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Lienzer Zeitung
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Seite 8 von 14
Datum: 29.09.1914
Umfang: 14
so haben wir es früher gemacht. Du erscheinst mir so ernst und gedankenvoll.' Ulla wendet das Haupt überrascht der Gräfin zu. „Wie gut du alles erraten kannst, Tante May!' sagte sie und küßte die Gräfin. „Allerdings habe ich es gar nicht nötig, doch zuweilen kommt es über mich wie eine bange Ahnung. Tante May, ich glaube, ich habe mein Glück nicht mehr lange.' „Wie meinst du das?' erwiderte die Gräfin erschrocken. „Wla dimir ist doch der beste Gatte.' „Gewiß

, das ist es auch nicht. Seine Gesundheit macht mir manchmal Kummer.' „Seine Gesundheit?' rief die Gräfin noch erstaunter. „Ich glaube, dein Gatte ist der kräftigste, gesündeste Mann, den man sich denken kann!' „Ja, das glaubt alles. Doch wenn er halbe Nächte hindurch arbeitet, o, er mutet sich viel zu viel zu, und dann einsilbig bei Tische sitzt, sich sozusagen weiterschleppt, und nie wirklich aus ruht, meinst du, das gehe auf die Dauer?' „Allerdings, dies ist nichts. Doch Wladimir hat noch genug Mußestunden, um seiner Gesundheit

zu leben. Liebe Ulla, dir schwebt das Bild deines Vaters vor, doch dieser war längst leidend und gebrechlich.' „Ja, du hast recht', entgegnete Ulla. „Ich glaube, ich bin zu ängstlich. Es ist gut, daß ich Wladimir in den Weihnachtsferien jetzt immer um mich habe. Es wird mich beruhigen.' Sie war auch tatsächlich viel froher und ging nun mit der Gräfin auf deren Wunsch ins Erdgeschoß, in den großen Saal, woselbst schon alles für das Fest vorbereitet war und bereits zwei herrliche Tannenbäume geschmückt

standen. „Was hast du dir wieder für Mühe gemacht, liebe Tante!' rief Ulla, zugleich jedoch freudig überrascht über die wunderbare Arrangierung der Geschenke für die Verwandten. Im Neben zimmer stand auch ein großer Weihnachtsbaum geschmückt. Auf den weißgedeckten langen Tischen waren nützliche Gaben und Geschenke für die Armen des Ortes aufgebaut. ,.O!' rief die Gräfin, „diesmal habe ich mich wenig angestrengt. .Melitta hat mir alles abgenommen, und du siehst, wie sie es verstanden

hat, alles finnreich und schön zu arrangieren. Ich bin sicher, mein Heinz erhält in ihr ein tüchtiges, reizendes Frauchen.' „Davon bin ich auch überzeugt, Melitta hat meine Sympathie im vollsten Maße.' Ein Diener trat jetzt ein, der Gräfin eine Visitenkarte über reichend. „Gnädigste Gräfin, ein Herr wünscht Sie zu sprechen.' Tie Gräfin blickte flüchtig auf die Karte und las: „Graf Kurt v. Rastendorf'. „Führen Sie den Grafen in den blauen Salon, ich werde sofort erscheinen', sagte die Gräfin. „Tu kannst ruhig

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Seite 24 von 30
Datum: 29.09.1906
Umfang: 30
Leben eines mischuldigen Weibes soll nicht geopfert werden. Ich bin heilte abend ans London hier eingetroffen, um eine andere Dame, die Gräfin von Stanchester, hier zn treffen. Glücklicherweise bin ich Gräfin Lolita begegnet und sie hat mir die Wahrheit gesagt.' „Wahrheit, wovon?' rief Kien. „Bon dem, was»iA Ihnen, sobald wir im Schlosse sind, mit teilen will,' entgt'KittV der Mann sehr rnhig. „Sie wissen mehr, als Sie bisher gesagt haben, aber ich weiß doch noch mehr, nnd nm die Gräfin Lolita

zn retten, werde ich alles klarstellen. Alles soll an den Tag kommen.'' „Warnm haben Sie das nicht längst getan? An Gelegenheit dazn hat es Ihnen doch nicht gefehlt!' rief Kien wieder erregt. „Weil Gräfin Lolita mir eben etwas mitgeteilt hat, ans dem klar hervorgeht, wie geschickt ihre Feinde zu Werke gegangen sind, nm mich am Sprechen zn verhindern .. . kommen Sie, es ist kalt hier und die Gräfin zittert.' „Lolita, folgen Sie mir.' Ich sagte es leise und schob meinen Arm durch den ihrigen

würde, weil ich nicht von Ihnen lassen wollte.' So leise Lolita auch gesprochen hatte, Logan hatte die Worte doch vernommen. Er sagte: „Rnhig, bleiben Sie ruhig, Gräfin Lolita.' Nnd zn mir gewandt bat er: „Bitte, Herr Rndhnse, bringen Sie uns sosort zn Gräfin Stanchester.' Wir betraten das Schloß dnrch einen Seiteneingang, und dort besahl ich dem Diener, sich zu erkundigen, wo die Gräfin sei. Nach einiger Zeit kam der Beauftragte mit der Meldung zurück, daß die Gräfin sich im blauen Bondoir mit dem Grafen befinde. Der Mann sah

Logan etwas überrascht an und sagte dann: „Bitte, mir zu folgen.' Und wir gingen die Treppe hinauf und den Korridor im ersten Stock entlang bis zu einer Tür, die der Diener öffnete und dann meldend sagte: „Herr Nndhnse wünschen Frau Gräfin in dringen der Angelegenheit zn sprechen.' Und in der nächsten Sekunde standen wir alle vier in dem ele ganten, mit Blau und Gold dekorierten, strahlend hellen Raum, woselbst der Gras mit seiner Fran im Tete-a-tete gewesen war. „Dn!' rief Georg

eine surchtbare Ver änderung vor. Sie wich mit lantem Aufschrei, die Häude wie zur Abwehr ausgestreckt, in das Zimmer zurück. Dann griff sie sich mit der HÄid^ttach dem Hals, als wenn sie ersticken müsse, aber im nächsM'Äilgenblick hatte sie die Lippen zusammengepreßt, die Hände krampfhaft ineinander geschlungen, sich einen Ruck gegeben, und dann stand sie da wie eine Statne, hoch aufgerichtet, ein herrliches Weib, in prächtiger Diuertoilette von zartrosa Seide mit Silberbrokat. Gräfin Marigold versuchte

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Seite 25 von 30
Datum: 29.09.1906
Umfang: 30
„Was dann geschah, kann Ihnen Richard Kien berichten.' „Ja, das kann ich, und ich glaube anch, daß alles sich so Ver halten hat, wie Logan es bis jetzt berichtet. „Ich war empört über die Dreistigkeit meines Dieners, und meinem ersten Impuls folgend, wollte ich der Gräfin Mitteilung machen. Als ich in die Nähe des Rendezvous kam, waren die beiden schvH jMmmen. Ich sah sie in eifrigem Gespräch beieinander stehestUitd bemerkte dann, wie Weedsort sich — augenscheinlich aus Gräfin Lolitas Wniisch

, rasch herbeigestürzt kam, erhob sich Marie Lejeuue aus der kuieuden Stellung dicht bei dem Toten nnd beschuldigte Gräfin Lolita in überhasteten Worten des Mordes. Zuerst war die Gräfin so benommen und entsetzt, daß sie kein Wort der Ent gegnung hervorbringen konnte, uud als sie endlich die Sprache wieder fand, erklärte die FranMsin Weedfort, sie sei Augenzeuge der Szene gewesen, nahm deu Revolver auf, der neben dem Toten lag. Sie wies darauf hin, wie die Waffe den Namen des Grafen trage; und bevor

