7.684 Ergebnisse
Sortieren nach:
Relevanz
Relevanz
Erscheinungsjahr aufsteigend
Erscheinungsjahr absteigend
Titel A - Z
Titel Z - A
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/14_12_1935/NEUEZ_1935_12_14_3_object_8173706.png
Seite 3 von 6
Datum: 14.12.1935
Umfang: 6
(Nachdruck verboten.) 3 Me vererbte Braut. Roman von Anny von Panhuys. Urheberrechtsschutz: Auswärts-Verlag, G. m. b. H., Berlin. „Ich danke Ihnen. Niemals hätte ich den Mut gehabt, mich mit dem Schauspiel an die Oeffentlichkeit zu wagen, und ich will und muß doch wissen, ob es gelten darf." Er legte einen geschlossenen Umschlag auf den Schreibtisch. „Die erste Monats rate, bitte!" Er reichte Alfred Heldberg die Hand. „Dank für die Erfüllung meines Wunsches. Fortan werden Sie regel mäßig

auf irgendeine Weise das Geld zugestellt erhalten; wir beide brauchen sonst nichts zu verabreden. Ich werde mich eines Tages wieder bei Ihnen sehen lassen, wenn ich das für nötig halten sollte. Aber vielleicht sehen wir uns auch nie wieder." Alfred Heldberg mahnte hastig: „Sie wollten mir doch heute Ihren Namen nennen?" „Ich habe mir das überlegt und glaube, es ist eigentlich gar nicht notwendig. Es würde Sie in Ihren Handlungen wohl nur beirren. Ich möchte für Sie deshalb ein Fremder bleiben

, der verschwindet wie ein Spuk, der untertaucht — die Welt ist groß. Was liegt an mir?! Die Zeitungen werden es mir schon erzählen, falls der Ruhkn kommen sollte, und lassen wir es dabei: Ich werde mich eines Tages wieder sehen lassen, wenn ich es für nötig halten sollte." Schon war er an der Tür, schon öffnete er sie, schon hatte er das Zimmer verlassen wie bei seinem ersten Besuch. Als ihm Alfred Heldberg nacheilte, hörte er seinen hastigen Schritt schon weit unten auf der Treppe. Frau Heldberg öffnete

haben, das arme Ding." Ein Narr, ein Kranker oder ein großer Sonderling? Dar über dachte Alfred Heldberg oft nach. Dachte darüber nach, wenn er monatlich von einer Bank fünfhundert Mark erhielt, ohne daß der Name des Fremden dabei genannt wurde, dachte darüber nach, als das Schauspiel nach einigen Monaten von einer erstklassigen Bühne Berlins angenommen wurde, und dachte auch darüber nach, als die Erstaufftihrung ein riesiger, unbestrittener Erfolg wurde, der seinen Namen über Nacht in Glanz und Helle riß

, ihn zum gefeierten Dichter machte. Und er grübelte noch immer darüber nach: Ob der Un bekannte ein Narr, ein Kranker oder nur ein Sonderling ge wesen, als ihm die Aufführungen schon reiche Tantiemen ins Haus brachten. Alfred Heldberg bezog jetzt in dem Berliner Vorort eine wundervolle Villa, die in einem parkähnlichen Garten lag, und schrieb einen neuen Heimatroman. Die Verleger interessierten sich nach seinem großen Bühnenerfolg plötzlich auch für seine Novellen und Romane. Man bewunderte oft, wie er die Kunst

1
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/17_12_1935/NEUEZ_1935_12_17_3_object_8173712.png
Seite 3 von 6
Datum: 17.12.1935
Umfang: 6
sucht haben, nach allem hier und nach dir, Onkel!" Cr verbesserte sie lächelnd: ..Onkel? Ist der Name Alfred so schwer?" Sie errötete. »Ich muß mich erst daran gewöhnen." Er lachte und befahl: "Jetzt sagst du, damit du es behältst, sechsmal hintereinander weinen Namen." Da lachte sie auch und zählte betont sechsmal seinen Namen auf. Er küßte sie dafür wie ein ganz Junger, der seine erste Liebe erlebt. Sie dachte mit leichtem Frösteln: Eigentlich wäre es viel schöner, wenn sie das Immerbeisammensein

mit dem von ihr so verehrten Manne nicht mit Küssen bezahlen brauchte! Gleich nach dem Frühstück schrieb Alfred Heldberg an Berna Sickhardt, und drei Tage danach empfing er ihre Antwort. Sie schrieb in ihrer etwas kurzen, derben Weife: Mein lieber Alfred! Daß Du ein großer Schauspieldichter bist, haben Beru fenere als ich längst anerkannt, daß Du nun aber ein wirk liches Schauspiel in Szene setzen willst, gefällt mir nicht. Der Altersunterschied zwischen Deinem Mündel und Dir ist sehr groß, nach meiner Ansicht sogar

". Von mir wird sie kein aufsässiges Wort hören. — Kannst sie mir ruhig anvertrauen; ich freue mich sehr, für kurze Zeit ein junges Weibgeschöpf bemuttern zu dürfen. Was ich vorhin äußerte, war meine persönliche Meinung, die ich Dir für alle Fälle nicht vorenthalten wollte. Meine Meinung braucht ja nicht zu stimmen! Es grüßt Dich und Maria herzlich Deine Bernhardine, genannt Bema Sickhardt. Mit sehr gemischten Gefühlen las Alfred Heldberg den Brief, und eine Stelle fraß sich förmlich in sein Hirn ein, tat ihm weh wie eine Wunde

, schien unterwegs überhaupt nicht mehr daran zu denken, wie schwer ihr der Abschied von daheim geworden. Viel frischer und lebendiger war sie jetzt. Alfred Heldberg freute sich, well es war, als ob das reizende Mädchen während der Fahrt noch schöner aufblühte. Und heimlich sann er, ob das vielleicht die Liebe machte. Frau Sickhardt war die Witwe eines LandesgerichtZrates. Sie war durch ein Telegramm vorbereitet und holte beide vom Bahnhof ab. Sie war schlank und mittelgroß, ihr hell braunes Haar

schimmerte nur über der Stim ein wenig silbern, und ihre klugen braunen Augen hatten sich Jugend- glanz bewahrt. Sie umarmte Maria. „Wir kennen uns eigentlich nur recht flüchtig, wollen aber jetzt gute Freundschaft schließen!" Ein Kuß auf die Wange bekräftigte die letzten Worte, und danach reichte sie dem Vetter die Hand. Drei Tage blieb Alfred Heldberg in dem alten Hause am Main, dann mußte er Heimreisen. Er wollte einen Roman vollenden und zugleich alles vorbereiten für Maria, wenn sie dicht

