Dorffrieden und Alpenwildnis : Geschichten aus den Tiroler Bergen
101 entsetzt wagte es das Weib nicht, sich emporzurichten, aber ihr Gesicht wandte sie zitternd dem Eingänge Zu. Da stand er wieder, jener hartherzige Mann, der sie aus dem Hause hatte jagen wollen, die Stalllaterne hoch emporhebend! Ängstlich kauerte die Bettlerin unbeweglich am Boden, am ganzen Leibe zitternd. Ihre Augen ver schlangen förmlich die Gestalt des so unerwartet Ein getretenen. Sie sah es, wie er besorgt nach dem Über- boden, auf dem sich das Heu befand, emporsah
, als ob er ihn mit seinen Blicken durchbohren wollte, um zu er gründen, ob das Bettelweib wohl dort schlafe, wo man es hingewiesen. Dann sah sie, wie sein Blick über die Kühe befriedigt hinwegglitt, und jetzt — jetzt wandte er plötzlich die Laterne, und grell und strahlend fiel das volle Licht derselben auf die nunmehr fassungslose Bettlerin. Die Laterne in der Hand des Bauers erzitterte für einen Augenblick, dann hob er sie mit einem jähen Ruck höher, sprang an das Weib heran, und starrte ihr, indem er sie vom Boden emporriß
, mit zornsprühen den Augen ins Gesicht. „Hausdieb! Elender Hausdieb!" schrie er, das bebende Weib derb an der Achsel rüttelnd. ,,Js' da deine Liegestatt?" Der zitternden Hand des sprachlosen Weibes ent glitt der blecherne Becher und siel klirrend zu Boden. Überrascht leuchtete der Bauer nach ihm und ein höh nisches Lachen glitt über seine Züge, als er dies weitere Beweismittel einer verbrecherischen Handlung vor sich sah.