Blumen aus Tirol : ein Büchlein zur Erbauung und Unterhaltung
!' Als sie dieses gesprochen hatte, zog sie die Hand zu rück, und die Sichel schwebte frei in der Lust und glänzte im Sonnenschein. Der Bauer erschrack sehr, als er dieses sah, und nöthigte weder an diesem Feierabend, noch sonst, wenn man das Zeichen mit der Glocke an den an dern Feierabenden gab, Nothburga zu arbeiten. Jndeß die heilige Magd bei dem Bauers manns im Dienste war, hatte Herr Graf Heinrich von Rottenburg verschiedene Hchick- fà «ch Unglücksfälle erlebt und erduldet. Sà eigener Bruder Siegfried
war gegen ihn W Felde gezogen, und hatte seine Besitzun gen verheert, und feine Schlösser, als: Rot- twbmg, Tmtzberg, Rettenberg und Friedberg gàzlich «der theilweffe zerstört und verbrannt; Heil. Nothburga, Dienstmàgd. 2! er war aus einem reichen und angesehenen ein armer und verachteter Herr geworden. Wattn die Landleute an Rottenburg vorüber gingen und das halbzerstörte Schloß ansahen, sprachen sie: „So geht es, das hat der Herr Graf Heinrich an der frommen Rochburga und den armen Leuten verdient. Mit welchew
Maße man einmißt, mit dem wird einem Witwe auSgemessm.' Der Herr Graf Heinrich sah am Ende solches selbst ein, und sprach zu sich: „Das sind die Strafen des Himmels, ich habe die heilige Dienstmagd schnöde be handelt, und sie aus meinem Schlosse ver trieben und damit Zugleich Gottes Hell und Segen.' Und er gedachte der Worte seiner Frau Gemahlin Ottilia und seiner seligen Mutter, und beschloß, Nothburga auszusu chen und wieder zu Ehren zu bringen. So bald es Morgen war, ließ er sich sein Pferd
auszäumen, und ritt den Jnnfluß entlang dem Eben zu, die fromme Jungfrau zu su chen. Diese arbeitete eben auf dem Felde, und da er sie gewahrte, stieg er ab, und ging zu Fuß auf dem Acker hinein. Hier angekom men, warf sich der Graf Heinrich der Dienst magd des Bauern zu Mßm, und sprach: „Verzeihet mir, Nothburga, ich habe Euch