Gräfin Lolita noch wnßte, wie ihr geschah, hatte ihr die energische Französin die Waffe in die Hand gedrückt und trieb sie dann an, eilig in die Villa zn fliehen nnd sich dort zu verbergen. Die junge Gräfin wandte sich schwankenden Ganges vom Ort der Tat. Ich folgte ihr, nannte mich nud bot ihr meine Begleitung an; sie wich aber entsetzt vor mir zurück. „Als ich am nächsten Tage erfuhr, daß der Ermordete ein Leutnant Raonl Glover war, Oer viel mit dem Grafen zusammen gewesen und Gräfin Lolita

sehr den Hof gemacht hatte, da war ich fest überzeugt, die Gräfin hätte, im Stelldichein mit Weedfort überrascht, den Leutnant erschossen.' „Ach!' unterbrach der Graf den Sprechenden, „ich erinnere mich noch der Aufregung, welche der Mord hervorrief. In den Zeitungen hieß es, der Leutnant sei einer Spieler- und Erpresser bande in die Hände gefallen, von ihnen ganz ansgeplündert und erschossen worden.' „Jawohl, Herr Graf, nnd diese Auffassung war auch die richtige. Marie hatte den jungen Mann in ihre Netze

gelockt, ihm alles bis auf den letzten Pfennig abgenommen und ihn dann Wohl selbst er schossen. Das hat sie aber nicht verhindert, auch Gräfin Lolita mit Erpressungen zu quälen, indem sie ihr mit Denunziernng drohte. Marie hat es anch verstanden, Weedfort von der Schnld Gräfin Lolitas zu überzeugen nnd den Mord auf Eifersucht zurückzuführen. Ich gestehe ein, daß anch ich die junge Gräfin für schuldig hielt, trotzdem sie am nächsten Tage, wo ich sie traf, alles leugnete, mich aber bat, tiefes Schweigen

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Seite 22 von 32
Datum: 03.07.1914
Umfang: 32
„Immer, immer werde ich tun, was in meinen Kräften steht', erwiderte die Gräfin. Ein Diener servierte eben den köstlichen Poularden, und das Gespräch stockte, und als der Fürst sich wieder an seine Nachbarin wandte, lenkte er das Thema in andere Bahnen. Fürst Herbert v. Norden war kein regierender Fürst, jedoch sehr reich und besaß in Deutschland große, schöne Besitzungen. Da er unbe weibt, konnte er sein Leben nach Belieben einrichten. Die Gräfin hob jetzt die Tafel auf. Die Herren begaben

sich in das Rauchzimmer, um weiter von den glänzenden Erfolgen des Tages zu konferieren. Der Fürst zog es jedoch vor, mit der Dame des Hauses, Ulla und dem Mediziner Heinz der Gräfin Gemach aufzusuchen. Die Gräfin setzte sich auf das kleine Ecksofa. Der Fürst, Ulla und Heinz nahmen ihr vis-a-vis Platz. Es war ein.trcutes und reizendes Gemach, das deutlich deu feinen Ge schmack der Dame des Hauses verriet. Eine behagliche Wärme entströmte dem weißen Kachelofen. Die elektrische Krone wirft ein mattes, gedämpftes Licht

über das Gemach, das in semer vornehmen Einfachheit ganz zu der Gräfin paßt. Weiche Perserteppiche dämpfen den Schritt, und der Fürst nimmt der Gräfin gegenüber Platz, nachdem diese die beiden Perwandten, demselben vorgestellt hatte. Ulla und Heinz nahmen ebenfalls neben der Dame des Hauses Platz, und der Fürst begann sich mit dem jungen Mediziner eifrigst zu unter halten. Diesem, der etwas Offenes und Herzgewinnendes in seinem ganzen Wesen besaß, fühlte sich sofort zu dem Fürsten hingezogen

, und auch der Fürst fand großes Wohlgefallen an dem Bruder der Gräfin. «Ihr Herr Bruder hat wenig Ähnlichkeit mit Ihnen, Gräfin!' sagte der Fürst. „Allerdings nicht,' entgegnete diese, „doch unsere Charaktere haben manches Perwandte.' Heinz staunte über die Klugheit und Weltgewandtheit des Fürsten' allerdings, dieser hatte bereits die halbe Welt gesehen und schien sich für alles zu interessieren. Heinz respektierte alle Menschen, die an ihrer Bildung und ihrem Wissen weiter arbeiteten

, doch ob er sich in jeder Lebenslage je so weit wie der Fürst aufschwingen konnte, das bezweifelte er heute noch. „Man kann von Ihnen lernen, Fürst', sagte Heinz im Laufe des Gesprächs. „Es freut mich, Heinz, daß du derselben Meinung bist wie ich', sagte die Gräfin und nickte dem Bruder lächelnd zu. „Für uns Arzte ist es ja ebenso von größter Wichtigkeit, nicht nur die Leiden und Gebrechen der Menschen zu studieren, sondern cuch ihre Seele, ihr Innenleben', fuhr Heinz fort. „Gewiß', entgegnete der Fürst. „In dieser Beziehung

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Seite 23 von 28
Datum: 08.09.1906
Umfang: 28
„Sie müssen das Tun und Treiben der Gräfin Marigold über wachen . , . passen Sie auf, was sie Vornimmt, mit wem sie zu sammenkommt. Ich kann das nicht, denn sie fürchtet sich vor mir und — ich gestehe es ganz offen — sie ist mir ebensowenig wohl gesinnt, wie sie es Gräfin Lolita gegenüber ist.' „Schön, so stelle ich Gräfin Lolita unter Ihren Schutz und richte mein ganzes Augenmerk auf die Gräfin Stauchester . . . wenn auch all diese Heimlichkeiten und Konflikte mich vollständig verwirren

.' „Ja, ja, lieber Herr Rudhuse, ich glaube Ihnen; aber wenn Sie erst die Wahrheit erfahren, so werden Sie diese noch viel über raschender, viel tragischer, ja schrecklicher finden als alles, was Sie bisher in Erstannen gesetzt hat.' Gräfin Lolita hatte nnS beiden, Kien und mir, mit einem Händedruck gute Nacht gesagt und gedankt, und wir kehrten ge meinsam in das Rauchzimmer zurück, um bald darauf auf unsere Zimmer zu gehen. Am nächsten Morgen wurde um fünf Uhr zum Aufbruch ge blasen ... ein Teil der Gäste zog

mit dem Grafen zur Jagd. Andere wieder wollten sich ihm erst nach dem Frühstück zugesellen. Ich ging in mein Arbeitszimmer und machte unter allerlei Vorwand mir häufig im Schloß zu tun . . ohne jedoch Gräfin Marigold zu treffen. Nnr einmal begegnete mir Lolita, die mir ein klein wenig hoffnungsvoller vorkam. „Folgen Sie Kiens Weisung . . passen Sie gut auf Marigold auf, ich glaube, sie hat heute irgend etwas ganz Besonderes vor.' „Verlassen Sie sich auf mich, Lolita. Ich werde alles tuu, was irgend

sie gegen Lolita hegte. Gegen Mittag wurde es im Schloßhof wieder lebendig; die Damen fuhren per Auto zum Jagdrendezvous, und dann trat tiefe Stille um mich herum ein. Nach einiger Zeit machte ich mich auf den Weg, um endlich einmal in meiner kleinen Privathäuslichkeit, woselbst ich bei dem Trubel, der im Schloß herrschte, nun schon tagelang nicht gewesen war, nach dem Rechten zu sehen. Die Tür zum Boudoir der Gräfin war nur angelehnt; eingedenk Kiens Auftrag, sie zn überwachen, ging ich hinein

und wollte de« Papierkorb einer Musterung unterziehen. Er war leer. War das Zufall oder Abficht? Mir war das eine Enttäuschung. Alles, was Gräfin Marigold jetzt tat, erschien mir verdächtig. Bisher hatte ich Lolita beobachtet und in allem, was sie unternahm, irgend ein geheimes Motiv vermutet, und nun ging es mir mit der schönen, lebenslustigen Fran, deren Element Tennisspiel, Cake-Walk, Auto fahrten, Tanz und Belustigungen waren, genau ebenso. Gegen drei Uhr kamen die Damen zurück, ein ganzer Schwärm elegant

