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Schlern
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Seite 24 von 50
Datum: 01.06.1923
Umfang: 50
frühen Egger-Lienz von seinem Vorgänger unterschied und ihm die Neubelebung des damals so abgegriffenen Themas ermöglichte. Aber noch viel wichtiger war die psychische Vertiefung und gerade sie hat durch ihre rücksichtslose Leidenschaft das Publikum am meisten kopfscheu gemacht. Ein Bild etwa wie „das Kreuz" (S. 167) hat weit weniger durch seine stilistischen Neuerungen als durch die unheimliche Glut, durch den flackernden Fanatismus des psychischen Geschehens Bedenken erregt und genau

so verhielt es sich mit dem „Totentanz Anno 1809" (S. 198) und noch mit dem „Haspinger", wo der Impressionismus bereits überwunden war und ein neuer Stil dem Beschauer Schwierigkeiten machte, aber trotzdem das Haupthindernis für die all gemeine Zustimmung im Ausdruck, im Geistigen, in der Auffassung des Künstlers lag. Man sieht aus diesen Tatsachen, daß Egger-Lienz schon vom Anfänge an und selbst in seiner impressionistischen Zeit nicht nur mit formalen sondern zugleich auch mit geistigen Problemen rang

nicht als geschichtliche Erscheinung und im Kriege, sondern in Alltag und Gegenwart, bei seinen gewöhnlichen Beschäftigungen, beim Mähen, Säen, Essen, Beten darstellen. Verrät aber schon in diesen Gestalten der tiefe Ernst und die fast ehrfurchtsvlle Feierlichkeit, daß es dem Maler nicht um einfache Genrebilder ging, so ließ 1912 „Das Leben" (S. 177) keinen Zweifel mehr übrig, daß Egger im Bauern nur den Repräsentanten des Menschen überhaupt sah. Wohl suchte er sich vorübergehend (z. B. in der „Schöpfung

") von aller lokalen und bäuerlichen Bedingtheit seiner Figuren ganz frei zumachen, und unter dem erschütternden Eindruck des Weltkrieges und seines tragischen Endes entstanden drei große Kriegsbilder (1915—1918), die ebenfalls über die bäuer lichen und spezifisch tirolischen Darstellungsformen hinausgehen. In den letzten Jahren aber ist Egger wieder dazu zurückgekehrt, und zwar sowohl in mehrfachen Wieder holungen älterer Kompositionen, die freilich nicht bloße Wiederholungen, sondern Um gestaltungen mit Hilfe

seiner heutigen Ausdrucksmittel sind, als auch in ganz neuen Bildern („Kriegsfrauen" >S. 187], „Familie" ]6. 188], „Tischgebet" ]K.-Beil. Rr. 5], „Auferstehung") und noch deutlicher zeigt sich hier, daß Egger-Lienz mit dem Bauern nur den Menschen meint und im Bauernleben nur eine besonders einfache, große, natur- wahre Form des Lebens an sich sieht, und wie in den Bildern vom Jahre Neun verrät die Stoffwahl auch hier den ethischen Ernst seiner Weltanschauung. Alles Leichtfertige, Ungesunde, Erotische fehlt

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Schlern
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Seite 42 von 50
Datum: 01.06.1923
Umfang: 50
Das Mittagmahl (1910). daß Defreggers Gemälde vom ersten Augenblicke volkstümlich waren. Auch ist es nicht Defreggers Schuld, wenn durch die vielen Nachahmer seiner Art das Tiroler Genre bild unecht geworden ist; er war mit dem Herzen bei seinen Menschen, bei anderen wurde es Theaterspiel für fremde Zuschauer. An Defregger schloß sich Egger-Lienz an. Wer empfindet bei dieser Anreihung aber nicht den gewaltigen Gegensatz? Das Trennende ist stärker als das Verbindende. Wer seinen Geschmack

auf den einen der beiden Künstler eingestellt hat, der lehnt den anderen gewöhnlich ab, hie Defregger, hie Egger. Man mißt allzugerne den einen am andern, wo doch in keinem ein Maßstab für den andern liegt. Damit wird man weder Defregger noch Egger gerecht, wie es auch unrichtig wäre, die Formensprache Raffaels an jener Grecos zu messen oder umgekehrt. Defregger und Egger stehen äußerlich in naher Verbindung. Ihre Wiegen standen in demselben Gerichtsbezirke, ihre Wege führteit nach München, wo Egger in dem bereits

lange berühmt gewordenen älteren Landsmann einen wohlwollenden Freund und Förderer fand. Auch Egger griff bald auf das historische Bauernbild aus .dem Jahre 1809 und mit dem „Ave Maria" nach der Schlacht am Berg Isel errang er seinen ersten großen Erfolg. Das Riesengemälde, das sich heute im Museum Ferdinan deum befindet, und „Das Kreuz" im Landhause in Innsbruck gehören zu den bedeutendsten Frühbildern Eggers. Sie bilden zugleich schon Marksteine seines Weges, wo er sich von Defregger abzweigt

