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Tiroler Land-Zeitung
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Page 15 of 16
Date: 03.01.1903
Physical description: 16
„Und du einundzwanzig." „Dann bist du kein Kind mehr," bemerkte Wilhelm naiv. „Und du auch nicht," entgegnete Klärchen, ihm lachend in die Augen schauend. „Wir waren immer so gute Nachbarn." „Gewiß." Die Wartburg. „Nun spielen wir nicht mehr Krieg!" „Nein, wir sind zu alt dafür," und das Mädchen lachte herz lich, als es das sagte. „Hast du wohl einmal an mich gedacht, Klärchen?" „Und du an mich?" Wieder schwiegen beide eine Weile und unwillkürlich faßten sie sich bei der Hand

, während sie sich ansahen. „Klärchen!" „Wilhelm!" „Unsere Freundschaft soll be stehen !" „Gewiß." „Für alle Zeiten!" „Für immer." Wilhelm schaute ihr sinnend nach und ging dann langsam in seine Wohnung zurück. „Mit wem sprachst du un ten?" fragte seine Mutter. „Mit Nachbars Klärchen. Sie ist wieder zu Hause." „So?" Mehr sprach Frau Revers nicht an diesem Abend. Drei Herzen klopften unruhig in dieser Nacht im alten Hause — zwei junge und ein altes. III. Ein Jahr später. Es ist Abend. Wieder blüht die Sp ringe

; sie hat beinahe ausgeblüht, nur noch einzelne Blümchen haf ten an den dünnen Stengeln. Wieder stehen Nachbars Klärchen und Wilhelm an der Mauer, aber sie sagen kein Wort. Wilhelm hält Klärchen sanft um fangen und ihr Köpfchen ruht an seiner Brust. Klärchen schluchzt. Wilhelm drückt sie fester an sein Herz und bringt endlich die Worte hervor: „Begreifst du nun wohl, Klärchen, warum es nicht sein darf?" „Nein, nein!" schluchzte das Mädchen. „Sie weiß nichts davon, Liebste! Sie ahnt

nicht, daß zwischen uns ein Verhältnis besteht. Ach Gott, Klärchen, schluchze doch nicht so, es bricht mir das Herz! Habe Mitleid mit mir; du weißt nicht, was ich leide. Ach, Mutter ist in der letzten Zeit so schwach geworden; sie hat meine Hilfe so nötig. Ich fühle es, sie kann mich nicht mehr entbehren; es würde ihr Tod sein." Klärchen schaute mit Tränen in den Augen zu Wilhelm auf und seufzte. Wilhelm fuhr sanft init der Hand über ihre Locken und flüsterte: „Aber ich werde dich lieben, Klärchen, so lange ich lebe

; und — wirst du noch manchmal an mich denken?" „Ja, Wilhelm, ja!" „Und wenn du später vielleicht ..." — hier stockte Wil helms Stimme — „wenn du später mit einem anderen glücklich sein wirst, dann . . ." Das Mädchen schlug plötzlich ihre Arme um seinen Hals und berührte seine Stirne mit den Lippen. „Wenn du mit einem anderen glücklich sein wirst, denke dann auch an mich, — wie an einen gestorbenen Freund." „Glücklich?" flüsterte Klärchen, „das kann ich nur mit dir sein!" „Mache mir den Abschied nicht so schwer, Liebste

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Tiroler Grenzbote
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Page 7 of 8
Date: 16.01.1942
Physical description: 8
Mim»Srelsenslein (oberhalb Wien) berührt die Donau den Wiener Wald. Aus dem Tobis-Kulturfilm „Die Donau" von Otto Trippei. Auf der falschen Seite? Eine Skizze von Heinrich Schmidt Brausend fuhr die 0-Bahn in die Bahnhofshalle. Wilhelm hatte Feierabend: er stieg, wie er es seit Jahren gewohnt war, in den ersten Wagen ein. „Hallo, Eugen! Mann, bist du braungebrannt!" Kräftig schüttelten sich die beiden Freunde die Hände. „Wilhelm, ich sage dir: es hat sich gelohnt, in die Berge zu fahren. Tolle

Abschuhfahrten habe ich un ternommen". erklärte Eugen mit strahlendem Gesicht. Wilhelm hörte nur mit halbem Ohr hin. „Du, Eugen," lenkte er den Freund auf den Gegenstand seiner Aufmerksamkeit, „schau nicht gleich hin, aber sei ehrlich, ist die Kleine dort an der Tür nicht reizend?" Eugen schwieg. Aber er sah unauffällig hinüber, um den neuesten Schwarm seines Freundes Wilhelm in Augenschein zu nehmen. „Nicht übel", flüsterte er und lächelte verschmitzt. „Schade, dah sie so unnahbar ist", sagte Wilhelm fast

traurig. „Ich habe mir die gröhte Mühe mit ihr gegeben vom ersten Tage an. da ich sie gesehen. Eugen, glaub' mir. nicht eines Blickes hat sie mich gewürdigt. Unglaublich stolz ist sie!" Eugen sah seinen Freund Wilhelm nachdenklich an. „Du meinst, man holt sich bei ihr eine Abfuhr?" „Eugen, wie willst du Könner mit ihr bekommen, wenn sie dich nicht einmal anschaut?" „Du hast keine Ahnung von der Psyche einer Frau, Wilhelm, sonst hättest du längst einen Versuch unter nommen." Wilhelm lächelte mitleidig

. 'VlAartzC/ MEIDE DICH ZUR NATIONALSOZIALISTISCHEN ANMELDUNG: GAUAHTSltlTUNC NSV-, INNSBRUCK, ANKMSTRASSt 42 „Das find tönende Worte, Eugen. "Es ist vollkommen Mecklos, ihr den Hof zu machen." Eugen schwieg eine Weile. Er sah fast geistesabwesend an Wilhelm vorbei, als löse er ein großes Rätsel. Dann sagte er resolut: „Du irrst, Wilhelm. Ich werde dir beweisen, daß das schöne Kind keineswegs so spröde ist, wie du annimmst. Verlasse dich darauf." „Willst du dir wirklich einen Korb holen, mein Junge

?" „Keine Bange, Wilhelm, ich werde das Kind schon schaukeln. Eugen verabschiedete sich ohne Kommentar zur Lage. Der O-Vahnzug bremste bereits, als Eugen neben Wilhelms Schwarm die Abteiltür vorsichtig öffnete und sich anschickte, den Wagen zu verlassen. „Vorsicht! Nicht aussteigen!" schrie das junge Mäd chen entsetzt. Eugen trat von der Tür zurück. Fragend sah er sie an. „Das ist die falsche Seite", hauchte sie und wurde uberrot, da sie in der ersten Angst im Glauben, der junge Mann könnte verunglücken

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Tiroler Sonntagsbote
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Page 1 of 8
Date: 11.03.1888
Physical description: 8
*“*“ .'"'«'J'."«"! «"T. /" »*!?" ,“i N-gchgass- Nr. 32 „ „ , ,. o, „ v ... „ ™ _ (BuchdruckerelB. Reinmann). Bezugspreis für 1 Monat: m Bozen 30 kr., mit 2 fl. — fr., vierteljährlich fl. 1. Für s Ausland: ganzjahrlich 8 Mark od 10 Fr. Postversendung 40 kr. Telegramm-Adresse; Sonntagsbote Bozen. Briefe und Gelder von auswärts sind zu richten an: „Die Redaktion des Sonntags-Boten in Bozen." — Schriftstücke werden nicht zurückgestellt. Kaiser Wilhelm ch 8 V, Uhr Morgen- am 9. März 1888. Eine tieferschütternde Trauerkunde durcheilte am Freitag

des Weltreiches am Rhein und an der Elbe. Mancher deutsche Kaiser vor Wilhelm I. war ebenfalls zu großer Macht ge langt, doch keiner hatte das hehre Glück, nach einer langen, siegumkränzten Lebenslaufbahn noch beinahe ein Viertel-Jahrhundert lang als Schirmer und Schützer des goldenen Friedens sich unermeßliche Verdienste um die Menschheit zu sammeln und so als allverehrter Patriarch unter den Fürsten der Welt sanft und schmerz los zu entschlafen. Am 8. März Abends nahm die Schwäche des seit den letzten Tagen