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Seite 26 von 30
Datum: 29.09.1906
Umfang: 30
Begrüßung gesprochen und ihr seine Hand entgegengestreckt habe, sei die Gestalt rasch an ihm vorbeigeschlüpft und habe ihn hinter rücks mit der Waffe verwundet. Das Ganze sei iu rasender Schnel ligkeit vor sich gehangen. Weedsort habe aufgestöhnt: ,Ach Gott, Gräfin . . /, habe sich an den Kleider« der Tame festklammern wollen, sei vorwärts gestolpert und gleich danach tot gewesen. In demselben Augenblick ist Marie Lejeune aus ihrem Bersteck hervor gekommen, und die beide» Frauen

haben sich gegenübergestanden. Marie ist aufs höchste erstaunt gewesen, iu der Frau, die Gräfin Lolitas Pelzkragen trug, nicht Gräfin Lolita selbst, sondern — die Fran zn erkennen, die — dort steht — Gräfin Stauchester!' Loga» schrie den Namen laut uud durchdringend und wies mit dem Finger ans Gräfin Marigold. „Gräfin Stanchester!' wiederholten wir alle wie aus Kommando und starrten die schone Fran an, die wirr um sich sah, als suche sie sich uuseru Blicken zn entziehen. Frauen starrten sich zuerst sprachlos

an, und während Gräfin Mari' gold erkennen mußte, daß jemand um ihr Verbrechen wußte, über sah Marie Lejenne sofort alle Vorteile, die ihr aus dieser Situation erwuchsen: Gräfin Stauchester war nunmehr unrettbar iu ihrer Gewalt. Die Gräfin mußte geben, geben und wieder geben, wenn sie nicht denunziert werdeil wollte. „Ich habe dann, nachdem mir Marie Lejenne von dein Ge schehnis im Park berichtete, Gräfin Lolita mitgeteilt, daß ich von ihrer Unschuld au dem Verbreche» überzeugt sei. Ten Namen des Täters

habe ich ihr aber uicht genannt. Marie Lejenne wollte mir das nicht erlauben. Der Grund für diese Weigerung war ja sehr klar: Marie Lejeune hätte damit jede Aussicht ans weitere Erpres sungen verloren, und es wäre Gräfin Lolita gelungen, sich selbst von jedem Verdacht zu reinigen nnd Marie Lejenne nnd ihre Kom plicen zn denunzieren. Ter Plan dieser Gaunerbande war teuflisch ersonnen nnd durchgeführt, und daß Gräfin Lolita der Verzweif- Der Antomobilbetneb zwischen St. Bl „Aber, mein Gott,' stieß ich hervor

, „die Gräfin war ja da mals noch gar nicht znrück, war ja noch in H,ix les-Lains.' „Nein, das war sie nicht! Sie war am Tage znvor heimlich nach London gekommen und hatte iu einer kleinen Privatpension als Frau Frith Logis genommen. Sie war Weedsort, von dessen Versuch. Gräfin Lolita zu Helsen, sie durch Marie Lejeune Nach richt erhalten, heimlich gefolgt und wollte sich des lästigen Feindes in der Einsamkeit des Parkes zn entledigen suchen.' „Aber der Mantel, Lolitas Mantel?' unterbrach ich Logan

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Seite 26 von 32
Datum: 25.04.1908
Umfang: 32
. „Das ist ja die Gräfin, die hier oben wohnt.' „Die Gräfin?' „Ja, die ist seit vorgestern hier. Ist eine junge Witwe und wohl sehr reich, denn sie hält zwei Zofen und einen Diener und be wohnt sieben Zimmer.' „Ah — und der Name?' „Weiß ich nicht, Herr Leutnant. Doch — werde fragen.' Bereitwillig eilte der Kellner von dannen. Diese seltenen Augen verwirrten Ferdinand ganz. Er wagte ihrem Feuerblick kaum zu begegnen. Da entgleitet dem zierlichen Handgelenk der schönen Gräfin eben ein prachtvolles goldenes Armband

Kunstwerk noch nicht zu bewundern Gelegenheit gehabt.' „Verzeihung, Herr Leutnant,' sprach die Gräfin da mit aller liebstem Augenaufschlag, „habe ich nicht das Vergnügen, in Ihnen den Sieger im großen Rennen, das hier vor zwei Jahren stattfand, wiederzusehen, den damals so viel bewunderten Herrn von Falkenhorst?' Ferdinand errötete leicht, verbeugte sich und erwiderte etwas verlegen: „von Falkenhorst ist mein Name; hatte damals aller dings die Ehre, mit meinem Bombardier den ersten Preis zu er ringen

. Doch durste ich nicht ahnen, daß Gnädigste sich heute noch meiner entsinnen würden, zumal ich nicht einmal wußte, daß sich unter der Schar meiner Bewunderer und Bewunderinnen nun, ich will mich jeglicher Schmeichelei enthalten. Möchte nur um den Borzug bitten, den Namen meiner hohen Gönnerin zu erfahren.' „Ich bin die Gräfin Editha Ritenburg,' antwortete die schöne Frau kokett. „Habe übrigens famose Ohren, weswegen ich Sie schon vorhin nach meinem Namen fragen hörte.' „Frau Gräfin sind doch nicht etwa

? Aber natürlich, gnädigste Gräfin sind die Witwe jenes — alten Herrn, der ein Jugendfreund meines Vaters war und dessen Bekanntschaft ich damals gelegentlich des Rennens gemacht, ohne zu ahnen, wer die Gattin dieses kränklichen, sorgenvollen Herrn wäre.' „Schon recht,' bemerkte die Gräfin, sich bequem in das Polster des Sofas zurücklehnend. „Mußte nämlich meinen Gatten treulos verlassen an jenem Tage, um zu einer sterbenden Kranken, aber heute noch lebenden Freundin, zu eilen. Konnte daher an dem glänzenden

Kasinoball der Garde-Husaren leider nicht teilnehmen. Doch lassen wir das. Also ein Sohn von meines verstorbenen Gatten intimsten Jugendfreund sind Sie! Ei, das berührt mich angenehm! Darf ich Sie bitten, Herr von Falkenhorst, hier Platz zu nehmen.' „Zu viel Ehre! Werde mir gestatten, gnädigster Gräfin auch meinen guten Bekannten, den Forstassessor Walther, vorzustellen.' Walther näherte sich dienernd und hatte, als ihn die Gräfin ebenfalls bat, Platz zu nehmen, nur die devote Erwiderung: „Falls

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Seite 25 von 30
Datum: 13.11.1897
Umfang: 30
zu nutze machen können. Unterbrechen Sie mich nicht, beantworten Sie mir nur die eine Frage: Hat Josepha von ihrer Mutter geerbt?' „Nein. Die Gräfin hat ihr ganzes Vermögen dem Grafen ver macht,' antwortete Bernard. „So würden sie also keinen Heller besitzen, wenn der Graf sie enterbt?' fragte Rosa weiter. „Ohne Zweifel.' „Dann liegt es klar auf der Hand, wie Sie vorzugehen haben,' fuhr sie fort; „unterbrechen Sie mich nicht und achten Sie genau auf das, was ich sage. Sie können die Gräfin ganz

einmal tot, dann könneil Sie durch die Macht, die Sie über die Gräfin haben, Josepha zu der Ihren machen. Begreifen Sie das!' „Vollkommen,' versetzte der Franzose entzückt. „Rosa, Sie sind die beste Diplomatin von der Welt.' „Meinen Sie?' erwiderte diese schlau. „Sie werden noch mehr von meiner diplomatischen Geschicklichkeit sehen, bevor wir mit einander fertig sind. Doch lassen Sie mich ausreden. Es wird nötig sein, die Gräfin hinsichtlich Josephas und des Malers arg wöhnisch

wird die Gräfin überzeugen, daß er ihr Herz gewonnen hat. Verstehen Sie, Paul?' „Vollkommen, vollkommen,' antwortete er, indem er ihr die Hand entgegenstreckte. „Sie sind in der That eine kluge Person, Rosa, und Ihr Plan ist ausgezeichnet.' „So handeln Sie darnach,' fuhr sie fort, während sie sich erhob und die Schachfiguren in ihren Kasten legte. „Ueberlassen Sie mir das Mädchen; sie wird thun, was ich will, darauf verlassen Sie sich; den Grafen und die Gräfin können Sie übernehmen. Und es ist keine Zeit

, und mit einem Mal wurde er gereizt und unfreundlich gegen das arme, feinfühlige Mädchen. Josepha empsand es schmerzlich. Bei ihrem mutterlosen, sreuud- losen Leben war ihr des Vaters Liebe doppelt wert gewesen. Sie hielt ihn für den einzigen Freund, den sie auf der Welt besaß — den einzigen Menschen, an den sie sich in der Not nicht vergeblich um Hilfe, Trost und Teilnahme wenden würde. Sie verdankte das alles dem Einfluß der Gräfin. Nicht allein durch Rosa Bachmann, sondern auch durch ihren eigenen Haß

an gestachelt, sowie durch den dringendsten Wunsch, Josepha ganz in ihre Macht zu bekommen, hatte sie alles, was Fräulein Bachmann ihr eingeflüstert, mit verschiedenen kleinen Ausschmückungen ihrer eigenen Phantasie dem Grafen so lange vorerzählt, bis der alte schwache Mann fest davon überzeugt war, daß seine schöne Tochter den Maler heiraten und damit eine unauslöschliche Schmach über das ganze alte Grafenhaus bringen würde. „Natürlich will er sie nur ihres Geldes wegen,' fügte die Gräfin hinzu, nachdem

