein Leben zu opfern." „Und ich liebe dich ebenso treu und wahr, Paul

," flüsterte sie. Er wandte sich an Herrn Ford: „Sie sehen mein Herr, daß sie mich innig liebt — mich liebt, obschon ich ihrer Liebe nicht würdig bin. Dieser vornehme Gesamtansicht von Villefranche. ,^zch werde gar nicht fortgehen, Paul," versetzte sie, einer edlen Regung folgend, „wenn du mir deine Einwilligung zu die sem Besuche nicht gerne erteilst." Aber er dachte zu hochherzig, zu edel, um dieses Opfer an zunehmen. „Nein, du mußt gehen, Geliebte, und den Knaben mit dir nehmen. Ich verlasse

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 17 von 18
Datum: 15.06.1907
Umfang: 18
„Wie, Sie wissen es nicht, daß Ella krank ist?" Nein." "Sie liegt im Sterben, mein Herr; jedoch bin ich überzeugt, daß "Sie, wenn Sie sich zu ihr begeben und sie freundlich anreden, ibr Leben retten werden. Stoßen Sie mich nicht von sich. Ich flehe Sie an: Begleiten Sie mich und retten Sie ein Menschenleben!" ,Ella liegt im Sterben!" rief Paul erschrocken. "Leider ist es so. Eilen Sie mit mir zu ihr; ich fühle es, mein unseliger Ahnenstolz hat sie auf das Sterbelager geworfen," er widerte

der Greis reumütig. „Angesichts des Todes," sagte Paul ernst, „verschwindet jeder Saß." Ich bin bereit. Ihnen zu folgen." „Und Sie verzeihen mir?" fragte der Greis mit santter, ge rührter Stimme. Jaul ergriff die dargebotene Rechte und drückte fre mmg, wah rend tiefe Wehmut über sein Antlitz glitt. 19. Kapitel. Geräuschlos erstiegen der Lord und sein Begleiter die breite Mar mortreppe, die zu Ella's Kran kenzimmer führte. Sie schritten an den kostbaren Statuen, wel che sich wie kolossale Gespenster

von ihren blauen Nischen ab hoben, an den herrlichen Gemäl den in reich dekorierten Rahmen, an den sonstigen unzähligen Ne cessaires in Silber, Gold und Elfenbein vorüber, und Paul dachte, indem er einen flüchtigen Blick auf die prächtigen Schau stellungen warf, mit gepreßtem herzen daran, daß sie um dieser Pracht einst seine Liebe verkauft hätte. „Hier befindet sich Ella," sagte Lord Carlswood, indem er auf eine Türe zeigte. „Ich halte es für das Beste, daß Sie sich allein zu ihr begeben." Paul vergaß niemals

und verlockt worden; sie hatte ihn nicht eines Anderen we gen verlassen, hatte niemals sei nen Namen abgelegt und war ihm trotz aller Versuchungen treu geblieben. In diesen Gedanken sank er vor ihrem Lager nieder, beugte sich auf sie herab und drückte einen heißen Kuß auf ihre durchsich tige Hand. Als er sein Antlitz aufrichtete, sah sie ihn mrt traurigen erstaun ten Blicken an. _ „Paul," flüsterte sie, „wache ich, oder ist es ein Traum?" „Es ist kein Traum, Ella," erwiderte er sanft

. „Ich bin hier, um dein Leben dem Tohe abzugewinnen, um dich glücklich zu machen und in selbstloser Liebe dich die trübe Vergangenheit vergessen zu lassen." Mit verklärtem Antlitze versuchte sie ihre Arme um seinen Hals zu legen, aber sie fielen matt und hilflos auf die Decke zurück. „Umschlinge mich, mein teurer Paul," flüsterte sie, „und laß' mich, wenn ich sterben muß, an deinem Herzen verscheiden." Heiße Tränen flößen ihm über die Wangen herab — ihre Schwäche rührte ihn weit mehr, als ihre Schönheit es vermocht hätte