Wilhelm I, (Friedrich Ludwig) war geboren am 22. März 1797 als zweiter Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III. von Preußen; als junger Prinz kämpfte er in den Feldzügen 1813 und 1814 mit gegen Napoleon I. und führte seit der 1840 erfolgten Thronbesteigung seines Bruders, des Königs Friedrich Wilhelm IV. als Thronerbe den Titel „Prinz von Preußen", in welcher Eigenschaft Prinz Wilhelm bereits hohe militärische und politische Würden beklei dete. 1849 kommandirte er die preußische Armee

gegen die Aufständischen in Baden, im Oktober desselben Jahres wurde er zum Militär-Gou verneur in der Rheinprovinz und 1854 zum Marschall ernannt. Am 23. Oktober 1857 wurde der Prinz Stellvertreter seines erkrankten Bruders, er übernahm darauf am 9. Oktober 1858 die förmliche Regentschaft und bestieg am 2. Januar 1861 nach dem Tode Driedrich Wilhelm IV. den Thron als König von Preußen. Am 24. September 1862 berief der König den bisherigen Botschafter in Paris, Otto von Bismarck als Ministerpräsidenten

, von welcher Zeit an Preußens großdeutsche Politik ihren Anfang nahm. Durch die Feldzüge von 1864 und 1866 gewann König Wilhelm für Preußen: Schleswig-Holstein, Han nover, Kurhessen und Frankfurt, seit 1867 war er Präsident und Bismarck Kanzler des nord deutschen Bundes; 1870 stellte sich König Wil helm an die Spitze des deutschen Heeres gegen Napoleon III. und nach siegreich geführtem Kriege nahm er am 18. Jänner 1871 zu Ver sailles die ihm von den deutschen Fürsten an gebotene Würde als deutscher Kaiser

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 10 of 16
Date: 11.09.1910
Physical description: 16
Trinkgeld, däs die Damen ihm vorweg gegeben, genügte zu einem Leben voller Wonne für ihn, zu reich lichen Quantitäten Brannttvein. Und die Hoffnung auf die große Summe Geldes, die ihm ja sicher war, erfüllte ihn mit der Freude, die eben nur ein Bettler empfinden kann, der auf der Straße einen Beutel Goldes findet. In dem Gefühl der zu erwartenden Wohlhabenheit wagte Janson, sein Inkognito öfter als sonst abzulegen und sich ohne Maske dreist in das Menschengewühl zu mengen. Da sah Wilhelm Griep

ihn denn an einem Sonntag abend stark angetrunken in einem vielbesuchten Vergnügungs lokal in Gemeinschaft einiger jener Großstadltypen, die der Kenner meist nicht verkennt und die dem allzu arglosen Provinzler gefährlich zu werden pflegen. Ganz unauffällig nähert er sich der Gruppe, die ein recht lebhaftes Gespräch über das nahe bevorstehende Schützenfest führt, von dem man sich gute Beute verspricht. Wilhelm vertieft sich scheinbar in eins der fettigen Witzblätter, die da herumliegen und läßt die Leute

, die ihm übrigens auch gar feine Beachtung weiter schenken, sein Gesicht nicht erkennen. „Na, Schlüsserl, du wirst heim müssen, sonst beginnt das gefährliche Quasselstadium wieder bei dir," spricht der eine. „Bitte, ich rede nie ein unbedachtes Wort," lallte Janson, der mit „Schlüsserl" also gemeint ist. Dennoch fügt er sich und wankt in Begleitung zweier Kerle aus dem Lokal. Ganz wie zufällig erhebt sich auch Wilhelm, um den dreien in einiger Entfernung zu folgen. Wohin deren Weg führen würde, hatte er recht

wohl geahnt, nämlich in den berüchtigtsten, fast nur vom Abschaum der Menschheit bewohnten „Stadtteil der Schande", wie er im wahrsten Sinne des Wortes genannt wurde. Mord und Totschlag, Ueberfälle und Gewalttätigkeiten waren da nichts Seltenes. Es gehörte immerhin ein Teil Courage dazu, in dieser späten Stunde den drei Kerlen dorthin zu folgen. Aber ein kühnes Herz hatte Wilhelm ja vom Vater, für den er alles tun mußte, geerbt. Schon als junger Bursche scheute er kein Nonkontre mit Wilderern

sind. Hier eine Rauferei mit großem Radau, da weiter ab eine Messerstecherei. Und nirgend sieht Wilhelm einen Polizisten. Hier ladet man ihn höflich ein, in einem der Kelter das größte Wunder der Neuzeit anzustaunen, dort droht ihm ein Trunkener mit der Schnapsflasche. Sicher und furchtlos schreitet er weiter, immer die drei Leute im Auge behaltend. Nun biegen dieselben in eine noch unheimlichere, kotige und moderige Seitengasse sin, in der kein Licht leuchtet. Hätte Janson nicht das große Wort geführt

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Tiroler Land-Zeitung
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Page 14 of 16
Date: 03.01.1903
Physical description: 16
nimm ein Beispiel an mir!" Dann legte er den Arm um ihre Schulter, küßte sie auf die runzelige Wange und erwiderte: „Keine Not, Mutter! Sie sind noch jung." Dann schüttelte sie -wohl ihr Haupt, aber schwieg und war glücklich, innig glücklich; denn sie wußte ja, warum er so spät noch arbeitete. Oft sah die alte Frau ihn an, während sie strickte und Wilhelm, über seinen Stein gebeugt, schweigend zeichnete; tausenderlei Ge danken kamen ihr dann in den Sinn, wenn ihr Blick das kleine Zimmerchen

musterte. Da hatte er krank gelegen, ihr Liebling, da in der dunklen Bettstelle mit den grünen Gardinen. Dort vor dem Fenster hatte er zum erstenmal wieder gesessen, als er besser war. Ueber der Kommode hing seine erste Zeichnung, gegen über dem Schornstein die allerersten Proben seiner Eravierkunst. Alles redete zu ihr von ihm, und jedes einfache Möbel hatte für sie eine Geschichte. Bisweilen ruhte ihr Auge auf einem kleinen photographischen Porträt, das auf dem Schränkchen stand, worin Wilhelm

seine Habseligkeiten barg. Es war das Porträt eines jungen, frischen Mädchens — Nachbars Klärchen. Sie hatte es Wilhelm geschenkt, als sie sich zum erstenmal hatte photographieren lassen. Klärchen und Wilhelm waren als Kinder sehr viel zusammen gewesen. Sie hatten gelacht, gespielt und einander geneckt, bis Klärchen vierzehn Jahre alt war und die elterliche Wohnung verließ. Der Korbmacher, ihr Vater, hatte ein Haus voll Kinder und nicht mehr als sein tägliches Brot. Es war daher seines Erachtens nur billig

, daß die Aelteste „unter die Leute" ging. Wilhelm weinte viele Tränen, als sie fortging; aber es waren echte Jugendtränen: sie trockneten ebenso rasch als sie flössen und hinterließen keine Spuren. Wenn Frau Revers dieses Mädchenporträt betrachtete, fühlte sie etwas Fremdes, etwas Wunderliches. Sie wußte eigentlich selbst nicht, was; aber es kam ihr beinahe so vor, als wenn sie Klärchen nicht so recht leiden möchte. Warum, das wußte sie selbst nicht. Das Mädchen hatte sich immer freundlich und herzlich