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Seite 27 von 32
Datum: 18.03.1911
Umfang: 32
„Ich wiederhole nur Gabrielen? eigene Worte,' murmelte der 'Alte, sich die Augen wischend, „und nun will ich berichten, daß Gabriele, die Tochter meines verstorbenen Bruders, als g^nz lunges Mädchen in den Dienst der Gräfin Eleonora de Castel Maure, einer ausfallend schönen, stattlichen und in jeder Weise begabten und gefeierten Dame trat. Die Gräfin w/ir Schul- eiterin gewesen, und es erscheint seltsam, daß sie, die so mutig, o lebh st und so Weltgew n t w r, sich an Gabriele anschloß

vor, schwingte sich und wllte sich totl chen, wenn Gabriele ganz fortgeriffen, alles für Wirklichkeit n hm. So verging ein I hr und ein zweites folgte und dann w 'rd sie Herrin traurig, denn ihr und ihrem Gatten fehlte zum vollen Glück doch noch etw s — ein Segen, auf den beide gehofft und der ausblieb! Wie selig wäre das Paar gewesen, hätte es ein loldes, kleines Geschöpf sein eigen nennen dürfen.' Onkel Rodriguez fuhr fort: „Die Gräfin selbst war vielleicht gar nicht so unglücklich darüber, daß ihre Ehe

kinderl-s zu 'leiben schien, allein sie wußte, wie unendlich ihr Gemahl sich nach einem Kin^e sehnte. — Wenn die Kinder bekannter Familien n ch C>stel M'ure kamen, befand sich Graf Roberto stets n itten unter ihnen un^ er besuchte mit Vorliebe Freunde, welche reich mit Kindern gesegnet waren. So beg nn die Gräfin tr mrig zu werden uni diese Traurigkeit steigerte sich zu bitterem Weh, als Graf Roberto die Ausforderung, sich wiederum > n einer Forschungsreise zu be teiligen, ann hm und C stel M.ure

auf längere Zeit verließ. Gegen ihre Vertraute äußerte die Gräfin, bitterlich schluck)-end, chr Gatte würde nicht daran gedacht h- ben. sie zu Verl ssen, wenn Gott ihren Bund mit Kindern gesegnet hätte; und dann sprach jie von ihrem Schwager Carlo, den sie haßte, wie nur ein leiden- sch ftliches Wesen hassen kann und sagte, wenn sie dächte, daß der schreckliche Mensch gar ein ml C stel Maure erben solle, würde sie das Schloß lieber mit eigenen Händen «-«Milden. Nun, nch zweijähriger Abwesenheit kam

, und das blühende june Mädchen erschien wrtan mir noch wie der Sch tten ihres früheren Selbst. Die Herrin warum Gabriele besorgt, wie um eine liebe Schwe rer, un) ach — die Arme bedurfte dieser Fürsorge nur zu sehr. Mit Giuseppe Balet war Gabriele nicht nur der zukünftige Gatte gestorben, sondern auch der Vater des Kindes, welches sie anter dem Herzen trug, und als die Gräfin eines Abends spät Mm See hin bging, kam sie gerade zur rechten Zeit, um eine Ver- Uveiflungst t zu verhindern. Sie brauchte

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Seite 16 von 30
Datum: 20.11.1897
Umfang: 30
Sie sich an mir ein Beispiel, mein Freund, und lassen Sie sich das Herz von so kleinlichen Dingen nicht brechen. Ich kaun Sie versichern, es giebt nichts Leichteres auf der Welt, als über solche kleine Thorheiten hinwegzukommen.' „Fanden Sie es so leicht bei Ihrer kleinen Enttäuschung mit Adolphe Didier?' fragte er hämisch. „Durchaus nicht schwer,' lautete die Antwort. „Die Gräfin hat sich übrigens halb tot gelacht, als ich ihr neulich die Geschichte erzählte.' „Die haben Sie ihr erzählt?' rief Bernard gedehnt

und jedes Wort betonend; „diese unsaubere Geschichte haben Sie ihr erzählt!' „Nennen Sie sie unglücklich, Paul,' eutgegnete Rosa; „das klingt milder. Doch ich sagte der Gräfin alles. Ich wollte Ihnen die Mühe ersparen, mein Freund; Sie werden sich erinnern, daß Sie mir ein mal andeuteten, Sie wollten sich der Aufgabe unterziehen.' Die Wut färbte sein Gesicht purpurn, nun er sah, daß ihm die letzte Waffe, die er gegen sie in Händen gehabt hatte, entrissen war. „Haben Sie mich sonst nichts zu fragen?' hob

.' Damit eilte sie aus dem Zimmer und ließ Bernard mit seinem Zorn, seiner Wut uud seinem Staunen über ihr seltsames Be nehmen allein. „Wenn sie mich hintergeht, wenn sie ein falsches Spiel mit mir treibt, dann soll sie mich kennen lernen,' knirschte er. Wie aber sollte er sich an ihr rächen, nun die Gräfin in die Affaire mit Adolphe Didier bereits eingeweiht war?' Zwei Stunden und mehr verstrichen, bevor die Gräfin nach Hause kam. Rosa blieb länger aus; sie war zu einer Freundin zu Tisch ge laden

und stellte sich erst gegen Abend wieder ein. Daß die Komtesse sich unwohl fühlte und auch während des Diners auf ihrem Zimmer zu bleiben wünsche, ließ die Gräfin ziemlich kühl; sie ertrug die Ab wesenheit ihrer Stieftochter mit großem Gleichmut, war sogar froh, ihre Gäste allein unterhalten zu können. Als man vom Tische auf gestanden war und sich plaudernd im Wohnzimmer niederließ, hoffte Bernard, die Komtesse werde sich zeigen, doch er hoffte vergebens. Statt ihrer trat nach neun Uhr

die Gesellschafterin in das Zimmer. „Haben Sie die Komtesse gesehen?' fragte die Gräfin. „Ich klopfte an ihrer Thür,' antwortete Rosa, „erhielt aber keine Antwort, wahrscheinlich war sie eingeschlafen.' „Wahrscheinlich,' meinte auch die Gräfin und snhr in ihrer Unterhaltung fort, während Rosa sich lächelnd und mit einem Scherzwort einem der Herren zuwandte und von diesem innerlich eine reizend interessante Person genannt wurde. Im ganzen aber war der Ton ein recht steifer, ceremonieller, ein jeder der Gesellschaft

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Seite 17 von 22
Datum: 03.04.1914
Umfang: 22
sich ein, und da das Urteil Frau Volkmanns in betreff der Erwerbs- möglichkeit in Berlin günstig lautete, so gab Frau Wagnitz ihre Zustimmung zu der Übersiedelung ihrer Tochter nach Berlin. Nach einem letzten schmerzlichen Abschied von Mutter und Onkel bestieg Gertrud am Tage nach Neujahr den Zug in Liegnitz und fuhr mit der gesprächigen Frau Volkmann dem unbekannten Spree-Athen zu. Für den ersten Augenblick fand sie im Hause der Gräfin in der Alsenstraße, bei welcher Frau Volkmann in Stellung war, Unterkunft

. Die letztere hatte während ihres Be suches bei Gertruds Mutter erfahren, daß die Gräfin Dobeneck eine Art Kusine der Frau Professor Wagnitz war. In der Hoff nung, daß diese Verwandtschaft Gertrud vielleicht in ihrer Lage nützlich sein könne, machte sie der Gräfin davon Mitteilung. Zwei Tage darauf ließ die Gräfin das junge Mädchen zu sich kommen. Gertrud wurde in einen großen, im Renaissance-Ge schmack möblierten Salon geführt, in welchem die hochlehnigen, mit wundervoller Holzschnitzarbeit geschmückten

feine, regelmäßige Züge besaß, die ehemals schön gewesen sein mochten, aber im Laufe der Jahre einen strengen, kalten Ausdruck angenommen hatten. „Nehmen Sie Platz, mein Fräulein', sagte die Gräsin, mit kühler Handbewegung auf einen der hochlehnigen Stühle deu tend, „Frau Volkmann hat Sie mir empfohlen. Aber sagen Sie mir zunächst, was Sie in Berlin anfangen wollen, und vor allem, was Sie gelernt haben.' „Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Güte, Frau Gräfin, und für das Interesse