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Tiroler Post
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Seite 11 von 12
Datum: 26.09.1903
Umfang: 12
Rr. 7. Ich werde Ihnen bei Ihren Arbeiten behilflich sem. Wir werden miteinander noch weiter plaudern. Ich heiße Athanase Guiraudet." „Mit Freuden gehe ich auf Ihren Vorschlag ein. Sie haben mich gewonnen." ,Kniso besser! Kommen Sie also sofort in mein Heim. Ich kann Sie zwar in keine prunkenden Gemächer führen; denn Sie wer- den begreifen, daß es bei einem Angestellten mit zwölfhundert Fran ken Gehalt nur ganz bescheiden aussehen kann. Doch wir sind am Ziele. Treten wir ein." Beide traten ein. III. Herr Guiraudet führte Paul Gerard

in ein älteres, aber immer noch schmuck aussehendes Haus, ganz verschieden von den neuen Häusern deren Mieter äußeren Lurus gegen Mangel an Luft, Raum und Licht enttäuschen. Paul wurde in eine bescheidene, im Erdgeschoß gelegene Wohn ung geführt, welche den Ausblick auf einen kleinen Garten gewährte Dieser war nett und einfach. Das schönste Zimmer war hoch, breit und getäfelt. Sechs Fauteuils, mit etwas verblaßtem Stoff überzogen eine Wanduhr in einem Gehäuse von Eichenholz und ein langer Tisch bildeten

die ganze Ausstattung. Als Paul und Herr Guiraudet eintraten, saß ein junges Mäd chen am Tische, über ein großes, aufgeschlagenes Buch gebeugt. Rasch erhob sie sich. ' ' „Meme Tochter!" sagte Herr Guiraudet zu Paul. „Julienne, hier stelle ich dir Herrn Paul Gerard, einen meiner Freunde dieses Jahres vor." Jiilienne machte mit dem Kopf eine kleine Verneigung, ohne etwas zu erwidern. Nachdem ihr Vater sie auf die Stirn geküßt hatte, setzte sie flch wieder an die Arbeit. . „Kommen Sie junger Freund," sagte

Herr Guiraudet zu Paul, „wir wollen uns einmal unser Gärtchen näher ansehen." Paul folgte dem alten Manne und trat mit ihm ins Freie. Die Julienne war von mittlerer Statur. Ihr schönes Antlitz leuchtete bleich oder eher erblaßt. Sie hatte lange, magere Hände mit Ge lenken von außerordentlicher Feinheit. Ihr braunes Kleid mit gerade herablaufenden Falten widersprach der herrschenden Mode. Einzig auf die Haartracht schien das junge Mädchen größere Aufmerksamkeit zu Papst Plus X. verlegen. Dichte

, üppige, blauschwarze Haare umrahmten ihr blasses Gesicht. Die einzige Schönheit Juliennes waren die Augen, ihre schwarzen, geistvollen, ruhigen, sanften Augen. Sie schienen zu sagen, daß sie mehr Glück und Liebe geben als erhalten. „Sie betrachten meine Tochter?" sagte Herr Guiraudet zu Paul; „das gute Kind ist keine Schönheit, aber ein Engel. Ein Engel kindlicher Liebe! Wissen Sie, was sie jetzt für mich tut? Sie lernt hebräisch." Das Festspiel zur Centenarfeier des Aargaus: Die Bürgerschaft

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 7 von 14
Datum: 18.05.1902
Umfang: 14
ch. Sonntags - Vltttt Beilage ;um „Litzbütieler Desirks-Bole". Redaktion, Druck und Verlag der Kgl. Bayer. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reichel in Augsburg. Verstoße n. Novelle von Thea Wolf. <e. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten., „Schönen guten Abend!" rief die eintretende Lilly. Sie reichte Paul die Hand und sagte: „Das ist eine lleberraschung, es ist sehr nett, daß Sie mit Leo gekommen sind!" „Sie sind sehr liebenswürdig, gnädige Frau, ich störe also nicht?" „Durchaus nicht, Sie sind stets

diges Fräulein, warum stellen Sie denn Ihr Licht unter den Scheffel ? Wer ein so schönes Talent vom beben Herrgott bekommen hat, soll damit seine Mitmenschen erfreuen, nicht wahr, Paul?" „Sicher, ich würde mich sehr freuen, noch öfter zuhören zu können," erwiderte der junge Sänger einfach. . „Da hören Sie ein kompetenteres Urtheil, wie das meme, bekennen Sie sich überwunden, ich " „Leo, es ist servirt!" sagte Lilly. „So wollen wir zu Tisch gehen, meine Herrschaften; Paul, führe, bitte, Fräulein