, indem er seiner Spielgenossin zu gut war. Vielleicht lag ein gewisser Egoismus in Frau Revers übergroßer Liebe zu ihrem Sohne. Sie wollte ihn allein haben — ihren Wilhelm — und doch, wieviel Selbstaufopferung hatte sie an den Tag gelegt, wie oft hatte sie bewiesen, daß sie allein in seinem Glück auch das ihrige fand. Wunderbares Mutterherz, wer kann dich ergründen? Fast schien es, als wenn er ihre geheim sten Gedanken verstehe; denn wenn sie bei einander saßen, sah er bisweilen plötzlich von seiner Arbeit auf und nickte

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Tiroler Land-Zeitung
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Page 22 of 22
Date: 10.01.1903
Physical description: 22
V. Und Frau Revers hatte leider beim offenen Fenster gesessen, — sie hatte alles, Wort für ‘ Wort, gehört. Unwillkürlich war ein Schrei von ihren Lippen gekommen, als sie Frau Müller sagen hörte: „Sie gönnt ihren Jungen keiner anderen." Sie wollte aufstehen, aber sie konnte nicht; wie festgenagelt blieb sie auf ihrem Stuhle sitzen und hörte alles. Das war es also! Auf einmal ging ihr ein Licht auf. Schon seit Monaten hatte sie sich wegen ihres Wilhelm Unruhe gemacht. Sie bemerkte sehr gut

in den großen Stuhl, den Wilhelm ihr einst geschenkt hatte. Als Wilhelm Revers am Abend nach Hause kam, klang ihm lein freundliches „Tag Wilhelm! Tag Junge!" entgegen. Seine Mutter saß ineinander gesunken, mit dem Kopfe auf der Brust, in dem Stuhl, und als er sie in seine Arme nahm und das schwere Haupt zu sich emporhob, sah er Schaum auf ihren Lippen und zwei große, glasige Augen, die ihn regungslos anstarrten. Schwer und röchelnd ging noch ihr Atem. Mit Hilfe einiger Nachbarinnen wurde sie zu Bett

hineinschaute, kam Frau Revers noch eben zum Bewußtsein; die Frau des Korbmachers war gerade ha, um nach ihr zu sehen. „Kennst du mich, Mutter?" fragte Wilhelm, über das Bett sich vrobeugend. Leise strich sie mit ihrer Hand über sein Haar, sprechen konnte sie nicht, sie brachte nur unverständliche Laute hervor. „Und mich — kennt Ihr mich?" fragte Klärchens Mutter, dem Bett sich nähernd. Moissans elektrischer Öfen. Einen Augenblick sah die Kranke sie mit matten Augen an. Sie versuchte zu sprechen, konnte

aber nicht. Ueber ihre bleichen, eingefallenen Wangen rollten ein paar dicke Tränen, und mit zitternder Hand zeigte sie auf die Gegenstände, welche auf Wil helms Schränkchen standen. Die Frau begriff nicht, was sie wollte; sie nahm ein Döschen, das darauf stand, und reichte es ihr. Mit einer ungeduldigen Bewegung zeigte Frau Revers von neuem. Wieder brachte man ihr nicht, was sie wünschte. Endlich nahm Wilhelm Klärchens Porträt und fragte: „Meinst du das, Mutter?" Die Sterbende nickte, richtete sich plötz

-i lich halb auf, drückte das Porträt in Wil helms Hand und zugleich an seine Brust. Dann umfaßte sie ihren Sohn mit Aufbie tung all ihrer letzten Kraft; ihr Kopf sank an sein Herz, und da seufzte sie den letzten Atem aus. „O Gott," schluchzte Wilhelm, „sie hat alles begriffen!" -i- * * Ein halbes Jahr später blühte die Springe wieder; die gute, alte Sonne hat doppelt warm und erquickend aus das Bäum- chen herabgeschienen und es so geliebkost/ daß es zwei Blütendolden trug. Wilhelm schnitt

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Tiroler Post
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Page 11 of 12
Date: 03.01.1903
Physical description: 12
''Dann "bist"du ^ke^n^Kind mehr," bemerkte Wilhelm naiv. ^Und du auch nicht," entgegnete Klärchen, ihm lachend m die Äugen schauend. , „ Wir waren immer so gute Nachbarn. "Gewiß." Die Wartburg. ..Nun spielen wir nicht mehr Krieg!" ,,Nein, wir sind zu alt dasür," und das Mädchen lachte herz lich, als es das sagte. „Hast du wohl einmal an mich gedacht, Klärchen? '.'.Und du an mich?" t Wieder schwiegen beide eine Weile und unwillkürlich faßten sie sich bei der Hand, während sie sich ansahen

. „Klärchen!" „Wilhelm!" „Unsere Freundschaft soll be stehen !" j . „Gewiß." „Für alle Zeiten!" „Für immer." Wilhelm schaute ihr sinnend nach und ging dann langsam in seine Wohnung zurück. „Mit wem sprachst du un ten?" fragte seine Mutter. „Mit Nachbars Klärchen. Sie ist wieder zu Hause." „So?" Mehr sprach Frau Revers nicht an diesem Abend. Drei Herzen klopften unruhig in dieser Nacht im alten Hause — zwei junge 'und ein altes. III. Ein Jahr später. Es ist Abend. Wieder blüht die Sp ringe; sie hat beinahe

ausgeblüht, nur noch einzelne Blümchen haf ten an den dünnen Stengeln. Wieder stehen Nachbars Klärchen und Wilhelm an der Mauer, aber sie sagen kein Wort. Wilhelm hält Klärchen sanft um fangen und ihr Köpfchen ruht an seiner Brust. Klärchen schluchzt. Wilhelm drückt sie fester an sein Herz und bringt endlich die Worte hervor: „Begreifst du nun _ wohl, Klärchen, warum es nicht sein darf?" . Nein, nein!" schluchzte das Mädchen. .^ "Sie weiß nichts davon, Liebste! Sie ahnt nlcht

, daß zwischen uns ein Verhältnis besteht. Ach Gott. Klärchen, schluchze doch nicht so. es bricht mir das Herz! Habe Mitleid m.t mrr; du we.stt nicht, was ich leide. Ach. Mutter ,|t m d°r^l°ht-n Zeit so schwach geworden; sie hat meine Hüfe so notig. Ich suhle es, sie kann mich nicht mehr entbehren; es würde ihr Tod sein. Klärchen schaute mit Tränen in den Augen zu Wilhelm auf und seufzte. Wilbelni fuhr sanft mit der Hand über ihre Locken und flüsterte. Aber ich werde dich lieben, Klärchen, so lange ich lebe

nicht anders." Ich weiß es, Wilhelm, aber es ist so hart! ,,Klärchen, verurteile mich nicht. Gott weiß, was U1) ^Das Mädchen antwortete nicht und ließ mutlos ihr Köpfchen an seine Schulter sinken Der Wind blies die wenigen Blüten der Springe ab und streute sie auf ihre Locken , Und während dies unten auf dem kleinen Hofraum stattfand, sah Frau Revers in ihrem Zimmer und dachte an Wilhelm; sie hörte ihn die Treppe herauf- steiaen und öffnete die Türe mit den Worten: „junge, wie kommst du heute so spät; ich begann

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Unterinntaler Bote
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Page 1 of 10
Date: 19.04.1901
Physical description: 10
. Donlierstag, 25. April. Marens Ev. Montag, 22. April. Soter und Cajus. Freitag, 26. April, f Cletus Pr. Dienstag, 23. April. Adalbert. Samstag, 27. April. Peregrinus. Politisches. Der deutsche Kronprinz in Wien. Sonntag den 14. April um halb 9 Uhr vor mittags traf der deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm in Wien auf dem Nordwestbahnhose ein. Kaiser Franz Joses war mit den Erzh erz o g e n vorher dort angekommen, um den hohen Gast zu empfangen. Kronprinz Friedrich Wilhelm begab sich nach intimster

