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Volksbote
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Seite 18 von 20
Datum: 08.03.1990
Umfang: 20
des Montblanc gestanden“, sagte Saussure ärgerlich, und bei sich dachte er: „Ein unverbesserlicher Schwätzer, dieser Bourrit!“ Traum und Tag Auch Jakob Balmat hatte selbstver ständlich von all den Versuchen ge hört, die man unternommen, die Gip fel des Montblanc zu erreichen. Wie die meisten Bauern von Chamouny schüttelte er den Kopf darüber. Er versprach sich keinen Erfolg von den Unternehmungen und verwendete seine Zeit lieber auf Bemühungen, deren Erträgnis nicht so zweifelhaft war. Eines Tages kam

man im Hause Balmat beim Mittagsessen auf Saus sure zu sprechen, und die alte Bäuerin fragte den Sohn, warum er denn nicht auch danach trachte, den Preis zu erringen, den der Gelehrte seinerzeit für die Ersteigung des Gipfels ausge setzt hatte. Johanna Maria erwarte ihr zweites Kind, und es wäre ein hübsches Taufgeld. „Wenn es davon satt werden sollte, müßte es recht lange warten“, entgeg- nete Jakob. „Ich gehe lieber andere Wege, die rascher zum Ziele führen.“ Alle am Tische wußten, daß er seine Goldsuche

meinte; aber alle, mit Aus nahme des alten Balmat, hielten nichts davon. Der Besitz der Familie ging Jahr für Jahr zurück, weil Jakob sich noch immer kaum darüber be kümmerte. Statt mit seinen kräftigen Armen den Pflug zu führen oder die Sense zu schwingen und Ordnung in die verrotteten Felder und Wiesen zu bringen, ging er wie einst die einsa men Berge und Schluchten ab. Das Ergebnis waren Steine und Kristalle, die er an die Fremden verkaufte, nicht mehr; dennoch behauptete er, der Familie so besser

zu dienen, als wenn er „Erdäpfel jagte“ — wie er sich verächtlich ausdrückte; und die Aussicht, einmal einen wertvollen Fund machen zu können, schien ihm Rechtfertigung genug. Bei einem seiner Streifzüge — es war in der ersten Juniwoche des Jah res 1786 — kam Jakob Balmat auf den Berg La Côte. Er stieg bis zum Eise des Bossonsgletschers, sah hinauf zu den Felsen des Verfluchten Berges, die steil in den Himmel standen, und erin nerte sich wieder einmal der väterli chen Erzählung. „Teufel!“ dachte

er erregte Worte. Obwohl er die Sprechenden noch nicht sah — denn ein Gebüsch am Steg verbarg ihm ihren Anblick —, erkannte er sie an den Stimmen. Es waren Tournier, Carrier und ein Dritter. „Ich halte nichts davon“, sagte Car rier eben. „Du hältst nie etwas davon“, warf ihm Tournier vor. „Und doch bleibst du nie daheim und willst nicht darauf verzichten, den Preis mit uns zu teilen.“ Jakob Balmat blieb stehen. „Weil ich ein Esel wäre, wenn ich euch allein das Geld überließe“, ent- gegenete Carrier

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Volksbote
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Seite 6 von 14
Datum: 24.07.1969
Umfang: 14
Seite 6 Donnerstag, den 24. Juli 1969 „V o 1 k s b o t e“ St. Jakobns ri. X., Pilger- und Reisepatron „Jakobi“ gilt nicht bloß als Los- und Glückstag für die Ernte, sondern am 25. Juli haben gar manche ihren Namens tag und nicht weniger als 32 Kirchen und Kapellen unseres Landes begehen an diesem Tag ihr Patrozinium. Nach alter spanischer Tradition wurde der Leib des heiligen Jakobus nach Com postela in der spanischen Provinz Ga- licia gebracht. Das Kultzentrum des hei ligen Jakob ist Santiago

Güter und einen Hof zu St. Siegmund an Brixen schenken zur Sühne einer nicht ausgeführten Wallfahrt nach San tiago. Wir können annehmen, daß man che unserer Jakobskirchen mit der Wall fahrt nach Santiago Zusammenhängen. So entwickelte sich aus der nicht unge fährlichen und langdauernden Wallfahrt das Pilgerpatronat des Jakobus mit Pil gerhut, Muschel und Wanderstab. Sein Patronat wurde mit der Zeit so populär, daß er zeitweilig der volkstümlichste Apostel war. St. Jakob, dem Pilgerpa- tron, wurden

daher vorzügliche Kirchen an Straßen, an Rastorten des Verkehrs, an Paßübergängen errichtet: weiters wird er als Patron von, Spitälern zur Pflege verehrt. Zu den Pilgerpatronen zählen außerdem noch Jodocus, Christoph, die Heiligen Drei Könige, Leonhard und Maria Heimsuchung. Die St.-Jakobs-Kirdten und -Kapellen Buchenstein (Pieve). In Buchenstein treffen wir St. Jakob als Patron der Pfarrkirche wegen der Verkehrslage des Ortes. 1237 wird ein Pfarrer genannt, die jetzige, im ersten Weltkrieg

zerstörte, aber wieder aufgebaute Kirche stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Das Hochaltarbild stellt den heiligen Jako bus dar. Zur Verkehrslage: Vom Vene- tianischen führt ein Weg durch das Agordotal nach Buchenstein. Von dort führt dann ein Weg nach Gröden und einer über den Campolongopaß durch das Gadertal ins Pustertal. Corvara. Vom Campolongopaß kommt man nach Corvara. Am gotischen Flügel altar der heiligen Katharina in der alten Kirche erscheint der Pilgerpatron Jakob. Abtei

. Die Pfarrkirche ist dem heiligen Apostel Jakobus d. Ä. und dem heiligen Leonhard geweiht. Weihe 1347, 1775/8 von Franz Singer von Götzens mit Aus nahme des Turmes neu gebaut und von Matthäus Gündter 1778 ausgemalt. Gilt als eine der schönsten Rokokokirchen Südtirols. In der Glorie finden wir neben Leonhard den Apostel Jakob. Das Rosenkranzbild mit Rittern des Ordens von Santiago weist auch auf Jakob hin. Onach. Bevor die Gadertalstraße ge baut wurde, führte der alte Weg über Onach ins Pustertal. So wurde

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Volksbote
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Seite 8 von 20
Datum: 16.11.1989
Umfang: 20
Der Roman im^blksbOtOIl Die Jakobsleiter „Sag, Jakob: weißt du noch, was ich dir gestern erzählt habe?“ Vater Balmat wollte „Christenlehre halten“. Er hatte seinen vierjährigen Buben zwischen den Knien und blick te ihn erwartungsvoll an. Der Knirps versuchte, sich ihm zu entwinden; aber der Vater hielt ihn fest mit den Schenkeln. „Hast du dir’s nicht gemerkt?“ Jakob schien nicht zu hören. „Bist du so dumm?“ reizte ihn der Vater. „Ich bin nicht dumm!“ Der Bub stampfte beleidigt mit dem Fuß

auf. „Also, was hab ich dir erzählt?" drängte ihn Balmat. „Von Esau und Jakob.“ Damit glaubte das Kind, genug gesagt zu haben und strebte weg. Doch der Vater war noch lang nicht zufrieden. „Was hat dir davon am be sten gefallen?“ wollte er wissen. Jakob dachte einen Augenblick nach, und um sich loszukaufen, mur melte er: „Das von der Leiter.“ „Von welcher Leiter?“ fragte der Vater hartnäckig weiter. „Nun, von der Jakobsleiter.“ „Wie war das? Daran kann ich mich ja nicht mehr erinnern“, verstellte sich Balmat. Um den Mund

des Buben zeigte sich ein spöttisches Lächeln. „Du kannst dich nicht mehr erinnern?“ „Nein“, beteuerte der Vater. „Das mußt du mir erzählen.“ Doch Jakob wollte lieber hinaus, wo er die anderen Buben wußte. „Ich will nicht“, knurrte er und versuchte, wie der zu entschlüpfen. Fast entstand ein kleiner Kampf zwischen den beiden. „Nun bleibst du erst recht da!“ be- harrte der Vater. Als aber das Kind noch immer nicht gehorchen wollte, packte Balmat jäh der Zorn. „Wenn du jetzt nicht sofort erzählst“, schrie

er, „dann laß ich die Rute auf deinem Hintern tanzen, daß du alle Engel singen hörst.“ Und schon riß er dem Buben mit einem Ruck die Hosen herunter, daß die Knöpfe weit davonsprangen. Jakob, in Erwartung der ungewohn ten Züchtigung, erblich bis in das Rot der Lippen, und ein Zitern überlief seinen Körper. Ernüchtert griff der Vater nicht zu der Rute. Er nahm nur das Kind fest bei den Schultern, und Aug in Aug gab er ihm das Stichwort: „Als Jakob...“ „Als Jakob...“, wiederholte lang sam der Bub

selbst gerne fabulierte, nahm er dem Sohn die unerwartete Wendung nicht übel. Wir wollen sehen, wohin das führt, dachte er und ließ den Kna ben gewähren. Vorläufig folgte er ja noch den Wor ten des Vaters. „Weil Jakob von der weiten Reise ermüdet war, schlum merte er bald ein. Da sah er im Traum eine Leiter, die auf der Erde stand und mit der Spitze den Himmel berüh- te. Und die Engel Gottes stiegen auf dieser Leiter auf und nieder.“ Doch schon glitt die Erzählung wie der ins, Fahrwasser der Phantasie

