. Er konnte sich nicht satt sehen und hatte gar keine Gedanken mehr an sein luxuriös ausgestattetes Jnnggesellenheim, aus dem er heute so ungern geschieden war. Diese Aerzte sind wahre Wohl thäter der Menschheit, ihre Verordnungen treffen in vielen Fällen das rechte. Ja, der reiche Rentier Lehmann snchte in seiner kleinen Taschenach Pferdebahngroschen; er hätte gar zu gern etwas von dem kleinen Kram gekauft, wenn er nur gewußt, wem er es hätte schenken sollen. „Na, lieber Herr/ sagte eine alte Budenmutter
, „wie is es denn noch mit so 'ne scheene Puppe sor's kleene Miezeken zu Hause? Hier immer noch 'n Jroscheu det Stück —' Lehmann blieb stehen. Er hatte kein Miezeken zu Hause, aber Mieze war der Kosename, den er heimlich seiner angebeteten Marie gegeben hatte. Daß die Frau auch gerade diesen Namen nennen mußte! Er kaufte die Puppe und dann stand er da, nicht wissend, was er damit beginnen sollte. In Gedanken schob er sie in seine pelzgefütterte Tasche und schritt weiter. Um sich aus all dem ohrenbetäubenden Lärm und Trubel zu retten
, strebte er jener nur matt erhellten, stillen Gegend zu, wo die Weihnachtsbäume sich zu einem kleinen Tannenwald aufbauten. „Ein' Sechser das Schiffchen, lieber Herr, nur einen Sechser das Schäfchen!' flehte da eine zitternde Kinderstimme aus dem Dunkel heraus, in das er jetzt hineintappte. Fast hätte er die Kleine umgerannt. Lehmann murmelte etwas von „nicht brauchen können' und wollte vorüber, aber da waren ihm nun die Dunkelheit und das unebene Pflaster, dem sein Fuß sich längst entwöhnt
hatte, recht hinderlich. Die Kleine nahm ihren Vorteil wahr. „Nur einen Sechser das Schäfchen, werther Herr!' beharrte sie. „Ach bitte, kaufen Sie es doch! Mutter ist krank. Wir sind so arm, wir haben nichts zu essen zu Hause.' „Na, na,' sagte Lehmann, dem eben wieder Erinnerungen an Lüge und Verstellung kamen, „das kennt man. Das sagen sie alle nnd am Ende steht Vater in der Nähe und wartet auf den Sechser zu Schnaps!' „Mein Vater?' wimmerte das feine Stimmchen. „Ach nein, ich habe keinen Vater mehr
?' „I, Du kleiner Schelm!' lachte Lehmann, dem der Handelseifer des Kindes Spaß machte. „Wie viel Köpfe zählt denn Deine Herde?' Und er beugte sich nieder zu dem blassen, kleinen Gesicht, aus dem ihn ein paar thränenfeuchte dunkle Augen bittend anblickten. „Zwanzig Stück, Herr — zwei Mark!' „Und noch gar keins verkauft?' „Nein, keins,' sagte sie traurig. „Da drüben haben mich die bösen Jungen Vertrieben, und hier kommt selten jemand her.' „Hm' — machte Lehmann und überlegte. Zwei Mark! Was war der armen Frau