Seite 4 Die Tochter des alten Reeders. Roman einer Kindesliebe. Von Erich V. Horst. Urheberschutz durch L. Ackermann, Stuttgart. 5) (Nachdruck verboten.) Präsident: „Erzählen Sie, was sich Ihrer Meinung nach zugetragen hat; die Herren Geschworenen werden sich ein Urteil bilden können.“ „Ich beschränke mich auf Tatsachen und schwöre, daß ich die lautere Wahrheit spreche. Fünfzig Jahre sind es her, seit ich Martin Burg zum ersten Male gesehen. Sie begreifen also, Herr Präsident, daß unsere
Freundschaft nicht neuern Datums ist Seite an Seite haben wir Jahre hindurch treu ge arbeitet. Der Anfang ist zwar hart gewesen, aber bei Gott, niemals hätte ich mir träumen lassen, beschuldigt zu werden, meinen Freund Martin ermordet zu haben. Es gibt jedoch wahrlich seltsame Dinge auf Erden.“ Präsident: „Beschränken Sie sich auf Tatsachen.“ Angeklagter: „Ich werde dieselben sofort kund geben, aber Sie müssen mir doch gestatten, Herr Präsident, daß ich, um klar sprechen zu können, alles berichte. Martin
und ich sind von jeher gute Freunde gewesen ; mit sechzig Jahren erinnert man sich immer gern der gemeinsam verbrachten Jugendzeit, selbst wenn m^n damals mitunter kaum ein Stück Brot zu verzehren hatte. Wir haben so manchen tollen Streich miteinander vollführt, Martin aber war vom Glück begünstigt nnd verdiente viel Geld, während es mir weniger gut ging. Er ist aber trotzdem niemals stolz gewesen und besuchte mein bescheidenes Heim ge rade so gern, als ob wir in gleichen Verhältnissen geblieben wären. Er kam sogar
Söhne, Otto und Salvatore, sahen sich gar nicht ähnlich, weder im Äußeren noch im Charakter. Der ältere, Otto, ist ein sanfter Knabe, der all das beherzigte, was er in der Schule gelehrt wurde, und hauptsächlich seinetwegen liegt mir alles daran, Ihnen zu beweisen, daß ich kein ruchloser Mörder bin. Der Junge hat fleißig gelernt, und wenn mein Freund Martin lebte, würde ich ihm zu einer tüchtigen Merkantillaufbahn verholfen haben. Martin ist tot, aber ich bin stolz darauf, mir sagen
zu können, daß mein Sohn doch seinen Weg machen wird. Freilich ist es nur der Sohn eines armen Fischers, aber trotzdem wird er ein tüchtiger Mann werden. Gebe der Himmel, daß ich diesen Tag noch erlebe! Verzeihen Sie mir, meine Herren, wenn ich mich für die Dauer eines Augenblickes von meinen väterlichen Gefühlen hinreißen ließ, wenn ich aber an die Zu kunft meines Ältesten denke, dann schlägt mein Herz höher. Um der Ehre meines Jungen wegen möchte ich, daß Sie einsehen lernen, daß ich Martin Burg nicht ermordet