2
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/29_12_1935/NEUEZ_1935_12_29_7_object_8174605.png
Seite 7 von 10
Datum: 29.12.1935
Umfang: 10
- einer, der nun wohl schlecht von ihr dachte, sehr schlecht, und doch noch lange nicht schlecht genug. Denn als sie sich von ihm küssen ließ, war sie ja schon Alfred Heldbergs Braut gewesen. Aber sie mußte immer wieder an all das denken, wovor Ho sich fürchtete, und sie dachte auch daran, wenn Alfred ihre Hände küßte und ihr immer wieder versicherte, wie närrisch glücklich er wäre. Nur wenige Freunde Heldbergs und eine Freundin Marias waren zur Hochzeit eingeladen. Eines Abends aber geschah es, daß Maria

sich zu leidlich ruhiger Antwort. „Ich sehe das ja ein, Tante Berna! Aber vorhin war das Erinnern überstark, und mir war es, als ob eine Stimme zu mir sagte: Es ist ganz abscheulich und falsch von dir, mit einer so großen Lüge in die Ehe zu gehen!" Ihre Stimme bebte. „Es ist und bleibt doch eine große Lüge, dies Ver schweigen vor Alfred — ich komme mir so entsetzlich verach tungswert vor." „Damals riet ich dir zur Offenheit, heute aber tue ich es nicht mehr, heute wäre Offenheit fast ein Verbrechen; Alfred

würde nicht mehr damit fertig. Jetzt, so kurz vor der Hochzeit. Ebensogut könntest du ihm einen Dolch ins Herz stoßen." „Das weiß ich ja, Tante Berna! Und ich will's auch nicht tun; aber heute hat's mich umgerissen — morgen werde ich wieder ruhig und vernünftig fein. Ich bin ja vor allem froh, daß Alfred nicht mehr daran denkt, an Ralf Burggraf zu schreiben. Allmählich werde ich ja vergessen lernen. Ich habe Alfred doch auch lieb." Auch lieb! klang es in Berna Sickhardt nach. Auch lieb! Das war etwas ganz

anderes, als wenn Maria gesagt hätte, ich habe ihn lieb. Maria tat ihr leid; aber noch mehr leid tat ihr jetzt Alfred Heldberg, falls er die Wahrheit erfahren würde. Vierzehntes Kapitel. Baumeister Meßmer, ein großer, breiter Herr mit förmlich klassischer Glatze, machte ein sehr verstimmtes Gesicht. „Mein lieber Burggraf, das ist nun mal so, wie das so ist, und ich muß mich fügen. Ich kann nicht nach Berlin fahren mit dem verstauchten Knöchel, und weil ich das Pech hatte, mir gestern abends den Knöchel

. Ich werde die Reisespesen entsprechend erhöhen." Ralf Burggraf dachte, und wenn er auch nicht die geringste Lust zu der plötzlichen Reise verspürte, hätte er doch nicht ablehnen dürfen. Aber er verspürte Lust, große Lust sogar. Mit dem geschäftlichen Teil der Reise würde er gut fertig werden, und danach käme das Vergnügen. Ihm fiel ein, nun könnte er ja gleich Alfred Heldberg besuchen, aber ohne sich bei ihm einzulogieren. Das lohnte sich nicht für die paar Tage. Zwei Stunden später saß er im Zug nach Berlin und freute

3
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/04_01_1936/NEUEZ_1936_01_04_3_object_8181178.png
Seite 3 von 6
Datum: 04.01.1936
Umfang: 6
: Auswärts-Verlag. G. m. b. H., Berlin. Auch Alfred Heldberg wurde allmählich ruhiger und öffnete den Schreibtischkasten, um das, was er vorhin wie unter ftemdem Willen geschrieben, wieder zu vernichten. Aber dann tat er es doch nicht. Das hatte Zeit bis morgen oder später — er wollte es erst noch einmal in aller Ruhe durchlesen. In einer Stunde völligen Gleichmaßes. In einer Stunde völligen Gleich maßes wollte er auch überlegen, was er, nachdem er die böse Wahrheit von heute gehört, tun mußte. Indessen

hatte das Schicksal schon beschlossen, ihm die Macht der freien Willensbestimmung aus der Hand zu nehmen. Es ist oft so im Leben. Der Mensch zerbricht sich den Kopf, wie er alles möglichst richtig machen will, und das Schicksal lacht spöttisch und löst alle schweren Fragen auf schnellste Weise ganz anders, als es der kleine Mensch getan hätte. AchtzehntesKapitel. Die anscheinend so leichte Erkältung, der Alfred Heldberg keine Beachtung mehr geschenkt, war plötzlich wieder verstärkt zurückgekehrt, und diesmal

mußte er ins Bett. Schon am zweiten Tage stellte der Arzt eine schwere Lungenentzündung fest, und am vierten Tage gab er die Hoffnung auf, den Patienten am Leben zu erhalten. Maria saß an seinem Bett und pflegte ihn treu. Sie hätte ihr Leben hergegeben, um das seine zu erhalten. Ihre Schuld drückte sie von Stunde zu Stunde schwerer. Der Arzt hatte ihr und Berna Sickhardt nicht verhehlt, daß ein Wunder geschehen müßte, um Alfred Heldberg zu ketten. Aber das Wunder geschah nicht. Am Abend des vierten

Tages ging es mit Alfred Heldberg zu Ende. Er konnte nicht fein eines modernen Kesselhauses den Brennstoff von oben her zuführt und sich für jeden Kessel in gleicher Art und Form gegen die Decke emporreckt, mag es der kreisrunde Behälter eines Petroleumlagerfeldes fein, der sich in immer gleicher Art wiederholt, oder mögen die runden, glatten Gaswasch türme einer Kokerei gen Himmel streben — immer ist es die gleichförmige Vielfältigkeit der technischen Werke, die unser Wohlgefallen erregt

konnte, der noch einmal alle Lieblichkeit Marias in sich aufzunehmen schien für die Ewigkeit, ging Alfred Heldberg aus der Welt. Maria brach schluchzend vor seinem Lager in die Knie, Berna Sickhardt betete mit blassem Gesicht ein leises Vater- lunfer. Zum Begräbnis kamen viele, viele Menschen. Sie alle wollten dem berühmten Mann die letzte Ehre erweisen, und als Maria mit Berna Sickhardt dann vom Friedhof zurück kehrte, schien ihr alles daheim unsagbar unheimlich und still. Heute hatte die Hochzeit

4
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/22_12_1935/NEUEZ_1935_12_22_7_object_8174085.png
Seite 7 von 10
Datum: 22.12.1935
Umfang: 10
werden, der die Pausen mit seinem erlesenen, hochkultivierten Klavierspiel füllte und damit dem beherrschenden Humor des Abends das ernste künstlerische Gegengewicht gab. P. VUSer vom Ännsvrmker iSlgomaömcirft. (Aufnahmen von Hugo Lindenthaler, Innsbruck.) (Nachdruck verboten.) 10 Die verervte Braut. . Roman von Anny von Panhuys. Urheberrechtsschutz: Auswärts-Verlag, G. m. b. H., Berlin. Maria war dem Weinen nahe. Es drängte sie, die Wahrheit zu gestehen, und sie wußte doch, dann würde sie Alfred Held berg

er natürlich nicht, und sie fuhr auch schon fort: „Maria hat sich bei mir nicht so wohl gefühlt, wie du und ich gehofft haben, Vetter Alfred. Sie hat eben Heimweh gehabt, großes Heimweh. Da riet ich ihr zur raschen Rückreise. Ich werde, wenn es dir recht ist, hier bleiben, bis ihr verheiratet seid; dann ist eine offizielle Garde dame vorhanden und damit alles in bester Ordnung." „Eine glänzende Idee!" lobte der berühmte Mann. „Eine Idee, auf die ich nicht verfallen wäre." Er legte seinen Arm um Marias

