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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 11 von 16
Datum: 20.12.1903
Umfang: 16
Toilettengegenstände fielen heraus. Dadurch gab es für einen Augenblick in dem hin- und herwogenden Gedränge einen Stillstand; die Umstehenden lachten, die alte Dame wurde vor Verlegenheit dunkelrot, denn, bepackt, wie sie war, konnte sie sich nicht bücken, um das Verstreute aufzusammeln. Bestürzt und hilflos schaute sie daher von einem zum andern. Im nächsten Augenblick aber schon wano sich mit Blitzesschnelle Ernst Geldhorn zwischen den umstehenden Personen durch, faßte die Schachtel, packte schnell

und doch mit der größten Behutsarnkeit die geiallenen Sachen hinein, nahm dann der verdutzt dreinschauenden alten Dame noch einige ihrer Pakete ab und bahnte ihr einen Weg durch die Menschenmenge. Als sie sich etwas freier bewegen konnten, stand Ernst still und zog höflich seine Mütze. „Kann ich Ihnen noch weiter behilflich sein?" fragte er, die Dame mit seinen offenen, ehrlichen Augen treuherzig ansehend. „Nun, mein Junge, das bist Du mir schon gewesen, und ich fühle mich Dir recht dankbar," antwortete

sie, erleichtert aufatmend, „aber ich finde mich hier so allein, denn ich komme überraschend an und bin darum nicht abgeholt worden. Ich möchte, daß Du noch bei mir bliebest. Meines vielen Gepäckes wegen will ich mit einer Droschke fahren. 'Da könntest du mich nach dem Droschkenstand führen und mir dort auch behilflich sein." Ernst führte nun die alte Dame an den Platz, wo die Fuhr werke standen, besorgte eine Droschke, und verteilte, während die Dame mit dem Kutscher verhandelte und ihm die Adresse angab

, wo er sie hinsahren sollte, mit Geschick und Umsicht die verschiedenen Gepäckstücke im Wagen. Als er damit fertig war, sagte die Dame freundlich: „So, mein jfunge, nun steige nur ein, Du mußt mich begleiten, ich lasse Dich Hann wieder zurückfahren." Erfreut leistete Ernst dieser gütigen Aufforderung .Folge/ worauf sich die Droschke in Bewegung setzte. Die alte Dame erzählte Ernst, oaß sie nach der großen Stadt gekommen, um ihre einzige Tochter, die hier verheiratet sei, zu Weihnachten zu überraschen. „Darum holte

mich niemand ab, und die Situation war sehr peinlich für mich, bis Du mir so nett zu Hilfe kamst," schloß sie freundlich. „Und nun erzähle mir von Dir, wie heißt Du und wo wohnst Du?" „Ich heiße Ernst Geldhorn," berichtete Ernst, nnd dann er zählte er offen und wahr, wo er wohnte, wie es ihnen gegangen war und in welchen Verhältnissen sie jetzt lebten. Doch als er in 'einem Bericht so weit gekommen war, stockte ihm die Stimme. Erwartend sah die alte Dame ihn an. „Und nun?" fragte sie gütig. Da stürzten

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 14 von 16
Datum: 18.10.1908
Umfang: 16
G A S se Sr Fii mein lieber Ernst, wie außerordentlich zufrieden ich mit Ihnen bin, biete ich Ihnen heute an, mein Kompagnon zu werden. Ihr kleines Ver mögen hat sich in der Zeit Ihres Hierseins gut verzwanzigfacht und wird sich durch Ihr Zutun hoffentlich auch in Zukunft mehren. Wie lange wir übrigens noch zusammen arbeiten werden, läßt sich nicht sagen; ich fühle aber, daß die Kräfte bei mir sehr Nachlassen." Zwei Jahre hiernach starb Mr. Horton plötzlich, vom Schlage gerührt. Er vermachte

Ernst, da er gar keine Verwandten befaß, fein ganzes großes Vermögen ohne irgendwelche Einschränkung. Nicht entfernt hatte Ernst daran gedacht, mal der Erbe des alten Herrn zu werden, der ihm gegenüber auch nie etwas darüber verlauten ließ. Die Hinterlassenschaft betrug, nachdem er nach des Erblassers Wunsch die Besitzungen verkauft und alle Ausstände eingezogen hatte, 150 000 Pfund Sterling, also ungefähr eine Million Taler nach heimischer Währung. Horton hatte in dem Testament angenommen

, daß Ernst in die Heimat zurückkehren werde, und dies ward sehr gebilligt. Sein Glück teilte der Erbe alsbald dem heimischen Lehrer mit und fügte hinzu, daß er nach Abwickelung der Geschäfte, etwa in Monatsfrist, dem Briefe folgen werde. * * * Eines Tages schritt durch die Straßen Felgenbachs — dies war der Ort, wo Ernst herstammte — ein stattlicher Herr mit blondem Vollbart, der neugierig feine Blicke umherfchweifen ließ. Als er die Rondorffche Besitzung erreichte, blieb er stehen, schüttelte den Kopf

und murmelte vor sich hin: „O, sieht das verwahrlost aus, wie kann eine Wirtschaft so herunter kommen!" Dann ging er weiter und steuerte direkt auf das Haus des Lehrers zu. Dieser, der gerade in seiner Laube vor der Wohnung saß, schrak freudig zusammen, als die Pforte zum Garten sich öffnete und der Fremdling mit eiligen Schritten sich ihm näherte. „Ach, das ist schön," rief der Lehrer aus, indem er hastig aufsprang, „daß Sie, mein lieber Ernst, angekommen find." Nach herzlichster Be grüßung mußte Ernst

— er war der Fremde — Platz nehmen, und dann rief der Lehrer ins Haus hinein: „Leuchen, komm doch gleich heraus und bewillkommne unfern Gast!" Es erschien darauf ein bildhübsches junges Mädchen, die einzige Tochter des Lehrers, die diesem, da die Mutter schon lange tot war, die Wirtschaft führte. Als Ernst fortwanderte, war sie acht Jahre alt, jetzt also mußte sie deren achtzehn zählen. In traulichem Geplauder saßen die drei bald beim dampfenden Kaffee, denn zu erzählen gab es ja so unendlich viel. Zuerst

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 17 von 20
Datum: 16.05.1903
Umfang: 20
Ar 20 Anlerhaltullgsblalt zur „Tiroler Land-Muilg* 1903. 'er Ärbeik golöener ^oöen. Eine Erzählung von Hans Richter. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Halbe Stunden lang stand Ernst Althoff an der Ladentür oder am Fenster der Wohnstube und schaute hinüber nach dem palastähn lichen großen Gebäude, das in goldenen Lettern die stolze Firma F. & A. Rodig trug. Im ersten Stock waren zwei stets mit blühen den Blumen besetzte Fenster, denen unser Freund seine spezielle Auf merksamkeit widmete

. Bisweilen erschien hinter den Blumen ein lächelndes, rosiges Mädchengesicht und grüßte herüber, worauf der Meister den halben Tag so vergnügt war, daß die Gesellen einander zuflüsterten, er müsse heut wieder ein brillantes Geschäft gemacht haben. Eines Tages — das Frühjahr war bereits tüchtig vorgeschritten — saß Ernst mit seiner Mutter beim Vesperkaffee. Sie sprachen über einen Brief Theodors, welcher jetzt in Breslau studierte. „Der arme Junge schränkt sich mehr als nötig ein," sagte Ernst