Begrüßung in Begleitung unseres Kaisers in die Hofburg. Noch vormittags empfieng unser Kaiser den deutschen Kronprinzen und stattete ihm mittags seinen Gegenbesuch ab. Nachmittags stattete Friedrich Wilhelm den Mitgliedern des Kaiserhauses Besuche ab und empfieng deren Gegen besuche. Kaiser Franz Josef hielt abends beim Galadiner in der Hofburg einen Toast, worin er den Kronprinzen, den Sohn seines treuen Freundes Kaiser Wilhelm herzlichst in seiner Residenz will kommen hieß und die freudige Hoffnung

Kronprinz legte auch namens des deutschen Kaisers Wilhelm prachtvolle Kränze an den Särgen der Kaiserin Elisabeth, des Kronprinzen Rudolf und des Erz herzogs Albrecht nieder. Gestern erfolgte die Rückkehr des Kronzprinzen Friedrich Wilhelm nach Deutschland. Reue Herren haus Mitglied er. Zu Herren hausmitglieder aus Lebensdauer wurden folgende Herren ernannt: Dr. Anton Dovrak, Pro fessor am Conservatorium in Prag, Dr. Emil Frieda, Professor an der böhmischen Universität in Prag, Hofrath Dr. Theodor

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Tiroler Post
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Page 10 of 12
Date: 03.01.1903
Physical description: 12
Seite 8. Prabl z. B. Schwan Komplette Molkei 176—50p Kom Aktien-Gesellschaft Niederlage für die Alj Vorletst« nimm ein Beispiel an mir!" Dann legte er den Arm um ihre Schulter, küßte sie auf die runzelige Wange und erwiderte: „Keine Not, Mutter! Sie sind noch jung." Dann schüttelte sie wohl ihr Haupt, aber schwieg und war glücklich, innig glücklich; denn sie wußte ja, warum er so spät noch arbeitete. „ c Y Oft sah die alte Frau ihn an, während sie stuckte und Wilhelm, über seinen Stein gebeugt

. , , Bisweilen ruhte ihr Auge auf einem kleinen photographischen Porträt, das auf dem Schränkchen stand, worin Wilhelm seine Habseligkeiten barg. Es war das Porträt eines jungen, frischen Mädchens — Nachbars Klärchen. Sie hatte es Wilhelm geschenkt, als sie sich zum erstenmal hatte photographieren lassen. Klärchen und Wilhelm waren als Kinder sehr viel zusammen gewesen. Sie hatten gelacht, gespielt und einander geneckt, bis Klärchen vierzehn Jahre alt war und die elterliche Wohnung verlieh. Der Korbmacher

, ihr Vater, hatte ein Haus voll Kinder und nicht mehr als sein tägliches Brot. Es war daher semes Erachtens nur billig, daß die Aelteste „unter die Leute" gmg. Wilhelm weinte viele Tränen, als sie fortging; aber es waren echte Jugendtränen: sie trockneten ebenso rasch als sie flössen und hinterließen keine Spuren. Y r J Wenn Frau Revers dieses Mädchenportrat betrachtete, fühlte sie etwas Fremdes, etwas Wunderliches. Sie wußte eigentlich selbst nicht, was; aber es kam ihr beinahe

von Eingang zur Hölloch-Grotte im Muotatal (Schwyz.) Wilhelms Herzen erobert hätte; als wenn er seine Mutter beeinträchtigte, indem er seiner Spielgenossin zu gut war. Vielleicht lag ein gewisser Egoismus in Frau Revers übergroßer Liebe zu ihrem Sohne. Sie wollte ihn allein haben — ihren Wilhelm — und doch, wieviel Selbstaufopferung hatte sie an den Tag gelegt, wie oft hatte sie bewiesen, daß sie allein in seinem Glück auch das ihrige fand. Wunderbares Mutierherz, wer kann dich ergründen? Fast schien

eine Veränderung in ihr stilles, einförmiges Leben brachte. — _ Nachbars Klärchen war wieder nach Hause gekommen. Die Familie in einer anderen Stadt, wo sie vier ^ahre gedient hatte und wobei sie bis zur Bonne gestiegen war, war ins Ausland ge zogen. Wilhelm wußte nichts davon, und so stand er eines Abends ihr plötzlich gegenüber. War das Klärchen? Er konnte seinen Augen kaum trauen. Wie schön war sie geworden! Wie floß das volle, dunkelblonde Haar ihr so lockig um die blühenden Wangen, wie lachten die blauen

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Unterinntaler Bote
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Page 11 of 20
Date: 01.11.1913
Physical description: 20
er. „Sie sind ruiniert! Ist das das Schlimmste, was Sie mir zu sagen haben?" fragte Griffiths mit durchbohrendem Blicke, und der Aktienhändler fühlte, daß er alles wußte. „Ich bin sehr unglücklich gewesen — und sehr tadelns wert," sagte Barly, „schrecklich tadelnswert. Herr Griffiths, ich kann nur auf Ihre Milde vertrauen." „Meine Milde! Mein Erbarmen! Ich bin kein Menschenfreund!" rief Wilhelm wild, „ich bin ein Ge schäftsmann, und Sie haben mich betrogen!" „Herr," sagte der Aktienhändler

, welcher in diesem schlimmsten Augenblicke etwas Mut fand, „Sie verweigerten mir mein eigenes Geld; ich benutzte eine Ihnen gehörige Summe, um mich bei diesem .unglücklichen Unternehmen zu beteiligen. Gott weiß, daß es nicht wegen mir geschah, sondern wegen — wegen anderer; und ich glaubte, es bald zurückzuerstatten. Sie können jetzt unser Geld einbehalten. Sie können mich in das Gefängnis bringen, wenn Sie wollen. Ich — ich bin auf alles gefaßt. O meine Bella, meine arme Bella! Meine armen Mädchen!" Wilhelm

. Die Welt ist hart gegen die Unglücklichen, aber Barly war zu niedergeschlagen und teil nahmslos, um Bitterkeit gegen die Welt zu fühlen. Wilhelm verurteilte in tatkräftiger Jugend das Ge schehene härter als der unglückliche Schuldige, welcher in unüberlegter Schwäche gehandelt. „Wie konnten Sie das tun?" rief der junge Mann ent rüstet, indem er in schneller, plumper Weise in: Zimmer auf und ab ging und dabei an Tische und Stühle stieß. „Wie konnten Sie das tun?" wiederholte er. „Ich erfuhr es gestern

zufällig. Was ich Ihnen sagen kann, muß Ihnen Ihr Gewissen schon gesagt haben. Wie konnten Sie es tun?" Wilhelm blieb vor Zorn am Fenster stehen. Trotz seiner Wildheit und seines Grimmes tat ihm der arme, schwache alte Mann leid, dessen Schicksal er in der Hand hielt. Draußen war die Rosenpracht des Gartens; der von Barly abgebrochene Zweig lag auf dem Kieswege — ein paar Rosen aus den Hunderten, welche auf ihren kräftigen Stän:n:en aufbrachen, blühten und welkten. Der Rosen zweig glich dem Unrechte

gerechtfertigt vor uns nach Hause?" Der arme Wilhelm war seiner Belinda nicht weniger würdig, weil er bei dem Gedanken an sie errötete, sanfter blickte und Beschämung wegen seiner giinstigen Verhältnisse und seines hohen Ansehens fühlte. Wann war er in Ver suchung gewesen? War er nicht im Reichtum geboren? Und doch besaß der alte Barly in seiner Not einen Schatz, für welchen Wilhelm gern sein Veruiögen, sein Ansehen, alle seine Rosen und — was mehr wert war — seines Herzens treue Ergebenheit angeboten hätte

