Kulturgrund von der Weidefläche abgrenzt. Der Zaun besteht zum Teil aus Buschwerk, zum Teil aus rohgefügten Pfäh len und Latten. Hier saßen also vor vielen Jahren der alte und der junge Hirt und schauten angestrengt hinunter auf die Talstraße. Sie konnten nur Bruchstücke der schier endlosen Verkehrsader se hen, die sich von Süden nach Norden windet. „Du, Bübl," sagte der Alte, „sag, was fährt denn da unten auf der Straße für ein schweres Fuhrwerk? Ich seh es nimmer deutlich." „Das ist eine Weinfuhr
, mein Gott, hat der schwer geladen", meinte der Knabe. Das Mann! überlegte ein bißchen, dann fragte es: „Du, Bübl, hast keinen Durst?" „O ja", erwiderte der Kleine, „Durst hab ich schon, aber Leitnwasser trinke ich keines, das ist mir viel zu lau bei der Hitze." „Und Weinl, sag, tätest dies trinken, ha?" lockte der Alte mit der Zunge verführerisch schnalzend. „Das möchte ich wohl", ereiferte sich der Knabe, „aber woher nehmen und nicht stehlen?" Das Mann! erhob sich mühsam und befahl dem Buben
, dem nordwärts fahrenden Fuhrwerk nachzuschauen. Der Hirt stieß un terdessen, geheimnisvolle Worte murmelnd, seinen Stock in einen morschen Zaunpfahl und sagte: „Hö, Bübl, jetzt komm her, nimm dein Filzhütl vom Kopf und halt unter!" Der Junge tat, wie ihm befohlen und siehe da, aus dem waagrecht in den Zaunpfahl ge triebenen Hüterstecken rann herbduftender Wein in den hingehal tenen Hut. Sie tranken beide gierig, der Junge und der Alte. Als sie ihren Durst gestillt hatten, riss das Mannl, neuerlich
geheimnisvolle Worte flüsternd, den Stock aus dem Zaunpfahl und die unverhoff te Weinquelle versiegte wieder. Das Bübl konnte erst jetzt sein Er staunen äußern, zu schnell war alles vor sich gegangen. Nun aber meinte es: „Ihr seid fast ein Hexenmeister, der Wein war gewiss von der Fuhr da drunten auf der Straße, gell!" Der Alte nickte be dächtig: „Du hast es erraten", und sonderbar kichernd fügte er hinzu: „Es gibt halt Künste, die nicht ein jeder kennt, am wenigsten so ein junger Bub, wie du heute noch einer bist."