, habe ich doch Bestellungen auf Monate hinaus, welche mir einen guten Verdienst sichern. Wenn es so weiter geht, wie ich hoffe, sind wir übers Jahr unsere Schulden los und dann wird gebaut." „Und geheiratet, nicht wahr?" „Daran Hab ich wahrhaftig noch nicht gedacht," lachte Ernst ein wenig errötend. -„In jedes Haus gehört eine Hausfrau." „Ich habe ja Dich, und eine bessere Hausfrau könnte ich mir nicht wünschen." „Eine Mutter ist keine Frau, ich werde alt und werde in wenigen Jahren mein müdes Haupt zur letzten Ruhe

niederlegen. Du bist ein tüchtiger, braver Mann, Ernst, der wohl eine Frau glücklich machen wird — ich kann es Dir ohne Ueberhebung oder Eitelkeit, aber mit Stolz sagen. Du bringst den Namen Althoff wieder zu Ehren, und keine Tür wird sich verschließen, wenn Du als Freier anklopfst. Jung gefreit hat noch niemand gereut." „Heiraten ist gut, aber nicht heiraten ist besser," erwiderte Ernst lächelnd, ebenfalls zur Sprüchwörter-Weisheit greifend. „Das sagte wenigstens mein Lehrmeister

über Dinge spotten könntest, die jedem Menschen heilig sein sollen, Hütte ich freilich nicht gedacht," bemerkte die Meisterin mit ganz ungewohnter Schürfe; der Sohn legte begütigend die Hand auf ihren Arm und sagte ernst: „Ich möchte nur den Mißbrauch geißeln, den man mit dem Heiligtum der Ehe treibt. Heiraten ist kein Pferdekauf, sagt auch ein Sprüchwort, aber wahrlich, ein Pferdekauf wird oft nicht so geschäfts mäßig, kühl und berechnend betrieben wie eine Ehe! Da wird über legt, gefeilscht, getrieben

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 13 von 16
Datum: 18.10.1908
Umfang: 16
Das neue Soldatenöeim in Leipzig. fort, dann werden wir stets gute Freunde bleiben, was Ihnen gewiß nur zum Vorteil gereichen wird." Ernst war sehr erfreut über seine Beförderung und teilte dieselbe alsbald dem Schullehrer seines Heimatsortes mit, mit dem er vom ersten Tage an korrespondierte. Schon in den nächsten beiden Jahren hob sich die Schafzucht bei Mr. Horton ganz erheblich, und dieser erkannt sogleich, daß er ein so günstiges Resultat zum größten Teil der Umsicht und Sorgfalt

seines Aufsehers zu danken hatte. Als tüchtiger Geschäftsmann, der lebte und leben ließ, erhöhte er dieferhalb Ernsts Gehalt beträchtlich und bewilligte ihm außerdem Prozente beim Verkauf der Wolle. Die mitgebrachten 5000 Mgrk hatte Ernst seinem Prinzipal ins Geschäft gegeben, dazu kamen nun regelmäßig jedes Jahr ganz hübsche Beträge von erspartem Gehalt und Tantiemen. Aus der Heimat erfuhr er durch den Lehrer alles, was für ihn Interesse hatte. Vor allem schrieb ihm derselbe, daß sein Bruder Leopold

sich dem Trünke ergeben habe, und daß die Wirtschaft von Tag zu Tag mehr zurückgehe. Es seien schon wiederholt Hypotheken ausgenommen, und wenn das so fortgehe, werde die Sache übel ablaufen; am traurigsten feien dann die Frau und die beiden Kinder des Bruders daran. Nachdem Ernst bereits sieben Jahre seine Stellung innegehabt, starb der langjährige Geschäftsführer des Mr. Horton, und dieser übertrug nunmehr dieses sehr verantwortliche, aber da für auch recht gut do tierte Amt ihm, dem Deutschen

, der sich das völlige Vertrauen des Besitzers erworben hatte. Mit der Zeit war des Verhältnis zwischen beiden Männern ein so freundschaftliches gewor den, daß sich Ernst dum noch aB. Unter gebener fühlen konnte, er von Horton vielmehr gleich einem Sohne be handelt wurde. Eines -Tages fuhr der Besitzer, nur vorn Kutscher begleitet, nach dernächsten, etwa dreißig Meilen entfernten Stadt, M dort eine bedeutende Summe auf die Bank gu bringen. Vorher hatte Ernst >hn vergeblich gebeten, km paar kräftige bewaff nte Leute

mitzunehmen, da gerade in letzter Zeit ? u f diesem Wege mehr- M Ueberfälle auf «eisende stattgefunden hatten. »Mein lieber Ernst," antwortete jener, „Sie >nd wirklich zu ängstlich, so unsicher, wie Sie es schildern, ist es doch i wertem nicht; überdies möchte ich trotz meiner Jahre immerhin noch "lcht als Feigling gelten. Die Kabinen des IDetterDorn*flufrugs. Der flußug auf das IDetterporn und öiick auf den Sietlcher. Wagen feines Herrn hielt,. der Kutscher lag verwu ndet am Bo den und drei Banditen

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 13 von 16
Datum: 30.05.1903
Umfang: 16
Nr. 22 Unterhaltnugsblalt ;ur „Tiroler Lond-Zeitnug' 1903. 'er Arbeit gotöener Moöen. Eine Erzählung von Hans Richter. —— Nachdruck verboten. (Schluß.) VI. Drei Jahre vergingen. Ernst Althoff arbeitete rüstig und unermüd lich fort. Das große Nachbarhaus, in welchem er früher nur den Laden ge mietet, hatte er jetzt gekauft und auch feine Werkstelle darin eingerichtet. Das Familienhaus mit seinem Gärtchen sah noch so aus wie früher; innen aber war es völlig umgebaut, hübsche, freundliche

allgemeine Bewunderung erregt und ihm außer einem hübschen pekuniären Ge winn noch das Prädikat Hoftischlermeister eingetragen. Sein Wohl stand und sein Renommee waren fest begründet, man zog ihn fast gewaltsam in die beste Gesellschaft, die Innung übertrug dem jungen tüchtigen Meister, dem echten Sohn seines braven Vaters, verschiedene Ehrenämter, denen er mit der größten Hingabe und dem gewissen haftesten Eifer für sein so schönes Handwerk oblag, aber glücklich war Ernst Althoff trotz alledem

sonst so sonnigem Leben. Die alte Meisterin war im letzten Frühjahr ein wenig kränklich gewesen und auch Theodor, der eben sein Examen „cum laude“ be standen und nun wohlbestalter Dr. jur. et phil. war, brauchte eine Erholung. Mit vielem Reden setzte es Ernst durch, daß sie jetzt — im Hochsommer - in dem lieblichen Thüringer Walde Genesung suchen wollten. Sie wählten ein idyllisch gelegenes Städtchen, wo Ernst selbst vor Jahren als Geselle gearbeitet hatte, abseits von der großen Touristenstraße. Ernst

als wir." „Mir ist die Arbeit die beste Erholung, Mutter", erwiderte Ernst einfach. „Nein, das ist sie nicht. Dein seliger Vater war auch ein fleißi ger Mann, aber er machte auch seine Feiertage, die dem Handwerker zukommen. Deinen Gesellen und Lehrjungen gönnst Du sie, Dir nicht." „Weil ich nicht müßig gehen mag; es kommen einem dabei blos törichte Gedanken". Die alte Frau streichelte zärtlich die bärtige Wange des Sohnes und sagte wehmütig: „Ich weiß wohl, was Du meinst, Ernst; Du kannst das brave, tapfere Mädchen

nicht vergessen das arme, liebe Gretchen! weshalb sie sich nur vor uns verbirgt?" „Sie fürchtet Deinen Haß, Mutter!" „Ich haste nur noch den Mann, der uns soviel Uebles zufügte, nicht sie, welcher wir ja die Entdeckung des Täters verdanken. Ich habe oft ihren Brief gelesen und über sie nachgedacht ein edles goldreines, mutiges Mädchenherz, mein Sohn! wie gern hätte ich sie Tochter genannt und —" „Mutter, hörst Du nichts? wie ein Schluchzen? eine bekannte Stimme!" rief Ernst plötzlich aufspringend und drang