Degenfeld ins Eßzimmer." Es war eine heitere kleine Tafelrunde. Leo trug die Hauptkosten der Unterhaltung mit seinem urwüchsigen rheinischen Humor. Nach beendeter Mahlzeit blieben nur die Fruchtschale und die hohen Römergläser auf dem Tisch tuch stehen; Leo schenkte fleißig ein und ermunterte zum Trinken. „Stoßt an, es lebe was wir lieben!" Als Paul mit Fee anstieß, gab es einen silberhellen Ton; die beiden jungen Menschen sahen sich stumm in die Augen, nur einen flüchtigen Moment; aber beide wurden

glühend roth, und Fees Wimpern senkten sich tief. „Und nun ein Lied, mein Herr Trovatore!" bat Lilly. „Du, Fee, kommst auch noch einmal daran!" „Ach nein, Lilly, ich fürchte mich!" „Hört, hört!" rief Leo, „so geh' Du mit gutem Beispiel voran, Paul; vielleicht gewinnt das schüchterne Fräulein dadurch Muth." Der Angeredete stand sofort auf und setzte sich an den Flügel; nach einer kurzen Einleitung begann er: „Ihr heißet mich willkommen, Ein Fremdling bin ich hier! Unstet und sonder Frommen, Durchstreif

: „Verweile doch, du bist so schön," und sie eine unbegreifliche Freude warm durch zitterte. Paul erhob sich. „Nun sind Sie an der Reihe, gnädiges Fräulein, ich bitte!" Sie wehrte sich nicht länger. „Was soll ich denn singen?" Fürst Deinrich XX». Neuß altere Linie f.

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 2 von 6
Datum: 20.11.1899
Umfang: 6
die Sternschnuppen der letzten Nacht allen Weltuntergangstheorien heimleuchten. Nun können wir dreiunddreißig Jahre wieder ruhig schlafen. Auch hier blieben Zustimmend nickte Paul, wurde aber nur noch mehr verlegen. „Ich bin auch nicht gekommen, Dir deshalb Vorwürfe zu machen, lieber Paul, nein, ich komme, Dir zu Helsen." Der junge Bankier fuhr zusammen und starrte den Freund an. Dieser nickte lächelnd: „Ja, ja, mein Junge, ich weiß alles, ich kenne Deine Lage, — . Du bist vor dem Ruin. Und eben deshalb

bin ich hier. Also wie viel brauchst Du?" Noch immer fand Paul keine Worte. So sprach der Freund weiter: „Damit Du also Klar heit hast: ich weiß es von meiner Schwester Frieda; die ist, Ä Du nicht zu wissen scheinst, in dem Bankgeschäft von Wolter als Buchhalterin angestellt; dort hat man Deine Dis positionen und Deine Lage discutirt und da hat sie mir alles wiedererzählt." Jetzt war Paul ganz niedergeschlagen. Ein neuer Vor wurf traf ihn. Denn dies junge Mädchen war dereinst seine Heimlich-Verlobte

Du?" Ohne ein Wort zu erwidern, reichte Paul den Zettel hin, vor dem er bis jetzt gebrütet hatte. „Donnerwetter! 26.000 Mark? Darauf war ich nicht gefaßt", sagte der Freund. Angstvoll und zitternd sah Paul ihn an. Schon drohte auch diese letzte Hoffnung wieder zu versinken Doch der Freund besann sich und sagte kurz entschlossen: „Ich gebe Dir das, Geld; morgen Mittag kannst Du darauf rechnen. Aber ich muß Dich warnen, Paul, laß' Dich nicht wieder guf leichtsinnige Spekulationen ein. Ich gche Dir fast die Hälfte

meiner Ersparnisse. Ich vertraue Dir, Paul, wirth- schafte gut mit dem Geld, bedenke, däß ich es meiner Famme entzog, um Dir zu helfen. Und Paul umarmte den Freund und mit thränendurch-

