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Volksblatt
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Seite 2 von 8
Datum: 20.10.1906
Umfang: 8
, das der Komik nicht entbehrt, hat sich am Dienstag im Städchen Köpenick bei Berlin ereignet. Ein Mann, der die Uniform eines Gardehauptmanns trug und den 12 Gardesoldaten begleiteten, hat die Stadtkasse beraubt. In ganz Berlin und wohl auch anderswo bietet das köstliche Gaunerstückchen viel Stoff zum Lachen. Der Vor fall ist folgender: Es war in der dritten Nachmittagsstunde, als der rätselhafte „Hauptmann' mit „seiner' Truppe in Köpenick eintraf. Dem Berliner Vorortezug, der um 2 Uhr 46 Minuten

auf dem Bahnhofe einlief, entstiegen zwölf Mann vom 4. Garderegiment zu Fuß, gleichzeitig mit ihnen betrat ein Hauptmann, Meisterin auf den Tisch und rief: „Sehen Sie, zählen Sie, ob dies die Summe ausmacht!' Frau Morau war wie versteinert. Sie sah bald den Knaben, bald das Geld an und glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen. „Man hat es mir geschenkt!' rief Viktor. „Ich werde Ihnen alles erzählen, aber zuerst zählen Sie, ob es die Summe ausmacht.' Die Frau zählte die Goldstücke, sich die Tränen trocknend

nach 3 Uhr, war der Zug vor dem Rathause angelangt. Der Hauptmann befahl hier „Halt!' und gab einem Teile seiner Mannschaft Ordre, die beiden Zugänge des Rathauses zu besetzen. Vor jedem der beiden Tore wurde ein Doppelposten aufgestellt. Zugleich mit der Eskorte waren auch drei Droschken bei dem Rathaus angelangt, denen der Hauptmann befahl, am Hofe auf ihre Verwendung zu warten. Der Hauptmann selbst mit den übrigen sechs Mann begab sich in das Innere des Rat hauses. Hier ließ er zwei Mann vor die Tür

des Polizeibureaus, das sich im Rathause befindet, treten, um dort mit aufgeflanztem Bajonett Wache zu halten. Die in den übrigen Räumen anwesende Beamtenschast, die durch das Erscheinen des Haupt mannes mit seinen Soldaten nicht wenig erschreckt war, erhielt den strikten Befehl, ihre Zimmer nicht zu verlassen. Der Hauptmann begab sich direkt in das Zimmer des Bürgermeisters Dr. Georg Langerhans, eines Neffen des Berliner Stadtverordnetenvorstehers. Er stellte sich diesem vor, zeigte eine allerhöchste

Kabinettsordre und erklärte ihn für verhaftet. Dr. Langerhans verbarg nicht sein außerordent liches Erstaunen über eine derartige Maßnahme, deren Grund ihm gänzlich rätselhaft war und ver suchte es, den Osfizier zur Abgabe näherer Erklä rungen, wie zur Aufschiebung der Verhaftung zu bewegen. Der Offizier erinnerte den Bürgermeister daran, daß er, Dr. Langerhans, selbst Offizier sei und wisse, daß er, der Hauptmann, nur einer höheren Weisung gehorche, ohne selbst von den Motiven Kenntnis zu haben. Er gehorche

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Der Tiroler / Der Landsmann
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Seite 2 von 12
Datum: 20.10.1906
Umfang: 12
Wilhelm dem gegen wärtigen Chef deS fürstlichen Hauses Hohen- lohe telegraphisch seine Entrüstung übermittelte. In welcher Erregung muß sich Kaiser Wilhelm befunden haben, da er das Telegramm ab- begleiten zu lassen. Nachdem er dem Bürger meister auf diese Art ein Zugeständnis gemacht hatte, ließ sich der Herr .Hauptmann'- die Kassenräume zeigen. Er ersuchte den Haupt kassier, die Kasse zu öffnen und ließ sich über die vorhandenen Papiere und das Bargeld Rechenschaft geben, schließlich erklärte

er, daß er Ordre habe, den gesamten Kassenbestand abzuführen. Es waren 4000 Mark. Herr v. Wiltberg war über den Befehl womöglich noch mehr bestürzt als der Bürger meister über seine Verhaftung. Doch ein Widerstand war auch für ihn unmöglich. Die 4000 Mark wurden ausgefolgt. Der Herr „Hauptmann' nahm das Geld mit Dank in Empfang und ließ eö in der Hosentasche ver schwinden. Dann erklärte er auch den Kassier für verhaftet. Die Kunde von der militäris chen Besetzung des Raihauses hatte sich inzwischen in Köpenick

auf der Straße nach Berlin ab. Der .Offizier', der die Soldaten befehligt hatte, gab diesen nun, soweit sie nicht zur Eskorte benötigt waren, Befehl, das Rathaus nicht vor einer halben Stunde zu verlassen und sich dann in ihre Kaserne zu begeben. Er selber zog, stolz wie ein Spanier, zum Bahnhofe. ES war noch einige Zeit bis zum nächsten Zuge nach Berlin. Der .Hauptmann' ließ sich auf dem Bahn- steigauSschank ein GlaS Bier kredenzen, das er in einem Zuge leerte. Der Wirt fragte teil nehmend : .So eilig, Herr

Hauptmann? Es ist ja noch reichlich Zeit.' Der .Offizier' nahm die Mütze herunter, wischte sich erschöpft die Schweißtropfen von der Stirn und antwortete seufzend: „Mein Gott, bei dieser Ausregung.' Um 5 Uhr 3 l Minuten ging der Zug nach Berlin ab und der .Hauptmann' dampfte mit ihm ab. Die Beamten des Rathauses hatten sich inzwischen von ihrer Bestürzung einiger maßen erholt. Die zurückgelassenen Soldaten hielten auf ihren Posten aus. Sie erzählten, sie seien bei ihrem Rückmärsche vom Schieß platze

unterwegs von dem .Hauptmann' ge stellt worden, dessen Persönlichkeit ihnen gänz lich unbekannt gewesen sei. Sie hätten aber seinem Befehle Folge leisten müssen. Nun wurde von den Beamten Telephon und Tele graph nach allen Seiten in Bewegung gesetzt. Gewiß ist jedenfalls das Eine, daß die Denkwürdigkeiten des dritten Kanzlers des deutschen Reiches sehr lehrreich und wirklich denkwürdig find für die Höfe Europas, lehr reich besonders für Oesterreich, das, wie schon unter Maria Theresia

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