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 14 von 16
Datum: 25.10.1908
Umfang: 16
, als sie das schöne Schloß betrat und die geschmackvolle Einrichtung erblickte. „Das alles gehört dir," rief sie staunend aus, „das ist eigentlich doch wohl ein bißchen zu groß für zwei Menschen!" „Nun, das freut mich sehr, daß dir all"s so wohl gefällt," sprach Ernst, „du bist ja doch mein Liebstes auf der Welt und dein Glück ist auch das meine!" In den nächsten Tagen staunte die junge Frau noch mehr, als man zu zweien im leichten Jagdwagen die verschiedenen Vorwerke besuchte, die ausgedehnten Felder betrachtete

und in den herrlichen Forsten den würzigen Waldesduft einatmen konnte. Ein besonderer Freudentag war es, als der alte Lehrer eintraf, um für immer bei seinen Kindern zu bleiben und sich an deren Glück zu sonnen. Nach Jahresfrist erschien ein kleiner Stammhalter, der natürlich der Augapfel nicht allein der Eltern, sondern auch des Großpapas wurde, um den sich jetzt sozusagen alles drehte. Ebenso tätig und umsichtig, wie sich Ernst in der Landwirtschaft zeigte, erschien sein Weibchen im Hauswesen

, der weiter und weiter in die Tiefe sank. Nachdem Ernst ihm so hoch herzig geholfen, ohne das geringste Dankeswort dafür zu eruten, war die Familie Leopolds wieder zu ihm gezogen, da seine Frau die Hoffnung immer noch nicht aufgab, daß er doch vielleicht zu retten wäre. Der Erfolg entsprach jedoch nicht diesen Erwartungen. Er begann toller zu trinken wie je, machte überall Schulden und behandelte Frau und Kinder in der rohesten Weise. Als er dann ihr sogar die Einkünfte fortnahm, die Ernst ausschließlich für sie und die beiden

Knaben bestimmt hatte, sah sie sich im Interesse der Kinder gezwungen, den Unverbesserlichen zu verlassen und ihn seinem Schicksal preiszugcben. Sie lebte fortan wieder bei ihrem alten Vater in Ruhe und Frieden. Leopold steuerte mit Riesenschritten dem Untergange zu. Schon nach Pier Jahren war er von neuem so verschuldet, daß er sich nicht mehr zu halten vermochte. Ernst, der durch den Felgcnbachcr Schulzen alles erfuhr, ließ für sich das Gut kaufen und setzte einen zuverlässigen, gut dotierten

und artete immer mehr zum gewöhnlichsten Strolch aus. Die Unterstützungen des Bruders nahm er an, sonst aber wollte er von ihm nichts wissen, sondern schimpfte auf ihn in der gemeinsten Weise. Wiederum waren mehrere Jahre ins Land gegangen, die Brüder standen jetzt in der Mitte der vierziger Jahre. Eines Tages überzählte Ernst in seinem Arbeitszimmer Gelder und steckte 10 000 Taler, meist in Papier, in eine kleine eiserne Kassette, die er am nächsten Tage nach der Stadt auf die Bank bringen

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 9 von 16
Datum: 28.09.1902
Umfang: 16
4 Sonntags-Blatt 4 Deilage jum „Kihbiihtlrr Dcurks-Dote". Siedakrwn, Druck und Berlag der Kgl. Bayer. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reichel in Augsburg. Kypnotifirte Liebe. Humoreske von Adolf Thiele. (Nachdruck verboten.) lso das war au?! Dieser Gedanke erfüllte Ernst, als er in trübem Sinnen unter den entlaubten Bäumen dahinschritt. Es war ein Liebestraum gewesen, und nun war das Erwachen gefolgt. Und warum? Als er damals, es war im Mai, Emma kennen ge lernt hatte, als sie sich bei Ausflügen

— so grübelte Ernst weiter — war doch wohl nur ober flächlicher Natur, denn sonst hätte sie, die ihm so sehr zugethan schien, sich nicht durch die Verwandten mehr und mehr von ihm abbringen lassen. Ernst Marx hatte, als sie kühler und kühler gegen ihn wurde, sein Selbst bewußtsein nicht verloren, und leiden schaftliche Scenen hatte er ihr nie ge macht. Aber heute hatte sie, anscheinend unter der Zustimmung der Mutter und Tante, die Sache beendet, indem sie ihm in der Gesellschaft kaum einen Blick geschenkt

und sich mit einem Herrn sehr lebhaft unterhalten hatte, der infolge seiner Vorspiegelungen über seine Ver mögensverhältnisse von den Töchtern und noch mehr von den Müttern sehr umschmeichelt wurde. Ernst hatte dies mit stolzer Zurückhaltung und Selbst beherrschung einige Zeit mit angesehen, dann aber hatte er sich mit höflich-kühlem Abschied entfernt. Er betrachtete die Sache als beendet, er durfte sich nicht die Blöße geben, sich ihr, die sein Liebstes gewesen so lange Zeit, aufzw drängen. Es war ein Traum! Vorüber

! Lange schritt der junge Mann noch im Parke dahin, in dem das Laub unter seinen Füßen raschelte und wo ihn auch die Natur an den Gedanken der Vergänglich keit mahnte. Was er sich vorgenommen, hielt Ernst; er suchte Emma nicht wieder auf, sondern vertiefte sich in seinen freien Stunden in mancherlei wissens- werthe Dinge, wovon er sich durch Spaziergänge erholte. Eines Abends war er wieder von einem solchen heimgekehrt, als ihm der Postbote einen eingeschriebe nen Brief übergab. Ernst fand darin

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 10 von 16
Datum: 22.04.1906
Umfang: 16
Seit das junge Paar von der See wieder zurück gekehrt und Ernst viel von Theaterproben in Anspruch geuommen war, hatte Hermine die Bormitlage meist einsam zu verbringen. Das kam ihrer lebhaften Art schwer an. Die eben verflossenen Wochen hatte sie in ununterbrochener Gemeinschaft mit Ernst verlebt, und früher war sie von Kindheit an immer mit Julia zu sammen gewesen. Auch diese schien sich an das Allein sein nicht zu gewöhnen und suchte zu allen Zeiten, wann sie den Schwager abwesend wußte

scheint ihm etwas gegeben zu haben. Denn seit gestern ist er augenscheinlich frischer und heiterer. Aber wenn du öfter mal kämst, würde er sicher noch fröhlicher werden." „Aber Julia, wir waren doch erst letzten Freitag draußen!" „Nun ja. Aber erstens waren da wieder Fremde dabei. Vater bildet sich nun einmal ein, daß es um so schöner ist, je geräuschvoller und lebhafter es zugeht. Und zweitens warst du ja mit Ernst." „Natürlich! Ihr habt uns doch beide eingeladen und schient sehr erfreut, daß er kam

. Wenn aber Ernst zu Hause ist, kann >ch ihn doch nicht allein lassen." „Ist das nicht egolstisch von dir?" „Egoistisch? Nein. .Ich tue es doch Ernst zuliebe. Ich bin seine Frau, und er will mich natürlich um sich haben. Abends, wenn er spielt, kann ich auch nicht ab- kommen. Ich muß im Theater sitzen." „Immer? Auch bei Wiederholungen desselben Stückes?" „Selbstverständlich." „Aber lvenu er frei ist, geht er doch bisweilen aus, um den Abend mit ein paar guten F eund. n zu verbringen. Früher war er wenigstens

nicht elttziehcn." „Aber, Julia, das tue ich ja auch nicht. Er handelt ganz nach eigenem Willen und Bedürfnis. Du spr.chst gerade so, als hätte ich Ernst unter dem Pantoffel und enthielte ihm den Hausschlüssel vor. In» Gegenteil, me.n ganzes Streben ist darauf gerichtet, ihm jeocn Wunsch an den Augen abzusehen. Meinst du, ich habe ihn schon ein einziges Mal gebeten, zu Hause zu bleiben?" „Das ist nicht genug. Du müßtest ihn bitten, ans- zngehcn und sich bisweilen von dir zu trennen. Er wird es tull

, ohne cs selbst zu wissen? Er hat sie geivissermaßen vorläufig vergessen, und es wird ihn freuen, wenn ich sie ihm wieder ins Gedächtnis rufe?" „Allerdings. Das kommt mir recht wahrscheinlich vor. Ein Mann hat doch in den freien Stund, n die ihm sein Beruf läßt, noch andere Bedürfnisse als den Minnedienst. Zumal Ernst mit seinen vielseitigen Interessen. Also wenn du wirtlich bestrebt bist, ihm auch unaus gesprochene und unbewttßte Wünsche von den Augen ab zulesen, so mußt du —" „Du hast recht," fiel hr Hermine lebhaft