, welches Sie einer Unbekannten schenken', antwortete Gertrud befangen. „Für eine ganz Fremde darf ich Sie wohl nicht ansehen. Frau Volkmann behauptet ja daß eine gewisse Verwandtschaft zwischen uns besteht, Fräulein ... Fräulein ... wie war doch gleich Ihr Name?' „Wagnitz.' „Ja — Wagnitz. Ganz recht — ich muß mich natürlich erst besinnen', sügte sie mit starker Geringschätzung hinzu. „Wag nitz — ich weiß von einem Vetter Wagnitz nichts.' „Es ist nicht mein Vater, Frau Gräfin, sondern meine Mutter, welche Ihrer Familie

und noch weniger auf meine Verwandtschaft mit Ihnen zu pochen. Sie sind nun einmal ein Fräulein Wagnitz, und die Dobenecks .. .' „Ich begreife vollkommen den Unterschied, Frau Gräfin. Zchon meine Mittellosigkeit —' „Es handelt sich weniger um Ihre Mittellosigkeit als um die Mesalliance Ihrer Mutter', antwortete die Gräfin kalt. „Sie hat es für gut befunden, bei ihrer Heirat nicht nach der Meinung ihrer Verwandten zu fragen, und man vergilt es ihr. Selbst verständlich kann eine Gräfin Dobeneck nicht eine Person

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Seite 14 von 20
Datum: 20.02.1914
Umfang: 20
forschenden Blicken enthoben ist. Für den Nachmittag schlägt der Graf eine Wagenfalirt in die nächste Umgebung vor, was mit großem Beifall aufgenommen wird. Gräfin Adelaide dispensiert sich indes davon. Sie will ihrer Tochter zuliebe im Schloß bleiben. Der herbeigerufene Arzt hatte etwas Ruhe verordnet und keinerlei Besorgnis über ihre Gesundheit geäußert. Trotzdem wollte die Mutter das Schloß nicht verlassen, obwohl dies gerade heute eine große Selbstverleugnung für die Gräfin bedeutete. Frau Adelaide

aufgeblickt und sogleich wieder die Augen geschlossen. Das junge Mädchen hatte sich schon wieder etwas von ihren beunruhigenden Gedanken erholt, doch zuweilen packte sie ein Grauen vor der Möglichkeit, daß sie sich nicht getäuscht. Sie mochte der Mutter nicht ins Auge blicken, ja, deren Anwesenheit war ihr heute lästig, da sie dadurch stets an das Schreckliche erinnert wurde. Ein sanfter Schlummer entriß sie bald ihren quälenden Gedanken. Unten hörte man die Wagen vorfahren, Gräfin Adelaide trat ans

Fenster und blickte in den Schloßhof. Der Oberförster hatte der Baronesse Asta einen Platz in seinem Wagen angeboten, während Graf Fermond, Graf Marco und Baronin Riska das Fermondsche Gespann benutzten. Graf Marco gewahrte die Gräfin am Fenster und grüßte herauf. Die Gräfin dankte mit ernstem Lächeln. Mit Macht zog es sie hinaus, hinaus in die Sommerpracht, hinaus zu ein paar blauen Augen, die so zärtlich und treu blicken konnten. Sie seufzt leise und über hört das leichte Klopfen an der Türe

. Sie blickt noch immer dem schon verschwundenen Wagen nach. Ein Wehgefühl beschleicht sie. Wie dem jüngsten Mädchen ist ihr zumut. „Himmelhoch jauch zend, zum Tode betrübt, glücklich allein ist die Seele, die liebt.' Erschrocken wendet sie sich um, als leise die Türe aufgemacht wird und Fräulein Lenchens freundliches Angesicht zum Tür spalt hereinschaut. „Kommen Sie nur näher, Fräulein Lenchen!' sagte die Gräfin, sich langsam wieder in die Wirklichkeit findend. „Sie haben mir Wohl noch eine Botschaft

vom Grafen zu überbringen?' „Nein, das nicht, gnädigste Gräfin', sagt Fräulein Lenchen etwas schüchtern. ,Zch dachte nur — ich könnte Frau Gräfin etwas ablösen und bei unserem lieben Komteßchen bleiben.' „Wie nett von Ihnen', entgegnete die Gräfin. „Wenn es Ihnen Vergnügen macht, so will ich mich etwas im Parke er gehen. Jch»werde nachher wieder nach Lisa sehen. Augenblicklich schläft sie noch. „Sehr gerne, Frau Gräfin', erwiderte Fräulein Lenchen. „Genießen Sie die schöne Luft draußen. Es ist ein Jammer

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Seite 22 von 28
Datum: 02.05.1908
Umfang: 28
Winkler, der famose Mensch aus meiner nächsten Nachbarschaft, der mir dieser Tage vom Herrn Major Willing vorgestellt wurde, wußte mir überJhrFernbleiben keinen stichhaltigenGrund zu geben.' „Winkler?' fuhr Ferdinand jetzt auf. „Der war doch noch gestern bei mir und sagte kein Wort davon! Wer gnädigste Gräfin, ich bitte tausendmal um Verzeihung. Bin auf Wort die ganze letzte Woche nirgend ausgewesen als zum Dienst. Fühlte mich nicht wohl. Ehrt mich ungemein, daß Gnädigste überhaupt

von meinem Fernbleiben Notiz genommen haben. — Aber von Wilhelm finde ich es seltsam, daß er mir gar nichts von seiner neuen Bekannt schast sagte,' fuhr er, wie im Selbstgespräch, fort. „Man kann doch niemanden so ganz trauen, selbst dem treuesten Freunde nicht.' Ein Gefühl der Eifersucht blitzte wie ein flüchtiger, fahler Wetterschein in seiner Seele auf. Die kluge Gräfin, die schon in so manchem Männerherzen ge lesen, errät das, darum sprach sie weiter: „Ja, das ist seltsam! Herr Oberleutnant Winkler gilt

ja, wie mir der Major sagte, für einen der tüchtigsten Offiziere unserer Armee. Seinen Mut und eine oft an ihm gerühmte Entschlossenheit soll er auch bei der Rettung Ihrer Fräulein Schwester bewiesen haben. Zu so einem Freunde kann man Ihnen gratulieren. Mir hat er auf den ersten Blick imponiert.' Ferdinand wurde nachdenklich und schien verstimmt. Da reichte ihm die Gräfin mit Hellem Lachen beide Hände und rief aus: „Ich erkenne Ihre ernstliche Reue, mein lieber Herr von Falken horst. Darum sei Ihnen verziehen

den liebenswürdigsten, geist reichsten Gesellschafter. Erst spät nach Mitternacht kehrte er, nachdem er der Gräfin und seinem Vater fest versprochen, spätestens übermorgen wieder hier zu sein, in die Residenz zurück. Johann öffnete ihm dienst eifrig, wie immer, die Tür. Auf seine erste Frage, ob Postsachen angekommen wären, antwortete die biedere Seele: „Leider nicht, Herr Leutnant. Doch war Besuch da, der Herr Oberleutnant Winkler. Derselbe ist auf acht bis vierzehn Tage zum Schießplatz in H.. . kom mandiert

und dachte so bei sich: Der Forstassessor hatte recht, die Ritenburg hat ihn in ihrer Ge walt. Dieser Erbärmliche! Das ist der Dank für unsere Dienste, daß der Sohn meines Herrn meine einzige Tochter gut genug hält für ein Spielzeug seines Wermuts und seiner Langweile! Armes Kind, armes betrogenes Mädchen! Das war ein Leben heute im Park bei dem herrlichen Frühlings wetter. Ferdinand und die Gräfin waren immer beieinander. „Ein stattliches Paar! Wann wird Verlobung, wann wird Hochzeit sein?' So lautete

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Seite 18 von 20
Datum: 19.05.1900
Umfang: 20
auf einen männlichen Erben, aber beim Anblick der leidenden Frau und des hübschen Kindes legte sich sein Zorn; er behandelte Jrmgard freundlicher als sonst und betrachtete mit Interesse das kleine zappelnde Ding- Die Gräfin, die gehont hatte, er werde sich nur wenig oder gar nicht um das Kind kümmern, so daß sie mit Leichtigkeit den Eintausch bewerkstelligen könne» hatte sich getäuscht. Der sonst so rauhe Mann faßte eine unerklärliche Zuneigung zu seinem Töchterchen; er ließ keinen Tag vergehen, ohne es zu sehen

