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Lienzer Zeitung
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Seite 27 von 32
Datum: 28.08.1909
Umfang: 32
-----i- . in dem Hanna sein Haus wieder verlassen und mit dem Manne ihrer Wahl in dessen Heimat abreisen werde. Weder Gustav noch dessen Braut hatten eine Ahnung von dem, was in dem Herzen des plötzlich so einsilbigen, verschlos senen Doktors vorging, nur Emma erriet es, doch vermied sie ängstlich, den Bruder um den Grund seines Kummers zu be fragen, weil sie ihm ein Bekenntnis ersparen wollte, welches ihn in ihren Augen beschämen mußte. Gustav allein war der Alte geblieben, unbefangen

schuld trage. In welcher Weise, wußte sie freilich nicht, doch vermutete sie, man habe es dem Doktor übel genom men, daß er ein ihm fremdes Mädchen in sein Haus und seinen Schutz Nehme, und nicht nur hinter seinem Röcken darüber ge sprochen, sondern auch ihm selbst Vorstellungen deshalb gemacht. Gern hätte sie dem Assessor diese Vermutung mitgeteilt, und Rat mit ihm gepflogen, wie man dieser Unannehmlichkeit abhelfen könne, doch solange Gustav selbst die Verstimmung nicht bemerkte

, oder sich keine Gedanken über dieselbe machte, wollte sie seine heitere Laune nicht trüben und den über ihr Lebensglück ent scheidenden Augenblick, der ja bald eint eten mußte und den Doktor seinen eingegangenen Verpflichtungen überhob, abwarten. —Aber ein Tag nach dem andern verging, und noch immer nicht traf die Antwort des Regisrungrsats ein. — Gustav äußerte jedesmal, so oft er vom Bureau nach Hause kam, und den sicher erwarteten Brief noch immer nicht vorfand, sein Bedenken über diese uner klärliche Verzögerung

der Vater seine Einwilligung, so mußte der Präsident, wenn Gustav ihm seine Verlobung offiziell anzeigte, hieraus erkennen, daß das Verhältnis seines Untergebenen zu der Buchhalterin keine der Sitte und Tugend zuwiderlaufende Liaison gewesen, sondern auf eine reine, wahre Liebe begründet war, und diese Entdeckimg mußte ihm eine bessere Meinung über seinen Untergebenen einflößen. Gab der Vater hingegen seine Einwilli gung nicht, und scheiterten auch alle Versuche, die Gustav alsdann

Vorgesetzte selbst ge stehen, daß die Arbeiten des Assessors an Sauberkeit und Ge diegenheit die seiner Kollegen weit übertrafen und von seltener Verstandesschärfe und großem Talente zeugten, doch veränderte dies in seinem Benehmen gegen den jungen Mann durchaus nichts. Klagte Gustav dies seinem Freunde, schüttete er vor ihm seinen ganzen Unmut aus, so zuckte dieser gleichgültig die Achseln und wußte keinen besseren Rat, als Geduld zu haben, mit der Zeit werde es sich wohl ändern. Zu einem tieferen

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Seite 26 von 32
Datum: 28.08.1909
Umfang: 32
er ist reich und vornehm, und sein Vater einer jener Menschen, die härter und grausamer sind als das Schicksal, denen Glück nur Rang und Reichtum, Liebe nur Mitgist bedeutet. Warum den Versuch machen, die Eisrinde zu lösen, welche Konvenienz um das Herz des Vaters gezogen hat? Kenne ich ihn nicht genugsam, um voraussehen zu können, daß solcher Versuch nur fruchtlos sein wird? Weiß ich nicht, daß Gustav dem Vater Trotz bieten und den Fluch desselben auf sein Haupt laden würde, um an meiner Seite

aus ihrem für sie so wohltätigen Schlummer, die Traum bilder erloschen und zerrannen, und die Gegenwart trat wieder an das Lager, ihre Rechte auf die Erwachende geltend zu machen. — Sie war nicht wenig überrascht, als sie beim Erwachen auf ihre Uhr sah, rasch erhob sie sich und packte ohne Zögern ihre Garderobe in einen aroßen Koffer, warf die unentbehrlichsten Toilettengegenstände m eine Reisetasche, legte den Brief an Gustav auf den Tisch, blickte zum Abschied noch einmal wehmütig durch das Zimmer und schritt dann rasch