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Volksbote
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Seite 22 von 24
Datum: 29.03.1990
Umfang: 24
A ch, gar nichts weiter“, antwor tete Balmat mit gesuchter Gleichgültigkeit und setzte, gegen seine Frau gewendet, hinzu: „Du tust ja, als ob ich am Sterben war’.“ Dabei verschlug ihm der Ärger die Stimme. .„Der Mensch ist schneller gestor ben als geborgen, nicht wahr?“ sagte Paccurd lächelnd, um einzulenken, und blickte Johanna Maria an. Es war, als ob sie errötete; jeden falls wandte sie sich verlegen ab. „LalJ sehen!“ befahl Paccard und drängte Jakob zur Ofenbank, hieß ihn sich setzen

— du hast vielleicht von den Versuchen der Her ren Montgolfier in Paris gehört? —; Warum wollte er nicht auch die Zin nen der Alpen erstürmen?“ „Aber bedenkt doch die Schründe, über die keine Leiter langt!“ „Sie sind nicht allerorten“, antwor tete der Arzt, und Jakob zuckte zu sammen — war’s unter der Hand Pac- cards, die den Eiter auspreßte, oder war es die Wirkung dieser Worte? „Ich habe mehr als einmal vom Bre vem mit dem Sternrohr zur Kalotte hinübergesehen“, fuhr der Arzt fort, „und glaube

, nach den verschiedenen vergeblichen Versuchen den einzigen Weg gefunden zu haben, der zum Zie le führt.“ „Und der wäre?“ fragte Jakob ha stig. „Man geht über La Cöte und weiter, als wollte man auf dem Dome du Gou- ter, steuert jedoch dann hinein in den Gletscherzirkus und ersteigt bei den roten Felsen den Kamm, der die Was serscheide zwischen unserem Tale und dem der Dorea bildet. Der Rest ist ein Kinderspiel.“ Baimats braunes Gesicht wurde aschfahl; doch der Arzt, mit der Reini gung der Wunde beschäftigt, merkte

es nicht. Eine Weile stockte das Gespräch; dann fragte Jakob zögernd: „Und warum habt Ihr’s noch nie auf diesem Wege versucht?“ „Ich habe nicht so viel Zeit wie du“, scherzte der Dorfarzt. „In Wahrheit“, setzte er hinzu, als Balmat den Spaß nicht zu verstehen schien, „weil mir seit zwei Jahren Gelegenheit und An laß gefehlt haben; zum letzten, aber nicht geringsten vielleicht, weil ein jeder Gedanke seine Zeit braucht, bis er zur Tat ausreift, so wie das organi sche Leben.“ „Und wenn Ihr nun hörtet“, begann Balmat

langsam, „daß Euch einer zu vorkommen wollte, würdet Ihr Euch dann nicht beeilen?“ „Ich bin niemand um die Louisdors des Herrn von Saussure neidig“, ant wortete Dr. Paccard verächtlich. „Was mich auf die Berge treibt, ist der Drang, die Natur zu erkennen.“ Jakob atmete auf. Dann legte er dem Dorfarzt einen Köder hin: „Auch der Ruhm eines Erstersteigers ist nicht zu verachten.“ Doch Paccard biß nicht an. „Mein Lieber“, meinte er bedächtig, „das will gut überlegt sein. Der Hang ist sehr steil

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Seite 18 von 20
Datum: 15.03.1990
Umfang: 20
„Und wenn wir unsere Abmachun gen am Sonntag vor der Kirche getrof fen hätten“, brauste Carrier auf, „wir haben dich nicht dazu eingeladen.“ „Wie wollt ihr mir verwehren, hin ter euch dreinzugehen?“ fragte Jakob geringschätzig. „Soviel ich weiß, habt ihr die Gletscher nicht gepachtet und es kann darauf herumsteigen wer Lust hat.“ „Hol dich der Teufel!“ rief der er regte Carrier. Tournier aber wandte sich. „Gehen wir,1,-Die Sonne wird bald heroben sein, und die andern sind ansonsten

vor uns auf der Kuppel des Gouter.“ Damit traten sie ihren Marsch über den Gletscher an. Jakob folgte ihnen in gerigem Ab stand. Die drei waren mit Couttet übereingekommen, die beiden Wege zum Dome du Gouter — den von Bio- nasset und den anderen über den Berg La Còte — zu vergleichen. Tournier hatte behauptet, es müsse sich über die nordöstlichen Firnfel der ein Zugang zur Gouterspitze fin den lassen, der kürzer und bequemer wäre als der aus dem entlegenen Tale von Bionasset. „Wir können ja die Probe

hatte, waren Couttet und sein Begleiter noch auf der Schulter des Couter, als Tournier und die Seinen schon auf der Spitze standen und mit hellen Jauchzern ih ren Sieg verkündeten. Jakob Balmat war neben ihnen und stimmte in ihren Jubel ein. Seine Ge fährten taten, als sähen sie ihn nicht. Doch in ihren Gesichtern bemerkte Jakob die Falten des Ärgers. Das freute ihn. „Denn“, dachte er, „habt ihr mich nicht schon in der Kindheit aus eurer Gemeinschaft aus geschlossen und mich höhnisch Mont blanckönig geheißen

mochte an dessen Stelle getreten sein? Sie rieten vergeblich und be schleunigten ihren Aufstieg. „Ach, du bist’s, Jakob Balmat!“ rief Couttet erstaunt, als sie zu den War tenden traten. „Alles andere hätt’ ich eher vermutet, als dich hier oben zu treffen. Da gibt’s doch nur Schneekri stalle; und soviel ich weiß, wird der Handel damit leicht zu Wasser.“ „In den Felsen des Mont Blanc mag sich manch schöner Stein finden“, entgegnete Jakob überlegen. „Und oben auf seinem Gipfel, des bin ich sicher, liegt

sie noch an Schwierigkeiten und Gefahren bergen? „Nein“, sagte Couttet, noch in die sem Augenblick scherzend, „lieber le bend als tot heimkommen.“ Und es schien, als hätten die ande ren nur auf dieses Wort gewartet, um zukehren. Einzig Jakob Balmat blieb einen Augenblick stehen, als ob er sich von dem Berge nicht trennen könnte. „Jetzt zeige, was du kannst!“ spot tete Tournier. Jakob sah aller Augen auf sich ge richtet und den Hohn in ihnen grin sen. „Gut“, sagte er und wandte sich gegen den Gipfel. Hinter ihm platzte

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Seite 21 von 24
Datum: 22.03.1990
Umfang: 24
Eis goß, auf dem die Wolken wie schwere Daunen decken lagen. Jakob sah die Kluft, die ihn aufge- halten, und erkannte, daß noch am Abend eine Brücke über sie geführt haben mußte; denn die Spur seiner Vorgänger lief jenseits weiter. Nun aber gähnte weithin der Spalt. Als Balmat zu überlegen begann, ob er bei dem ungewissen Licht der erblassen- den Nach t nach einem Ausweg suchen sollte, wischten die Wolken wieder über den Mond und beschränkten die Sicht. „Ich bleibe bis zum Morgen!“ be schloß Jakob

zu umgehen. Die Sonne schien das Gewölk zer streuen zu wollen; vielversprechend rötete sich der Himmel; die Kuppel des Dome du Gouter erglühte pur purn. Der junge Tag ließ Jakob bald die Unbilden der Nacht vergessen. An ders als am Abend vorher blickte er sich nun in dem Gletscherzirkus um. Da schossen die ersten Strahlen des Gestirns über die östlichen Spitzen, und aufblickend ward Balmat klop fenden Herzens inne, daß der in einer Aureole vor ihm stand, kein anderer als der Verfluchte Berg