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Lienzer Nachrichten
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Page 1 of 12
Date: 29.01.1915
Physical description: 12
weniger als Jahresfrist, im Spät winter 1914, stand am unteren Stadtplatz an Me Hausmauer sich nachlässig lehnend, ein jugendlicher Arbeiter, Wilhelm mit Namen. Es mar ein Werktag, Montag, um die Mittag stunde. Wilhelm trug aber Feierlagskleider. Das Gesicht war finster, sein Blick trüb und Zeigte inneren Schmerz. Wie zufällig — es gibt aber keinen Zu- fall kommt der Präses des Jugendhortes an diese Stelle, sieht den jungen Mann und erkennt sofort: Da ist etwas nicht in Ord nung. Der Wilhelm

- kampfschiffe der beiden Seemächte, vor allem jene Deutschlands, waren bis dahin noch nicht in Tätig keit getreten und so konnten englische Großsprecher noch immer sich der Ucberlegenheit ihrer Flotte gegenüber der deutschen Seemacht rüsten und höhnen, daß sich letzteres nicht getraue, sich zum Kampfe Zu stellen und sich lieber aus Furcht vor der englischen Flotte verkrieche. zu erzählen, Wilhelm sei ein Spieler gewor den; er sei fast immer in einer verrufenen Kegelbahn. Die Erkundigungen ergaben

, daß dies leider auf Wahrheit beruhte. Wie ent setzlich der jugendliche Arbeiter jedoch in die ser Spielhölle von der Leidenschaft gefesselt war, das sollte dieser Tag zeigen. Wilhelm schien überrascht, als er den Hortleiter auf ihn zukommen sah. Er konn te und wollte auch vielleicht nicht mehr ent weichen. „Wilhelm, wie geht es?" Keine Antwort. „Haft du heute Feiertag? Keine Antwort. Die Augen blickten noch finsterer auf den Boden. „Hat dich der Meister entlassen?" „Nein, ich bin selbst gegangen." „Warum

, war, daß Wilhelm versprach, heute noch nicht von Lienz sortzugehen. So schieden sie voneinander; Wilhelm kaum freundlicher als vor dem Zusammentreffen. Nachmittags suchte der Hortleiter so fort die Wohnung des Meisters auf, um sich dort zu erkundigen. Der Meister hatte keine Ahnung gehabt, wo Wilhelm war und wollte soeben gehen, um Erkundigungen einzuziehen. Er war froh, von Wilhelm etwas zu hören,

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Tiroler Bauern-Zeitung
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Page 11 of 16
Date: 26.08.1921
Physical description: 16
vom 16.' Juli 1921 B.-G. J5tJ Nr. .998 bestimmten Gründen gekündigt werden. Frage: Mein int November verstorbener Vater war . zweimal verheiratet. Aus bet* ersten und aus der zweite» • Ehe stammen je 4 Kinder. Tie Kinder ans der'zweiten Ehr " Der schwarze See. r Erzählung von Franz K 0 fler. „Grüß dich Gott, Wilhelm! Weil du nur da bist!" Sie reichte ihm die Hand und weinte. „Wie geht's dem Vater?" Die Stimme bebte ihm. „Geh' nur g'schwind -hinauf in die Kammer, er hat schon lang auf dich gewartet

." „Wie lang ist er schon krank?" „Sechs Tage schon," antwortete die Mutter. „Und ihr habt mir nicht früher telegraphiert!" „Erst gestern ist's so schlecht geworden." Sie schluchzte. „Er wird nimmer besser. Der Doktor hat gflagt, er hätt' Lungenentzündung und Rippenfellentzün dung dazu." Sie ging mit dem Lichte voran. Mit ticftraurigem Herzen flieg Wilhelm die Treppe hinauf und trat in die Kammer, wo sein schmer-kranker Vater lag. „Vater, jetzt bin ich da," sagte er leise. Eine welke'feuchte Hand streckte

sich unter der Decke heraus und schob sich Wilhelm entgegen. Der ließ sie nicht mehr los. Ein rotes Lämpchen flackerte unter dem Bilde der schmerzhaften Mutter Gottes, das in der Ecke hing. Gestern hatten sie es angezündet und nun war es am Erlöschen. „Mena, gieß' ein bißchen Oel ein!" sprach die Mut ter mit gedämpfter Stimme. Mena ging anf den Zehen zum Lämpchen bin. Si- zitterte und stieß das Fläschchen um. Der Vater wandte sich ihr zu. „Menst, paß aus!" Aber die Stimme hatte einen so seltsamen Klang. „Wilhelm

, geh' her zu mir! Ganz nahe!" sagte er dann. „Ich bin schon da," antwortete dieser. „Hast du heuer schon viel studiert, Wilhelm?" frug öer Vater. >• , . „Heuer? Nein, gar so viel noch flicht. Es hat noch nicht lang gedauert." „Aber alle fünf Jahr', die du jetzt schon fort bist, hast wohl viel gelernt, hast auch schon ein schönes Geld gebraucht." , Wilhelm schwieg. Der erste Schein des Morgens fiel durch die herabgelassenen Vorhänge. Leise rauschte der Regen an die Scheiben und floß in winzigen

Bächlein am Glase ab. „Mena, tu' die Vorhänge weg, daß ich hinaussieh. Und das Fenster tust aus, 's ist so warm da," sagte der Kranke. Dann wandte er sich wieder an Wilhelm und fuhr fort: „Und wenn ich stirb. . „Vater!" schrie Wilhelm auf und preßte des Vaters Hand. Drüben am Fenster klang ein unterdrücktes Schluch zen. Die Mutter trat aus Dem Zimmer. „Ich sieh schon, ich komm nimmer aus dem Bett." „Na, Vater, ihr dürft nicht sterben, noch nicht!" schluchzte der Knabe. „Für mich ist's ja gleich

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Tiroler Bauern-Zeitung
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Page 10 of 16
Date: 05.08.1921
Physical description: 16
den Lehrpersonen als Wohlmeinung ansehcn, dann führt das Zusammen- wirkerr von Schule und Haus zu einem guten Erfolge und den größten Nutzen hat das Kind davon. Wenn aber daheim jede Klage des Kirrdes geglaubt wird ohne weitere Nachforschung, wenn jede Strafe als Ungerechtigkeit, jede gerechte Bevorzugung armer begabter fleißiger Kinder als Ungerechtigkeit betrachtet wird, darrn kann freilich ein gedeihliches Zusammenwirken nicht ent stehen. Wilhelm geht heim. Zwischen Klammer und dem Sandegger herrscht

ein feindseliges Verhältnis. Mit dem Lateinprofessor hat sich Klammer leidlich versöhnt. Einen Denkzettel wird er freilich bekommen. Aber „was die Schickung schickt, ertrage," hat er vor! einiger Zeit in einem Gedicht lernen müssen. — Irma und Wilhelm führen wirklich mitsammen Schlittschuh. Anfangs war die Kaufmannstochter nicht sonderlich erbaut über die Kunst ihres Gesellen, aber Wilhelm war ein gelehriger Schüler und bald fuhr er die Schleifen, die Irma fuhr. „Gelt, Wilhelm, das ist lustig?" frag

das Mädchen nrit blitzenden Augen und glitt in zierlichem Schwung über das Eis hin. Drüben auf dem Wege giirg Klammer mit meh>- reren Studenten spazieren. „Schaut's den Büffler an, den scheinheiligen," rief er seinen Gefährten zu, „tvie der Schlittschuh fährt?" Wilhelm hörte beit Spott und wurde rot. „Kümmere dich nicht ums Gerede!" flüsterte ihm Irma zu. „Fahren wir weiter!" Sie fuhren den geftorenen Teich hitrauf. Wilhelm machte eine Schleife, blieb stecken und siel. Drüben ertönte ein lautes Gelächter