, und je mehr es sich entwickelte, desto größer wurde seine Liebe. Ebba, wie man die Kleine nannte, war sein Augapfel, sein Abgott, er lebte nur für sie und gab der einstigen Erbin seines Namens eine fast männliche Erziehung. — Um seine Gemahlin kümmerte er sich so wenig wie zuvor. Diese unerwartete Wendung der Dinge versetzte die arme Gräfin in die größte Bestürzung; sie sah ein, daß es nun unmöglich ge worden, die Kinder einzutauschen, ohne den Betrug aufzudecken, aber die Furcht vor dem wilden Jähzorn

sie die Augen für immer. Sie schied ruhig, denn der Schloßgeistliche hatte ihr versprochen, dem Grafen alles zu entdecken und nicht zu ruhen, bis derselbe sein rechtmäßiges Kind zu sich genommen. Aber durch eine selt same Fügung des Schicksals ward sein Vorhaben vereitelt. Wenige Stunden nach dem Tode der Gräfin wurde er in einen entfernten Ort zu einem Sterbenden gerufen. Er kehrte nicht zurück; man fand ihn ermordet am Wege; der Thäter blieb unent- deckt. Ob meine Mutter um dies Verbrechen wußte, konnte

ich nie erfahren, aber sie bezeugte unverhohlen ihre Freude, daß nun ihre Enkelin Herrin von Troneck werden würde, da der einzige Mitwisser des Geheimnisses, von dessen der Gräfin gegebenem Ver sprechen sie Kenntnis hatte, nicht mehr unter den Lebenden war. Wegen eines geringen Versehens wurde mein Mann kurze Zeit nachher entlassen; im Unmut darüber zog er mit mir fort und da uns das Kind der Gräfin nur eine Last war, so ließ ich es unter der Obhut meiner Mutter zurück. Jahre vergingen; wir irrten

unstät in der Welt umher, ohne jemals wieder diese Gegend zu berühren. Im vorigen Sommer starb mein Mann und ließ mich hilflos im Elend zurück. Da er wachte zum erstenmal die Sehnsucht nach meinem Kinde, denn ich fühlte mich einsam und verlassen; ich wollte zurückkehren, Ebba alles entdecken und dann in ihrer Nähe mein Leben beschließen. Als ich hierherkam, erfuhr ich, daß. meine Mutter und der Graf gestorben und Gräfin Ebba Herrin von Troneck sei. — Ich suchte sie auf und entdeckte ihr das Geheimnis

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Seite 24 von 30
Datum: 11.08.1906
Umfang: 30
„Herr Gott!' Mit geisterbleichem Gesicht starrte sie aus das Bild, und nach dem ersten Ausruf kam es hastend und stammelnd: „Der arme, arme Mensch!' 14. „Ja, aber um Gottes willen, Frau Gräfin, kennen Sie den Mann denn? Vermuten Sie, wer sein Mörder war? . . . Daun müssen Sie doch nähere Angaben machen...' Gräfin Marigold schüttelte den Kopf nnd sah mich mit ihren stahlgrauen Augen, die jetzt etwas merkwürdig Kaltes hatten, starr an. Ihr Verdacht richtet sich auf Gräfin Lolita

Sie ihn?' fragte sie. „Jawohl, ich habe ihn in Sibberton gesehen, wenn ich mich nicht sehr irre!' „Gesehen haben Sie ihn? Das ist unmöglich! Dann wäre es sein Geist. Richard Kien ist vor Jahren gestorben.' „Nein, ich habe Richard Kien in eigenster Person von Fleisch nud Blut gesehen!' „Das ist nicht möglich! Sie wollen mir etwas Vorreden; der Mann zählt nicht mehr zu den Lebenden!' „Woher wissen Sie denn das, Fran Gräfin?' Meine Mitteilung hatte ihr alles Blut aus dem Gesicht ge trieben; aschgran

er sich absichtlich solch reduziertes Äußere gegeben.' „Ja, wenn er also wirklich zurückgekommen ist, dann bedeutet das Unheil!' rief die Gräfin, die noch immer ganz blaß war, ob gleich sie etwas ruhiger sprach; „die Tatsache, daß er nicht tot ist, wie wir alle geglaubt haben, ändert meine Anschannng in betreff des Verbrechens und der Veranlassung dazu vollständig.' „Sie halten deu Maun für den Mörder?' „Nein, das ist unmöglich,' gab sie rasch zur Antwort; „triftige Gründe, sehr triftige Gründe schließen

diese Vermutung ganz ans.' „Ist denn der Mann so achtbar?' Ich fragte es, um mehr von der Gräfin zn erfahren. „Achtbar!' Sie sprach mir das Wort nach. „Nun, daß Sie es nur wissen, es ist der einzige Mensch in der ganzen Welt, der .. . doch nein, sagen Sie, Rndhnse, Sie sind doch Georgs Freund?' „Warum fragen Sie danach? Darf ich darum nicht die Wahr heit wissen?' „Sie dürfen das Geheimnis meiner Schwägerin Lolita nicht wissen. Ich darf ihr Vertrauen nicht hintergehen.' Ganz gefaßt und sicher hatte Marigold

diese Worte gesprochen. Ich empfand unklar, daß der wahre Grund ihrer Weigerung, mir die Wahrheit zu sagen, in der Befürchtung lag, ich würde über sie und nicht etwa über Lolita mit dem Grafen sprechen. Gräfin Marigold nnd ich waren nie gewesen, was man mit „gnt Freund' bezeichnet. All solche genußsüchtige, leichtlebige Fraueu, wie Marigold es war, sah ich nicht für voll an, und die Be mühungen der jungen Gräfin, anch mich unter die Schar ihrer Bewunderer zn zwingen, waren vergeblich

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Seite 2 von 4
Datum: 11.10.1944
Umfang: 4
mich für ihre Nichte, die Gräfin Dorival —' „Und wo ist die Gräfin Dorival?' fragte Bartosch, ob wohl er es längst wußte. Martina sagte es und nannte auch die Gründe für Antfchis Abwesenheit. Sie hätte jedes Geheimnis preis gegeben. ihr Widerstand war ^ gebrochen. Sie streckte die Waffen. Bariosch, mäßig interessiert an dem arglosen Spiel der beiden Mädchen, räusperte sich. „Wenn es sich tatsächlich so verhält, wie Sie sagen, dann wird die Gräfin Dorival ohne Zweifel bezeugen können, wer Sie sind. Ich stelle

Ihnen anHeim, ein Telegramm nach Brünn zu senden. Die Gräfin könnte dann schon morgen früh in Wien sein.' Martina wischte mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen und hob den Kopf. „Natürlich wird die Gräfin bezeugen, daß ich Martina Isenflamm bin — aber wird mir das helfen?' „Warum sollte Ihnen das nicht helfen?' fragte Bartosch ein klein wenig verwundert. „Weil — , Martinas verzweifelte Augen füllten sich von neuem mit Tränen, „— weil alles vergeblich ist! Sie wollen mich vernichten!. Sie wissen

genau, daß ich un schuldig bin, und ich — ach, ich weiß schon', rief sie klagend, „ich weiß, wo Sie hinauswollen! Ich durchschaue Sie!' Bartosch hob amüsiert die eine dünne Braue. „Nicht wahr, ich bin ein gräßliches Ungeheuer, das nichts anderes im Sinne hat, als Sie ins Unglück zu bringen?' „Weiß Gott', rief Martina mit prachtvoll wilden Augen, „das sind Siel Sie lassen die Gräfin kommen und die Gräfin wird aussagen, wer ich bin. Und dann, anstatt mich in Ruhe zu lassen, werden Sie kommen und sagen