, führte ein sanfter Schneerücken zur Kuppel, lag der Weg offen. Ja, der Weg zum Weißen Berg! Nicht über den Dromedarhöcker führ te er, sondern hier herauf. Selbstver ständlich! Wie man nur je etwas ande res hatte glauben können! Statt de mütig dem gütigen Geschick zu dan ken, das ihn diesen Weg hatte finden lassen, warf sich Jakob hochfahrend in die Brust. „Ich habe ihn!“ jubelte er und meinte den Gipfel und den — Preis. Doch bei diesem Gedanken stockte er. Würde denn nicht Herr von Saus sure, ehe

er das Geld auszahlte, den Beweis verlangen, daß Balmat auf der Kalotte gewesen? Wie aber sollte er diesen Beweis erbringen? Der Gipfel stak im Grau und überdies beachtete ihn kein Mensch im Tale. Und Jakob hatte keinen zweiten Stock, keinen Lappen mit, den er oben hätte auf pflanzen können als Zeichen seines Sieges. Wer aber würde anders in Chamouny ihm glauben, ihm, dem sie jeden schöneren Kristall neideten, den sie immer nur den „Lügner“ ge nannt hatten? Mit dieser Erkenntnis überfielen ihn plötzlich

Hunger und Müdigkeit derart, daß er sich in den Schnee setzen mußte. Jetzt erst spürte er, wie ihm die Beine zitterten. Vor seinen Augen tanzten grüne Räder und es wurde ihm so angst und übel, daß er nur eine Rettung sah: Hinab! Als ob ihm der Berg den Rückzug erleichtern wollte, senkte sich die Wolkenhaube des Mont Blanc immer tiefer; das Wet ter verschlechterte sich. Wie es bei Anfällen von Bergkrank heit zu sein pflegt, fühlte sich Jakob sofort wohler, sobald er den Abstieg antrat. Vom rasch

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Seite 5 von 12
Datum: 19.06.1957
Umfang: 12
Mittwoch, den 19 . Juni 1957 ' ’ „VorksVoU - ' /% s 'J t *. Seite 5 Die heimlichen Kräfte . Erz&hlunjj von Franz Braumann Heute gegen den Abend zu hat der Wald- gÄÖer seinen Knecht verloren — seihen tteuen, stillen Knecht! • "Vfete es geschehen ist,- das ist bald erzählt. Der Bauer ist von Jahr zu Jahr älter gewor den, aber das karge und einseitige Waid gut 1 ntdbrfc kleiner. Für den Knecht, den Jakob, ist die Arbeit immer mehr angewachsen. Viel leicht hätte Jakob nicht gemurrt

, wenn der WaldigUtler sich zur rechten Zeit erkenntlich gezeigt hätte. Aber der war nun einmal ein sparsamer Mensch sein Lebtag schon ge wesen. Und dann hatte er sich auch noch in einen besonderen Gedanken hineingeträumt: Den großen Wiesenstreifen vor dem Hügel unten, wenn -er den noch einmal dazukaufen könnte, dann ließen sich leicht statt drei vier Kühe füttern! Doch das hatte sich immer wieder hinausgeschoben. Und in der Nach barschaft hatte es indessen Leute gegeben, die den Jakob auslachten, daß er immer

noch bet d em alten Sparmeister bleibe. Komm zu uns! haben sie geflüstert und gelockt. Heute nun ist es auf einmal und fast un vermerkt soweit gewesen! Ein kurzer Wort wechsel mit Rede und Gegenrede hatte sich entsponnen, ein Wort hatte das andere ge geben, und bald war es geschehen, daß der Knecht seinen Dienst gekündigt hatte. Da ist freilich der alte Waldgütler betrof fen dagestanden! Eigentlich könnte ja Jakob gleich gehen, wenn er wollte! hatte dann der Alte noch hinzugefügt in seiner plötzlichen

, jammervol len Bitterais. Denn jetzt hat er es plötzlich gewußt: So einen Knecht wie den Jakob be kommt er nimmer! Der Jakob aber hatte nur stumm genickt ühd hatte sich zum Gehen ge richtet. Unter der Tür drehte sich der Knecht noch einmal um: ‘„Behüt’ dich Gott, Bauer!“ brummte ^.und.reiphte dem Alten die Hand „Behüt’’dicib-Qptt, Jakob! Und nichts für ungut!" Di^jjSt®dgütlerin steckte dem Schei denden vor heraufdrückenden Tränen, efiietoBäj|iBrot für den Weg zu. Weiter hatte<elftionst nichts gegeben

bei dem kurzeffiAfeMed. Jakob atmete fast ein wenig aui£alg||&5fom Obstanger hinaus auf die StraßeftfpSSoiAias wäre überstanden — er hätte ei&smoifMSnge tun sollen, denkt er noch halb b'ÖreiV. ’ Aber er’^ÜÖÜKfiSt nicht weit; drüben am WalJrand holt-ihn-der alte Bauer noch einmal ein. „Und wenn ich dir den Lohn aufbessern würde — könntest^du nicht dann wieder um kehren?“ ' T Der Knecht, £tght eine Weile stumm und starrt vor sich Hin. Dann schüttelt er den Kopf. Nein-, umkehren will er nicht mehr

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Seite 18 von 20
Datum: 28.06.1990
Umfang: 20
Donnerstag. 28. Juni 1990 Seite 18 Der Roman im yolksbötGll Meine Mutter ist nicht mehr...“ Der Fremde sieht ihn fest mit sei nen leuchtenden Augen an. Der Blick durchdringt ihn. Vergebens versucht Jakob, ihm zu entrinnen, hascht nach weiteren Worten; aber die Zunge ver sagt ihm. Er fühlt, daß sein Gaukel spiel aufgedeckt ist — die Lüge seines Lebens. Denn alles — wird er jetzt inne —, was er getan, war Lüge und Frucht der Lüge: die Legende von der Jakobslei ter und die vom Heimweh im Diorama

, ein armer, alter Mann. Weh dem, der die Kunst der Täuschung nicht versteht! Weh mir, wenn ich sie nicht übte!“ Dieses war Baimats Selbstgespräch auf dem Breven. Niemand hat es be lauscht; aber von da an bemerkte man, daß der Alte noch stolzer als vorher durch das Dorf schritt. Im Ge spräch mit Fremden vergaß er nie hervorzuheben, daß Chamouny ihm Berühmtheit und Wohlstand ver danke. Wenn er dies betonte — mit verbis senem Groll, als wäre er ein Verkann ter —, dann war sich Jakob Balmat nun wohl bewußt

, daß er nicht die Wahrheit sprach. Aber, hatte er vor her lässig seiner Zunge Erlaubnis ge geben zu schwatzen, was ihr der Au genblick eingab — nun log er mit Überlegung, weil er nicht anders konnte. So geschieht es, daß ein Pferd, dem man die Zügel gern locker ließ, damit es trabe, plötzlich wild zu galoppieren beginnt und nicht mehr zu zähmen ist, so daß der machtlose Reiter ihm seinen Lauf lassen muß, weil er genug zu tun hat, nicht aus dem Sattel zu fallen. Lügen: Das waren die Sprossen der Leiter, auf der Jakob

, daß sie selbst Bankiers seien und für Einlagen denselben Prozent satz zu zahlen pflegten. Da könne er sich ja seine teure Reise sparen, mein te Balmat und gab den beiden sein Geld. Sie versprachen ihm die regel mäßige Überweisung der Zinsen; doch es verging ein halbes Jahr, ein ganzes, das nächste... Jakob Balmat hörte von den Betrügern kein Wort mehr. Im Dorfe lachte man viel dar über; Jakob achtete dessen nicht und ging wieder in die Berge. Noch als Zweiundsiebzigjähriger streifte er durch die Hochtäler, die selten

eines Menschen Fuß betrat; das Silber seines Hauptes beugte sich über vermeintliche Minen; seine Hän de ließen den Sand der Wildbäche durch die langen, dünnen Finger rie seln; und sein schwächer werdendes Auge suchte immer und überall be gehrlich nach dem verborgenen Glanz des Metalls. Gold war die Begierde seines Le bens; und daß er dieser Gier nach dem gleißenen Glück zum Opfer fiel, war ein Abschluß, wie ihn ein Dichter nicht besser hätte erfinden können. Dies war das Ende Jakob Baimats, der den Beinahmen