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Tiroler Post
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Seite 9 von 12
Datum: 16.05.1903
Umfang: 12
. (Fortsetzung.) Halbe Stunden lang stand Ernst Althoff an der Ladentür oder am Fenster der Wohnstube und schaute hinüber nach dem palastähn lichen großen Gebäude, das in goldenen Lettern die stolze Firma F. & A. Rodig trug. Im ersten Stock waren zwei stets mit blühen den Blumen besetzte Fenster, denen unser Freund seine spezielle Auf merksamkeit widmete. Bisweilen erschien hinter den Blumen ein lächelndes, rosiges Mädchengesicht und grüßte herüber, worauf der Meister den halben Tag so vergnügt

war, daß die Gesellen einander zuflüsterten, er müsse heut wieder ein brillantes Geschäft gemacht haben. Eines Tages — das Frühjahr war bereits tüchtig vorgeschritten - saß Ernst mit seiner Mutter beim Vesperkaffee. Sie sprachen über einen Brief Theodors, welcher jetzt in Breslau studierte. „Der arme Junge schränkt sich mehr als nötig ein," sagte Ernst. „Vom nächsten Ersten an wollen wir ihm monatlich zehn Taler mehr schicken, Mutter, damit er kräftig essen und sich manchmal auch eine Zerstreuung

unsere Schulden los und dann wird gebaut." „Und geheiratet, nicht wahr?" „Daran Hab ich wahrhaftig noch nicht gedacht," lachte Ernst ein wenig errötend. „In jedes Haus gehört eine Hausfrau." „Ich habe ja Dich, und eine bessere Hausfrau könnte ich mir nicht wünschen." „Eine Mutter ist keine Frau, ich werde alt und werde in wenigen Fahren mein müdes Haupt zur letzten Ruhe niederlegen. Du bist ein tüchtiger, braver Mann, Ernst, der wohl eine Frau glücklich machen wird — ich kann es Dir ohne Ueberhebung

oder Eitelkeit, aber mit Stolz sagen. Du bringst den Namen Althoff wieder zu Ehren, und keine Tür wird sich verschließen, wenn Du als Freier anklopfst. Jung gefreit hat noch niemand gereut." „Heiraten ist gut, aber nicht heiraten ist besser," erwiderte Ernst lächelnd, ebenfalls zur Sprüchwörter-Weisheit greifend. „Das sagte wenigstens mein Lehrmeister, und wenn ihm die Meisterin, was nicht selten vorkam, den Kopf warm machte, antwortete er ihr mit Sprüchen aus dem Buche Sirach, die wir Jungen und Gesellen

Schärfe; der Sohn legte begütigend die Hand auf ihren Arm und sagte ernst: „Ich möchte nur den Mißbrauch geißeln, den man mit dem Heiligtum der Ehe treibt. Heiraten ist kein Pferdekauf, sagt auch ein Sprüchwort, aber wahrlich, ein Pferdekauf wird oft nicht so geschäfts- mäßig, kühl und berechnend betrieben wie eine Ehe! Da wird über- legt, gefeilscht, getrieben, gelogen und betrogen, Zwietracht und Neid gesäet statt Liede. Pfui über ein solches Gebühren! Ich nenne es eine infame Kuppelei

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 10 von 16
Datum: 20.12.1903
Umfang: 16
Stock wohnte die Witwe Martha Geldhorn mit ihren zwei Kindern Ernst und Mariechen. Sie hatte einst bessere Tage gesehen, war die Tochter eines Schulmeisters und später die Frau eines Land schullehrers. Ihr Mann war zeitig gestorben, und da sie keine Pension bekam, mußte sie für sich und ihre Kinder einen Erwerb suchen. Erst bemühte sie sich, auf dem Lande einen solchen zu er halten, aber sie fand nichts. Dann zog sie nach der großen Stadt und versuchte dort ihr Glück. Hier gelang

es ihr, in einem großen Geschäft Arbeit zu finden. Zwar war der Verdienst nur schmal, aber er ernährte doch ihre beiden Kinder und sie. Ernst war nun schon vierzehn Jahr und -ls Laufbursche in einem bedeutenden Handelshause angestellt, während Mariechen im elften Jahre stand. Es schien daher, als wäre das Schwerste überstanden. Aber ein unverhofftes Leid brach bei ihnen ein und öffnete der Sorge die Türe. Mariechen wurde schwer krank und mußte lange Wochen liegen, so daß die Mutter sie pflegen mußte und fast gar

nicht arbeiten konnte. Dadurch verlor sie ihren Verdienst, denn das Geschäft ver langte so und so viel Knopflöcher pro Woche genäht zu erhalten und nahm keine Rücksicht auf die Krankheit des Kindes. Nun wurden die Bissen von Tag zu Tag schmäler, die Mutter hatte gar keinen Verdienst und das bißchen, was Ernst als Laufbursche erwarb, reichte kaum zum trockenen Brot. Zwar stand Weihnachten vor der Türe, und Ernst hoffte anläßlich desselben im Geschäft ein Geld geschenk zu erhalten, um seinem kranken

Schwesterchen eine Freude zu machen und um seiner Mutter zu Weihnachten etwas die Sorge zu nehmen. Doch kurz vor Weihnachten verlor er seine Stelle, wo» durch die Familie dem größten Elend preisgegeben war. Ernst hatte nämlich eines Tages für Mariechen noch Medizin aus der Apotheke geholt, war dadurch eine halbe Stunde zu spät in das Geschäft gekommen und deshalb fortgeiagt worden. — Es war am 21. Dezember, und ein schneidender Wind wehtc auf Straßen und Plätzen. Im Stübchen der Schullehrerswitpc sah

es trostlos aus, Mariechen lag mit fieberroten Wangen im Bett, die Mutter besserte notdürftig ein Kleid aus und Ernst saß in dumpfer Verzweiflung daneben. Da klopfte es: ein Schulfreund von Ernst trat in das Stübchen. „Ernst," rief er diesem zu, „es ist ein Dampfer signalisiert, ich will sehen, ob ich vielleicht Passagiergepäck tragen kann, kommst Du mit?" Ernst blickte fragend auf seine Mutter; da diese ihm zunickte griff er nach seiner Mütze und schloß sich dem Kameraden an. Am Landungsplatz angelangt

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Tiroler Post
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Seite 9 von 12
Datum: 30.05.1903
Umfang: 12
. Nachdruck verboten. (Schluß.) VI. Drei Jahre vergingen. Ernst Althoff arbeitete rüstig und unermüd lich fort. Das große Nachbarhaus, in welchem er früher nur den Laden ge mietet, hatte er jetzt gekauft und auch feine Werkstelle darin eingerichtet. Das Familienhaus mit seinem Gärtchen sah noch so aus wie früher; innen aber war es völlig umgebaut, hübsche, freundliche Wohnräume mit prachtvollen Möbeln, von denen er jedes einzelne Stück selbst ge arbeitet hatte — fast zu geräumig und zu luxuriös

stand und sein Renommee waren fest begründet, man zog ihn fast gewaltsam in die beste Gesellschaft, die Innung übertrug dem jungen tüchtigen Meister, dem echten Sohn seines braven Vaters, verschiedene Ehrenämter, denen er mit der größten Hingabe und dem gewissen haftesten Eifer für sein so schönes Handwerk oblag, aber glücklich war Ernst Althoff trotz alledem nicht. Er konnte Margarete nicht vergessen. Auch sie hatte ihn geliebt — das bewies ihr Benehmen bei ihrem letzten Zusammentreffen, ihr Brief