, um konsequent seine eigene Richtung zu verfolgen. Defregger hat aus der Tiroler Geschichte meist bestimmt umrissene Begebenheiten gewählt und das Leben der Helden illustriert. Egger ist von allem Anfänge an weniger an die Persönlichkeiten und Tatsachen gebunden. Das Gebet nach der Schlacht am Berg Isel

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Schlern
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Seite 46 von 50
Datum: 01.06.1923
Umfang: 50
wendige, auf das Schicksal eingestellt. Defregger malte niemals den Bauern bei der Arbeit, Egger malt ihn niemals bei der Unterhaltung. Seine Welt ist ernster. Wenn er diese Bauern im „Totentanz" in den Krieg ziehen läßt, dann vertreten die Bier alle, die Defregger im letzten Aufgebot ausschickt, und werden vier Temperamente, vier Schicksale für alle, ob sie damals oder später den letzten Gang machten. Und wenn er diese Bauern arbeiten läßt (Bergmäher, Säemann), dann werden sie zum Symbol

. Wenn der alte Bauer vom Freien in seine dunkle Stube tretend zum Weihbrunn langt, so ist in dieser einfachen Handlung mit einem Schlage auch der tiefste und letzte Sinn eines heiligen Gebrauches ganz bedeutungsvoll erschlossen. So wird der Bauer bei Egger zum Vertreter der Menschheit. Ewige Wahrheiten verkörpern sich in ihm; du sollst arbeiten, im Schweiße deines Angesichtes dein Brot essen. Die Parabel vom Säemann und Teufel, der Unkraut unter den Weizen sät, der Mensch, der von der Erde genommen

ist und wieder zu ihr zurückkehrt, spiegeln sich in urmenschlichen Gestalten. Als Egger mit solchen Symbolen die tiefsten Gesetze der Menschheit riesengroß in den Horizont, in dem sich Erde und Himmel berühren, einzeichnete, da vollzog sich in seinem Bauernbilde die letzte Wandlung: die Schranke zwischen irdischer und über irdischer Welt fällt, beide fluten in einander Uber und sein Bild wird visionär und mystisch. Der religiöse Einschlag war bei Egger immer bedeutungsvoll. Seine Menschen sind aus der Erde geschaffen

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Seite 13 von 50
Datum: 01.06.1923
Umfang: 50
hingegen, dem sein Gefiihlsreichtum sich in Bauerngestalten ergoß, sucht auf jede Weise das Starke und Urwüchsige, die lapidare Wucht des Körperlichen; dazu verhilft wohl auch ein mächtiger Kontur; noch mehr aber muß es die gesteigerte Kraft des Plastischen machen. Die Farbe kann ihr gegenüber zurückstehen: Egger gleicht alles auf jene herbe koloristische Einheitsrechnung von Rotbraun, Rot, Gelb und Weiß aus, um durch den verführerischen Reiz der Farbe nicht von der strengeren Wirkung der Form

jener des italienischen Quattrocento, immer weiter von der Natur entfernt, seine Gestalten aus einem selbst- geschaffenen Typus heraus gebildet, der vielleicht persönlicher wirkt als jener Eggers, aber nicht frei ist von einer gesuchten Geziertheit, einer kapriziösen Manier. Egger hingegen hat auch seine spätesten Stilbilder immer von neuem auf Modellstudien ge gründet. Ihnen verdankt er es, daß in der Typisierung die starke Unmittelbarkeit des Individuellen nie ganz verloren geht, daß seine Gestalten trotz

aller Steigerung und Verallgemeinerung etwas besonders Naturwahres bewahren. Die Wirklichkeit ist ge steigert, alles Nichtssagende und Matte entfernt, nur in ihren bedeutenden Zügen wird sie festgehalten: aber es tritt nichts Fremdartiges und Gekünsteltes hinzu, das die Illusion, doch noch Natur vor uns zu haben, völlig zu zerreißen geeignet wäre. Vielleicht ist nun dieses andere Verhältnis zur Natur, dieser stärkere Zusammen hang mit ihr wirksam, wenn Egger-Lienz, auf der Höhe abstrakter Gestaltungsweise