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Volksbote
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Seite 4 von 8
Datum: 31.10.1946
Umfang: 8
Dorfe das Kirchweihfest sehr feierlich begangen. Nach dem schönen Gottesdienst am Vormittag fand nachmittags eine feierliche Prozession mit den vier großen Fahnen statt. Die Bläser aus Lana verschönten das Fest, — Das Christ-Königsfest am darauf- (42. Fertsetzung) Der Jakob schlich an. Am Feldrain ließ er sich auf ein Enie nieder, richtete das Rohr zwischen den Halmen durch auf das Tier, das ahnungslos im Hafer stand und die Rispen von den Halmen biß. „Haiti“ rief es vom' Erlenstrauch her. „Bauer

, jetzt hab’ ich dich!“ Der Waldmeister Ladislaus kauerte dort und fuhr mit dem Schafte seines Doppel stutzens gegen die Wange. Der Jakob hielt seine Flinte fest und als er sah, daß gegen ihn gezielt wurde, wendete er sein Rohr. „Das Gewehr weg!“ schrie der Waldmei ster. ' „Tust du’s, so tu ich’s auch“, antwortete der Jakob und blieb in seiner Stellung. • „Das Gewehr weg oder ich brenne dich nieder.“ „Ich wehre mich“, sagte der Jakob und beide Feuerrohre waren gegeneinander ge richtet. „Reuthofer, ergibt dich!“ „Lieber sterben

!" sagte der Jakob; hart an seiner Wange pfiff die Kugel vorüber — da drückte er los. Mit einem gellenden Schrei sprang der Waldmeister Ladislaus auf — undstürzte zu Boden mitten im Gebüsch ... „So, jetzt bin ich fertig“, sagte der Jakob, warf die Flinfe weg und faßte mit beiden Händen sein Haupt. — Eherne Stille, drei Augenblicke lang. Dann brach es los aus seinem Munde: „Mörder! Mörder! So muß es enden! So muß es endenl" Jetzt war auf hebenden Füßen der Hatz herbeigeeflt, um den davonstürmenden Jakob

und Baum, bald ent schwand er ihm und der Alte brach end lich vor Erregung und Erschöpfung zusam men. Nach einer Weile kam er wieder zu sich. „Ist es?“ fragte er sich, „oder ist es nicht? Der Jakob hat den Waldmeister erschossen.“ — Er raffte sich auf, um dem Flüchtling neuerdings nachzueilen. Zwischen Hasel nußgebüsch mußte er sich winden, zwischen Erlenstauden, zwischen Himbeer- und Brom beersträucher. Sand- und Steinhalden kamen und auf dem Sande die Spur eines Men schenfußes. Der Natz rief und riel

nach dem Jakob, bis er nicht mehr rufen konnte. Und schritt weiter und wankte und schritt weiter. Große Felsblöcke, von den Bergen nieder gebrochen, lagen in der Schlucht und. waren von Wildfarn und Schierling nmwuchert. Bie Augen des Natz suchten, ob er nicht irgendwo sitze. Jetzt galt’« den Steinwall zu überklettern, der Alle tnt’s, dann kam der stille Grund, wo das Wasser war. Senk rechte, fin8tergraiio Felsen zu beiden Soi- ten. — Hier werde ich ihn einhnlen, dachte der Natz

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Seite 18 von 20
Datum: 08.02.1990
Umfang: 20
geliebt und befruchtet. Auch diesmal schwelgte sie in sol chen verschwiegenen Träumen, als plötzlich ein Schatten über sie fiel. Sie zuckte zusammen, wandte sich um und sah Jakob Balmat. „Gott, bin ich erschrocken!“ stammelte sie und drückte die Hand gegen das Herz. Sie wußte, daß Jakob bei vielen „der Lügner“ hieß; doch hatte sie sich nie darum gekümmert. Die Erinne rungen an jenes Hirtenfest, da sie seine „Montblanckönigin“ hatte wer den wollen, war ihr schon längst ent schwunden

; aber eine unbewußte Neigung zu ihm war verblieben, viel leicht aus der Tatsache erklärlich, daß auch er den Kreis der anderen mied. „Entschuldig!“ sagte Jakob. „Es war nicht meine Absicht, dich...“ Und er errötete bei diesen Worten. Johanna Maria sah das Blut jäh in seine Wangen schießen und freute sich unwillkürlich, wie sie den stäm migen Burschen vor ihrer Mädchen zierlichkeit verlegen werden sah. „Es tut nichts“ sagte sie lächelnd, obwohl ihre Adern noch pochten. Jakob aber durchzuckte ein Gedan ke. Er griff

, sagte sie nichts, erhob sich, glättete die im Kampf zerknitterten Kleider und ging heimzu. Jakob blieb an ihrer Seite. Er er zählte ihr von seinen Streifzügen, von seinem Handel mit den Fremden und den ’Erfolgen und klingelte mit den Münzen im Beutel. Sie hörte ihm nicht zu; sie fühlte ein Schandmal auf den Lippen brennen und glaubte, alle müßten ihr das Ge schehnis vom Munde ablesen können. „Nun kannst du ja durch das Dorf laufen“, warf sie plötzlich in seine Erzählung, „und dich laut

sie nach einer Antwort. Bei jeder Handbewe gung stieß sie an den versteckten Stein. Am Abend war sie entschlos sen, das Geschenk zurückzugeben. Sie ging nach dem Platz unter den Erlen am Wiesenrand; sie saß auf der Stelle, wo er sie gestern hingeworfen, und wartete bis in die Nacht, den Stein zwischen den Fingern drehend und in Ungeduld aufgelöst. „Ich werfe ihn weg“, dachte sie. „Was kümmert mich Jakob Balmat?“ Doch dann besann sie sich des Wertes, den sie vernichten wollte, und be schloß

: „Das kann ich ihm nicht zu fügen.“ Als der Mond aufzuziehen begann, lief sie heim. Sie weinte lang in das Kissen, denn sie fühlte, wie sie von Stunde zu Stunde schwächer wurde in ihrem Entschluß. Kräftig wehrte sich der Trotz ihrer Einsamkeit; doch schließlich erlag er der Liebe. Als sie zwei Tage später Jakob Bal mat traf, erzählte er ihr, daß er wieder in den Bergen gewesen war, auf der Jagd nach Kristallen, und zeigte ihr seine Beute. Es waren hübsche Stücke. „Aber keiner ist so schön wie der deine“, sagte er und sah

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Seite 5 von 12
Datum: 30.10.1958
Umfang: 12
im Kampfe, gleich Im Tode. Hier ist die Einförmigkeit der Gräber ergreifendes Symbol der Kameradschaft. Allerseelenkerzen Modernes Elsenkreuc. Auoh in unserer Zelt Anden Künstler sohöne neue Formen für das hand.Tesehmiedete Elsenkreus. „Dreitausendvierhunde, tzweiundzwanzig Mark und 33 Pfennige.“ Die Nachrechnung der Monatsbilanz stimmte. Zufrieden schloß der reiche Fabrikant Jakob Ellerhag das Kas senbuch; legte es. wieder zurück in den Schrank, schloß diesen ab und schob den Schlüssel in seine Tasche

. Eigentlich wollte er jetzt einen Gang durch den Park seiner Villa unternehmen. Aber da fiel der. Blick des Mannes auf seinen Schreibtisch, wo der Ka lender sagte, daß heute Allerseelen war. Der Tag, um besonders an die Verstorbenen' zu denken. Hatte. Jakob Ellerhag solche, die im Fried hof ruhend, auf seine Liebe warteten? O ja. Gattin und Kind. Nicht lange durfte er sich am Glück der beiden erfreuen. Klara, seine Ehefrau, wurde ihm erst vor drei Jahren durch.. einen .Verkehrsunfall entrissen