“ be standen und nun wohlbestalter Dr. jur. et phil. war, brauchte eine Erholung. Mit vielem Reden setzte es Ernst durch, daß sie jetzt — im Hochsommer — in dem lieblichen Thüringer Walde Genesung suchen wollten. Sie wählten ein idyllisch gelegenes Städtchen, wo Ernst selbst vor Jahren als Geselle gearbeitet hatte, abseits von der großen Touristenstraße. Ernst begleitete Mutter und Bruder dahin. Am Abend ihrer Ankunft bestiegen sie den Hügel, unter welchem das Städtchen sich schmiegte, und schauten

freudetrunkenen Auges über das liebliche Tal und die anmutigen dunkelbewaldeten Hügel. „Du solltest Dich frei machen und bei uns bleiben," sagte Frau Althoff zu ihrem Erstgeborenen, mit welchem sie auf einer Bank im Gebüsch Platz genommen, während Theodor mit dem Wirt, der sie geleitete, noch weiter gegangen war. „Auch Du hast eine Erholung nötig mehr als wir." „Mir ist die Arbeit die beste Erholung, Mutter", erwiderte Ernst einfach. „Rein, das ist sie nicht. Dein seliger Vater war auch ein fleißi ger Mann

, aber er machte auch seine Feiertage, die dem Handwerker zukommen. Deinen Gesellen und Lehrjungen gönnst Du sie, Dir nicht." „Weil ich nicht müßig gehen mag; es kommen einem dabei blos törichte Gedanken". Die alte Frau streichelte zärtlich die bärtige Wange des Sohnes und sagte wehmütige „Ich weiß wohl, was Du meinst, Ernst; Du kannst das brave, tapfere Mädchen nicht vergessen — das arme, liebe Gretchen! weshalb sie sich nur vor uns verbirgt?" „Sie fürchtet Deinen Haß, Mutter!" „Ich hasse nur noch den Mann

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 12 von 16
Datum: 18.10.1908
Umfang: 16
I Bill* 332 Ute ungleichen Brüder. Von O. von Briefen. (Nachdruck verboten.) Jktt einer der schönsten Gegenden Mitteldeutschlands lebte ein alter Bauer namens Rondorf auf seinem großen und schuldenfreien Hofe, den er mit seinen beiden Söhnen Leopold und Ernst bewirtschaftete. Auf der weiten Welt gab es wohl kein ungleicheres Bruderpaar, wie diese zwei jungen Leute, die im Alter von 21 und 22 Jahren standen. Leopold, der ältere, war körperlich unansehnlich und ein falscher, hinter listiger

Charakter, während Ernst ein hochgewachsener, kräftiger Mann war, ein höchst sympathisches Gesicht hatte, aus welchem Geradheit, Treue und Ehrlichkeit sprachen. Auch in der Schule hatte sich Leopold durch Faulheit war, auf den Weg nach Hamburg, begleitet von den Segenswünschen des gesamten Dorfes, mit Ausnahme des Bruders, der ihm beim Abschiede höhnisch zurief, er werde dereinst wohl als völliger Lump zurückkehren. Ernst zuckte auf diese mehr als unfreundlichen Abschiedsworte nur die Achseln, drehke

dem Bruder den Rücken und fuhr davon. Nach einer Ueberfahrt von etwa sechs Wochen langte Ernst in M»l- bourne an, wo er sich beim deutschen Konsul Rat erholte, welchen Beruf er erwählen solle. Der Konsul riet ihm, sich zu einem der großen Schaf züchter zu begeben und dort, von der Pike an dienend, sich allmählich in die Höhe zu arbeiten. Dieser Vorschlag war ganz nach des Ankömmlings Wunsch, und es bot sich ihm auch gleich Gelegenheit, eine Stellung zu erlangen. Ein gerade in der Stadt anwesender

, wo es anging, zu schaden suchte. Namentlich verdächtigte er ihn bei jeder Gelegenheit dem Vater gegenüber und beabsichtigte, diesen um jeden Preis gegen denselben ein zunehmen. Während das ganze Dorf nichts von Leopold wissen wollte, war der alte Vater leider so schwach, dessen Einflüsterungen ein offenes Ohr zu leihen. Die Folge war, daß mehrmals Zerwürfnisse in der Familie eintraten, unter denen einzig Ernst zu leiden hatte. Dies sollte sich, als der alte Rondorf plötzlich starb, am auffallendsten

sich, nachdem alles geordnet feinster Wollschafe. Ernst stellte sich alsbald vor, Mr. Horton fand Gefallen an dem kräftigen, hübschen Deutschen und engagierte ihn auf der Stelle. Dör Prinzipal nahm ihn in seinem Wagen gleich mit sich, und in drei Tagen langte man auf der Hauptbesitzung an, wo die Tätigkeit des neuen Hirten, der sein Amt zu Pferde versah, begann. Mit großem Eifer widmete er sich fortan seinem Berufe und befolgte gewissenhaft alle Instruktionen, die ihm Mr. Horton erteilte. Nebenbei

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 14 von 16
Datum: 02.08.1903
Umfang: 16
?" „Ja, weißt Du, Schwesterle, auf meinen Magen kann ich mich eigentlich verlassen und der verlangt stürmisch nach etwas Gutem! Um aber nicht in falschen Verdacht zu kommen, so laß Dir gesagt sein, daß es soeben ein Viertel vor sieben Uhr ist. Ernst wird wohl auch gleich nach Haus kommen." „Ei, du liebe Zeit, nun aber fix," und draußen ist sie schon, froh, dem peinlichen Examen, „wie sah er aus, grüßte er rc.", ent gangen zu sein. In der Küche aber blieb sie stehen und in ihrem Geiste zieht

wie alle andern, sie ist endlich vernünftig geworden. Es ist ja auch schon fünf Jahre her, seit er von ihnen Abschied nahm, um zum Studium zu gehen. So in Gedanken versunken, steht Grete an den Küchentisch ge lehnt und sie fährt ordentlich zusammen, als Ernst, der flotte Studio, der leise hereingeschlichen ist, sie umfaßt und neckend sagt: ,,Na, Schwesterle, kehre auf die Erde zurück, Du warst wohl eben im siebenten Himmel, und gib uns was zu essen, ich habe einen Mordshunger!" Damit-wirbelt er mit ihr im Kreise herum

zeigt ihm dieser ein offenes, frisches Gesicht mit großen Blauaugen und keckem Schnurrbärtchen. Grete hat inzwischen Teller, Messer, Gabeln und all die Kleinig Jetten, die zum Tischdecken gehören, auf das Tablett gesetzt und trägt es nun hinein, wird aber unterwegs beinahe umgerannt von Ernst, der in heller Verzweiflung der Schwester den Gehrock hin hält, auf dem sich ein paar Stearinflecke sehr behaglich zu fühlen scheinen. „Nun sag' mir 'mal, wie kommen denn diese verwünschten Flecke gerade

' auf meinen guten Rock — es ist aber auch zum todtärgern!" Grete ist aber überzeugt, daß Ernst es soweit doch nicht kommen läßt. Mit einem freundlichen „laß aus, ich bringe sie schon heraus," tritt sie ins Eßzimmer und sie beginnt schnell und geschickt den Tisch zu decken. Bald ist auch diese Arbeit gethan und die Familie läßt sich's schmecken. Wenigstens den männlichen Mitgliedern mundet es prächtig; die alte Dame leidet beständig an Magenverstimmung und Gretel? Nun, der ist heut' der Appetit vergangen

. Ihre Gedanken sind schon wieder auf der Wanderschaft. Ernst hat sich schon ein Weilchen auf dem Tische umgesehen. Da dies aber Niemand bemerkt, so sagt er plötzlich: „Und der Bruder blicket stumm, auf dem ganzen Tisch herum; Grete, guck doch kein Loch in Deinen Teller, erbarme Dich lieber meiner und schaffe mir das Salzfaß." Grete ist roth geworden und setzt mit einem Gemurmel, das wohl eine Entschuldigung bedeuten soll, das Gewünschte vor den Bruder hin. Das Manöver wiederholt sich, Grete weiß

