ist? Unseres alten Schullehers Brüunig Sohn, Wilhelm. Weißt du, derselbe, der dich immer beim Zopfe riß, wenn ihr aus der Schule ginget." „ . . . und der mich immer beschützte, wenn mir seine Kameraden keine Ruhe gaben." Finchen stand auf, eine leichte Röte schoß ihr ins Gesicht, um ihre Lippen lief ein feines Beben, als erinnere sie sich an etwas — an die Szene, als Wilhelm in die Stadt mußte, um zu studieren, und er sie fragte, ob sie ihm gut sei. „Willkommen, Wilhelm," meint sie mit silberheller Stimme
, „willkommen nach so langer Zeit." Als Wilhelm seine Hand in die ihre legte, da fühlte er, wie diese zitterte. Bald saßen die drei im traulichen Gespräche beisammen. „Du warst so lange fort," nimmt Finchen das Wort. „Berta, deine Schwester, hat mir heute morgens, als ich mit dem Vater zur Kirche ging, erzählt, daß du nach Mariensee gekommen bist." „Vor zwei Jahren, als mein, Vater starb, war ich das letztem«! daheim," erwidert der Schullehrer. »Ja, ja, ich erinnere mich, dich damals gesehen zu haben. Zwei
Jahre! Ja, so lange bin ich schon blind." Wilhelm hörte, wie sich ein schwerer Seufzer aus der Brust des Försters rang. „Du Arme," bemitleidete er sie. „Arm? . . . nein, nein, gar so arm bin ich nicht," gegenredet ihm Finchen. „Ich bin ja sonst gesund und frisch. Ich füge mich in mein Geschick und glaube, daß ich doch noch einmal sehen werde. Ja, ja, Wilhelm, das hoffe ich. Und diese Hoffnung hält mich auf recht, läßt mich vergessen, daß ich ein blindes, unglückliches Geschöpf bin. Und dann arbeite
ich auch." „Du arbeitest?" fragt Wilhelm und blickte sie erstaunt an. „Ich müßte ja sonst vor Langweile sterben. Du weißt ja, daß ich die Blumen liebe. Ich beschäftige mich oft stundenlang mit meinen Blumen. Schwache Stückchen binde ich an kleine Hölzchen oder ich ordne die Beete. Und das ist meine größte Freude. Und wenn ich sie auch nicht, sehe, so fühle ich, daß sie gedeihen. Und habe ich sonst nichts anderes zu tun, so streif' ich durch den Wald. Ich seh' ihn nicht, kann mich an seiner Herrlichkeit nicht erfreuen
, aber ich höre die tausend Märchen, die der Wald sich erzählt. Siehst du, so vergesse ich alles." „Es ist ein Glück für die Arme, daß sie sich so dareinschickt," sagt jetzt der Förster, und ein eigener Glanz leuchtet aus seinen Augen. Wilhelm wußte im ersten Augenblicke nicht, was er sagen sollte. In seinem Innern be wunderte er Finchen, die mit einem solchen Heldenmute ihr Unglück ertrug. Sie kam ihm vor, wie ein Geschöpf aus einer andern Welt. Er hatte vor ihr niedersinken und ihr danken mögen