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Tiroler Post
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Seite 11 von 12
Datum: 03.10.1903
Umfang: 12
. Herr Guiraudet saß in einem großen Fauteuil, abseits vom Lichte, um seine Augen zu schonen. Fräulein Julienne schrieb emsig wie immer. Das Licht der Lampe bestrahlte ihre Haare und die Stirne ihres geneigten Antlitzes. Auf einmal schien sie bei ihrer Arbeit ungeduldig zu werden. Sie erhob den Kopf und sagte zu Paul: „Verstehen Sie ein wenig Latein?" Es lag etwas wie leise Ironie in ihren Worten. Paul fühlte dies heraus und hielt es für angemessen, in ziemlich stolzem Tone zu antworten

ja, daß von allen Schriftstellern Horaz der- lenige ist, an den sich die wenigsten Uebersetzer wagen. Er hat eigene Wendungen, und eine ganz ungewöhnliche Art und Weise, seine Ge- danken auszudrücken. Seine Sprache ist eben weniger die gewohnte lateinische als die des Horaz. Wirklich, der Alte von Tibur*) bringt mich deshalb oft in arge Verlegenheit. Wollen Sie mir also ein wenig^behilflich sein?" Julienne sagte dies mit einfacher, herzlicher Gutmütigkeit. „Gerne stehe ich zu Ihren Diensten, Fräulein!" antwortete Paul

et divitis Indiae Caementis licet occupes . . . Sie hielt inne und reichte Paul das Buch hin. .... "Wir wollen es besser einrichten; nehmen Sie das Buch und diktieren Sie mir die Uebersetzung." Paul nahm das Buch unbefangen aus ihrer Hand entgegen. „xZch bin bereit," sagte Julienne die Feder in der Hand. , Er begann den Text zu studieren. Herr Guiraudet lächelte hinter Mer großen Brille. Julienne harrte. „Nun?" fragte sie nach einigen Minuten tiefsten Stillschweigens. Herr Gerard schien ärgerlich

zu sein. „Haben Sie einen lateinischen Diktionär hier." „Wozu?" „Ich möchte ein Wort suchen." Melckie-; ?" „Ein schweres Wort!" „Hm! Kommt denn hier ein schwieriges Wort vor?" , Ja. . ." ,',Welches?" „caementis." „Oh, oh! Herr Gsrard!" „Bitte, Fräulein, wer kann alle Wörter einer Sprache wissen, und besonders die einer toten Sprache?" "Ich bin gegenteiliger Ansicht, Herr Paul, bei einer toten Sprache steht der Gebrauch der Wörter ein für allemal fest und der Wort bestand vermehrt sich nicht." Paul war verwirrt. „Geben

, daß von der obersten „Wozu?" entgegnete Julrenne. „Betrachten Siezdas'Wort genau; studieren Sie den Gedankenzusammenhang und Sie werden das Wort bald finden." 0 'r'?ber - - - ich finde es nicht," sagte Paul, nachdem er lange Zeit studrert hatte. ö "Nun gut! caementis hat Aehnlichkeit mit ciment (Zement) ober anders gesagt mit moellon (Bruchsteine), mit welchem man Hafendämme und Deiche aufführt. In diesem Falle ist also der Sinn des Wortes caementis, Deiche, Hafendämme."*) Julienne sagte dies so vergnügten Tones

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Unterinntaler Bote
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Seite 4 von 12
Datum: 26.07.1907
Umfang: 12
den 21. ds. war im Gasthaus zur „Tresl" in Heiligkreuz ein Doppel Kaffee wollte er noch abwarten, dann hatte er im Sinne, nach Sölden hinabzugehen. Der Josl rechnete sich aber an den Fingern ab, bis wann er drunten sein könnte, als die Kellnerin eintrat und ihm bedeutete, er möge ins Zimmer zum Pfarrer kommen. Dort angelangt, stellte der Pfarrer ihn als Führer vor, erzählte ihm die ganze Sachlage und fragte ihn, ob er die Rettungsleitung übernehmen wolle. Der Führer war einverstanden. „Nun" meinte Paul, „wir müssen

aber kann man bei der Nacht auch mit Laternen auf dem Gletscher nit so leicht die Stell finden, wo Ihr Herr Kollega abgestürzt ist, und fürs Dritte könnten Sie's doch nit auöhalten, jetzt no stun denlang zu steigen, wo Sie die vorige Nacht nichts gfchlafen haben und heut den ganzen Tag schon rennen'" Das mußte Paul einleuchten, er sah keine Möglichkeit vor kommenden Morgen Leo Rettung zu bringen. Der Führer befragte ihn noch über die genauern Ver hältnisse und sagte dann, er werde nur noch zwei tüchtige Männer suchen