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 14 von 16
Datum: 09.05.1903
Umfang: 16
Theodor war ein schmächtiger Jüngling* mit geistvollem, blassem Gesicht und klugen Augen. Er paßte sicher besser in die Gelehrten stube als in ein Komtoir oder eine Werkstelle. Was Ernst nicht von den Seinigen und alten Bekanntenerfuhr, das sah er bald selbst mit seinem klaren scharfen Blich Frau Althoff hatte jene zwanzigtausend Taler bar ersetzt, aber der durch Generationen hindurch erworbene bescheidene Wohlstand war vernichtet, das Haus mit Schulden überlastet worden. Mit Hilfe

herangebrochen, die neue Kräfte verlangt; ich verstehe sie nicht mehr." „Wahrlich eine neue Zeit," versetzte Ernst, der am Fenster stand. „Diese Straße könnte ebensogut auch Berlin, Wien oder Paris gehören! ... Unser Grundstück muß bedeutend an Wert gewonnen haben?" „Die Agenten und Bau meister liefen mir das Haus ein, ehe sie endlich einsahen, daß hier kein Geschäft zu machen sei", sagte die Frau mit einem höhnischen Lächeln. „Wir sitzen jetzt mitten drinn unter wahren Palästen." „Eine Nachbar schaft

, die mir nicht recht behagt!" „Ernst, Du denkst doch nicht daran, das Haus zu verkaufen?" rief die Meisterin entsetzt. „Du würdest einen ansehnlichen Preis bekommen, aber bedenke: ehe Dein Vater am letz ten Tage von mir fortging, sagte er, dies Haus sei sein Heiligtum, er würde seine Väter im Grabe und sich selbst schänden, wenn er es in andere Hände gäbe ... Habe ich Dich wirklich so lange da draußen in der großen Welt gelassen, daß Du sogar die Ehrfurcht vor dem verlorst, was den Althoffs bisher immer

das teuerste mar?" „Durchaus nicht, Mutter, aber ich sehe auch nicht ein, weshalb ich diese günstige Gelegenheit nicht benutzen soll. Es liegt klar auf der Hand und Du sagst es selbst, daß das Grundstück einen bedeutend höheren Wert als früher besitzt, aber wir ziehen keinen Nutzen davon. Wir müssen bauen!" „Wovon, von fremden Gelde?" „Nicht ganz," lachte Ernst, ein wenig belustigt über die bestürzte Miene der Mutter. Sie wußte aus eigener, bitterer Erfahrung, was es heißt, mit Schulden arbeiten. „Beruhige

Dich, Mutter, heute und morgen geht das Bauen noch nicht los. Erst muß ich wissen, wie sich das Geschäft macht und was ich dabei verdienen kann." Damit ging er in die Werkstätte, welche er durch einen Anbau von Fachwerk beträchtlich vergrößert hatte. Die „stylvollen" Zimmer einrichtungen gelangten damals zu allgemeinerer Verbreitung und Be liebtheit. Seit Jahren hatte Ernst dies vorhergesehen und nur in diesem Artikel gearbeitet. Er hatte Kenntnis, Geschmack und Geschick genug erworben, um das beste

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 10 von 16
Datum: 06.06.1909
Umfang: 16
oben und von unten, von hüben und drüben kannten, verabredet. Am frühen Morgen trafen sie vor dem Kurgarten zusammen. Dort fuhr die „Elektrische" nach Biebrich vorbei. Schon bei der ersten Begrüßung konnte ein aufmerk samer Beobachter feststellen, wie verschieden die Charaktere dieser Herren beschaffen waren. Ernst Krüger, der Chole riker, schimpfte aufgeregt über den bedeckten Himmel, die Unpünktlichkeit seiner Haushälterin, die ihm den Kaffee so pät gebracht, daß er sich beim Genuß

desselben die Zunge verbrannt hatte, und über seinen zu engen Kragen, der ihm das cholerische Blut zum Kopf hinauftrieb. Sein Bruder Adolf erklärte ihm mit ungetrübter Seelenruhe, daß er sich diesen letzten Uebelstand nur ein bilde. Der Kragen sei so weit, daß er ihn zur Not als Gürtel tragen könne. Das erboste Ernst noch mehr. „Du hast dich gut lustig machen. Bei dir zu Hause geht alles wie am Schnürchen, dafür hat Mieze schon ge sorgt," schrie er wütend. Adolf lachte seelenruhig. „Heirate doch auch." Ernst fuhr

sich das nicht," sagte Ernst und blickte mit Wohlgefallen in das schöne Gesicht der Großen. „Unsinn — die Goldbraune sieht von der Seite meiner Frau ähnlich; wenn ich sie ansehe, wird meine Sehnsucht nach Mieze nur intensiver." „Auch das ist verwerflich," entschied Sienang energisch. „Da du Strohwitwer bist, wird dich zu große Sehnsucht nach deiner Gattin nur in Betrübnis und Pein stürzen. Und wir haben Frau Mieze feierlich gelobt, dich vor jedem Ungemach zu schützen. Schau also gefälligst nach der andern Seite

." „Fällt mir nicht ein. Ich muß auf meinen Bruder acht geben. Dem hat es allem Anschein nach die schöne Brünette angetan. Und der enge Kragen sowie der heiße Kaffee könnten tragische Entschlüsse in ihm zur Reife bringen." „Du bist ein elender Heuchler, Dolf," sagte Ernst etwas verlegen, denn er hatte tatsächlich das schöne brünette Mädchen mit einiger Erregung betrachtet. In dieser Weise ulkten sich die Herren noch eine Weile an. Plötzlich erhob sich die Brünette und trat an die Brüstung, um aufmerksam

den Himmel zu beobachten. Ihre wundervolle Gestalt hob sich wie eine Silhouette von dem nebelgrauen Hintergrund ab. Ernst Krüger vermochte den bewundernden Blick nicht von ihr loszureißen. Jetzt kehrte sie an den Tisch zurück. Sie schien erbittert und ärgerlich zu sein über das ungünstige Wetter. Die Goldbraune legte begütigend ihre Hand auf den Arm der Schwester und sprach anscheinend tröstend auf sie ein. Es war eine wunderschön geformte weiße Mädchen hand mit rosigen schmalen Fingernägeln

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 10 von 16
Datum: 11.10.1908
Umfang: 16
WWW» i tt KitzbühelerBote" X. Jahrgang. — 322 — ka T< Q nichts in Ordnung sein, das Mädchen müßte sich ja tot arbeiten — eine allein! Es ist ganz lächerlich von Ernst, nicht mehr Leute halten zu wollen. Zu Hause schickte der Koch durch den Hausmeister den Küchenzettel herein, und Mama billigte oder änderte denselben; dann kann man tadeln, wenn etwas schlecht ist, aber kochen und auch noch reinmachen, das kann eben ein Mensch nicht alles leisten." „Aber, Ilse, ich sehe eure Minna meist

Schulter lehnend. „Ich habe solche Sehnsucht nach meinem guten Väterchen, der fand nie etwas an mir auszusetzen. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht so viele Vorwürfe zu hören bekommen, wie in diesen letzten zwei Jahren. Ich möchte fort — reisen, irgendwohin, ohne Zweck und Ziel die schöne Welt durchstreifen. Dann würde alles besser, dann würde Ernst mich vielleicht wieder lieb haben — aber er hat ja nie ordentlich lange Urlaub. Höchstens im Sommer einmal vier Wochen, und dann gehen

wir mit seiner Mutter und den beiden Schwestern in irgend ein langweiliges Bad oder gar zu ihnen selbst; dort findet Ernst es wunderschön, da geht alles nach der Uhr, wie am Schnürchen." „Liebst du deine Schwiegermutter und Schwägerinnen nicht?" fragte Herta, mit sanfter Hand das lockige Haar streichelnd. „Nein, gar nicht; sie sind alle ebenso streng und steif," wie mein Mann wollte Ilse sagen, aber sie verschluckte es und seufzte nur tief. „Ach, Jlschen, das ist ja alles nicht so schlimm. Hier ist es dunkel