. ,^st's lustig?" schrie Klammer herüber. - Als Wilhelm am folgenden^ Tilge ins Gymnasium ging, stießen zwer.ältere Studenten zu ihm, die gestern mit Klammer spazieren gegangen waren. „Jst's gestern fein' gewesen, Sandegger, mit dem Mädl Schlittschuh zu fahren?" zischten sie. Wilhelm wurde rot, seine Fäuste ballten sich. „Hast du gesehen, wie sie gelacht hat, als du ge fallen bist?" Das war eine Lüge. „Sie hat nicht gelacht." Der Sandcgger biß sich dir Unterlippe blutig. „Und übrrgens ist sie gefahren

wehten, Blumen blühten und welk ten und starben. Auf dornigen Rainen wuchs die Hau hechel und wenn diese blüht, kommen die Ferien. Wilhelm Sandegger erhielt ein schönes Zeugnis. Mit dankbarem Herzen nahm er Abschied von der Fa- ! milie Pettinger. ,^lm ^»rbft kommst du wieder," sagte der Kauf- ? mann und ' fügte hinzu: „Aber gewiß, Wilhelm." Dann fuhr er heim. „Wilhelm kommt!" ries die Schwester und sprang chm freudig.entgegen bis hinunter zum Kreuz. HaA in 'Hand machten die Geschwister die letzte

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Tiroler Land-Zeitung
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Page 16 of 18
Date: 19.06.1914
Physical description: 18
. Wilhelm jedoch, der sich aus dem Wagen beugte, sah im Vorüberfahren, wie die Büsche sich teilten und Eduard den Kopf daraus hervorstreckte. Derselbe drückte die Lippen zusammen und riß sie wieder auseinander, wie man wohl zu tun pflegt, wenn man einen Kuß in die Ferne senden will. Wilhelm aber verstand ihn besser: das Zeichen bedeutete ein B. den Anfangsbuchstaben des Namens, den sie sich zum Losungswort erkoren hatten. Schöne Stunde, wirst du jemals wieder kehren, durch den nie veraltenden Zauber

dieses Namens heraufbeschworen? Zugleich aber war Wilhelm noch Augen zeuge eines weiteren Schauspiels geworden. In der Lücke des Gebüsches war eine lange, knöcherne Hand erschienen, die dem armen Eduard eine wohlbemessene Ohrfeige gab. Der Wagen war längst vorbeigerollt, und Wilhelm lehnte schwermütig wieder in sei ner Ecke. Er gedachte der arithmetischen Genauigkeit seines Freundes, und bange Ahnungen erfüllten seine treue Seele. Ob sein Vater die Erscheinung gleichfalls ge sehen habe, wußte

, das ihm von der künstleri schen Bearbeitung durch die Ferne keinen Begriff gab, und mit einer Beschreibung, an die er nicht denken konnte, ohne daß ihm ein Stich durch das Herz ging. Inzwischen brachte er den ersten AbeUd, den er wieder im häuslichen Kreise verlebte, so heiter zu, als seine Erschöpfung von der Reise es nur gestatten wollte. Er mußte seiner Frau von dem glücklichen Examen, das Wilhelm gemacht, ifrfF von der schmei chelhaften Aufnahme bei den Verwandten in der Residenz so viel erzählen

sich denken, daß der Vater jetzt zur Mutter hinabgehen werde, um feilt gepreß tes, gekränktes Herz bei ihr auszuleeren. Wilhelm konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich zu vergewissern, wie der Pfarrer von B... bürg in der sonst von beiden Seiten jeden Morgen so sehnlich er warteten optischen Begrüßungsstunde sich verhalte. Er holte daher das Fernrohr und blickte hinab. Der Pfarrer von B ... bnrg stand so gleich mütig wie immer an seinem Fenster und sah herauf, als wenn nichts vorgesallen wäre

. Bei näherer Rekognoszierung entdeckte Wilhelm jedoch, daß der Wegelagerer an seinem Fernrohr eine sonderbare Vorrich tung angebracht hatte, welche an der einen Seite ein gutes Stück weit über dasselbe herausragte. Wilhelm sah genauer hin und zerbrach sich den Kopf, doch wurde er seiner Sache inimer gewisser und konnte zuletzt nicht mehr zweifeln, daß es ein — Scheu leder war. Er hatte Verstand genug, um sich zu sagen, daß niemand im Ernste daran denken könne, einem Fernrohr durch eiu,r Augenklappe

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Außferner Zeitung
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Page 27 of 32
Date: 25.10.1913
Physical description: 32
er. „Sie sind ruiniert! Ist das das Schlimmste, was Sic mir zu sagen haben?" fragte Grifsiths mit durchbohrendein Blicke, und der Aktienhändler fühlte, daß er alles wußte. »Ich bin sehr unglücklich gewesen — und sehr tadelns wert," sagte Barly, „schrecklich tadelnswert. Herr Grifsiths, ich kann nur aus Ihre Milde vertrauen." „Meine Milde! Mein Erbarmen! Ich bin kein Menschenfreund!" rief Wilhelm wild, „ich bin ein Ge schäftsmann, und Sie haben mich betrogen!" ..Herr," sagte der Aktienhändler

, welcher in diesem schlimmsten Augenblicke etwas Mut fand, „Sie verweigerten mir mein eigenes Geld; ich benutzte eine Ihnen gehörige Lumme, um mich bei diesem unglücklichen Unternehmen zu beteiligen. Gott weiß, daß es nicht wegen mir geschah, sondern wegen — wegen anderer; und ich glaubte, es bald zurückzuerstatten. Sie können jetzt unser Geld einbehalten. Sie können mich in das Gefängnis bringen, wenn Sie wollen. Ich — ich bin auf alles gefaßt. O meine Bella, meine arme Bella! Meine armen Mädchen!" Wilhelm hatte schweigend

gegen die Unglücklichen, aber Barly war zu niedergeschlagen und teil nahmslos, um Bitterkeit gegen die Welt zu fühlen. Wilhelm verurteilte in tatkräftiger Jugend das Ge schehene härter als der unglückliche Schuldige, welcher in unüberlegter Schwäche gehandelt. „Wie konnten Sie das tun?" rief der junge Mann ent rüstet, indem er in schneller, plumper Weise im Zimmer aus und ab ging und dabei an Tische und Stühle stieß. »Wie konnten Sie das tun?" wiederholte er. „Ich erfuhr es gestern zufällig. Was ich Ihnen sagen

kann, muß Ihnen >U)r Gewissen schon gesagt haben. Wie konnten Sie es tun?" . Wilhelm blieb vor Zorn am Fenster stehen. Trotz seiner Wildheit und seines Grimmes tat ihm der arme, schwache alte Mann leid, dessen Schicksal er in der Hand hielt. Draußen war die Rosenpracht des Gartens; der von Barly abgebrochene Zweig lag aus dem Kieswege — ein püar Rosen aus den Hunderten, welche auf ihren kräftigen Stämmen aufbrachen, blühten und welkten. Der Rosen zweig glich dem Unrechte, welches Barly seinem Verwandten

zugefügt — ein kleiner Verlust bei großem Reichtum. Wilhelm blickte vom Fenster weg und sah zufällig int Spiegel seine eigene kräftige, breite Gestalt mit glänzenden, weißen Zähnen und schwarzem, buschigem Haar neben dem zitternden, grauen, alten Mann. Fühlt man sich llicht manch mal int Leben angesichts der Unglücklichen und Kummer vollen beschämt? Sind wir mit der Schaustellung unserer Tugend auf dem Markte Pharisäer und fragen wir uns verzagt: „Geht dieser Mann gerechtfertigt vor uns nach Hause