Hauptbildern, in denen Egger-Lienz seine Bekenntnisse zum großen Krieg niederschrieb, den „Namenlosen 1914" (1915), der „Missa eroica" (1917) und dem „Finale" (1918) scheint zunächst die Linie des „Herbst" weiterzugehen. Gerade in der Darstellung des Krieges ist ein platter Naturalismus am schwersten erträglich. Ein feineres Empfinden verlangt, daß sich das Grauenhafte und Trostlose im Gleichnis einer höheren Bildform auflöse. Der Ansturm einer Kriegerschar mußte, statt in seinem Getümmel

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Schlern
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Seite 26 von 50
Datum: 01.06.1923
Umfang: 50
Stube steht, geradeso als ob es selbst zur Familie gehörte (S. 177), deutet auf die feste Achse, auf den ragenden Stützpfeiler wie der Familie so des ganzen Erdendaseins. Schon die früheren Bilder unseres Meisters verraten die bei einem modernen Menschen sicherlich überraschende Vorliebe für die religiöse Gedankenwelt. Das kleine Mädchen im Wiener Hofmuseum, dessen frische und farbige Anmut den späteren Egger-Lienz nicht ahnen läßt, starrt gebannt in den mystischen Farbenglanz der Heilig

Geberde nach dem Weihwasser tappt (S. 193), und ganz besonders der schlichte, aber grandiose Ernst des Tischgebetes mit dem tiefandüchtigen Ausdruck des Mannes (K.-Beil. Nr. 5 u. S. 203). Egger-Lienz, der in unerbittlicher Konsequenz und mit steigender Leidenschaft lichkeit nicht nur die äußere Erscheinungswelt ihrer zufälligen Einzelart zu entkleiden und auf die großen, letzten Monumenlalformen zu reduzieren, sondern in gleichem Atemzug auch das ganze Menschendasein in seinen Urkräften und Urgesetzen

be drückt; mitten drin aber liegt, man weiß nicht recht, woher es kam und was es hier soll, ein riesiges Kruzifix, auf das durch das seitliche Fenster eine weitere Frau herein blickt. Oder in einer anderen Stube ist die Familie versammelt, drei Generationen, die Kinder, die Eltern, die Großeltern, das ansteigende, das vollkräftige, das ver fallende Leben, und mitten unter ihnen steht das Kreuz (S. 177). Und das Bild endlich, an dem Egger-Lienz gegenwärtig malt, heißt Auferstehung. Wieder sitzen

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Seite 20 von 50
Datum: 01.06.1923
Umfang: 50
Die sittliche und religiöse Ideenwelt bei Egger-Lienz. Von Dr. Josef Weingartner. gger-Lienz ist ein Künstler, der es seit vollen zwanzig Jahren selbst seinen Freunden und Anhängern schwer macht, seinem rücksichtslosen Weg unentwegt zu folgen. Jedes neue Bild rüttelt den Beschauer aus seiner sicheren Ruhe, aus deich genügsamen Beharren in geläufig gewordenen Bahnen und fordert von ihm ein ernstes Ringen um neue Werte, neue Möglichkeiten, neue Anschauungsformen. Und „kaum ist die Gewöhnung

auf einem durch aus konsequenten Wege sei, doch mir schien es auch für diesen Weg irgendeine Grenze zu geben, die man nicht ungestraft überschreiten dürfe. In dem Augenblicke aber, wo ich das schreibe, liegt eine Reproduktion des Bildes vor mir und ich kann vor seiner selbstverständlichen Klarheit und vor seiner eindringlichen Wucht mein damaliges Gefühl kaum noch verstehen. Vergegenwärtige ich mir aber die „Auferstehung", an der Egger-Lienz jetzt malt und die ich vor etlichen Wochen in seinem Atelier sah, so muß

ich eingestehen, daß es mir heute dieser neuen Stufe gegenüber nicht viel anders ergeht. Dian wird es also gewiß niemand verargen können, wenn er Egger-Lienz miß trauisch oder kühl gegenübersteht. Seine dem großen Stil zuliebe immer weitergehende und immer schroffer werdende Abstraktion und die herbe Art seiner Gedankenwelt legen der Einfühlung allzugroße Hindernisse in den Weg. In einem Punkte aber halte ich auch mit seinen skeptischen Beurteiler« eine Verständigung für möglich, darin nämlich daß seine Kunst

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