und abgerissen, ein Almosen von ihm erflehend, vor sich gesehen, hatte Alfred Heldberg keine Ruhe mehr gefunden. Immer und überall schob sich das Bild des Traumes vor ihn hin wie wirklich, und so hatte er sich, um Näheres über den Mann zu hören, der ihn einst vor dem Tode in der Nordsee bewahrt, an eine Auskunftei gewandt. Am Vormittag nach Marias Rückkehr erhielt er nun den Besuch des Inhabers der Auskunftei. Er empfing ihn in seinem Arbeitszimmer, bot Platz an und fragte lebhaft: „Sie haben schon

in Sankt Goar. Seine Frau starb vor ihm. Er selbst starb vor drei Jahren." Alfred Heldberg sagte leise: „Das tut mir sehr leid. Da habe ich also viel zu spät nach ihm geforscht." Nach einem Blick in sein Notizbuch fuhr Herr Ellert fort: „Baumeister Ralf Burggraf hinterließ einen Sohn gleichen Namens, aber kein Vermögen, und dieser Sohn, der im Alter von neunundzwanzig Jahren steht und noch unverheiratet ist, hat eine gutbezahlte Stellung als Architekt bei einer großen Baufirma inne

. Ich habe hier seine Anschrift, falls Sie die wünschen." Er reichte ihm einen Zettel, und Alfred Heldberg legte ihn auf den Schreibtisch. „Ihre Auskunft genügt mir, Herr Ellert. Ich danke Ihnen vielmals dafür. Wieviel bin ich Ihnen schuldig?" Der andere lächelte: „Ich werde mir erlauben, das schriftlich zu erledigen. Im übrigen habe ich zu danken. Es war mir eine große Ehre, für Alfred Heldberg tätig zu sein und auf diese Weise seine Be kanntschaft machen zu dürfen." Er erhob sich: „Wie viele wür den mich um das Glück

5
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/19_01_1936/NEUEZ_1936_01_19_8_object_8179431.png
Seite 8 von 10
Datum: 19.01.1936
Umfang: 10
den Text. Humor des Auslandes. Die kitzlige Mumie. („Sondagsnisse-Strix", Stockholm.) berg kam nämlich früher mehrmals in langen Zwischenräu men ein Herr, und Alfred Heldberg tat immer ein bißchen geheimnisvoll mit ihm. Jedenfalls erfuhr ich seinen Namen nicht und glaubte nun schon, es könnte der Prinz gewesen sein." Gisela Hammer schloß die Kapsel wieder. „Das kleine Porträt beweist gar nichts. Ich mache Ihnen deshalb einen Vorschlag, Fräulein Franz. In Kürze wird doch Alfred Heldbergs letztes Werk

bis zum Hotel wurde schweigend verbracht. Erst als das Auto hielt, sagte Gisela Hammer freundlich: „Ich erwarte Sie in Schloß Verena, wenn Sie nach Köln kommen, Fräulein Franz, und bitte, machen Sie sich das Herz nicht allzu schwer. Von meiner Seite aus wird die Oeffentlich- keit niemals etwas erfahren, wodurch Alfred Heldberg herab gesetzt werden könnte." „Ich will Sie besuchen, gnädige Frau", war die Antwort. „Aber ich bezweifle, daß von dem, was der Mensch vorhin geschwatzt

hat, auch nur ein Sterbenswörtchen wahr ist. Daß ns sich nicht um die Handschrift seiner Mutter handelt, beweist gar nichts, und es beweist auch nichts, daß mir Alfred Held berg erklärte, es wäre die Handschrift von Frau Haupt." Sie wehrte sich tapfer gegen die Stimme in ihrem Innern, die ganz anders sprach. Sie wehrte sich dagegen, zu glauben, was sie nicht glauben wollte. Gisela Hammer lächelte ihr trauriges Lächeln. „Wir sind beide daran interessiert, die Wahrheit heraus zubringen. Im übrigen

, als wüßte sie nicht mehr, wohin sie den Fuß setzen sollte vor Angst und Not. Sie bedeckte die Ohren mit den Händen, weil sie noch immer zu hören glaubte, was der Mann gesagt, der wie ein zu hoch aufgeschossener Junge aussah. Eine Anklage gegen Alfred Heldberg war es, eine schwere Anklage, eine entsetzliche Anklage. Es war, als würde sie sich der Schwere der Anklage erst jetzt voll bewußt. Es durchschauerte sie vom Kopf bis zu den Füßen. | Wenn es wahr wäre, das Schreckliche? Wenn Alfred Held berg

zu einem anderen beiseite geschoben. Ihre schöne junge Liebe. Tränen stiegen aus der Tiefe ihres Herzens empor und brannten unter ihren Lidern so sehr, daß sie es als körper lichen Schmerz empfand. Verrückt war das alles, was sie bedrängte. Ausgeburten einer tollen Phantasie peinigten sie. Lächerlich war alles und nicht wert, einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, und wenn man es eines Tages wagen sollte, Alfred Heldberg zu verdächtigen, wenn dieser blonde, langaufgeschossene Narr sein Schweigen brach

6
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/04_01_1936/NEUEZ_1936_01_04_4_object_8181179.png
Seite 4 von 6
Datum: 04.01.1936
Umfang: 6
Schuhmachermeister Matthias K o h l m a i e r in Fieberbrunn durch einen Sturz auf der vereisten Straße eine Fußverstauchung sowie eine Verletzung der Wirbelsäule zu gezogen. Er befindet sich in häuslicher Pflege. Vor der Einstellung der ältesten Zeitung des Bodensee gebietes. Man berichtet uns aus Bregenz: Der Verleger der „Konstanzer Zeitung", Alfred Reus, hat den Antrag auf einen außergerichtlichen Vergleich gestellt. Dem Verlag sowie dem ganzen Unternehmen wurde gericht lich ein Bevollmächtigter gestellt

mit hämmernden Schläfen: Wann hatte Alfred Heldberg das eigenartige Testament geschrieben? Und sie stellte leise eine Frage. Der Justizrat beantwortete die Frage sofort. „Alfred Heldberg hat sein Testament am späten Abend des 3. Juli gemacht. Es war, wie ich mich erinnere, ein böses Gewitter an jenem Abend." Marias Augen suchten die Augen Berna Sickhardts, die sofort verstand. An jenem Tage war Ralf Burggraf hier gewesen! Eine dumpfe Ahnung schnürte ihr die Kehle zu. Der Justizrat putzte an seiner Brille