An sichten in diesem Punkte und erschrak heftig. „Aber, Ilse, um Gottes willen, wieviel ist es denn?" „Fünfhundert Taler werden es wohl sein; aber der Schneider drängt mich nicht, ich brauche ihn noch lange nicht zu bezahlen." „Aber, bestes Kind, wie willst du das überhaupt jemals bezahlen, wenn du schon so nie auskommst ... du mußt es deinem Mann sagen." „Ernst soll ich es sagen? Nein, lieber stürbe ich! Wenn er jetzt schon immer schilt, was würde dann erst sein?" ..Ilse!" Herta sah prüfend

in das Gesicht der jungen Frau. „Du wirst dich doch nicht vor d inem Ma»n fürchten? Du sagst ihm-, du windest es nicht wieder so machen — gibst ihm einen Kuß, und ich bin überzeugt, du hörst kaum einen Vortvurf von ihm." „Nein, nein, das geht nickt!" Ilse war ganz blaß geworden. Nach einer kleinen Pause richtete sie sich auf und sah Herta triumphierend an. „Ich tverde selbst Geld verdienen, ich schreibe einen Roman; dafür bekommt man viel Geld, dann wird alles besser, ich brauche Ernst

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 18 von 20
Datum: 16.05.1903
Umfang: 20
unseres sauren Schweißes schwelgt der Elende, aber auch ihn und die Seinen wird das strafende Verhängnis erreichen. Meinen Fluch über jenes stolze Haus und über die, welche dazu gehören, schuldig oder un — " „Genug Mutter", fiel Ernst zürnend ein. „Ich habe Deinem Haß bisher nicht widersprochen, aber offenbare Ungerechtigkeiten kann ich nicht dulden." „Du bist verblendet, mein Sohn," rief die alte Frau fast schluchzend. „Das hübsche Gesicht, die feinen, einschmeichelnden Manieren verlocken

ich es für immer." Die alte Frau hatte diese letzten Worte in haßerfülltem lauterem Tone, mit erhobener Hand und flammenden Augen gesprochen. Jetzt wandte sie sich rasch um und verließ das Zimmer. Ernst blieb allein zurück, gedankenvoller als er je gewesen. Die Worte der Mutter hatten ihm wahrlich erst die Augen geöffnet über seinen eigenen Herzenszustand. Den ganzen Winter über war er täglich mit Gretchen Rodig zusammen getroffen. Wie innig hatte er sich gefreut, wenn ihre schlanke graziöse Gestalt

es sich über das sonst jo sonnige Gemüt Ernst Althoffs. VI. Kurze Zeit darauf vollendete Margarete Rodig ihr achtzehntes Lebensjahr und wurde damit, dem Testament ihres verstorbenen Va ters gemäß, mündig. Der größte Teil ihres Vermögens war freilich im Geschäft angelegt, trotzdem schien es Herr Rodig nicht gern zu sehen, daß sie jetzt darüber freie Verfügung.erhielt. Margarete war ein echtes Kaufmannskind, das -gut zu rechnen verstand, und schien nicht gewillt, den Onkel wie bisher eigenmächtig mit ihrem Eigentum schalten

und walten zu lasten. Margarete zählte die ganze junge Männer welt von *** zu ihren Verehrern. Ihre rosige Schönheit, ihr Liebreiz mußte jeden bezaubern, und daß sie die reichste Erbin der Stadt war, hatte natürlich nur zur Folge, daß jene es mit ihren .Huldigungen sehr ernst meinten. Es ist ja ein so bequemes Mittel, sich durch eine reiche Heirat von allen finanziellen Sorgen frei zu machen, an denen die vornehmen Lebemänner meist leiden. An diesem Tage regnete es förmlich Blumen in das Rodig'sche Haus

solche, die wahrlich keine Hoff nung hatten, waren vertreten, nur einer nicht und gerade der, desten Glückwunsch sie am meisten gefreut hätte, weil sie wußte, daß derselbe aus einem aufrichtigen Freundesherzen kam. Ernst wußte doch, daß heut ihr Geburtstag war, und hätte er es nicht ge wußt, so würde er es an den Blumen haben sehen müsten, die man ihr ins Haus trug. Fast vierzehn Tage hatte er sie völlig vernachlässigt, sie nicht mehr auf der Promenade getroffen, wie es früher eine stillschweigende Ver abredung

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Tiroler Land-Zeitung
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Seite 15 von 16
Datum: 25.04.1903
Umfang: 16
Köpfchen auf, da warf Ernst Althoff seine Jacke und seine Schuhe ab und sprang in den Strom, der gerade an dieser Stelle besonders tief und reißend war. Ein besonders geschickter Schwimmer war er noch keineswegs, aber was ihm darin fehlte,'ersetzte die Angst um die kleine Von der Albulabahn: Der Gletscher-Tunnel oberhalb Bergün. Freundin. Er umfaßte sie mit der einen Hand und ruderte mit der andern dem Ufer zu. Sie suchte sich in der Todesangst um seinen Hals zu klammern und hätte ihn dadurch

zu bringen. Als Ernst sah, daß seine kleine Freundin gut versorgt war, eilte auch er mit seinem Bruder heim, das unglückselige Was serrad im Stich lassend. Etwas bangend erzählte er derMut- ter, was geschehen war. In ihren Augen leuchtete ei ne stolze Freude über den Mut des Sohnes auf, doch verbarg sie dieselbe und sagte nur sehr- ernst: „Du siehst doch wohl ein, mein Junge. daß Du selbst einen großen Teil der Schuld an dem Unglück trägst. Danke Gott, daß es diesmal noch so gut abgclaufen ist, und gehe

ein anderes Mal nicht mit kleinen Kindern an's Wasser. Ich mag Dich nicht schelten, aber der Vater wird wohl arg bös werden. Und nun leg' Dich zu Bett, damit Dir das plötzlich kalte Bad nicht schadet." Sie kochte ihm selbst Thee und während sie ihm den heißen Trank gab, streichelte sie stolz und liebevoll sein feuchtes, blondes Haar. Gewiß liebte sie Theodor, wie es einer rechten Mutter geziemt, aber Ernst war doch ihr Erstgeborener, das Abbild des geliebten Mannes. Dann setzte sie sich wieder vor die Haustür

, aber sie hörte ihn nicht mehr. Wie ein gehetztes Wild flog sie den Weg hinab auf den Menschenhaufen hinzu, der ernst mtb flüsternd einen im langsamen Schritt fahrenden Wagen begleitete. Man machte ihr Platz, der Wagen hielt; sie sprang hinauf und umarmte den blassen Mann, der bewegungslos in einer Ecke lehnte. Er regte sich nicht. Der alte Von der Albulabahn: Preda. Doktor, der neben ihm saß, flüsterte ihr einige Worte zu. sich ihm gegenüber und faßte die starren, kalten Hände. Sie setzte So kamen

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 14 von 16
Datum: 31.12.1905
Umfang: 16
. Man hatte auf den Flur des Herrenhauses, »vo an diesem Tage Gäste erwartet wurden, wie zufällig einen Besen über den Weg gelegt. Bon den eingeladenen jungen Damen hatten vier einen großen Schritt über den Besen hinweg gemacht — erst die fünfte hatte sich instinktiv gebückt, um den Besen aufzuheben und beiseite zu stellen. Und diese war natürlich geheiratet worden. „Nimm die, welche den Besen aufhebt", sagte sich Ernst nachdenklich, während er im Saale umherschritt und die auffordernden und lächelnden Blicke

mit dem schönen Leutnant von Weder zu flüstern gehabt? Ich sah es ganz deutlich, daß Sie zusammen tuschelten." „Ich? O, mein Himmel! Ich habe ihm etwas bestellt! Er — er führt nachher den Cotillon an." „So! Und Sie sagten ihm etwas von dem Cotillon? Man soll zum Jahresschlüsse nicht lügen, Fräulein Maria!" Sie lächelte ein wenig, so daß man ihre Grübchen sah. Ernst fand, ein Gesicht mit Grübchen sei lieblicher als eins ohne — selbst wenn es sonst ganz schlicht und still war. „Ich lüge auch sonst nie, Herr