: aber das Diadem! Ich leugne's nicht, es war in meiner Hand tasche, Castriota muß es hineingetan haben, denn er sab mich nur flüchtig. Aber werden Sie mir das glauben? Werden Sie dann nicht wieder sagen: Sie sind zwar nicht öie Lubomirska, aber das Diadem —' „Beruhigen Sie sich', erwiderte Bartosch nachsichtig, „sobald die Gräfin Dorival Ihre Aussage bestätigt, sind Sie sofort frei. Es läge ja dann klar zutage, auf welchem Wege Sie in den Besitz des verhängnisvollen Diadems gekommen wären.' Martina sah

ihn mit weitausgerissenen Augen an. Es fiel ihr so schwer, ihm zu glauben. „Ist das auch wirklich wahr?' „Aber ja!' rief er, ungeduldig geworden, „ich verbürge mich mit meinem Wort dafür! Und jetzt bitte schreiben Sie das Telegramm.' Er deutete auf den Tisch. „Je früher die Gräfin hier eintrifft, um so früher sind Sie frei — voraus gesetzt, daß die Gräfin tatsächlich —' „Ach', rief Martina mit neuem Mut, „daran zweifle ich keine Sekunde! Wenn ich an etwas zweifle, so nur daran, ob Sie mich dann auch wirklich freilassen

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Seite 5 von 16
Datum: 17.09.1898
Umfang: 16
Erste Beilage zu Nr. 27 der „Lienzer Zeitung' vom 17. September 1898. ^ Kaiserin Elisabeth f ^ Vom Schauplatze der Katastrophe sind die folgenden Nachrichten von den Augen zeugen eingegangen: Baron B r u s s c I , Gräfin Sztaray, Herr Deysset und Arbeiter C h a r m a r t i u e erzählen: Wenige Tage sind es, daß ich die Kaisenn den Schweizer Boden betreten sah. Dienstag den 29. August langte die hohe Frau mit kleiner Suite in Teritet an, von wo sie sich nach Caux begab. Der Entschluß nach Caux

, die sich vor ihren Angen entrollte und für deren reinen Genuß lhre hohe Seele so empfänglich gewesen. Heute kam ich in früher Morgenstunde in Genf an, von trauriger Pflicht gerufen. Ich begab mich in das „Hotel Bea n r ivag e'. Dieses Haus birgt jetzt die irdischen Ueberreste der Kaiserin von Oesterreich. General v. Berze viczy, der stete Reisebegleiter der Kaiserin, nnd Gräfin S Z t a r a y , ihre Hofdame, saßen in einem Zimmer neben dem Trauergemach. Sie halten treue Leichenwache, wie sie der verblichenen Frau

auch im Leben eine unerschütterliche, treue und liebevolle Hingebung bewahrt haben. Gräfin Sztaray war Zeugin des entsetz lichen Ereignisses. Ich setze ihre Dar stellung der Schreckensthat hieher. UnterThränen und oft von Schluchzen unter brochen gibt Gräfin Sztaray folgende Schilder ung: „Wir waren Freitag Mittags in Genf angelangt nnd im „Hotel Beaurivage' abgestiegen. Die Kaiserin wollte wie im vorigen Jahre Genf besichtigen. Sie machte Promenaden am See und besuchte auch den Park und die Villa des Baron

wieder im Hafen an. Die Kaiserin war vollkommen bewußtlos. Sie wurde in ein Zimmer des Hoiels gebracht, wo sie nach wenigen Minuten den Geist aufgab'. Das ist die schlichte Darstellung der Dame, welche das Schicksal ausersehen, den letzten Seufzer ihrer Herrin zu vernehmen, den letzten Blick aus den gioßen seelenvollen Augen zu sehen. Die Kaiserin starb, ohue erfahren zu haben, daß sie das Opfer eines Attentats geworden. Auch Gräfin Sztaray erfuhr es erst, nachdem die Kaiserin todt war und man sie entkleidet

hatte. Die Kaiserin hat nur sehr wenig Blut verloren. Die Gräfin Sztaray war allein mit ihrer verstorbenen Herrin. Sie war aufgelöst von S ch m e r z, der V e r zweisluug nahe; aber sie behielt die Fassung, ihre Pflicht zu erfüllen. Das Wesen der Kaiseriu erforderte, daß sie von Personen mit festem entschlossenen Charakter umgeben sei, welche nicht allein kör perliche Anstrengungen ertragen können, sondern auch festen Willen uud persönlichen Muth haben. Gräfin Sztaray hat diese für eine junge Dame geradezu

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Seite 23 von 32
Datum: 03.07.1914
Umfang: 32
, mehr oberflächliche. Das Thema, welches der Fürst bei der Gräfin angeschlagen, wurde nicht mehr berührt. Die heu tige Jagd wurde besprochen, was besonders Heinz sehr lebhaft interessierte. Bei der nächsten Jagd wollte er sich beteiligen, ?wtz Ullas erstaunter Frage, ob er denn dafür Sinn hätte. „Heinz, du triffst sicher keinen Hasen, geschweige denn ein Reh, jagte Ulla ein wenig spöttisch. Ihr behagte der Gedanke nicht, daß Heinz auch noch vom Jagdfieber, wie sie sich ausdrückte, ^griffen wurde

der Gräfin auf nachher Lebewohl, verneigte sich vor Heinz und Ulla und verließ mit dem Grafen, der noch, lächelnd und gut gelaunt, seiner Gattin, Schwager und Nichte zunickte, das Gemach. Sinnend blickte die Gräfin den beiden Herren nach. Nie wie heute fand fie den grassen Gegensatz zwischen den beiden Männern. Ihr Gatte stets heiter, lebenslustig und oberflächlicher Natur, Optimist im wahrsten Sinne des Wortes. Der Fürst jedoch von sensitiver, grüblerischer Mtur. Wenn ihr Gatte nur annähernd ni Wesen

dein Fürsten gleichen würde, ihre Ehe könnte dann harmonischer und glücklicher sein, Obwohl es der Graf ihr gegen über nicht an Zartgefühl und Rücksichtnahme fehlen ließ, und sie sich eigentlich nicht über ihn beklagen konnte, so gingen sie doch beide ihre eigenen Wege und lebten kühl und oberflächlich neben einander dahin. So einsam kam sich die Gräfin plötzlich vor in mitten ihrer schönen Häuslichkeit. Nein, nicht ganz ° einsam, sie hatte Ulla, das holde Kind, an welchem sie augenblicklich Mutter stelle

vertrat. Diese wird sorgen, daß es fortan nicht mehr einfam und öde um sie ist. Sie lächelt zu Ulla hinüber, die sich eben Hein zens großes Jagdabenteuer erzählen läßt. „Ulla, warst du heute im Dorfe?' frug die Gräfin. „Nein, Tanre May. Ich habe mit Heinz in der Bibliothek nach alten Schätzen und Reliquien gefahndet. Es ist furchtbar interessant gewesen, und dabei habe ich die Zeit versäumt.' „Gut!' entgegnete die Gräfin. „Wir gehen dann morgen, ich begleite dich. Wie ist es, Heinz,' wandte

auch schon mitgeteilt haben wird?' „Ah, ich vergaß. Zllso abgemacht, wir werden morgen eine Ausfahrt ins Dors unternehmen,' „Dn entschuldigst mich jetzt, May', sagte Heinz. „Ich will mich zu den anderen Herren begeben. Ich habe heute noch keine vernünftige Zigarette geraucht.' „Nun, es schadet nichts, wenn du dich davon etwas ent wöhnst', entgegnete die Gräfin lächelnd. „Hast du einige medizinische Schriften in der Bibliothek vorgefunden? Es find welche vorhanden.' „Gewiß! Gerade

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Seite 22 von 32
Datum: 09.01.1914
Umfang: 32
. Brigitte aber dachte, wie schmuck und fein ihr Liebster aussah. Fast wie ein Graf. Wahrlich, jede Maid in der Runde konnte sie um den Mann beneiden. „Brigitte, die Gräfin', sagte jetzt Anna zu der von ihrer Zu- wnft träumenden Kammerjungfer. Brigitte schnellte von ihrem Atze auf und begab sich schleunigst in die im ersten Stocke ge legenen Gemächer der Frau Gräsin. „Brigitte', erklang es vom Fenster her, als diese in das Zimmer trat. Gräfin Adelaide saß an ihrem kleinen Schreibtisch, eine Aenge