.' Der kleine Egon, erst vier Jahre alt, wurde ein Jahr früher das Opfer einer Kinderkrankheit. Fabrikant Jakob Ellerhag und seine Ehe? Was wurde darüber nicht alles in der Stadt geflüstert? Daß er, der einzige Sohn reicher Eltern, ganz gegep deren Willen, Klara, ein armes Mädchen aus einer Arbeiterfamilie, zum Altäre führte und die reichen Eltern des Mannes sofort jeden Vefkehr mit Sohn und Schwlegertpchter.ftbbrachen. ;;; Der sinnende Mann am Schreibtisch mußte zugeben,. Klara hatte in der Tat sehr'wenig

mit in die Ehe gebracht Einen kleinen Spar betrag, den sich diese als Verkäuferin in einem Schuhgeschäft mühsam .zurückgelegt hatte., Dazu noch ein hübsches Gesicht und zwei dühklej Aügen. Damit war Jakob Eller hag zufriedefiiiiEr hatte ja großen Reichtum. Zwei Fabriken, die sehr hohen Gewinn er gaben. Weiter dazu noch ln der Stadt drei Mietshäuser, welche auch, einigermaßen ge eignet waren, sein monatliches Einkommen zu erhöhen. Sehr, oft macht Reichtum das Herz kalt gegen Empfindungen,der Liebe. Bel Jakob

Bllerhag traf dies ein. Belm Tode der Gat tin, wie auch beim Verlust des Kindes, stand er qhne warme Trauer an ihren Gräbern. Auoh davon wurde heimlich in der Stadt geredet, Ja, rnd noch mehr. Man wollte dort sogar' wissen, Jakob Ellerhag hätte später sogar bereut, die arme Klara zu seiner Ehe frau genommen zu haben und es für ihn bes ser gewesen wäre, wenn er nach dem .Vor schlag seiner Eltern eine reiche Frau erwählt hätte. Jakob Ellerhag grübelte weiter in seinen. Gedanken. Diesen unliebsamen

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Volksbote
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Seite 4 von 6
Datum: 16.05.1946
Umfang: 6
mit Aufgeschnittenem, brächte in blumigen Schalen Butter und Käse und eine bau chige Flasche mit Wein. „Was man halt so im Haus hat“, sagte der Knatschei, indem er den Jakob an den Tisch drängte, „mußt schon fürlieb- nelpaen. Sind halt nur Resteln. Wenn du einmal zum Mittagsmahl kommst, kriegst schon was Rechtschaffenes. Mach’ dich dran, ’s ist Eigenbau. Bis auf den Trunk. Geh, sp weiß wachst es halt nicht das Brot, bei euch in Altenmoos. Trink’ Nach bar, trink!“. Zum Anstoßen war’s mit den Gläsern

, wie es die Herrischen machen, Der Ja kob tat’s, nippte aber nur ein Weniges. Der Knatschei leerte das Glas auf einen Zug und stellte es dann scharf auf den Tisch zurück. Auch verzog er das Gesicht, > sog unter Zungenklatschen den Gaumen aus und sagte zu seinem Weihe: „Alte, du mußt einen Frischen Anzapfen lassen, dem riecht man schon das F§ß ari. Das bin ich nicht gewohnt, Tröpfe! muß Ich ein gutes haben lm Haus. — Laß dirs schmecken, Jakob, Kaltkälbernes Jst ge wiß seltsam hei euch drin,“ Ehrenhalber genoß dar

Jakob etliche Bissen, da war der Knatschei auch schon mit der Zigarrentasche da: „Such' dir eine |us, Jakob." • - Das ward dem armen Bauer aus Al tenmoos alles auf einmal vörgeschüttet, und schon rief der Knatschei in die Küche hinaus: „Die Köchin soll uns einen guten Kaffee kochen!“ Nebenbei guckte er sei nen Gast so von der Seite an, welchen Eindruck diese Herrlichkeiten wohl auf ihn machten. Da der Jakob aber nichts desgleichen tat,, sondern ganz ruhig eine Schnitte Brot 1 aß, schlug Ihm der Knat

- schel, schon weinwarm, plötzlich die Hand auf die Achsel und schrie:. „Na, Ja kob, was sagst dazu? Hel So-leben wir halt in Sandeben, Kümmerlichkeit leiden wir keine, daran haben wir zu Altenmoos satt bekommen. — Alte, was er nicht ißt. das schlag Ihm in ein Papier, soll’s seinen Leuten heimhringen.“ N Jetzt stand dev Jakob auf und sagte: „Vergolt’s Gott! Wir leiden keinen Hunger daheim, mich gefreut’s, daß es euch gut geht, und ich wünsche viel Glück,“ Dann ging er davon,.Lieber als das für- nehme

Essen wäre ihm gewesen, wenn ihn der Knatschei in seinem Wirtschafts gebäude umhorgeführt hätte. Wie es mit den Koni- und Heuvorräten und mit dem Viehstand bestellt sei beim Knatschei. das hätte er wissen mögen. Nun. man kann sich’s denken, wer ein solches Nachmit- lagsbrot aufz'utischen hat, bei dem werden- Kästen, Scheunen und Ställe erklecklich bestellt sein, Als der Jakob fort war, stürzte der Knatsclml zum Teller bin und steckte mit beiden Händen die Reste in den Mupd und verschluckte

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Volksbote
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Seite 3 von 8
Datum: 26.09.1946
Umfang: 8
sein, daß sich mancher nlcnt zu betten verstanden hat. Wie Ihr dran seid, Reuthofer, Ihr könnt nichts mehr verlieren, Ihr könnt nur gewinnen. Und Ihr werdet sehr viel gewinnen, ich sage es Euch, ich bin Euer Freund, glaubt es • <i mir. „Ihr sprecht als Diener Eures Herrn'', sagte der Jakob. „Ich brauche ihm nicht zu schaden, um Euch zu nützen. Ich gestehe es ja, daß dem Kampelherm noch immer an Eurem Gute gelegen wäre, er möchte sich natür lich den Besitz abrunden.“ „Mir ist es hart, zu denken, daß ich ein Scherben

in seinem Fleisch bin“, sagte der Jakob, „aber mein Gott, was soll Ich tun? Ich kann ohne meinen Reuthof ment leben.“ „Auf Euer Wohl, Jakobi“ sprach der Verwalter und hob sein Glas. „Trinket, alter Freund. Schaut, Ihr habt Mißtrauen gegen uns, und das ist nicht recht. Wir handeln nach den Verhältnissen der Zeit und haben'nichts gegen den Bauernstand. Er wird auch nicht untergehen, aber er wird sich verändern. Und solchen Natu ren, wie der Euren, Jakob, tut das Ver ändern weh, ich begreife es. Aber ihr sollt

Euch nicht beklagen dürfen, daß Euch der Verwalter Ebner schlimm mitgespielt hätte. Auch ich habe eine Heimat und weiß, was das beißt, und werde sie nie vergessen. Ich habe Euren Willen, aut dem Gute Euer Väter fest zu bleiben, sehr geachtet. Jetzt ist’s anders. Ich habe ge hört, daß Eure Tochter ausgewandert ist, Euer Sohn ist auf dem Felde geblieben. Gebt mir Eure Hand, Jakob, seid über zeugt von meiner herzlichen Teilnahme. Aber man muß mit den Tatsachen rech nen und ich sage es Euch, Reuthofer

, es ist nicht möglich, Euch allein in Alten moos zu behaupten. Seid klug, Freund!“ Der Jakob schwieg eine Weile und dann entgegnete er: „Wenn ich jetzt nein sage und wieder nein, so wird’s heißen: Trotz und nichts als Trotz. Aber beim lieben Herrgott im Himmel: Ich kann nicht fort von Altenmoos, ich bin ange wachsen. Den reichen, vornehmen Her ren, was kann ihnen liegen an diesem steinigen Bauerngutl Sie sollen mich in Ruh lassen, mir ist alles dran. Wenn ich einmal gestorben bin, und mein Kind meldet

sein. Der Kam pelherr bietet Euch für den Reuthof- grund, wie er heute liegt und steht —“ „Ich will nichts hörenl“ unterbrach ihn der Jakob und wehrte mit beiden Händen ab, „mein Haus verkaufe ich nicht. Ich bin gekommen, um meinen Wildschaden anzugebeu und dafür entschädigt zu. wer den. Sonst will ich nichts." Der Verwalter stand auf und hatte eine veränderte Stimme, als er nun sprach: „Man wird den Schaden von Sachverstän digen abschätzen lassen und die Entschä digung wird Euch auf Amtwegen zukom men

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Volksbote
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Seite 4 von 6
Datum: 24.10.1946
Umfang: 6
in Laas den kundigsten Fachkollegen zu Grabe. mich in Neu-Altenmoos Jakob den Ersten nennen wird. Das, mein Vater, ist in flüchtigen Zeilen mein bisheriger Lebenslauf. Und jetzt, so glaube ich — jetzt darf ich schreiben. Wie gerne möchte ich Euch sehen, aber nun bin ich hier festgenagelt, wie Ihr dort. Jetzt verstehe ich das Eestgesessensein freilich besser, wie dazumal. Es ist ja wahr: Gottes ist die Erde überall und Pilger sind wir alle. Doch der rechte Mensch — ich weiß es jetzt — muß eine Heimat