, Paul solle jetzt gut effen und dann sich nie derlegen, denn um 2 Uhr in der Frühe wollten sie aufbre chen. Dann ging er. Als Paul sich gelabt hatte, stand er konzert, ausgeführt von der Thaurer Musikkapelle und der Sängergesellschaft Lex Höpperger. Der Besuch war ein großartiger, was neben der günstigen Witterung wohl dem freien Eintritte zuzuschreiben ist. An Stelle eines Eintrit tes wurde auf das Getränk ein Aufschlag eingehoben, eine Art und Weise, die man gewiß nicht mißbilllgen

auf, um sich auf der Bank vor dem Hause zu sonnen. Er fühlte nun doch, daß er bedeutend müder war, als er ge glaubt hatte. Nicht lange hielt er es draußen aus. So oft er zu den weißen Höhen hinaufblickte, legte sich der Ge danke an den armen, verlassenen Leo wie eine eisige Last auf sein Herz. Was mußte Leo dort oben ausstehen? Mußte er nicht denken, wenn der Abend und die Nacht ohne Rettung kam, auch Paul sei verunglückt und seine Lage nun hoffnungslos! Wenn er Leo doch wenigstens ein Zei chen hätte geben

können, daß die Hilfe nahe sei! aber nun saß er selbst hier herunten und sonnte sich, während vielleicht Leo seine halberstarrten Glieder zu beleben suchte. Paul ging nun wieder hinein, und als es dämmerte begab er sich auf sein Zimmer und warf sich aufs Bett. Immer wieder nahten sich die düstersten Gedanken über Leos Schick sal, bis schließlich doch die Natur ihr Recht verlangte und Paul einschlief. Wie war es Leo inzwischen ergangen? Als Paul sich von von ihm entfernt hatte, schaute er sich seine näste Umgebung

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 8 von 14
Datum: 25.05.1902
Umfang: 14
über flog ihren schlanken Körper wie Fieberfrost. „Mein Glück heißt — Paul zur Nedden! O mein Gott, was wird daraus?" Sie sank in einen kleinen Sessel und schlug wie außer sich beide Hände vor das Gesicht, aber nur einen Moment. Die Betäubung wich, sie erhob sich und stieg festen Schrittes die Treppe des Hotels Metropole hinunter, wo die Feier in den unteren Sälen gehalten wurde; die schwere Seide- ihres Kleides rauschte knisternd über die weißen Marmor- stufen. XII. O war' er doch ein Ritter

. Ein Ritter vom goldenen Vließ. O Lieb', wie bist du bitter, O Lieb', wie bist du süß." I. B. v. Scheffel. Am Sonntag nach der Hochzeit gaben Blühdorns eine kleine Gesellschaft zu Ehren der bei Degenfelds noch zu Besuch weilenden Eltern des Bräutigams; sonst erschienen nur einige ältere Freunde Leos mit ihren Frauen; Hans Friedläuder, ein Vetter Lillys und Kandidat des höheren Schulamts, Adalbert Stein, ein angehender Bildhauer, und Paul, der selbstverständlich zu allen Festen in Eden eingeladen wurde

dieses Beben? War sie ihm vielleicht doch ein wenig gut? Der alte Oberst Witzleben, der Lilly führte, sah oft zu dem schönen, jugendlichen Paar hinüber; Fees strahlend frohes Gesicht und Pauls blitzende Augen gaben ihm zn denken. „Wer ist doch der blonde junge Mann mit dem genialen Künstlerkopf und den prachtvollen Augen, Fees Tischherr?" fragte er Lilly leise. „Ein Studienfreund meines Mannes, Herr Paul zur Nedden, der hochgefeierte Bassist unserer Oper!" erwiderte sie. „Wie, ein Opernsänger?" staunte

man sich in den Salon; Paul wurde von allen Seiten gebeten, zil fingen. „Ich habe keine Noten hier, meine Damen!" „Aber Paul, singe doch mit meiner Frau das Duett aus den „Hugenotten", das Ihr neulich geübt habt; Lilly hat die Noten!" rief Leo. „Ich bin bereit, gnädige Frau, also singen wir?" „Ich bin nicht bei Stimme heute!" sprach Lilly, „aber Fee singt die Partie ebenso gut wie ich; Herzerl, Du thust mir die Liebe und vertrittst mich, nicht wahr?" Fee konnte sich nicht weigern, Paul bot ihr den Am und führte

sie zum Flügel, wo Lilly schon wartete, um zu begleiten; und Fee begann leise: „Großer Gott, sieh meine Leiden, Bald muß sich sein Loos entscheiden! Wie soll ich ihm künden die Gefahr, die ihm droht?" Nun setzte Paul ein: „Wer ist hier?" „O welch ein Glück, ich irre nicht, es ist Marcel, Still, Marcel!" antwortete sie. „Wer spricht zu dieser Stunde hier mit mir? Wer ist hier?" So ging es weiter, das wundervolle Duett, eine der ergreifendsten Stellen der Oper; die beiden Stimmen ergänzten einander vorzüglich