, da mich das Testament verpflichtet, Herr Burggraf zu benach richtigen. Pflicht ist Pflicht; Pflicht gegen einen Toten und seinen letzten Willen steht besonders hoch!" Maria schüttelte heftig mit dem Kopfe. „Das wäre ja, als wenn mich Alfred Heldberg dem anderen onbietet. Das wäre ja, als wenn er ihm seine Braut vererbt!" Berna Sickhardt mischte sich ein. „Ich meine, Herr Iustizrat, Sie brauchen sich wirklich nicht so genau an den Wortlaut des seltsamen letzten Willens zu halten. Es ist ja Maria Franz darin

mancher zurückzuführen waren, während die große Eng- Heft 1/1936 liegt der heutigen Auflage bei. „Es steht ausdrücklich da, ich soll Herrn Burggraf benach richtigen, und daran muß ich mich halten." Er wiederholte: „Ich muß!" „Das ist doch Wahnsinn!" entfuhr es Berna Sickhardt heftig. „Gnädige Frau! Man soll nicht impulsiv nach dem Schein urteilen. Alfred Heldberg war ein logisch und klug denkender Mensch. Sein etwas befremdender letzter Wille ist sicher durch dacht, und er hat bestimmt gewußt, was er damit gewollt

und verab schiedete sich sehr höflich. Nachdem er gegangen war, sahen sich die Zurückgebliebenen an, ohne zu sprechen. Erst nach minutenlangem Schweigen sagte Berna Sickhardt beengt: „Daß er das Testament gerade in der Gewitternacht machte, gibt natürlich sehr zu denken. Aber er konnte doch eigentlich nichts wissen. Er selbst schickte dich doch nach dem Mittagessen mit Burggraf in den Park. Alfred ging dann in sein Zimmer. Wie kann er nur etwas von dem wissen, was zwischen dir und Burggraf gespielt

7
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/31_12_1935/NEUEZ_1935_12_31_3_object_8173730.png
Seite 3 von 7
Datum: 31.12.1935
Umfang: 7
zwei Mark pro Lied einzukassieren begannen. Ich hätte jubelnd die ganze Welt an mich reißen mögen und versuchte es auch bei einem rosigen Schweinchen, das ein rosiges Fräulein unterm Arm trug, worauf ein offenbar Betrunkener mir kräftig den Zylinder eintrieb. (Nachdruck verboten.) 14 Me vererbte Braut. Roman von Anny von Panhuys. UrheberrechtSschutz: AufwärtS-Derlag. G. m. b. H.. Berlin. Und sie unterhielten sich beide so gut, daß die Zeit dabei verflog, ohne daß sie es merkten, bis Alfred Heldberg

plötzlich feststellte: „Es ist ja schon halb zwei Uhr, also höchste Essenszeit! Ich wundere mich, wo meine Damen so lange bleiben." In diesem Augenblick hörte man ein Auto hupen; aber man konnte es nicht sehen, das Arbeitszimmer lag nach dem kleinen Park zu. Alfred Heldberg lächelte: „Eben sind die Damen gekommen, nun wird's gleich zu Tisch gehen." Zwei Minuten später klopfte es an, und gleich darauf stand Maria Franz auf der Schwelle. Sie trug ein einfaches weißes Kleid mit blauweißem Jäckchen

n. Schulen Preisermäßigung. Alfred Heldberg merkte nichts von dem Erschrecken der bei den, er stellte vergnügt vor: „Das ist Ralf Burggraf, des Sohn meines Lebensretters, liebe Maria! Ich schrieb ihm doch, und da er gerade in Berlin zu tun hatte, besuchte er mich." Er wandte sich an Ralf Burggraf und stellte vor: „Das ist Maria Franz, mein Mündel und meine Verlobte!" Er lächelte: „Wir haben uns sehr lieb, Maria Franz und ich, und wollen sehr glücklich werden." Maria tat jedes Wort weh, das Alfred

, haben meist die gleichen Wünsche." Alfred Heldberg nickte. „Im allgemeinen stimmt das wohl, aber in unserem Falle war Maria eigentlich sehr dagegen, daß ich Ihnen schrieb! Sie fürchtete nämlich, Sie könnten es irgendwie falsch auffassen, weil meine Dankbarkeitsregung reichlich verspätet kam. Da schrieb ich hinter ihrem Rücken und kann ihr nun beweisen, daß Sie meinem Briefe doch Verständnis entgegenbrachten." „Ich verstehe Ihr Verlangen, an mich zu schreiben, und ich verstehe auch, daß Ihnen das gnädige

Fräulein abredete!" Maria hörte aus den Antworten deutlich den Doppelsinn der Worte heraus, der Alfred Heldberg verborgen blieb. Der Hausherr lächelte Maria an: „Herr Burggraf ist heute mittags unser Gast, unterrichte, bitte, Tante Berna davon!" Maria nickte. „Wir werden gleich essen!" Sie verließ nach flüchtigem Gruß das Zimmer. Sie hätte es hier nicht eine Minute länger Stadttheater Innsbruck. Montag, 8 Uhr: „Das Dreimäderlhaus", Singspiel in drei Akten von Heinrich Berte. Musik nach Motiven

8
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/13_12_1935/NEUEZ_1935_12_13_4_object_8173701.png
Seite 4 von 6
Datum: 13.12.1935
Umfang: 6
er wiederkäme, seine Bitte abzuschlagen. Später las er die Hefte zu Ende, las bis tief in die Nacht hinein, und war danach überzeugt, das Schauspiel würde sehr bald angenom men werden. Wieder dachte er: Wenn er, Alfred, das doch geschrieben hätte! Und er schlug sich mit Neid in seiner Brust herum, der ihm zusetzte wie ein böser Geist. Ein paar Tage später starb eine Freundin seiner Frau in einer kleinen Stadt nahe von Berlin, und die Sterbende hatte mit bittenden Worten gefleht, die Jugendgespielin möge

ihr Kind, ihre fünfzehnjährige Tochter, zu sich ins Haus nehmen. Alfred Heldberg erklärte sich sofort bereit, den letzten Wunsch der Toten zu erfüllen, aber seine Frau war ängstlich. Sie hielt ihm entgegen: „Wir drücken uns ja selbst kaum durch das Leben. So ein junges Ding aber braucht Kleider und Schuhe und sonst noch allerlei. Auch muß Maria etwas lernen, und so gern ich sie nähme — wir können es nicht." Ihr Mann hatte sich schon voll Erbarmen dem blonden Geschöpfchen zugeneigt. Väterlich zog

es ihn zu dem blaffen, schmalen Mädel, das mit verängstigten, verweinten Augen in eine graue, ungewisse Zukunft schauen mußte. Frau Heldberg flüsterte: „Morgen abends wollte der Fremde wiederkommen; wenn es ihm ernst ist mit den fünfhundert Mark, brauchen wir uns natürlich gar nicht den Kopf zu zerbrechen, ob Maria in den nächsten Tagen wieder weg muß, oder ob wir sie als Tochter hierbehalten. Es wäre gut, wenn sie bei uns bliebe, weil wir doch so allein sind." Das Mädelchen hatte es Alfred Heldberg angetan

er nach Hause kommen. Die junge Maria Franz öffnete ihm die Tür, und hinter ihr stand seine Frau, sagte, jedes Wort erregt betonend: „In deinem Zimmer wartet der Herr von voriger Woche auf dich!" Also war er doch pünktlich gekommen! Halb freudiger Schreck, halb ängstliche Abwehr löste die Mitteilung in ihm aus, und dann betrat Alfred Heldberg sein Zimmer, in dessen Mitte der Fremde stand. Zweites Kapitel. „Ich wünschte, ich hätte Ihr großes Talent!" bekannte Alfred Heldberg ganz ehrlich und reichte

dazu. Wenn also mein Schauspiel zur Aufführung käme, sollen Sie offiziell der Dichter des Schauspiels sein und bleiben es mit allen finanziellen Rechten und allen Vorteilen, die sich daraus ergeben. Ich will und werde im Dunkel bleiben." Er hob die Arme. „Der Ruhm gehört mir ja doch, in mein Dunkel strahlt er, meinen Augen sichtbar, und das ist Glück genug für mich!" Sein Gesicht hatte einen so verklärten Ausdruck, wie ihn Alfred Heldberg vordem noch auf keines Menschen Antlitz gesehen zu haben glaubte. Der große schlanke

