Die Franciacurta heißt das überaus meinreiche Hügel land zwischen Brescia und Iseo. In einem kleinen Dörflein derselben hauste der alte Conte Pietro B. Er war der Letzte der männlichen Linie seines uralten Geschlechtes und, wie es, bei solchen, im Laufe der Jahrhunderte verwitterten Familien nichts selten vorkommt, ein körperlich und geistig abnormer Mensch, ein Sonderling, der von Schwermut und Wahnideen geplagt ward, ohne gerade ein vollendeter Narr zu sein, der bei fabelhaftem Reichtum oft
lächerliche Sparsamkeit ent wickelte, während er zu anderen Zeiten sein Geld hinauswarf, wie es einem anderen, noch so steinreichen, aber normalen Menschen widerstrebt hätte. Kurz, Conte Pietro, wie man ihn nannte, litt an jener .Krankheit der verrosteten Geschlechter nicht nur Englands, sondern auch anderer Länder und nicht zum wenigsten Italiens, am — Spleen. Conte Pietro war eigentlich kein Graf, obwohl man ihn so nannte, und wenn ihm irgend ein Demokrat darüber einen Vorwurf machte, dass
er sich so nennen lasse, so ant wortete er: „Ich könnte es sein, wenn ich wollte, aber ich bm zu wenig Demokrat, um solchen Titeln irgend eine Be achtung zu schenken.' Im nächsten Augenblicke konnte er sich aber wieder bis zum leidenschaftlichen Zorn erhitzen, wenn mau es wagte, Zweifel zu hegen, ob wol seine Familie in der That zu den ältesten Italiens gehöre. Wie es sich auch damit verhalten mochte. Niemand nannte den Alten anders, denn Conte Pietro. Eigentlich war der Grafentitel für ihn auch noch zu wenig