, daß Euer Jackerl doch nicht so ganz umsonst davongelaufen ist. Meine kleine Gertrud bittet mit mir, daß Ihr alle uns liebhabet. Und vo- allem — ich bitte Euch — schrei bet mir, daß Ihr mich verziehen - habet und meinetwegen keinen Kummer mehr leidet. Schreibet recht viel, wie es Euch geht, und von der Angerl und ihrem Manne, die wir vielmals grüßen. Meine Adresse ist zu ma chen: An Herrn Jakob Steinreüter, Besitzer des Reuthofes in Neu-Altenmoos bei Port Fremont in der Sierra. Oregon In Nord amerika

. Und nun mein teurer Vater, lebt wohl. Und es hofft ein Wiedersehen Euer dank- schnldiger Sohn Jakob. Neu-Altenmoos, 15. August 1885.“ Im Gottesfrieden Jakob legte sich in derselben Naoht wohl zu Bette, aber die Lider sanken ihm nicht. Am nächsten Morgen, als der Guldeisner im Hofe herumst&lperte und knurrend nach dem Reuthofer fragte, um ihm noch einmal zu sagen, daß er ein dummer Bauer sei, war der Jakob nicht zu Anden. Der alte Sauer topf, dem die Welt heute wieder lange nicht so drollig vorkam als gestern

bei dem Apfel wein, mußte unverrichteter Sache weiter ziehen und den „dummen Bauern“ in sei nem eigenen.Kopfe verschimmeln lassen. Der Jakob war auch nicht zu finden, als der Natz die Ochsen an den Pflug spannte, um damit auf die Herbstbrache zu fahren. Der Jakob tat, als wäre auch heute noch Feiertag, er strich an den Rainen hin, ging in den Schachen und auf die Au und wie der zurück am Rain, die Hände hatte er am Rücken und das Gesicht hielt er zu Boden gewendet. Voller Demut in Freud wie in Kummer

sich jetzt hleigraue Nebelhaften herein. — Kein Lnfthauch, kein Vogelsang, kein Zirpen der Heimchen. Daß es gar so still sein mag in solchen verlorenen Herbsttagen! Gar so herzbeklemmend still! Der Natz sah den Jakob sitzen und ging hinauf. „Ist dir was, Bruder?“ redete er ihn an. Der Jakob überhörte die Frage. „Tst’s nicht, daß wir die Ochsen auf die Eicht (Futterweide) treiben soften?“ fragte der Natz. „Die Ochsen verkaufe ich“, antwortete der Jakob. „Und snannen wir zwei uns selber dann an den Pflug

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Volksbote
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Seite 3 von 8
Datum: 03.10.1946
Umfang: 8
haben ihm das Kraut ge fressen. Was ist ein Kohlkopf wert? Um vier Kreuzer meinten die Schätzmänner, könne man sogar draußen in der Krebsau die schönsten Kohlköpfe haben. An 200 Stück wenn mans hoch nimmt, seien ge. fressen, macht acht Gulden. Bar bekam der Jakob das Geld auf die Hand aus gezahlt. Dieser hielt das Papier in der flachen Hand so hin und sagte: „Was mache ich damit? Draußen im Talmag man den Kohl so kaufen, aber wer führt ihn mir herein, wo alle Wege zerrissen sindl Oder wachsen jetzt im Spätherbst

die Kohl köpfe zu Altenmoos, wenn ich dieses Pa pier ansäe? Ihr lieben Herren, für mich hat der Kohl einen anderen Wert, als für euch. Für euch ist er nur Zuspeis, für mich ist er auch Braten, mit Ver laub." Es half nichts. Wenn ihm die Entschä digung zu gering sei, hieß es, so möge er sieb ans Gericht wenden. „Daß ich ein Narr wäre!" lachte der Jakob auf, „da wollt mir mein Recht hübsch teuer zu stehen kommen! Das kennen wir." Einmal, als ihm das Wild sein Hafer feld arg mitgenommen hatte, ward

ihm natürlich alsbald die Schadenabschälzung in Aussicht gestellt. Sie ließ aber auf steh warten. Der Waldmeister ließ dem Jakob auf seine Vorstellung sagen, wenn er den Hafer schneide, bevor die Kommission käme, so kriege er nichts. Der Jakob war tete. Bevor jedoch die Abschätzung kam, kam der Schnee und vernichtete die gan ze Ernte. Bald hernach war auch die löb liche Kommission da. Sie machte eine sehr bedenkliche Miene und fragte: Wie so da von Wildschaden die Rede sein könne? Da müsse der Reuthofer

schon den Herrgott verklagen, für das Schneien sei der Jagdherr nicht verantwortlich. Da ballten sich dem armen Manne wohl oft die Fäuste im Sack. „Was wollt ihr Euch beklagen!“ sagte ihm einmal ein Bauer aus der Krebsau, „bei uns draußen vernichtet das Wild die ganze Obstzucht. Wer junge Obstbäume hat, der weiß die Hasen erst zu schätzen, . wenn sie in der Schüssel sind!“ „Ich kann mir nicht helfen", antwortete der Jakob, „aber daß auch Ihr Euch’s ge fallen laßt wo Euer doch noch so . viele

sind, das verstehe ich nicht. Viele Hunde sind ja doch des Hasen Tod.“ „Und viele Hasen sind des Bauern Tod. ‘ Im Reuthofe war trotz des manchmal umziehenden Gesindels der Hausbund abgeschafft worden. Durch das bestän dige Hundegebell am Hofe werde rings um das Wild verscheucht, behauptete der Waldmeister, und das war dem Hund nicht gedeihlich, starb er nicht an knal lendem, so starb er an stillem Pulver Der Jakob mochte die Todesqualen nicht heraufbeschwören und verzichtete auf , en j^ aus Tvächter. Eines Tages

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Volksbote
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Seite 3 von 8
Datum: 11.07.1946
Umfang: 8
, Amerika ner und Franzosen nach einer Entscheidung auf ethnischer Grundlage dem jugoslawischen und russischen Standpunkt gegenübersteht, daß ethnische Grundsätze von geringerer Bedeu tung seien als wirtschaftliche und strategische Sicherheit. |ak0b 6er Itfyit / ^tne a)öl6baußcngeJ3jJd)te aue unfcc 4 n Tagen »on D * t e r Rofeggec (26. Fortsetzung.) „Beim Jakob?“ fragte der Kohlenbren ner, „ist schon recht, icli geh’ eh’ vorbei gleim (nahe) an seinem Hans.“ „Sei so gut, sag ihm’s, sein Weib liegt

, daß er nicht zu sehr er schrickt.“ „Gute Facht“, sagte der Kohlenbrenner und stieg nnwärts. Unterwegs dachte er bei sich: Wäre ich lieber heim Meiler ge blieben. Draußen das Giften und jctzl eine solche Botschaft tragen! Als er nach Stunden, es war schon dun kel, am Reulhofe die karrende Tor schranke aufmachte, rief an der Haustür der Jakob: „Bist es, Maria? Lang’- bist aus, aber mit guter Nachricht kommst, gelt?“ „Dein Weib ist es nicht. Jakob“, sagte kel, am Rcuthofc die knarrende Tor- Weg zu weit geworden für einen Tag

