Htandesvorurteile. Erzählung von Albert Schwenn, (Fortsetzung.» .!rst als der Musikdirigent das Zeichen zum Beginn des Konzerts gab, erwachte Gustav aus seinem Brüten, und bald fesselten die ausgezeichneten Vorträge der gut geschulten Kapelle seine Aufmerksamkeit so sehr, daß er alles andere darüber vergaß. Die drei ersten Stücke waren vorbei, Gustav drückte sich lobend über die Ka pelle aus, die ihn, der an nur gute Konzerte gewöhnt war, voll kommen befriedigte. — Eben gab der Dirigent
Bestürzung. versetzten, behielt er doch Fassung genug, einzusehen, daß Gustav auf dem Punkte stand, sich öffentlich zu kompromittieren, und es gro ßer Vorsicht und Klugheit be durfte, dies zu verhüten. „Bedenke, wo wir sind,' zischelte er ihm leise zu, ohne dabei den Blick von dem vor ihm liegenden Programmzet tel zu erheben, „bist du deiner Sache gewiß, so gedulde dich und schweige, zu Hause weiden wir weiter darüber sprechen.' Ohne ein Wort zu erwidern, lehnte sich der Assessor auf sei nen Stuhl zurück
und richtete den Blick starr auf die junge Dame, die während des Kon zerts die Anwesenden von Zeit zu Zeit überblickte. Jetzt streifte ihr Blick den Tisch, an dem Gustav saß, einen kurzen Augenblick blieb er auf dem jungen Manne ruhen, — plötzlich zuckte sie zusammen, und Leichenblässe überdeckte ihr Antlitz, als sie langsam aufstand, um den Saal zu verlassen. Gustav konnte nicht mehr zweifeln, sie war es, sie hatte ihn erkannt. Schnell riß er seine Briestasche hervor, schrieb ein paar Zeilen
ihr ein Kellner eilends nach und übergab ihr das Billet des Assessors. Mechanisch nahm sie es an und steckte es in ihre Tasche. Sie ahnte schon, von wem es kam, der junge Mann an dem kleinen Seitentische, der sie so unverwandt, so stier angeschaut hatte, es war kein anderer als Gustav; und nur von ihm konnte das Billet kommen. Aber so unaussprechliche Freude ihr einerseits dieses unerwartete Wiedersehen auch machte, so empfand sie anderseits doch auch Unruhe und Kummer darüber. Sie war nicht Fatalistin genug
Ende der Welt. Nicht zum zweiten Male entrinnst Du Deinem in. heißer Sehnsucht nach Dir ver langenden Gustav v. Raaven.' Sie trat ans Fenster und schaute zum sternenbesäten Himmel empor. „Nein, Geliebter' — murmelte sie, während in ihren dunklen Augen eine Träne glänzte, „es kann nicht sein. Ich muß vergessen. — Vergessen — wer vergessen könnte! — Und doch muß es sein, was kann es mir nützen, daß ich mich einer Hoff nung hingebe, die nimmer erfüllt wird! Wäre er arm, an seine Brust