Nr. 88 „Bozner Nachrichten' Freitag, den 18. Augult I91l! sicher. Und wem eine böse Kunde wird, der meint noch viel öfter, meint noch viel hartnäckiger, es könne ihm nie wieder eine frohe Botschaft ins Haus flattern. Das menschliche Gemüt ist eben eine wunderliche Maschine, die der Verstand nicht meistern Kann, wie sehr er sichs auch angelegen sein läßt. „Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?' fragt schon der Dichter^ der am tiessten erkannt hat, wie schwankend und wie unberechenbar
unsere Stimmungen ohne Rücksicht auf Vernunft und Logik sich verän dern. Der Verstand braucht viele Jahre und er braucht die Zent nerschweren Argumente der Erfahrung, bis es ihm gelingt, diese wunderliche Maschine ein wenig zu regulieren. Daß es einmal gute, ein andermal wieder fchlechte Nachrichten gibt — schreibt Lanzelot in der „N. Fr: Pr.' hat man ja auch vor dem Krieg gewußt. Nur gab es in Friedenszeiten sehr selten einmal eine Nachricht, die uns alle zugleich anging, die uns al- len zusammen
gleichmäßig wichtig und bedeutungsvoll war und die für uns alle, welche Gesinnung wir auch haben, welcher Par tei wir sonst auch angehören mögen, den gleichen traurigen oder oder fröhlichen Klang besaß. Diese Seltenheit von einst ist heute Zur Alltäglichkeit geworden. Jetzt gibt es jeden Tag Nachrichten, die uns alle betreffen. Seit Zwei Jahren prasseln solche Nach richten ununterbrochen wie Platzregen auf uns nieder, leuchten uns wie Sommersonne und gleich dem Sonnenschein oder dem Regen
, die ja für alle da sind, so daß niemand sich ihrer Wirkung entziehen kann, es sei nun'ein Fürst oder Bettler, üben diese Nachrichten denselben Eindruck auf uns alle, sie mögen nun arm oder reich, vornehm oder gering sein. Niemals vorher konnte man die Augenblicksgewalt, die von einer Nachricht ausgeht, .so deutlich wahrnehmen, wie eben jetzt. Niemals vorher Mar es w genau zu beobachten, wie wehrlos, wie besinnungslos die Menschen'im Zwange der Nachricht stehen, im mer der letzten! Und wie sich ihnen in diesem Zwange das Welt bild
uns zu der ungeheueren Überschätzung der Nachrichten, das gibt jeder einzelnen Nachricht so viel Einfluß, wenn auch Nicht auf unsere Grundgesinnung, so doch auf unsere Nerven. - ' Ein wenig sturmfest könnten wir freilich mit der Zeit schon geworden sein. Zwei Jahre einer unaufhörlich abrollenden Kette von Nachrichten haben wir nun mitgemacht. Sollten wir nicht doch einiges davon gelernt haben? Es gab in diesen zwei Jahren recht ernste und Manchmal recht schlimme Nachrichten und wir sind nicht umgeworfen worden