9
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/31_12_1935/NEUEZ_1935_12_31_4_object_8173731.png
Seite 4 von 7
Datum: 31.12.1935
Umfang: 7
die Verdienste des Jubilars um das Musik leben der Stadt Hall und sprach die Hoffnung aus, daß es noch recht viele Jahre dauern möge, in denen „Vater Kraus" zur Freude aller Mitmenschen den Taktstock schwingen könne. Stunden vorübergehen, die uns unangenehm sind. Danach wird dir Ralf Burggraf bestimmt nicht mehr in den Weg kom- m n, weil er jetzt weiß, du bist Alfred Heldbergs zukünftige Gattin." Sie seufzte. „Wir müssen durch die Geschichte hin durch, wenn uns auch Dornenhecken den Weg erschweren

. Und jetzt nimm eine Kolatablette, die verscheucht die allergrößte Angst, und dann mach' dich fertig. Ich gehe vor und lasse ein viertes Gedeck auslegen." Sie küßte Maria auf die Wange. „Laß gut sein, Mädel, dieser Tag geht doch auch vorüber! Vergiß nicht, wenn deine Nerven streiken wollen, daß es nicht allein darauf ankommt, dich oder Burggraf zu schonen, sondern darauf, daß Alfred geschont werden muß — er vor allem. Denke an seine Arbeit. Nichts ahnen, nichts erfahren darf er. Ich glaube, Burggraf

, daß sie nicht mehr begriff, warum sie Alfred Heldberg damals, als es noch Zeit gewesen, nicht doch die Wahrheit gestanden. Vielleicht hätte er sich damit abgefunden. Heute war es zu spät dazu — viel zu spät. Langsam tropften ein paar große Tränen nieder auf ihren Schoß. Zu spät! So tief und schwer klingen Totenglocken, wenn ein Sarg in die Erde gesenkt wird — so tief und schwer klingen Toten glocken wie die zwei kurzen Silben: Zu spät! Fünfzehntes Kapitel. Maria preßte die Lippen fest aufeinander, um den grau

nebenan und kühlte die Augen mit kaltem Wasser. Danach strich sie mit der Bürste über das Haar und sagte leise, aber mit fester Stimme vor sich hin: „Ich darf nicht schwach werden, ich muß die Lüge aufrechterhalten!" Das zweite Gongzeichen. Das dritte würde erst nach einigen Minuten ertönen, und diese wenigen Minute mußten genügen, ihrem Gesicht den Ausdruck von Ruhe und Freundlichkeit zu geben. Alfred Heldberg sollte keine Unruhe in ihren Zügen finden; auch der andere nicht — nein

, auch er nicht! Und doch, die Angst in ihr wuchs mit jedem Schritt, den sie die Treppe hinunter machte, und vor der Tür des Speisezimmers wartete sie ein ganzes Weilchen, ehe sie die Klinke niederdrückte. Ein Lächeln herbeizwingend, trat sie ein. Alfred Heldberg stand mit seinem Gast auf der offenen Veranda, die sich vor dem Speisezimmer hinzog. Ganz in Sonne getaucht war die schneeweiße Veranda, und nahe Park bäume warfen Schatten über das helle Weiß, wie beweg liche Netze, denn in den grünen Blättern spielte ein leiser Wind

10
Zeitungen & Zeitschriften
Innsbrucker Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3059567-8/1935/06_03_1935/ZDB-3059567-8_1935_03_06_6_object_8063077.png
Seite 6 von 8
Datum: 06.03.1935
Umfang: 8
gleich darauf zurück, be gleitet vom wachhabenden Offizier und zwei Wacht meistern, die den Gefangenen abführten. Doris hörte noch, wie der Offizier auf einige leise und eindringlich gesprochenen Worte Börners dienst eifrig erwiderte: „£>err Börner, Sie können sich ganz auf mich ver lassen. Er entkommt mir nicht." Der Vorgang hatte nur wenige Minuten in Anspruch genommen, dann ging es wieder in rasendem Tempo durch die morgenstillen Straßen. Doris war sehr nach denklich geworden. Wenn Alfred Börner

würde ihr das Geheimnis, das sie jetzt umgab, schon lösen und dann würde sie erkennen, daß sie mit dem festen Vertrauen auf ihn recht gehabt hatte. „Was sinnen Sie, Fräulein Berger? Haben Sie etwa noch Mitleid mit diesem Lumpen? Freuen Sie sich denn nicht, daß Sie seiner Hand entschlüpft sind?" fragte Alfred Börner sie. „O gewiß! Aber sehen Sie, das ist alles so rätselhaft für mich, daß ich mir andauernd den Kopf zerbreche, um zu finden, wie das alles Zusammenhängt", erwi derte Doris. „Wollen Sie mir dieses Rätsel

lösen?" Diese Frage lag ihr schon aus der Zunge, aber sie un terdrückte ihre Neugier in der Erkenntnis, daß sie un loyal gegen ihren Vater handeln würde, rvenn sie sich von seinem Gegner aufklären ließ. Ta Alfred Börner nicht antrvortete, überließ Doris sich von neuem ihren Grübeleien. Schließlich sagte sie sich selbst, daß das zu nichts führe und schenkte nun der Landschaft ihre ganze Aufmerksamkeit. Mittlerweile war die Welt zu neuem Leben erwacht. Die Lerchen stiegen jubelnd in die reine

und plaudernd f beisammen. Keiner von ihnen dachte an eine beschku- l nigte Weiterfahrt. Sie hätte noch stundenlang hier | sitzen mögen. Als Alfred Börner schließlich zum Aufbruch mahnte, | kam es Doris erst wieder zum Bewußtsein, daß er der | Gegner ihres Vater war, mit dem sie diese schöne \ Stunde verbracht hatte. Ihre fröhliche Stimmung wm t verflogen; es kam ihr wie ein Unrecht ihrem Vater ge- f genüber vor, daß es ihr Freude machte, mit feinem l Feinde zusammen zu sein. Ihr Gefährte bemerkte

ihre veränderte Stimmung nicht. Er war wieder ganz mit seiner Ausgabe und mit der Führung des Wagens beschäftigt. Es ging jetzt durch eine einsame Gegend. Nichts als große Weide plätze und Wald, nur vereinzelte Häuser waren ZA sehen. Die Straße war nicht sehr breit und auf beiden \ Seiten von tiefen Gräben begrenzt. Plötzlich sahen sie ein Auta vor sich quer auf dem Weg. Anscheinend hatte der Fahrer eine Panne ge habt: denn er war mit der Reparatur des Wagens be- / fchäftigt. Alfred Börner mäßigte das Tempo