. Sie' ist heim Schulmeister in Sandeben und rastet sich aus. Wird sich gewiß gc- \ freuen, wenn du sie morgen abholen gehst.“ Der Jakob schritt ganz nahe an den Boten und fragte: „Ist sie vielleicht gar krank?“ „Keine Unmöglichkeit, bei der Anstren gung. Und eine Hitz’ hat’s gehabt zum Schlagtreffen.“ D*r Jakob fragte nicht weiter. „Willst einen Löffel Suppe mit uns essen?“ lud er endlich den Boten ein. „Hab’ keine verdient“, dankte der Koh lenbrenner und ging nächtig seines We- nes. Der Reuthofer sagte

es dem Friedei: ..Heut’ wird was geschehen sein, Friedei. Spannen wir zwei Ochsen ein und fahren um die Mutter.“. „Ich weiß nicht, mir ist heute den gan zen Tag schon so hart gewesen“, gestand ■°lzt der Friedei. Sie spannten den zweirädrigen Karren an und fuhren in der Nacht auf schlech ten Umwegen nach Sandehen. Unterwegs redeten sie nichts, der Friede! trieb die Ochsen an, der Jakob ging hinter dem knarrenden Karren drein und nahm sich vor, das Beste zu hoffen und auf das Schlimmste gefaßt zu sein. Lahge

nach Mitlernacht klopften sie am Schulhause •u Sandeben. • . Sie schläft noch immer“, berichtete di" T 'hrersfrau. ..ihr solltet sic ruhen lassen.“ Bei ihrem Eintritt erwachte sie und sagte die zwei Worle: „Jakob, heim.“ Der Jakob sah nun wohl, wie es stand. Was < kümmert es ihp jetzt, daß die Bitt schrift noch bei ihr gefunden wurde! Sie legten die Kranke auf das Stroh des Kar rens und fuhren davon. Wie war der Weg holperig! Der Jakob stellte sich mit den Achseln an die rückwärtigen, Karre.n- jöcher und frug

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Seite 4 von 8
Datum: 29.08.1946
Umfang: 8
Hofer, Paramenfeii-Gesdiäff, Bozen, Lauben 18 hörts zum Reuthof, hier gehörtS' dem Kampelherrn. Die Grenzen tu’ dir gut merken, mein Sohn. Weiche nie ab von den alten Ehren. Die Grenzmark halte unverrückt wie die Gebote Gottes. Tue auch dem Nachbar recht. Der Herr wiegt mein und dein und wird der Richter sein! Gedenke des alten Spruches.“ So sprach der Jakob. Der Friedei be achtete die Worte nicht, sondern fragte den Vater, ob das Kruziloch oben im Ge birge schon stark verfallen wäre? „Kümmert

sich kein Mensch darum, seit die Soldatenflüchtling« abgekommen sind,“ antwortete der Jakob. „Na jetzt sehen wir schon unser Haus Friedei, grüß dich Gott daheim!“ Als sie zu den Eschen kamen, unter denen der Hofbrunnen in einen langen Trog rieselte, sland am Trog die zwergige Dirn’ und kicherte: ,„Soviel sauber!“ gur gelte sie, „soviel sauber! Und soviel einen Federbuschenl Und soviel lange Spieß haben siel“ Der Jakob führte den Heimgekehrten zur Kapelle. „Schau“, sagte er und faßte den Wcichselbaum

an. „er blüht schon. Und jetzt gesegne dir Gott den Eingangt“ Sie traten ins Haus, der Bursche voran. Als er die Stubentür öffnete, prallte er zurück, als hätte ihm jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt. Zwei Gen darmen mit nufgepflanzten Gewehren nahmen ihn in Empfang. Flüchtling! — Dem Jakob ward blau vor den Augen. Der Friedei tat einen Seufzer, dann preßte er Mund und Augen zu und ließ sich fesseln. „So stehts mit dir!“ stöhnte der Vater. „Sie sollen mich erschießen, jetzt ist mir schon alles eins

“, rief der Bursche hell, „o Heimat, Heimat du bist mein Ver derben!“ Als er gefesselt in einem Winkel der Stube lehnte, verlangten die Büttel etwas zum Essen. Die alte Gardel trug mit zitternden Beinen Milch und Brot auf und fragte oh sie auch Geld haben wollten und flehte nur das Lehen sollten sie ihr nicht nehmen um Gottes Willen. Der Jakob befahl barsch, daß sie nicht töricht sein, sondern eine Eierspeise be reiten solle. Als die Speise auf dem Tische stand und die Landskneohte Zu griffen, drängte

der Vater den Friedei, auch etwas zu essen. Umsonst, der arme Bursche lehnte in einem Winkel reg- nungslos und totenblaß und schien teil nahmslos zu sein für alles. Und als die Gendarmen endlich zum Aufbruch rüsteten und den Gefesselten emporrissen, wendete sich dieser gegen den Jakob und sagte ganz ruhig, fast kalt: „Vater, heute sehen wir uns das letztemal.“ Der Jakob nahm seinen Stock und ging mit ihnen. Es war, als verlasse auch er plötzlich und willenlos seinen Reuthof für immer. Jetzt lief

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Seite 8 von 20
Datum: 23.11.1989
Umfang: 20
in Cha- mouny waren?“ „Wer behauptet denn solchen Un sinn?“ kam unwirsch die Gegenfrage. „Jakob Balmat hat es soeben vor der Kirche erzählt“, antwortete der Junge schüchtern. „Und dadurch läßt du dich dumm machen?“ „Es klang mir unwahrscheinlich“, entschuldigte sich Michel Gabriel, „besonders, weil er sagte, daß sein Vater sie gesehen habe.“ „Gabriel! Wie konntest du nur ei nen Augenblick im Zweifel sein?“ „Aber er wußte ganz genau, wie der eine angezogen war, der indische Kö nig; daß er weite, weiße

auch jetzt noch still. „Das ist die Wahrheit“, sagte der Vater. „Nun geh und laß dich nicht mehr zum besten halten!“ Und damit beugte er sich wieder über seine Bü cher. Mit dem stolzen Bewußtsein des Wissenden kehrte der Lateinschüler zu den Kindern zurück. Sie saßen noch auf den Stufen der Kirche beisammen, und Jakob erzähl te noch immer. Michel Gabriel faßte der Eifer des Gelehrten und mit einer Lautheit, die ihm sonst nicht eigen war, stürzte er auf die Gruppe zu. „Hört doch nicht auf den Lügner! Er macht

euch ja alle zu Narren.“ Jakob errötete. „Warum bin ich ein Lügner?“ schrie er und stürzte auf den Lateinschüler los. Dieser war bereit, sich zu verteidi gen, und es hätte wohl eine arge Kei lerei begonnen, wäre nicht gerade in diesem kritischen Zeitpunkt der Pfar rer über den Platz gekommen, der die beiden Buben Aug in Aug einander gegenüberstehen sah. Er trat zu ihnen — die Kinder erhoben sich und grüß ten im Chor —, packte jeden der Streithähne beim Kragen und hielt ihnen eine Sittenpredigt. Jakob blickte

in unserem Tale gewesen seien.“ Der Geistliche blickte Jakob stren ge an. „Wie kommst du denn zu einer solchen Unwahrheit?“ „Mein Vater hat mir’s erzählt“, be hauptete der Gefragte rasch. „Kind, du lügst“, sagte der Pfarrer eindringlich. „Dein Vater kann das nicht sagen, denn er weiß, daß seit der Geburt unseres Heilands siebzehn- hundertsechsundsechzig Jahre ver gangen sind.“ Jakob wußte nichts mehr zu ent gegnen. „Bewahre deine Zunge in Zukunft vor der Versuchung des Teufels!“ er mahnte ihn der Pfarrer

und ging davon. Kaum war sein schwarzes Kleid den Blicken der Kinder entschwunden, lief Jakob, so schnell er konnte, nach Hause, sich vor der Schande im Stall zu verstecken. Ihm nach gellte der Hohnruf „Lüg ner!“, dessen Echo nicht enden wollte. Der verfluchte Berg Als Jakob ins siebente Jahr ging — es war im Bergfrühling, und der Kro kus blühte neben dem Schnee —, stieg er mit seinem Vater auf den Breven, eine Hirtenhütte zu besichti gen, die sie oben besaßen und im kommenden Sommer wieder bezie hen

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Seite 8 von 20
Datum: 30.11.1989
Umfang: 20
Winter zu hoffen gewesen. Da und dort war ein Brett zu befestigen oder ein Loch zu verstopfen; doch es dauerte nicht lan ge, bis die Ordnung wieder herge stellt war. „Wie gefällt es dir hier?“ fragte der Vater Jakob, als sie vor der Türe ihrer Zehrung zusprachen. Der Bub sah nicht nach der Hütte, er blickte hinüber nach den Firnfel dern des Mont Blanc, und seine Augen glänzten. „Auf den Höhen ist es viel schöner als unten in Chamouny.“ Der Vater lächelte. „Das freut mich, daß es dir hier paßt“, sagte

er. „Peter will mir heuer nicht mehr als Schafhirte gehen, und da will ich es mit dir versuchen. Willst, du herauf kommen?“ Jakob fiel dem Alten um den Hals. „Vater“, jubelte er, „wie gern!“ „Um Gottes Willen“, stöhnte Jo hann Franz, „erwürg mich nicht! — Bub, hast du eine Kraft!“ staunte er, als Jakob ihn losgelassen hatte. „Ich habe geglaubt, du seiest ein schwa ches Kind; nun aber seh ich, daß du stark genug bist, einen Bock bei den Hörnern zu packen. Du wirst ein tüch tiger Hirtenbub

werden. — Hier in der Hütte magst du schlafen und vor dem Regen dich schützen.“ „Ich werde mir frisches Reisig auf das Lager legen“, meinte Jakob, „die Mutter soll mir eine warme Decke mitgeben. Es wird wunderbar werden.“ Damit begann das Hirtenleben des Jakob Balmat, eine schöne Zeit, an die er sich sein Leben lang gern erin nerte. Die Behütung der ihm Anvertrau ten ließ er sich nicht zur Sorge wer den. Die Tiere grasten, wo sie wollten und das beste Futter fanden. Jakob verlor sie oft stundenlang aus den Augen

