. Der Thronwechsel in England. Innsbruck, 25. Januar Die greise Königin Victoria hat der Zeitlichkeit ihren Tribut gezahlt und Albert Eduard ist ihr als „Körrig des Vereinigten Königreiches Großbritan nien und Irland und seiner Colonien und Zube höre in Europa, Asien, Afrika, Amerika und Au stralien, Kaiser von Indien, Vertheidiger des Glaubens" — so lautet der osficielle Titel der englischen Herrscher — gefolgt. Es ist natürlich, daß sich die Blicke aller auf die Person des neuen Königs richten, denn wettn
aufzulösen. Ist Albert Eduard eine so ausgeprägte und kraftvolle Natur, daß er den Versuch machen könnte, über das Maß der ihm verfassungsmäßig zustehenden Rechte hinaus auf die englische Politik Einfluß zu gewinnen? Nach allem, was über den neuen König von England bekannt geworden ist, kann diese Frage rundweg und entschieden ver neint werden. Albert Eduard ist nahezu 60 Jahre alt geworden, ohne sich als eine Individualität zu entwickeln; es ist also schwerlich Aussicht vorhan
den, daß dies noch in der Folgezeit geschehen wird. Albert Eduard hat als Thronfolger seinen Stolz darin gesehen, tonangebend für die Mode und Sieger auf den Rennplätzen zu sein. Nun pfle gen sich freilich die Könige anders als die Thron folger zu entwickeln, aber es kann jedenfalls als ausgeschlossen gelten, daß der neue König von England, auch wenn er sein Interesse mehr als bisher der Politik zuwenden sollte, den Versuch machen wird, auf diesem Gebiete eine Rolle zu spielen. Daß der bisherige Faden der englischen Politik
chen Maßnahmen auch nicht der geringste Grund vorhanden. Der entscheidende Punkt, um ben sich die englische Politik zur Zeit dreht und noch län gere Zeit drehen wird, ist die südafrikanische Frage. Das jetzige conservative englische Cabinet, das ja die südafrikanische Politik auf demGewissen hat, steht auf dem Standpunkt, daß diese Politik mit allen Mitteln zu dem Endziel, der Unterwer fung von ganz Südafrika unter die englische Herr schaft, durchgeführt werden muß. Wenn Albert Eduard
auf dem entgegengesetzten Standpunkt ge standen hätte, so hätte er den Versuch machen kön nen, von der Meinung des Cabinets und des Par lamentes an das Volk zu appelliren, ein Versuch, der freilich möglicher Weise zu Ungunsten des Kö nigs hätte ausfallen können. Aber von einem sol chen Versuch kann gar nicht die Rede sein, da Al bert Eduard in Bezug auf die südafrikanische Frage durchaus auf Chamberlam'schem Stand punkte steht. Wenn also der neue König von England über haupt einen Einfluß nach dieser Richtung Hin gel