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 12 von 16
Datum: 11.09.1904
Umfang: 16
Pierre M. waldeck Rousseau t ehemaliger französischer Ministerpräsident. Peter Paul. Eine Künstlergeschichte von H. v. Remagen. (Nachdruck verboten.) TIn einem regneri-- schen Abend im Spätherbste des Jahres 1591 saß Mei ster Adam van Oort, Antwer pens be rühmter Maler, in seiner Woh nung, nach rü stiggeför dertem Tagewerk der Ruhe pflegend. Ein Klopfen an der Haustür rveckte ihn aus seinem Sinnen, und in nicht eben ange nehmer Laune rief er seinen Diener, nach der Ursache der späten Störung

zu sehen. Der Diener kam bald mit der Meldung zurück, ein junger Mensch im Pagen- gewande begehre den Meister zu sprechen und wolle nur diesem selbst sein Anliegen mitteilen. „So führe ihn herein," gebot van Oort, und rief, den Eintretenden erblickend, gleich darauf im höchsten Erstaunen aus: „Was sehe ich, du bist es, Peter Paul? Sendet dich die Gräfin noch in so später Abend stunde zu mir?" „Ich komme nicht von der Gräfin Lalaing, edler Meister, oder wenigstens nicht in ihrem Auftrag," versetzte

der Jüng ling, „sondern ich komme aus eigenem Antriebe, als Schutz- und Hilfesuchender zu Euch,- o, stoßt mich nicht zurück." Der Jüngling gehorchte und erzählte dann stehend und errötend dem alten Meister eine seltsame Geschichte. Adam van Oort hörte ihn schweigend und kopf schüttelnd, aber nicht ungläubig an. Das Leben und Treiben im Hause der Gräfin Lalaing, bei der Peter Paul Rubens — so hieß der Jüngling mit seinem vollen Namen — nach dem Tode seines Vaters eine Zuflucht als Page gefunden

du bei mir — gegen wen, Peter Paul? Sprich — — aber vor allen Dingen stehe auf!" „Was veranlaßt dich aber, gerade zu mir zu kommen?" .//Ihr seid ein alter Freund meines Vaters, Meister van Oort) doch deren hätte ich auch wohl noch mehr in Antwerpen gesunden) aber Ihr seid auch ein

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 16 von 18
Datum: 15.06.1907
Umfang: 18
und ihm unermeßlichen Kummer be reitet. „Ich hätte das Kind adoptieren und Mann und Frau zusammen lassen sollen," dachte er traurig. „Wie sühne ich mein Unrecht? Ich, ein Carlswood, der sich stets seines unbefleckten Stammbaumes, seines ehrenvollen Namens gerühmt, ich muß mich jetzt zu diesem Manne begeben, muß ihn um Verzeihung bitten?!" Er kehrte wieder zu Ella zurück und erfuhr zu seinem größten Erstaunen, daß das neue Parlamentsmitglied, der elegante Red ner — Paul Waldon, der Mann seiner Enkelin sei. Er fand

keine Worte, sein Er staunen auszudrücken. Ihr Leben schien nur noch an einem Faden zu hängen. Wollte Gott, daß sein Plan gelänge! Paul ward abermals in seiner Arbeit gestört, diesmal durch die Anmeldung des Besuches von Lord Carlswood. Er hatte von der Krankheit seiner Frau nichts ge- gehört und war entschlossen, nach diesem unangenehmen Ereignis England zu ver lassen. , ... Paul erhob sich bei Nennung des Namens und erklärte sich zeryung zu bereit, den hohen Besuch zu empfangen. Bald darauf standen