Briefschaften ordnend, die teilweise wohl noch aus ihrem Mädchenleben stammen mochten. „Brigitte, bringen Sie die Briefe dem Diener, damit sie so .asch als möglich befördert werden. Legen Sie mein schwarzseide- les Straßenkostüm heraus, ich will eine Fahrt in die Stadt ma chen. Ist meine Tochter noch nicht von ihrem Morgenritt zurück?' „Ich habe das gnädige Fräulein noch nicht gesehen', erwiderte Brigitte, die Befehle ihrer neuen Herrin ausführend. „Es ist gut', entgegnete die Gräfin und die Kammerjungfer

verließ das Gemach. Gräfin Adelaide hatte nach dem Tode ihres Gatten, eines bürgerlichen Offiziers, auf Wunsch ihres Vaters wieder ihren Mädchennamen angenommen, d. h. sie wurde Frau Gräfin ge- mnnt, nicht Komtesse, wie rn ihren Mädchenjahren. Gräfin Adelaide ist eine große, schlanke Gestalt, mit dunklem yaar und dunklen Augen und einem feinen, blassen Gesicht, dessen gütiger Ausdruck jedermann Wohlgefallen und Sympathie ein flößt. Augenblicklich ist ihr Antlitz sehr ernst. Sie blickt gedanken

verloren auf all die vielen Blatter, Kärtchen und Andenken aus nner lang vergessenen Zeit. Ihr Mädchendgsein wird lebendig, sie sieht sich in diesen Räumen, umgeben von ihren Lieben, von der Mutter, die schon bald zwei Jahrzehnte in der kühlen Erde schlummert, von dem Schwesterlein, das im zehnten Lebensjahre einem tückischen Leiden erlegen war. Sacht streicht die Gräfin über das dunkle Haar. Fort mit all diesen Gedanken, sie will ver gessen. Sie hat abgeschlossen mit der Vergangenheit

, mit allem, das einst ihr Dasein hell und licht machte. Da geht die Tür. Eine schlanke Mädchengestalt tritt über die schwelle. „Guten Morgen, Mama', sagte die junge Dame, eilte auf die Gräfin zu und küßte zärtlich die Mutter. „Wie erhitzt du bist, mein Liebling', sagte diese und strich über ihres Kindes blondgelocktes Haar, das außer den schönen großen blauen Augen fast die einzige Schönheit des jungen Mädchens war. „Ich habe mich beim Heimritt etwas beeilt. Ich bin zu weit geritten und mußte die Zeit

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Seite 19 von 24
Datum: 21.09.1906
Umfang: 24
. „Aber Sie wissen doch, wer der Mann war?' „Sie kennen ja seinen Namen.' „Können Sie mir denn sagen, warum der Mauu, ein ganz fremder Mann, iu seiuem Ring eine Photographie von Gräfin Lolita hatte?' „Ich vermnte aus demselben Grunde, mit dem eine Frau das Bild eines Mannes im Medaillon trägt.' „Wollen Sie damit sagen, daß Lolita den Mann liebte?' „Ich weiß gar nichts, will weiter damit nichts gesagt habeu, nichts irgendwie konstatieren und möchte Sie nur noch einmal darauf aufmerksam machen, daß es besser

Ihnen nun, daß ich den Grund erfahren will, warum der Fremde heimlich nachts in den Park gekommen ist!' Kien schwieg einen Augenblick und sah mich an, als überlege er bei sich selbst, ob er das Geheimnis meines Liebs preisgeben sollte. Endlich sagte er: „Wenn ich nicht irre, haben Sie kürzlich Gräfin Lolita gesagt, daß bei dem Toten eiu Blatt mit eiuer Geheimschrift in Zahlen gefunden nnd an sich genommen haben, nicht wahr?' „Jawohl. Die Mitteilung ist im Schachbrettschema nieder geschrieben

zum Gruß. Kieil, der auch herausgekommen war, flüsterte Lolita etwas zn, und sie ging mit ihm ins HanS. Ich wnßte, daß er ihr berichten würde, was mir passiert und weshalb Mangold ab wesend und wo sie gewesen war. Über eine Stunde wartete ich ans Lolitas Rückkehr. Sie kam nicht. Ich schickte einen Diener zn Eva, ihrer Jungfer, und erhielt die Antwort: „Gnädige Gräfin haben von der Fahrt sehr heftige Kopfschmerzen.' Ich teilte das Kien mit, der die Schultern zuckte. Beim Tee, der von den meisten Gästen

im Salon nuter Lachen nnd Scherzen eingenommen wnrde, kam Gräfin Marigold sehr ruhig auf mich zu und sagte laut und vernehmlich: „Georg hat mir soeben erst mitgeteilt, daß Sie sich eine Kopfverletzung zugezogen haben, Herr Rndhuse. Das tut mir sehr leid. Wie ist daS denn gekommen?' Die grenzenlose Kaltblütigkeit, die Waghalsigkeit Marigolds war wahrhaft erstaunlich, und ich war so überrascht, daß ich zuerst gar nicht wußte, was antworten. Dann faßte ich mich und meinte: „O, es hätte schlimm

werden können, denn ich bin mit dem Kopf ans eine Bordschwelle aufgeschlagen, aber zum Glück ist mein Schädel sehr dick.' „Oho! Herr Rndhuse, jetzt wollen Sie von mir eine Schmeichelei hören, ich soll Ihnen widersprechen.' „Selbst Widerspruch aus dem Mnnd der Gräfin wird für mich noch zu einer Ehrung!' rief ich uud beugte mich gewollt tief und mit feierlicher Miene. Die Umstehenden, die das mitangehört hatten, lachten; Marigold nagte mit den spitzen, kleinen Zähnen an ihrer Unterlippe, und ich sah ganz deutlich, daß sie sich ärgerte

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Seite 19 von 24
Datum: 27.04.1901
Umfang: 24
, wenn Sie den Tod des Kindes erführen und rieten deshalb, ein anderes von gleichem Alter unterzuschieben.' „Wie unglaublich das klingt!' unterbrach ihn die Gräfin; „mein Gemahl muß vo» Sinnen gewesen sein, als er dieses Märchen erfand.' „Das Dokument macht aber durchaus nicht den Eindruck, als sei es von einem Irrsinnigen geschrieben,' widersprach der Advokat. „Die Geschichte ist so klar und bündig erzählt und vollkommen regelrecht unterzeichnet.' „Aber wie konnte man mir ein Kind unterschieben

habe ich Vermutungen, und da der Lord für diesen jungen Mann sorgte und ihm den Familiennamen gab, so glaube ich an nehmen zu können, daß er ein Verwandter des Graseu ist.' „Aber ich will durchaus ergründen, wer er ist,' ries die Gräfin zornig. „Ich habe den Burschen nie leiden können, als sagte mir eine innere Stimme, er sei nicht mein Fleisch und Blut. Ich werde auch jede weitere Verbindung mit ihm auflösen, denn wer weiß, von welch dunkler Abkunft er ist.' „Ich hoffe, Mhladh wird nicht übereilt handeln

,' unterbrach der Advokat die Erregte. „Wer der junge Mann auch sein mag, er war der Schützling Ihres Gemahls.' „Der wohl seine Gründe dafür gehabt hat/ gab die Gräfin höhnisch zurück. „Ich werde dieselben aber ergründen. Miß Paget, Sie waren zur Zeit von Antonhs Geburt noch nicht bei uns, aber hat der Lord Ihnen später niemals gesagt, daß Antonh nicht mein Sohn sei?' „Niemals!' war die bestimmte Antwort. „Diese Mitteilung erscheint mir ebenso unwahrscheinlich wie Ihnen, Ladh Culwarren

, und ich kann sie nicht glauben. Mr. Melstrom nicht Ihr Sohn! Er trägt ja den Vornamen Ihres Gemahls und soll seinem Groß vater sehr ähnlich sehen.' „Allerdings!' bestätigte die Gräfin, „er ist das Ebenbild des alte» Lord, der in der ganzen Gegend wegen seiner Schlechtigkeit gehaßt war. Man sagt sogar, seine Hartherzigkeit habe Ladh Diana zu dem unglückseligen Schritt getrieben. Aber Antonh hat nicht das Geringste von mir, und deshalb will ich der Sache auf den Grund kommen. Klingeln Sie, bitte, Miß Paget, und lassen Sie Mrs

. Matthews hierherrufen.' „Wer ist das?' wandte der Advokat ein. Ich glaube, Mhladh, es ist nicht ratsam, die Angelegenheit weiter bekannt zu machen.' „Das weiß ich so gut wie Sie, Mr. Aschfold,' entgegnete die Gräfin hochmütig, „und habe durchaus nicht die Absicht, es an die große Glocke zu hängen. Aber Mrs. Matthews war die Wärterin meines Gemahls und ist immer in der Familie geblieben. Wenn jemand Auskunft über Antonh Melstrom geben kann, so ist sie es.' Es entstand eine Pause, bis die erwartete

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