11
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/05_01_1936/NEUEZ_1936_01_05_7_object_8179398.png
Seite 7 von 10
Datum: 05.01.1936
Umfang: 10
ins Gesicht wäre mir lieber gewesen!" Ihr ganzer Körper flog wie im Fieber. Scham drückte sie tief nieder, und der Gedanke quälte sie furchtbar: Was hatte Alfred Heldberg von dem gewußt, was zwischen ihr und Ralf Burggraf gewesen, und auf welche Weise hatte er es erfahren? Sie ging später in den Park. Sie wollte ein wenig allein sein. Ihr Kopf tat so weh. Kein Mittel hatte geholfen. Gegen bohrende Gedanken gibt es keine Medikamente. Sie schritt in ihrem langen schwarzen Kleid durch die von der Sonne

bestrahlten Parkwege, und lebendiger noch wurde ihr die böse Nachmittagsstunde der vorigen Woche. Sie betrat den Pavillon, aber diesmal durch den anderen Eingang. Sie suchte zuerst das Türkische Zimmer auf, in dem sie letzthin gar nicht gewesen. Der Stuhl vor dem Schreibtisch, an dem Alfred Heldberg zuweilen gearbeitet, war zur Seite geschoben, und neben dem Stuhl lag ein seidenes Taschentuch, dessen Rand ein goldbraun und schwarzblau gewürfeltes Muster bildete. Ein Ziertuch für die Brusttasche

. Sie selbst hatte es Alfred Heldberg geschenkt und es bei der Mittagsmahlzeit, an der Ralf Burggraf teilgenommen, noch in seiner Tasche gesehen. Nachher beim Tee aber war es ihr nicht mehr ausge fallen, wie sie sich deutlich erinnerte. Ihr war jetzt völlig klar: Alfred Heldberg hatte hier in diesem Zimmer gesessen, als sie sich nebenan befunden mit Ralf Burggraf, und er hatte die Auseinandersetzung gehört und erfahren, daß sie ihn selbst nicht so liebte, wie er geglaubt, und daß sie sich von dem anderen hatte küssen

Zeit und Ort und erschrak, als Berna Sick hardt, von der sie gesucht wurde, das Zimmer betrat. Mit wenigen Worten erklärte sie ihr, auf welche Weise sie sich hier überzeugt, daß Alfred Heldberg alles erfahren, was er nie mals hätte erfahren dürfen. Maria rang die Hände: „Ich habe es nicht besser verdient, als daß er mich wie eine Ware anbietet. Ich habe es nicht besser verdient!" Die Aeltere versuchte sie zu beruhigen. „Liebe zu dir war es nur, die ihn auf die wirklich seltsame Idee brachte. Halte

12
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/24_12_1935/NEUEZ_1935_12_24_3_object_8173755.png
Seite 3 von 6
Datum: 24.12.1935
Umfang: 6
Der Christkindlumzug in der Innsbrucker Altstadt. Die Feier beim Goldenen Dachl am 21. Dezember. (Lichtbild von Gustav Hagner, Innsbruck.) Das Heim-Krippele. Kindliche Freude an der hellerleuchteten Weihnachtskrippe. (Nachdruck verboten.) 11 Dse vererbte Vraut. Roman von Anny von Panhuys. Urheberrechtsschutz: AufwSrts-Verlag. G. m. b. H.. Berlin. Bema Sickhardt fühlte ihr Herz hoch oben im Halse klopfen, denn wenn Alfred Heldberg an Ralf Burggraf schrieb, konnte er zu einem unangenehmen

, dem du aus dem Wege gehen willst und mußt." Maria machte eine unschlüssige Bewegung. „Ich weiß nicht, was ich tun soll, schließlich kann ichs doch nicht verhindern, daß Onkel ihm schreibt. Wenn ich zu sehr abrede, muß das eigentlich auffallen, fürchte ich." „Nein, auffallen kann das nicht. Alfred ahnt ja nicht, welche Gründe dich dazu bewegen. Du mußt ihm abreden, sonst kann leicht Unangenehmes geschehen — der Mensch hat etwas Rabiates in seinem Wesen." Sie lächelte ein wenig. „Doch gebe ich zu, es paßt gut

auf, Ralf Burggraf wieder zusehen. Berna Sickhardt fragte leise: „Was ist dir, Mädel? Siehst ja aus, als fühltest du dich sehr glücklich?" Da erwachte Maria aus ihrer kurzen, tiefen Versunkenheit, und ihr Gesicht, das sich ein wenig gerötet, war wieder blaß wie vorher, doch der Glanz in ihren Augen erlosch nicht so schnell. Sie antwortete: „Liebe Tante Berna, ich werde Alfred bitten, nicht an Ralf Burggraf zu schreiben! Hoffentlich hört er auf mich." „Gott gebe es!" erwiderte die Aeltere in beinah

inbrünstigem Ton. In seinem behaglichen Arbeitszimmer aber saß Alfred Heldberg am Schreibtisch und grübelte. Er beabsichtigte eigent lich, den Brief eines Verlegers zu beantworten, aber seine Ge danken irrten ab und beschäftigten sich mit der Auskunft über seinen Lebensretter. Er konnte einfach nicht anders. Immer, wenn er sie auf den Brief konzentrieren wollte, liefen sie ihm davon, und schließlich überraschte er sich selbst, wie er auf einen Umschlag die Anschrift Ralf Burggrafs mit seinen großen

. Es war immerhin interessant, zu erfahren, wie sich der junge Architekt zu ihm stellen würde. Ob er Verständnis für die sehr verspätete Dankbarkeit hatte, oder ob er sich kalt und ablehnend verhielt?! Er ließ den Brief sogleich fortbringen und erwähnte kein Wort davon zu den beiden Damen. Maria begann beim Nachtessen: „Nicht wahr, Alfred, du hast es dir überlegt, du wirst dem Herrn in Köln nicht schreiben. Ich meine, an den Sohn deines Lebensretters." Er nickte: „Nein, ich werde nicht schreiben!" Und er dachte

13
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1905/05_11_1905/ZDB-3077611-9_1905_11_05_14_object_8419298.png
Seite 14 von 16
Datum: 05.11.1905
Umfang: 16
Maria die Lampe augezündet. Nun sitzen die vier um den großen, runden Tisch. Banka ist auf Rosens Kniee g klettert, lehnt das goldblonde Köpfchen an seine Brust und beginnt mit der Puppe zu spielen. In äußerst fesselnder Weise er.ühlt der Doktor von seiner letzten Reise, die vornehmlich Studienzwecken galt. Erst heute ist er zurückgekehrt und vormittags bereits auf dem Friedhof gewesen, um am Grabe Alfred von Rinkens einen Kranz nieder- zulegen. Sie sind ja innige Jugendfreunde gewesen, der Alfred

und er. Später verloren sie sich eine Zeitlang aus den Augen, als jeder in die Welt hinaus mußte, um sich auf einen Lebensberuf vorzubereiten. Rinken hatte die militärische, Bodo von Rosen die wissenschaftliche Laufbahn erwählt. Stach Jahren führte sie das Schicksal an diesem Orte wieder zusammen, woselbst Alfred von Rinken sich inzwischen einen eigenen Herd gegründet hatte. Die einstige Freundschaft wurde herzlich erneuert, und Bodo von Rosen war fortan ein häufiger urld gern gesehener Gast im Rinkenschen