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Tiroler Post
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Page 15 of 20
Date: 31.10.1913
Physical description: 20
." „Meine Milde! Mein Erbarmen! Ich bin kein Menschenfreund!" ries Wilhelm wild, „ich bin ein Ge schäftsmann, und Sie haben mich betrogen!" ..Herr," sagte der Aktienhändler, welcher in diesen! schlimmsten Augenblicke etwas Mut fand, „Sie verweigerten mir mein eigenes Geld; ich benutzte eine Ihnen gehörige Summe, um mich bei diesem unglücklichen Unternehmen zu beteiligen. Gott weiß, daß es nicht wegen mir geschah, sondern wegen — wegen anderer; und ich glaubte, es bald zurückzuerstatten

. Sie können jetzt unser Geld einbehalten. Sie können mich in das Gefängnis bringen, wenn Sie wollen. Ich — ich bin auf alles gefaßt. O meine Bella, meine arme Bella! Meine armen Mädchen!" Wilhelm hatte schweigend zugehört. Er winkte Herrn Barly, ihm in die Bibliothek zu folgen. Barly folgte ihm und wartete demütig auf sein Urteil. Er stand im vollen Sonnenlichte, welches durch das Fenster strömte. Sein halbkahler Kopf war gebeugt und sein Haar stand im Sonnenschein zu Berge. Seine Augen vermieden das Licht und irrten

über die Eiseneinsassung des Kamins und über das Holzwerk des Zimmers. Er war entehrt — ja. Bankerott — ja. Sein sechzigstes Lebensjahr hatte ihn in diese Schande und Not gebracht. Die Welt ist hart gegen die unglücklichen, aber Barly war zu niedergeschlagen und teil nahmslos, um Bitterkeit gegen die Welt zu fühlen. Wilhelm verurteilte in tatkräftiger Jugend das Ge lächene härter als der unglückliche Schuldige, welcher in unüberlegter Schwäche gehandelt. ...«Wie konnten Sie das tun?" rief der junge Mann ent rüstet

, indem er in schneller, plumper Weise im Zimmer auf und ab ging und dabei an Tische und Stühle stieß. «Wie konnten Sie das tun?" wiederholte er. „Ich erfuhr E gestern zufällig. Was ich Ihnen sagen kann, muß Ihnen Zw Gewissen schon gesagt haben. Wie konnten Sie es tun?" Wilhelm blieb vor Zorn am Fenster stehen. Trotz mner Wildheit und seines Grimmes tat ihm der arme, Mache alte Mann leid, dessen ^Schicksal er in der Hand hielt. Draußen war die Rosenpracht des Gartens; der .von oarly abgebrochene Zweig lag

auf dem Kieswege —_ ein Rosen aus den Hunderten, welche auf ihren kräftigen Stämmen aufbrachen, blühten und Melkten. Der Rosen zweig glich dein Unrechte, welches Barly seinem Verwandten zugefügt — ein kleiner Verlust'bei großem Reichtum. Wilhelm blickte vom Fenster weg und sah zufällig im Spiegel seine eigene kräftige, breite Gestalt mit glänzenden, weißen Zähnen und schwarzem, buschigem Haar neben deru zitternden, graüen, alten Mann. Fühlt man-sich nicht manch mal im Leben angesichts der Unglücklichen

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Tiroler Bauern-Zeitung
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Page 7 of 12
Date: 07.10.1921
Physical description: 12
, daß der Heiland es euch vergelten wird in der Stunde des Todes. Verschließet das Herz nicht gegenüber den Armen!" Nach der Predigt spielte die gut geschulte Kapelle von Trins die Haydn Messe. Freudigen Herzens uud herablassend drückte nachher der hochwürdigste Herr Bischof den Leuten aus Trins die Hand, von denen er noch viele kannte,'da er vor 30 Jahren als Kooperator 19 Der schmarzr Ser. Erzählung von Franz Kofler. „Wilhelm!" klang es an sein Ohr. Er fuhr auf. . .. . „Hast du nicht einmal gejagt, auf drejen

Bergen wächst das Edelweiß." „Willst du es sehen? Welyr ou, meyr als sehen kann nmn's nicht." „Kannst du es auch nicht bekommen?" Er zögerte ein Weilchen. „Nein." „Aber sehen kann ich's, wo es wächst? Bitte, zeige mir das Edelweiß!" Sie aingen am Ufer des Sees hin und stiegen drüben das Gerölle empor. Ihr Fuß klemmte sich zwischen zwei Steinen fest. ,Hetzt bin ich gefangen!" lachte sie. Nur mit Mühe konnte sie Wilhelm sreimachen. Dann klommen sie auf dem Grasband aufwärts und kamen bald zum grünen

Plätzchen. - Irma schaute an den schroffen Wänden empor und erschauerte. „Du brauchst dich nicht zu fürchten," tröstete Wil helm. „Da bist sicher wie in einem Eisenbahnwagen." „Fallen wohl keine Sterne herab?" „Pah. Der Fels ist fest wie Diamarrt und platt wie Glas." „Aber wo ist das Edelweiß?" Wilhelm suchte" dre Wände ab. „Zwer Sterne blühen." ' „Wo?" frug Irma. ,Sch kann sie nicht sehen." ,Schau da gerad' hinan> Sichst du den Stern dro ben, der ein wenig an der Wand vorschaut?" „Ah, jetzt sch' ich's

. So shöne Blumen! Die müssen groß siein wie meine Hand." Sie riß fr- Augen auf vor Staunen. „Wenn du sie bekommen könntest?" „Wo denkst hm. Da hinauf kommt kern Mensch." ,Sonst Müßtest du sie mir geben, Wilhelm! Ich! würde dich solange darum bitten. O, den ganzen Wrn- ler müßten sie aus meinem Tische stehen und alle Tage würde ich sie. neu tzmfrijchen," ins Trins wirkte und einmal selbst die Musikkapelle leitete. Sonntag, den 2. Oktober, weckte uns das Krachen der Pöller aus dem Schlafe. Scharenweise

und schaute mit brennenden Augen hinunter ins Tal. Bald muß sie aus dem Walde herauskommen. Die Mutter trat in die Stube. Sie näherte sich Wilhelm und schaute auch hinunter ms Tal. Leise zit terte ähr Leib. Dann ging sie zum anderen Fenster und von dort zum Tische, wo noch die Schalen v!om Kaffee standen. Sie rührte jede an und ließ doch alle an ihrem Platz. Unruhig ging sie einigemale in der Stube auf und -nieder. Endlich blieb sie nahe bei Wilhelm stehen und begann leise: „Wilhelm!" Wilhelm hörte

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Außferner Zeitung
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Page 14 of 20
Date: 18.10.1913
Physical description: 20
, um uns zu besuchen. Ich sage aus Gewohnheit der „junge" Herr Griffiths, obgleich er jetzt Wohl über dreißig Jahre alt fein mag und sein Vater vor zehn Jahren starb. Als ich bei einem Windstoß und Regen die Tür öffnete, sah ich, daß Wilhelm Griffiths mit bloßem Kopf im Regen stand und in jener Winternacht die Klingel zog. „Sie sind noch auf?" fragte er. „Ich flehe Sie an, kommen Sie zu meiner Mutter! Sie liegt in einer Ohn macht; ihre Kammerjungfer ist weggegangen und der Arzt kommt noch nicht. Ich dachte