? Sie nahm das unerwartete Glück hin wie eine Silvestergabe, froh, dankbar, ohne zu fragen, wie es gekommen sei. Uitd sie tanzte alle die Walzer mit Ernst, um die er gebeten — es hatte sie eine Feststimmung erfaßt, die sie reizend machte, viel reizender, als sie je vorher gewesen. Ernst ließ sie plaudern von ihren Eltern, den kleinen Geschwistern, der arbeitsfreudigen Luft, in der sie aus gewachsen — und endlich sagte er ihr, daß er schon vor vielen Monaden der Regier«ngsrätin anvertraut

, daß er sie, Maria, hoch verehre und — und . . ." Maria war schneeweiß im Gesicht geworden. Sie blickte mit flehenden Augen zu ihm auf. O, warum scherzte er so mit ihr! Er konnte es doch nicht ernst meinen! Plötzlich sah sie erschrocken nach der Uhr. Es war elf vorbei, und sie hatte vergessen, den Wintergarten zu bewachen! Rasch machte sie sich von ihrem Tänzer los und eilte nach der Tür des Pa menhauses — da saß schon Komtesse Mizzi und hielt Wache. Aber ihre Augen glitzerten vor Bosheit, als sie zu dem Maria

folgenden Assessor sagte: „Hier darf niemand hinein, Herr Stirner! Hier nimmt meine Melanie rührenden Abschied von jemand." * „Aber Komtesse!" stieß Maria vorwurfsvoll heraus. „Nun, das geht uns doch nichts an," sagte Ernst gleichmütig. „Aber es ist schade, daß wir nicht hinein können — dauert der Ab chied noch lange?" Melanie mußte seine Stimme drinnen gehört haben, denn sie kam mit einem strahlenden Lächeln und allein heraus. Der Garten hatte zwei Ausgänge. „Da sind Sie ja endlich, lieber Freund

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Tiroler Post
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Seite 10 von 12
Datum: 09.05.1903
Umfang: 12
war ein schmächtiger Jüngling mit geistvollem, blassem Gesicht und klugen Augen. Er patzte sicher besser in die Gelehrten stube als in ein Komtoir oder eine Werkstelle. Was Ernst nicht von den Seinigen und alten Bekannten erfuhr, das sah er bald selbst mit seinem klaren scharfen Blick. Frau Althoff hatte jene zwanzigtausend Taler bar ersetzt, aber der durch Generationen hindurch erworbene bescheidene Wohlstand war vernichtet, das Haus mit Schulden überlastet worden. Mit Hilfe eines erprobten älteren Gesellen

verlangt; ich verstehe sie nicht mehr." „Wahrlich eine neue Zeit," versetzte Ernst, der am Fenster stand. „Diese Straße könnte ebensogut auch Berlin, Wien oder Paris gehören! ... Unser Grundstück mutz bedeutend an Wert gewonnen haben?" „Die Agenten und Bau meister liefen mir das Haus ein, ehe sie endlich einsahen, daß hier kein Geschäft zu machen sei", sagte die Frau mit einem höhnischen Lächeln. „Wir sitzen jetzt mitten drinn unter wahren Palästen." „Eine Nachbar schaft, die mir nicht recht behagt

!" „Ernst, Du denkst doch nicht daran, das Haus zu verkaufen?" rief die Meisterin entsetzt. „Du würdest einen ansehnlichen ßlPreis bekommen, aber bedenke: ehe Dein Vater am letz ten Tage von mir fortging, sagte er, dies Haus sei sein Heiligtum, l er würde seine Väter im Grabe und sich selbst schänden, wenn er es in andere Hände gäbe . . . Habe ich Dich wirklich so lange da draußen in der großen Welt gelassen, daß Du sogar die Ehrfurcht vor dem verlorst, was den Althoffs bisher immer das teuerste

war?" „Durchaus nicht, Mutter, aber ich sehe auch nicht ein, weshalb ich diese günstige Gelegenheit nicht benutzen soll. Es liegt klar auf der Hand und Du sagst es selbst, daß das Grundstück einen bedeutend höheren Wert als früher besitzt, aber wir ziehen keinen Nutzen davon. Wir müssen bauen!" „Wovon, von fremden Gelde?" „Nicht ganz," lachte Ernst, ein wenig belustigt über die bestürzte Miene der Mutter. Sie wußte aus eigener, bitterer Erfahrung, was es heißt, mit Schulden arbeiten. „Beruhige Dich, Mutter

, heute und morgen geht das Bauen noch nicht los. Erst muß ich wissen, wie sich das Geschäft macht und was ich dabei verdienen kann." Damit ging er in die Werkstätte, welche er durch einen Anbau von Fachwerk beträchtlich vergrößert hatte. Die „stylvollen" Zimmer einrichtungen gelangten damals zu allgemeinerer Verbreitung und Be liebtheit. Seit Jahren hatte Ernst dies vorhergesehen und nur in diesem Artikel gearbeitet. Er hatte Kenntnis, Geschmack und Geschick genug erworben, um das beste leisten

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Seite 15 von 16
Datum: 23.08.1903
Umfang: 16
Allerlei. Zu unseren Bildern. Aas goldene Negiernngsjnöittnm des Kerzogs von AttenVurg. Große Festlichkeiten fanden in der ersten Augustwoche in Alten burg, der Haupt- und Residenzstadt des Herzogthums Sachsen- Altenburg, statt. Galt es doch am 3. August die Wiederkehr jenes Tages zu f iern, an dem Herzog Ernst vor 50 Jahren die Regierung über das Herzogthum Altenburg angetreten hat. Bei der großen Liebe und hohen Verehrung, welche sich der Herzog nicht bloß bei seinem Volke, sondern auch weit

über seines Landes Grenzen hinaus erfreut, war die Betheiligung an diesen Festlich keiten eine ganz ungeheure und von allen Seiten her waren un gezählte Menschenmengen herbeigeeilt, um Zeugen dieser Festlich keit n zu sein. Bekanntlich ist Herzog Ernst am 16. September 1826 u Hildburghausen als Sohn des Prinzen Georg von Hildburg- ausen und seiner Gemahlin der Prinzessin von Mecklenburg- Schwerin geboren. Da mit dem Herzog Friedrich IV. am 11. Februar 1825 der Mannesstamm der Linie Sachsen-Gotha-Altenburg

er loschen und eine Theilung des Erbes unter den gleichberechtigten fürstlichen Agnaten nöthig geworden war, so verlegte der dreiund- sechzigjährige Herzog Friedrich, dem als Erbe das neu geschaffene Herzogthum Altenburg zufiel, seine Residenz von Hildburghausen nach Altenburg. Das Jahr 1848 brachte in dem Leben des Prinzen Ernst eine unerwartete Wendung, indem der Herzog Josef am 30. November die Regierung in die Hände seines Bruders legte. Damit wurde Prinz Ernst Erbprinz von Altenburg.' Am 12. Oktober

1852 verlobte er sich mit der ältesten Tochter des Herzogs Leopold von Anhalt-Dessau, der Prinzessin Agnes, und am 28. April 1853 folgte die Vermählung. Bald darauf mußte bei dem üblen Gesund heitszustände des Herzogs Georg der Erbprinz die Leitung der Regierungsgeschäste übernehmen, und am 3. August 1853 folgte er seinem Vater auf dem Throne. Wenn es auch Herzog Ernst nicht vergönnt gewesen ist, bestimmend in die Geschicke des deutschen Volkes einzugreifen so hat er sich doch, als entschlossener

Vor kämpfer der deutschen Einheit und durch die Treue, mit der er an dm Errungenschaften des großen Krieges festhält, nicht minder große Verdienste erworben. Ein direkter Thronerbe ist Herzog Ernst versagt geblieben, Thronfolger ist daher gegenwärtig sein Bruder Moritz. Die einzige Tochter des Herzogs, Prinzessin Marie (geb. 2. August 1854 — gest. 8. Oktober 1898) war mit dem Prinzen Albrecht von Preußen vermählt gewesen. Herzog Ernst ist ein eifriger Förderer von Kunst und Wissenschaft, der stets

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