Hause. Wieder vergingen einige Jahre — da raffle eine lüaische Influenza den begabten, liebenswürdigen Alfred von Rinken plötzlich dahin. Der Schmerz aller ihm Nahestehenden war tief und beugte namentlich die arme, junge Frau schwer danieder. Sie zog sich ganz von der Welt zurück- nur wenige Auserwählte durften nach wie vor in ihrem Heim verkehren. Zu diesen gehörte auch Bodo und — er war glücklich darüber. So oft sich ihm ein schicklicher Vorwand darbot, erschien

hat. Und sie ist entschlossen, dein sonnigen, leckenden Leben wieder die Rechte ein uräumen, die es an sie stellen kann, stellen wird die Rechte, die sie selbst mit ihren blühenden sechsundzwanzig Jahren noch an das Leben stellen darf . . . Sie fühlt es: in ihrem Herzen werden die beiden Freunde Alfred und Bodo so gute Kameradschaft halten, wie im Herzen von Klein-Bianka der alte „liebe Papa" mit dem neuen . . . S innfpr ü dj e. Eine kleine Anerkennung und das kleinste Lob erzielen mehr als zehn Tadel. Das ist echte

14
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/17_01_1936/NEUEZ_1936_01_17_3_object_8181418.png
Seite 3 von 6
Datum: 17.01.1936
Umfang: 6
der schönen Frau, deren weißes Haar wie eine Glorie des Schmerzes das schmale blasse Antlitz umrahmte. Es waren Künstler ersten Ranges, die das unvollendet hinterlassene Werk des großen Alfred Heldberg spielten; es wurde von ihrer Kunst getragen, lebendigstes, wärmstes Leben. Gisela Hammer hatte fast vergessen, wo sie sich befand. Ihr war es, als stände sie selbst da oben auf den Brettern, als wäre sie selbst das braunhaarige Mädchen, das liebend litt, als wäre der schlanke Partner der Mann

Hammer konnte plötzlich wieder klar denken. Der Name Wera nahm den Bann von ihr. Sie wußte wieder: es waren nur Schauspieler, die gesprochen hatten, und die Heldin des Stückes hieß Wera, nicht Gisela, dennoch war das Drama, das man spielte, das Drama ihres Lebens, und ihr fiel in diesem Augenblick ein, die Sätze, die sie zuletzt gehört, hatten auf dem Bogen gestanden, den sie im Schreibtischkasten ein geklemmt gefunden, niedergeschrieben von der Hand des Prinzen. Sie grübelte: Wie kam es, daß Alfred

Heldberg in seinem Schauspiel wörtlich brachte, was Iustinian Eberhard Bergödes Hand schriftlich festgehalten? Soviel sie wußte, hatte er Alfred Heldberg nicht gekannt, und er war doch auch schon tot gewesen, ehe Heldberg das Schauspiel wahrscheinlich begonnen. Da lag ein Rätsel vor, das sie nicht lösen konnte. Mit kurzem, überraschendem Schluß, dessen Wirkung beson ders stark war, endete das Spiel. Der Schluß packte und er schütterte tief, dennoch wirkte gerade der Schluß auf Gisela Hammer nicht mehr

noch einmal öffnete und Maria Franz hinaustrat ins Rampenlicht. Sie hatte von den Kulissen aus der Vor stellung beigewohnt; ihr hatte der Mut gefehlt, in der Loge von Direktor Kranz Platz zu nehmen. Jetzt aber stand sie zwi schen den beiden Hauptdarstellern und verneigte sich dankend, dachte glücklich, Alfred Heldberg würde mit ihr zufrieden sein, wenn er wüßte, daß sie sein Schauspiel so vollendet. Vielleicht wußte er es und grüßte sie aus den weiten, seligen Fernen, wo jene wohnten, die das Leben überwunden

, wo sie vielleicht die Lösung des Rätsels finden könnte. Sie mußte es dort wenigstens versuchen. Maria aber empfand den großen Erfolg, so sehr man sie auch feierte, nicht als den ihren. Was bedeutete der kurze Schluß von ihr — den großen Erfolg hatte Alfred Heldberg errungen. Aber doch war sie stolz darauf, den Ring am Finger

15
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/01_01_1936/NEUEZ_1936_01_01_4_object_8180663.png
Seite 4 von 6
Datum: 01.01.1936
Umfang: 6
die Treppe hin untergekommen, um ihn daran zu verhindern. So aber saß sie oben in einem Sessel und dachte nur an Maria und Ralf Burggraf; sie ahnte nicht, daß eine neue Gefahr heraufzog. Sechzehntes Kapitel. Der kürzeste Weg nach dem Pavillon führte an der dicht von Gestrüpp bewachsenen Mauer entlang, und weil die beiden jungen Menschen unterwegs noch mehrmals stehen geblieben waren, geschah es, daß Alfred Heldberg eher den Pavillon erreichte als die beiden. Er sann, vielleicht kamen sie überhaupt

sich über die Wände und waren oben, inmitten der Decke, zusammengerafft. Orientalischer Krimskrams paßte gut hieher und war reich lich vorhanden. Dies Zimmer betrat Alfred Heldberg durch den Extra eingang. Er hiell sich gern hier auf, wo er auch zuweilen arbeitete. Er wollte gemächlich warten, die beiden konnten ja noch kommen. Er ließ sich auf einem Hocker nieder, und Herz und Sinn waren bei Maria, die er täglich mehr liebte. Nach einigen Minuten vernahm er Schritte vor dem Pavillon und hörte die Tür

zu dem großen Zimmer auf schließen, hörte die Schritte gleich darauf nebenan. Warum erhob sich nun Alfred Heldberg nicht sofort? Warum lächelte er vergnügt vor sich hin, wie es vielleicht ein Kind tut, das Verstecken spielt und glaubt, sich gut versteckt zu haben? Warum meldete er sich nicht? Ein Hüsteln schon hätte ihm Schwerstes, Allerschwerstes erspart. Die beiden Räume wurden durch eine Schiebetür ver bunden, die nicht ganz dicht zugeschoben war, deshalb war jedes Wort von nebenan deutlich zu verstehen

. Alfred Heldberg glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dür fen, als er Vurggrafs Stimme hörte: „Wozu Sie sich eigentlich vor mir reinwaschen möchten, ist mir nicht ganz klar. Ich begreife Sie ja vollkommen! Sie wollen den reichen, berühmten Mann heiraten, weil er Ihnen ein bequemes, üppiges Leben garantieren kann; aber da sich in Frankfurt dazu Gelegenheit bot, und um es auszuprobieren, ließen Sie sich auch einmal von einem Jüngeren, von mir, küssen. Mein Freund in Frankfurt, dem ich mein Erlebnis

mit Ihnen erzählte, nannte Sie ,das blonde Abenteuer'! Ich ahnte nicht, als ich heute hierher kam, daß mein .blondes Aben teuer' die zukünftige Frau Heldberg sein würde. Schade, daß ich es jetzt weiß. Es war vorher so ein geheimnisvoller Nim bus um Sie herum, der ist nun leider weg." Schroffer wurde der Ton. „Und nun fangen Sie an mit der Mohrenwäsche, falls Sie jetzt noch Lust dazu verspüren!" Alfred Heldberg faßte sich an den Kopf. Was für sinnlose Dinge redete nur der Mensch nebenan