, bis alle eingesponnen waren und die fahlen Firne aus der eintönigen Wolkendecke zu störmen schienen; oder wieder, wenn der sinkende Tag Feld und Eis in Gold und Purpur hüll te. Manchmal stand Jakob nachts auf und sah drüben nichts als die Sche men der Berge unter den zahllosen Sternen, es sei denn, der wandelnde Mond ließ die Gletscher silbern er glänzen. Jakob hatte einen kleinen Hund, einen zutraulichen, ja verspielten Spitz. Wollte er ihn den Schafen nach jagen, mußte er ihn mit Püffen dazu treiben

. Für seine Träumereien je doch konnte er keinen besseren Ka meraden finden. Wenn der Bub ihm erzählte, was sich drüben ereignete, wenn er von Sonne und Nebel sprach, von Stein und Schnee und, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, von dem Schicksal des Verfluchten Berges, dann blickte das Tier ihn mit klugen Augen an, knurrte leise — was Jakob als Zustim mung nahm — und legte ihm die Pfo ten aufs Knie. So zogen Jakobs Gedanken immer wieder in das geheimnisvolle Land. Nichts war ihm Chamouny mit den Spielplätzen

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Volksbote
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Seite 9 von 20
Datum: 30.11.1989
Umfang: 20
Winter zu hoffen gewesen. Da und dort war ein Brett zu befestigen oder ein Loch zu verstopfen; doch es dauerte nicht lan ge, bis die Ordnung wieder herge stellt war. „Wie gefällt es dir hier?“ fragte der Vater Jakob, als sie vor der Türe ihrer Zehrung zusprachen. Der Bub sah nicht nach der Hütte, er blickte hinüber nach den Firnfel dern des Mont Blanc, und seine Augen glänzten. „Auf den Höhen ist es viel schöner als unten in Chamouny.“ Der Vater lächelte. „Das freut mich, daß es dir hier paßt“, sagte

er. „Peter will mir heuer nicht mehr als Schafhirte gehen, und da will ich es mit dir versuchen. Willst, du herauf kommen?“ Jakob fiel dem Alten um den Hals. „Vater“, jubelte er, „wie gern!“ „Um Gottes Willen“, stöhnte Jo hann Franz, „erwürg mich nicht! — Bub, hast du eine Kraft!“ staunte er, als Jakob ihn losgelassen hatte. „Ich habe geglaubt, du seiest ein schwa ches Kind; nun aber seh ich, daß du stark genug bist, einen Bock bei den Hörnern zu packen. Du wirst ein tüch tiger Hirtenbub

werden. — Hier in der Hütte magst du schlafen und vor dem Regen dich schützen.“ „Ich werde mir frisches Reisig auf das Lager legen“, meinte Jakob, „die Mutter soll mir eine warme Decke mitgeben. Es wird wunderbar werden.“ Damit begann das Hirtenleben des Jakob Balmat, eine schöne Zeit, an die er sich sein Leben lang gern erin nerte. Die Behütung der ihm Anvertrau ten ließ er sich nicht zur Sorge wer den. Die Tiere grasten, wo sie wollten und das beste Futter fanden. Jakob verlor sie oft stundenlang aus den Augen

, bis alle eingesponnen waren und die fahlen Firne aus der eintönigen Wolkendecke zu störmen schienen; oder wieder, wenn der sinkende Tag Feld und Eis in Gold und Purpur hüll te. Manchmal stand Jakob nachts auf und sah drüben nichts als die Sche men der Berge unter den zahllosen Sternen, es sei denn, der wandelnde Mond ließ die Gletscher silbern er glänzen. Jakob hatte einen kleinen Hund, einen zutraulichen, ja verspielten Spitz. Wollte er ihn den Schafen nach jagen, mußte er ihn mit Püffen dazu treiben

. Für seine Träumereien je doch konnte er keinen besseren Ka meraden finden. Wenn der Bub ihm erzählte, was sich drüben ereignete, wenn er von Sonne und Nebel sprach, von Stein und Schnee und, unter dem Siegel der Verschwiegenheit, von dem Schicksal des Verfluchten Berges, dann blickte das Tier ihn mit klugen Augen an, knurrte leise — was Jakob als Zustim mung nahm — und legte ihm die Pfo ten aufs Knie. So zogen Jakobs Gedanken immer wieder in das geheimnisvolle Land. Nichts war ihm Chamouny mit den Spielplätzen

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Seite 4 von 16
Datum: 28.10.1976
Umfang: 16
Ein bezauberndes Stückchen Erde Aus der Dorfgeschichte von St. Jakob im Ahrntal / Ein Beitrag von Josef Platter Verläßt man die aufstrebende Ortschaft Steinhaus und wandert weiter gegen das Talinnere, so erblickt man schon von weitem die Silhouette eines gotischen Turmes, der sein versteinertes „Sursum corda“ in den Himmel schreibt. Es ist die Kirche St. Jakob, die dem Dorfe den Namen gegeben hat. Schauen wir uns heute etwas in diesem Ahrntaler Dorf um. Es ist keine geschlossene Ortschaft

ab. Blickt man vom „Bühel“ aus gegen Osten, so erblickt man die Drei herrenspitze (3500 m). Die Höhenlage des Dorfes liegt zwischen 1088 m (Weiler Gatter) und 1200 m. Durch das Dorf St. |akob führen seit einigen Jahren sogar zwei Straßen: Wäh rend die eine Straße die Höhe über den „Bühel“ erklimmt, an der Kirche vor beiführt, zieht sich die Talstraße längs der Ahr dahin und vereinigt sich mit der „Höhenstraße“ beim „Kordilcr“ (Gasthof Ahrntal). Besiedlung und Höfe Wann die Gegend von St. Jakob besie delt

), Gruben (1450), Maurberg (1450), Ober- und Niederhollenz (1450), Par- rain (1534), Kienberg (1450), Hallechn (1534). 1450 werden schon 32 Höfe in St. Jakob erwähnt. Interessant ist auch, daß 1551 schon ein Schmied (im Moos), ein Gasthaus (Städlner Wirt — 1555) — außerhalb von Nicderachrain und 1967 durch Hochwasser zerstört — und ein Krämerladen (1634) erwähnt werden. Kirchliche Verhältnisse In den Ablaßbriefen von 1454 wird erstmals eine Kapelle erwähnt, die etwa 70 Jahre gestanden

die Seelsorge von der Pfarre Ahrn aus versehen und je weils am zweiten Sonntag des Monats ein Gottesdienst abgchalten. 1700 kam Franz Xaver Spreng als erster Seelsorger (Kurat) nach St. Jakob. Patronatsherr war Anton Sternbach, Kanonikus in Brixen und Pfarrer von Täufers. In den ersten Jahrzehnten kam es bei der Be stellung des Seelsorgers öfters zu Kom petenzstreitigkeilen zwischen den Frei herren von Sternbach und der kirch lichen Behörde. Die Verpflichtungen des Pfarrherrn waren umfangreich: Zwei

.Sonntage hintereinander Gottesdienste in St. Jakob, den dritten Sonntag in Sankt Peter, eine sonntägliche Messe in Stein haus, von Fronleichnam bis Flerbst Wet- lerandaehten, weitere Gottesdienste in Steinhaus (Rorate für die Gewerkschaft, Quatembermessen für den Patronats- herrn. Messen am Antonius- und Fran ziskustag (zweiter und dritter Kirchen patron in Steinhaus). 1785 wurde dann St. Peter als Seelsorge selbständig, 1791 waren sogar zwei Hilfspriester in der ausgedehnten Pfarrei. Es wäre

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