-Nummer der „Volks-Zeitung" 893b. "'■V Viertels. K 6.—, Halbs. K 12.—. — Schweiz u. übr. Ausland: m. K 2.50, vj. K 7.50, Hs. K15.—. Nr. 111 Innsbruck, Mittwoch, 12. Juli 1911 18. Iahrg. Zer Fimlnisprozeß. Innsbruck, 12. Juli. In der christlichsozialen Partei ist eine regel rechte Palastrevolution. ausgebrochen. Die Meu terer sind, und das ist das Pikante, Wiener Ge meinderäte, also auserwählte Offiziere der Partei, die jetzt Hand anlegen sollen, um wieder aufzurich ten, was am 13. und 20. Juni
der Sturm der Wäh ler niedergerissen hat. Wenn die auserkorenen, siebenmal gesiebten und geeichten Vertrauensmän ner ihrer Partei den Rücken kehren und mit allem brechen wollen, was ihnen bisher heilig war, so ist das einfach ein Beweis, daß der Fäulnisprozeß die Wurzeln der Partei angefressen hat. Was ist die Schlappe bei den Reichsratswahlen gegen die Meu terei im Wiener Gemeinderat? Bei den Reichs ratswahlen wählt das Volk als Gleiche unter Glei chen. Und wenn da eine bürgerliche Partei
mit Riesenverlusten aus dem Wahlkampfe zieht, so braucht dies immer noch keine Niederlage zu sein, welche die Partei in ihrem Lebensnerv verwundet. Denn eine Niederlage unter dem allgemeinen, glei chen und direkten Wahlrechte kann auch offenbaren, daß eine Partei im Volke nicht zunehmenden An hang gewinnt, daß sich die arbeitenden Volksschich ten von ihr abwenden. In der Schlappe, welche sich die christlichsoziale Partei bei den Reichsrats wahlen in Wien holte, haben wenigstens wir So zialdemokraten
den schlüssigen Beweis erblickt, daß keine Partei auf die Dauer das Volk mit der gröb sten Lüge: sie will allen Gesellschaftsklassen dienen, alle Interessengegensätze überbrücken, jedem Stand geben, was ihm gehört, zum besten zu halten ver mag. Unter dem Kurienwahlrechte konnte sich eine Partei mit der Allesretterei ungestraft zieren, weil den breiten Volksschichten die Möglichkeit benom men war, durch eigene Vertreter die großmäuligen Allesretter im Parlamente auf ihre wahre Gesin nung zu prüfen
, daß es von den Christlichsozialen nichts zu erwarten hat, und als Gleichberechtigte war es den arbeitenden Wählermassen möglich, am Wahltage die Konsequenzen zu ziehen. Aber eine Partei, die unter dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht nicht die arbeitenden Volks klassen, die Mieter, Hausbesitzer, Konsumenten und Aararier gleichzeitig anzuziehen vermag, kann als bürgerliche Partei — und eine solche waren die Christlichsozialen ja immer — ganz gut bestehen und dort, wo sie noch durch das Privilegienwa^l- recht