16
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1936/21_01_1936/NEUEZ_1936_01_21_3_object_8180738.png
Seite 3 von 6
Datum: 21.01.1936
Umfang: 6
, Mühlau; Kogler Sebastian, Imst; Cincelli Emil, Pradl; Gurschler Sebastian, Mühlau; Rundl Leonhard, Mühlau; Angerer Anton, Stumm im Zillertal; Unterschweiger Peter, Hötting; Maier Martin, Alpenjäger, Innsbruck; Kuen Hans, Mühlau; Direktor Benjamin Pezzei, Inns bruck; Thöny Alois, Pradl (60 Kreise). (Nachdruck verboten.) 30 Me vererbte Braut. Roman von Anny von Panhuys. Urhebcrrechlsschutz: Aulwärts-Bcrlag, G. m. b, H.. Berlin. Da war er schon wieder, der gräßliche Zweifel: Hatte Alfred Heldberg

Verena. Sie hatte sich schon durch ein Kärtchen dort angemel det. Aber während der ganzen Fahrt hockte die Angst neben ihr in dem engen Raum. Die Bilder des Prinzen würde sie sehen. Vielleicht war doch eins dabei, das sie an den Herrn erinnerte, der früher ein paarmal zu Alfred Heldberg gekommen, und den es wie ein Geheimnis umschwebt. Seinen Namen hatte sie nicht erfahren und nicht, was er gewollt. Gisela Hammer empfing Maria mit großer Freundlichkeit in dem Zimmer, in dem über dem Schreibtisch

das große, lebsnswarme Porträt des Prinzen hing, und als Marias ! Blick das Bild traf, löste sich ein Ruf des Erschreckens von ihren Lippen. Es gab keinen Zweifel, das Bild stellte den Herrn dar, dessen Person ihr immer ein wenig geheimnisvoll geschienen, , über die Alfred Heldberg nie gesprochen, und über die er ihre ! neugierigen Fragen immer seltsam schroff zurückgewiesen. Altschützen (über 60 Jahre), Fünferserie: Alois von Mersi senior, Terfens (61 Kreise); Schnaitter Josef, Zirl; Bücher Josef

), mit 188, 184, 183, 183, 182, 182, zusammen 1102 Kreise. MarschaA Vadogüo besichtigt die Truppen an der Tigresront. Sie zeigte mit der Rechten auf das Bild. „Das ist wirklich Prinz Bergöde? Wissen Sie das genau?" Gisela Hammer lächelte matt. „Das weiß ich ganz genau. Er ist die große Liebe meines Lebens gewesen und ist es noch. Aber allem Anschein nach kennen Sie ihn auch?" „Ich erkenne in ihm den Herrn, der einige Male Alfred Heldberg besuchte, und über den er nicht redete..." Die Stimme der Jüngeren

bebte stark, und Mitleid erfüllte Gisela Hammers Herz. Sie glaubte, Maria Franz zu begrei fen und bat leise: „Nicht gleich richten! Wir kennen keine Zusammenhänge." Maria Franz wehrte sich. Gisela Hammer tat ja, als gäbe es jetzt gar keinen Zweifel mc.hr daran, daß Prinz Vergöde der Verfasser der Schauspiele war, die Alfred Heldbergs Namen zu einem der gefeiertsten Deutschlands gemacht. Sie durste das nicht dulden, und den Kopf zurückwerfend, erklärte sie: „Ich glaube trotzdem an meinen Verlobten

17
Zeitungen & Zeitschriften
Neueste Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/NEUEZ/1935/14_12_1935/NEUEZ_1935_12_14_4_object_8173707.png
Seite 4 von 6
Datum: 14.12.1935
Umfang: 6
. Jahreshauptversammlung des Khevenhüllerbundes in Inns bruck. Es wird uns berichtet: Der Regimentstraditionsverband Glück, und Sie sind keinem Menschen Rechenschaft schuldig. Ich betone das, weil wir uns wahrscheinlich nicht mehr Wieder sehen werden." Alfred Heldberg wollte eine Frage stellen; er kam ihm zu vor. „Lassen Sie mich weiterexistieren in Ihrer Erinnerung als Unbekannter, der vielleicht nur dazu auf die Welt gekom men, Ihnen zu helfen, damit man aufmerksam wurde auf Ihre guten, starken Heimatbücher." Er ging dann gleich, sagte

an der Tür leise: „Der Schluß ist so einfach, Sie werden ihn bewältigen. Der Prinz in dem Schauspiel ist müde und gebrochen. Ihm fehlt frisches, kraftvolles Blut, das der Väter war ja schon zu dünn in seine Adern gekommen. Er kann ja nicht mehr leben und muß sterben, weil er keinem großen Hindernis gewachsen ist. Ein schwacher, überzähliger Mensch. Nun wissen Sie etwas über den Schluß Bescheid." Er lieh Alfred Heldberg sellsam betroffen zurück. Hatte der Unbekannte nicht auch geäußert, das unvollendete

Schauspiel behandle sein eigenes Schicksal? Eine Woche danach las er zufällig in einer Tageszeitung, auf seinem Schlosse, nahe bei Köln, wäre Prinz Justinian Eberhard Bergöde gestorben, am Herzschlag im 35. Lebens- jahre. Er wäre der letzte männliche Namensträger des ur alten Geschlechtes gewesen. Alfred Heldberg las darüber weg. Keine innere Stimme machte ihn darauf aufmerksam, daß Prinz Bergöde der Dichter der Schauspiele war, die seinem eigenen Namen so viel Glanz verliehen. Keine Ahnung streifte

das dritte Schauspiel des Unbekannten liegen. Aber oft besprachen Heldberg und Maria noch den Schluß, dessen Inhalt dem Manne völlig klar war, den er aber nicht nieder schreiben konnte, weil er nicht den rechten Ton fand, weil ihm die biegsame Wärme, das heiße, starke Wort fehlte. Drittes Kapitel. Es war eine alle Geschichte, aber Alfred Heldberg sprach noch manchmal davon. Zwanzig Jahre waren vergangen, seit ihm damals ein famoser Schwimmer in der Nordsee das Leben gerettet. Er hatte eine Ferienreise

schwer geworden. Aber gegen seinen Lebensretter durfte er nicht aufbegehren, um so weniger, als er sich nicht im ge ringsten für die Rettung erkenntlich zeigen konnte. Alfred Heldberg redete eben wieder von der alten Geschichte zu Maria Franz, seinem Mündel, die von ihrem fünfzehnten Jahre bei ihm zu Hause war. Seit vor ein paar Jahren seine Frau gestorben war, lebten sie beide allein in der großen, schloßartigen Billa in einem Vorort Berlins, die er gekauft von dem Geld, das ihm seine Schauspiele

19