hinaus. Auch Gustav hatte diese Nacht durchwacht. Nicht im Kreise froher Zechgenossen noch im Gespräch mit einem teilnehmenden Freunde, sondern in heißer Sehnsucht nach der, bei der all sein Denken weilte, in deren Armen allein er sein ganzes Lebensglück finden zu können wähnte. Düstere, ängstigende Traumbilder zogen im leisen Halbschlummer an seiner Seele vorbei, und das unruhige, stürmisch pochende Herz zählte jeden Glockenschlag, horchte auf das Ticken der Taschenuhr, die neben dem Bette

auf dem Nacht tische lag, und seufzte ungeduldig dem Morgen entgegen. Endlich brach der Tag an, und ermüdeter denn am Abend vorher erhob Gustav sich, um bis zur Frühstücksstunde in seinem Zimmer auf und ab zu wandeln und die Schritte zu überlegen, die er zunächst tun wollte. Er war fest entschlossen, die wieder gefundene Geliebte nicht zum zweiten Male entwischen zu lassen; — ihre Skruppel hoffte er durch Worte der Liebe und Vernunft zu beseitigen, ihren Befürchtungen wollte er Männlichkeit

bindende Verlobung ins reine bringen, dann sofort an seinen Vater schreiben und den Rest des Tages in den Armen der Geliebten verträumen. Gustav v. Raaven kam soeben von seinem neuen Chef, dem Gerichtspräsidenten Weller, in dessen Bureau er von jetzt an ar beiten sollte, und war im Begriff, in eine Seitenstraße abzu biegen, um zu der Wohnung seines Freundes zu gelangen, als plötzlich eine dicht verschleierte Dame an ihm vorbeischritt, den Weg zur Bahn nehmend. Gustav stieß einen leisen Schrei

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Seite 25 von 32
Datum: 28.08.1909
Umfang: 32
Htandesvorurteile. Erzählung von Albert Schwenn, (Fortsetzung.» .!rst als der Musikdirigent das Zeichen zum Beginn des Konzerts gab, erwachte Gustav aus seinem Brüten, und bald fesselten die ausgezeichneten Vorträge der gut geschulten Kapelle seine Aufmerksamkeit so sehr, daß er alles andere darüber vergaß. Die drei ersten Stücke waren vorbei, Gustav drückte sich lobend über die Ka pelle aus, die ihn, der an nur gute Konzerte gewöhnt war, voll kommen befriedigte. — Eben gab der Dirigent

Bestürzung. versetzten, behielt er doch Fassung genug, einzusehen, daß Gustav auf dem Punkte stand, sich öffentlich zu kompromittieren, und es gro ßer Vorsicht und Klugheit be durfte, dies zu verhüten. „Bedenke, wo wir sind,' zischelte er ihm leise zu, ohne dabei den Blick von dem vor ihm liegenden Programmzet tel zu erheben, „bist du deiner Sache gewiß, so gedulde dich und schweige, zu Hause weiden wir weiter darüber sprechen.' Ohne ein Wort zu erwidern, lehnte sich der Assessor auf sei nen Stuhl zurück

und richtete den Blick starr auf die junge Dame, die während des Kon zerts die Anwesenden von Zeit zu Zeit überblickte. Jetzt streifte ihr Blick den Tisch, an dem Gustav saß, einen kurzen Augenblick blieb er auf dem jungen Manne ruhen, — plötzlich zuckte sie zusammen, und Leichenblässe überdeckte ihr Antlitz, als sie langsam aufstand, um den Saal zu verlassen. Gustav konnte nicht mehr zweifeln, sie war es, sie hatte ihn erkannt. Schnell riß er seine Briestasche hervor, schrieb ein paar Zeilen

ihr ein Kellner eilends nach und übergab ihr das Billet des Assessors. Mechanisch nahm sie es an und steckte es in ihre Tasche. Sie ahnte schon, von wem es kam, der junge Mann an dem kleinen Seitentische, der sie so unverwandt, so stier angeschaut hatte, es war kein anderer als Gustav; und nur von ihm konnte das Billet kommen. Aber so unaussprechliche Freude ihr einerseits dieses unerwartete Wiedersehen auch machte, so empfand sie anderseits doch auch Unruhe und Kummer darüber. Sie war nicht Fatalistin genug

Ende der Welt. Nicht zum zweiten Male entrinnst Du Deinem in. heißer Sehnsucht nach Dir ver langenden Gustav v. Raaven.' Sie trat ans Fenster und schaute zum sternenbesäten Himmel empor. „Nein, Geliebter' — murmelte sie, während in ihren dunklen Augen eine Träne glänzte, „es kann nicht sein. Ich muß vergessen. — Vergessen — wer vergessen könnte! — Und doch muß es sein, was kann es mir nützen, daß ich mich einer Hoff nung hingebe, die nimmer erfüllt wird! Wäre er arm, an seine Brust

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