¬Der¬ Kunstfreund ; N.F., 22 - 23. 1906 - 1907
Haus^ suchte, hatte wieder geheiratet. Eine kalte, selbstsüchtige Frau, die nur mit Liebe an seinem Gelde hing. Angelo blieb sich ganz allein überlassen. Die Kunst war ihm nicht mehr Inhalt, noch Freude, er sehnte sich weit fort von den Menschen hier auf Erden, von denen keiner ein liebes Wort für ihn hatte. Es war ihm, als ob er den richtigen Lebenspfad verloren hätte, als ob er verirrt wäre aus ödem Wege, der keinen Ansgaug hatte. Als wäre er aus eiuer Straße, wo kein zweiter ging, so einsam
, meu scheu ver lassen. Langsam schritt er dem dunklen Walde zu, dem Grabe der Mutter, dort umarmte er den kalten Grabstein, als ob er sich an diesem erwärmen könnte. Der September wurde immer herbstlicher und unfreundlicher, das dürre Laub siel klagend auf den Boden nieder. Angelo hörte man im Garten ein wunderbares Lied spielen, ein Lied der Sehnsucht von herz zerreißender Macht. Es schien, als ob er seine ganze gebleichte Lebenskraft in dieses wehmutsvolle Lied hineinlegen
wollte, alle die erstickten Schreie, die znrnckgepreßten Ge fühle der Verzweiflung, die feiue Seele geisterhaft durchbebt und durchzittert hatten, bis zur Erschütterung; wie mancher andere seine beste Lebenskrast in ein strahlendes Glück legt. Die letzten Töne klangen ver träumt und versehnt durch die Abenddäm merung, wie ferne Glockenklänge. Angelo senkte den Bogen nieder, ließ die Geige auf den Rasen fallen, und wollte sich ermüdet ins Gras legen. Da siel sein Blick auf eine stark und süß duftende Nar zisse
Engelskleide schwebte er ins Himmelreich, wie es die Götter wollten. Dort wurde er von sonnigen, lächelnden Engelskindern zu einem Altare geführt, wo rauf weiße Rosen und Lilien lagen. Angelo blieb glückberauscht und warmselig davor stehen. Da geleiteten ihn die kleinen Engel kinder die Stufen empor zum Gott der Liebe, der ihm die blassen Wangen küßte und ihn dann innig an sich zog. Angelo strahlte iu einem bezauberten Wonne gefühle. „Ach, hier ist's schön, hier ist die Liebe!' Der Gott der Liebe zog
ihn dicht an sich heran, und wärmte ihn mit seinem glühendste« Liebesstrahle. „Du großer Gott,' flüsterte Angelo, „wie gut uud mäch tig bist du!' „Ja, Kind,' sprach nun der Göttliche, „die Liebe muß gut und groß und allmäch tig sein!' „Allmächtig,' tönte es zurück. „Guter Gott, wenn du allmächtig bist, erfülle mir einen Wuusch.' „Gerne, Kind, für all die Leiden, die du unten erdulden mnßtest.' „Gib mir die Macht, allen Menschen, die sich nach Liebe sehuen, nach einer großen und guten Liebe, Lieder