, mich anklagend, mir vor die Seele. Es ist ein hochbetagter Greis, der Sie um Ver gebung bittet." „Sie verlangen eine Unmöglichkeit," war die ernste Antwort. „Ich bin aus einem stolzen Geschlechte," suhr der Greis fort. „Noch niemals hat ein Carlswood seine Kniee bittend vor Jemandem ge beugt); ich tue es vor Ihnen." Paul wich halb erschrocken zurück; er sah in den Augen des alten Mannes Tränen zittern. „Ich werde mich selbst für einen Meuchel mörder halten, wenn Sie mir nicht verzeihen," nahm der Lord

nach einer Pause wieder das Wort. „Ich war es, der Sie beleidigte, nicht Ella, Ihre Gattin. Ich verblendete sie, erforschte jede ihrer Schwächen, jeden Fehler ihres Charakters. Ich machte sie Ihnen abspenstig, ich ganz allein, und Unrecht wäre es wahrlich, wenn Ella die Schuld tragen müßte." tiprfr/rrrfp mpfirprp WtTtutprt sich gegenüber, der Beleidiger und der Beleidigte, der stolze Pair und das stolze Mitglied des Unterhauses. Paul sah eine statt liche Figur sich vor ihm verbeugen, ein edel geformtes Greisen

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Tiroler Post
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Seite 2 von 20
Datum: 21.06.1907
Umfang: 20
?!" Er kehrte wieder zu Ella zurück und erfuhr zu seinem größten Erstaunen, daß das neue Parlamentsmitglied, der elegante Red ner — Paul Waldon, der Mann seiner Enkelin sei. Er fand keine Worte, sein Er staunen auszudrücken. Ihr Leben schien nur noch an einem Faden zu hängen. Wollte Gott, daß sein Plan gelänge! Paul ward abermals in seiner gestört, diesmal durch die Anmeldung des Besuches von Lord Carlswood. Er hatte von der Krankheit seiner Frau nichts ge- gehört und war entschlossen

, nach diesem unangenehmen Ereignis England zu ver lassen. „Ich habe mich schwer gegen Sie vergangen, mein Herr" sagte er, seine Hand mit würdevollem Anstand gegen ihn aus streckend, „und ich bin in der Absicht gekommen. Sie um Ver- Kreuzgang des Klosters St. Trophime in Arles. Paul erhob sich bei Nennung des Namens und erklärte sich bereit, den hohen Besuch zu empfangen. 'Bald darauf standen sie zeihung zu bitten." Lord Carlswood war. sah in ein Antlitz, welches eben so stolz wie das seinige. „Ich habe keine Verzeihung

. „Ich habe gesündigt, mein Herr, ich dachte damals anders, jetzt stellt sich mein begangenes Unrecht, . mich anklagend, mir vor die Seele. Es ist ein hochbetagter Greis, der Sie um Ver gebung bittet." „Sie verlangen eine Unmöglichkeit," war die ernste Antwort. „Ich bin aus einem stolzen Geschlechte," fuhr der Greis fort. „Noch niemals hat ein Carlswood seine Kniee bittend vor Jemandem ge- beugtt; ich tue es vor Ihnen." Paul wich halb erschrocken zurück; er sah in den Augen des alten Mannes Tränen zittern

. „Ich werde mich selbst für einen Meuchel mörder halten, wenn Sie mir nicht verzeihen," nahm der Lord nach einer Pause wieder das Wort. „Ich war es, der Sie beleidigte, nicht Ella, Ihre Gattin. Ich verblendete sie, erforschte jede ihrer Schwächen, jeden Fehler ihres Charakters. Ich machte sie Ihnen abspenstig, ich ganz allein, und Unrecht wäre es wahrlich, wenn Ella die Schuld tragen müßte." ... ... . , ... . . . _ , t Paul verharrte mehrere Minuten in düsterem srch gegenüber, der Beleidiger und der Belerdrgte, der stolze Pair

Schwergen und sagte dann; und das stolze Mitglied des Unterhauses. Paul sah eine statt- „Ich kann nicht ergründen, weshalb Sie mich um Verzeihung lrche Frgur srch vor rhm verbeugen, ein edel geformtes Greisen- bitten." antlitz, dem Furcht und Entsetzen auf der Stirne geschrieben standen. Lord Carlswood sah ihn erstaunt an Der Bahnhof am Wittenbergplatz der Berliner Untergrundbahn. gut bürgemone jvuone. j?ur weseiisonaiien und Vereine sind passende Lokale Vor behalten. 34—5 Max Besch, Besitzer

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