, Sie würden Hilfe wissen." Und dann zeigte er den Weg durch den dunkeln Garten, indem er mir voräuseilte. Als ich die arme Dame sah, wußte ich, daß sie keine Ohn macht hatte, sondern einen Schlaganfall, von welchem sie sich vielleicht erholen würde; ich konnte es nicht vorher sagen. Für den Augenblick war wenig zu tun; die Dienstmädchen waren jung und erschrocken; der arme Wilhelm bedurfte Worte des Trostes und der Ermutigung. Insofern konnte ich nützlich sein. Wir bracht.en die Frau zu Bett und nahmen

ihren Putz ab; sie war in einer Abendgesellschaft gewesen und gleich nach ihrer Rückkehr umgefallen; Wilhelm hatte sie sprach los im Bibliothekzimmer gefunden. Erschrocken und niedergeschlagen suchte der junge Mann uns behilflich zu sein; aber er war so nervös, daß er über uns stolperte, die Stühle und Flaschen umwarf und nichts leisten konnte. Sein gutmütiges rundes Gesicht war bleich, und aus seinen Augen sprach die Angst. Ich war gerührt über die Bestürzung des jungen Mannes, denn Frau Griffiths

Heller, vergraben es, gehen ihrer Wege und überlassen ihren Wohltäter bettelarm seinem Schicksal. Wilhelm hatte solche Summen per Liebe nie sein nennen können. Die arme Frau Julie Griffiths schenkte alles, was sie zu geben hatte, den besten Teil ihres geringen Liebevorrats dem Gatten, welcher sie nicht liebte, und ihrem zweiten Sohne, dessen ganzes Leben ein Kummer für seine Eltern gewesen. Als er starb, konnte sie es dem armen Wilhelm nie vergeben, daß er am Leben blieb und seines Vaters Freund

, seine rechte Hand und einziger Erbe war. Der verstorbene Hugo hatte eine wahre Mutter an ihr gehabt; Wilhelm, welcher lebte und ihren Befehlen geduldig nachkam, war stiefmütterlich von ihr behandelt worden; je doch hätte die opferfähigste Mutter nicht aufmerksamer von ihrem Sohne behandelt werden können. Bei größerer Liebe zu ihr und größerer Einigkeit mit ihr wäre seine bange Be trübnis jetzt vielleicht geringer gewesen, und er hätte den Anblick ihres Leidens, ihres Kampfes gegen die Ohnmacht besser

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Außferner Zeitung
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Page 1 of 20
Date: 30.01.1915
Physical description: 20
Feuilleton. Die jugendlichen Arbeiter und die Spielsucht. Eine wahre Geschichte aus Lienz. Bon weniger als Jahresfrist, .im Spät winter 1914, stand am unteren Stadtplatz an eine Hausmauer sich nachlässig lehnend, ein jugendlicher Arbeiter. Wilhelm mit Namen. Es war ein Werktag, Montag, um die Mittag stunde. Wilhelm trug aber Feiertagskleider. Das Gesicht war finster, sein Blick trüb und zeigte inneren Schmerz. Wie zufällig — es gibt aber keinen Zu fall — kommt der Präses des Jugendhortes an diese Stelle

, sieht den jungen Mann und erkennt fofort: Da ist etwas nicht in Ord nung. Der Wilhelm ist ihm wohlbekannt. Er ist Mitglied des Jugendhortes und hotte dort wegen seiner Mangel- und fehlerhasten Jugenderziehung dem Präses viel Arbeit, Kummer und Sorge, aber auch Freude ge macht. Seit Monaten jedoch war er nicht mehr erschienen. Die Hortmitglieder wußten Flotten stattgefunden. Der durch die Erkundungs fahrt eines größeren englischen Geschwaders in der Nähe von Helgoland am 28. August des Vorjahres

werden, da auch sie nicht die Bestimmung hatten, die feindlichen Seestreitkräfte aufzumchen und sich ibnen im Kampfe zu stellen. Die Groß kampfschiffe der beiden Seemächte, vor allem jene Deutschlands, waren bis dahin noch nicht in Tätig keit getreten und so konnten englische Großsprecher noch immer sich der Ueberlegenheit ihrer Flotte gegenüber der deutschen Seemacht rüsten und böbnen. daß sich letzteres nicht getraue, sich zum Kampfe zu stellen und sich lieber aus Furcht vor der englischen Flotte verkrieche. zu erzählen, Wilhelm

sei ein Spieler gewor den; er sei fast immer in einer verrufenen Kegelbahn. Die Erkundigungen ergaben, daß dies leider auf Wahrheit beruhte. Wie ent setzlich der jugendliche Arbeiter iedoch in die ser Spielhölle von der Leidenschaft gefesselt war, das sollte dieser Tag zeigen. Wilhelm schien überrascht, als er den Hortleiter auf ihn zukommen sah. Er konn te und wollte auch vielleicht nicht mehr ent weichen. „Wilhelm, wie geht es?" Keine Antwort. „Hast du heute Feiertag? Keine Antwort. Die Augen

verborgen lag. Das mußte heraus, sonst war eine Rettung unmöglich. Was der Hort leiter erreichte, war, daß Wilhelm versprach, heute noch nicht von Lienz fortzugehen. So schieden sie voneinander: Wilhelm kaum freundlicher als vor dem Zusammentreffen. Nachmittags suchte der Hortleiter so fort die Wohnung des Meisters auf, um sich dort zu erkundigen. Der Meister hatte keine Ahnung gehabt, wo Wilhelm war und wollte soeben gehen, um Erkundigungen einzuziehen. Er war froh, von Wilhelm etwas zu hören.

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Tiroler Post
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Page 14 of 20
Date: 17.10.1913
Physical description: 20
starb. Als ich bei einem Windstoß und Regen die Tür öffnete, sah ich, daß Wilhelm Griffiths mit bloßem Kopf im Regen stand und in jener Winternacht die Klingel zog. „Sie sind noch auf?" fragte er. „Ich flehe Sie an, kommen Sie zu meiner Mutter! Sie liegt in einer Ohn macht; ihre Kammerjungfer ist weggegangen und der Arzt kommt noch nicht. Ich dachte, Sie würden Hilfe wissen." Und dann zeigte er den Weg durch den dunkeln Garten, indem er mir vorauseilte. Als ich die arme Dame sah, wußte

ich, daß sie keine Ohn macht hatte, sondern einen Schlaganfall, von welchem sie sich vielleicht erholen würde; ich konnte es nicht vorher sagen. Für den Augenblick war wenig zu tun; die Dienstmädchen waren jung und erschrocken; der arme Wilhelm bedurfte Worte des Trostes und der Ermutigung. Insofern konnte ich nützlich sein. Wir brachten die Frau zu Bett und nahmen ihren Putz ab; sie war in einer Abendgesellschaft gewesen und gleich nach ihrer Rückkehr umgefallen; Wilhelm hatte sie sprach los im Bibliothekzimmer

, unweibliches Wesen! Ob sie daran denken mochte, als sie kalt und steif dalag und uns mit verglasten Augen anstarrte? Die Zahlungen, Schulden und Rückerstattungen der Neigung sind jederzeit schwer zu berechnen. Manche geben einen ganzen Schatz der Liebe für einen Stein hin; andere verhandeln ihre Neigung gegen Interessen; - noch andere nehmen alles bis zum letzten Heller, vergraben es, gehen ihrer Wege und überlassen ihren Wohltäter bettelarm seinem Schicksal. Wilhelm hatte solche Summen der Liebe nie

sein nennen können. Die arme Frau Julie Griffiths schenkte alles, was sie zu geben hatte, den besten Teil ihres geringen Liebevorrats dem Gatten, welcher sie nicht liebte, und ihrem zweiten Sohne, dessen ganzes Leben ein Kummer für seine Eltern gewesen. Als er starb, konnte sie es dem armen Wilhelm nie vergeben, daß er am Leben blieb und seines. Vaters Freund, seine rechte Hand und einziger Erbe war. Der verstorbene Hugo hatte eine wahre Mutter an ihr gehabt; Wilhelm, welcher lebte und ihren Befehlen

sich beruhigend aus. Wilhelm wachte die ganze Nacht und legte Holzscheite aus das Feuer im Ankleidekabinett neben dem Schlafzimmer, in welchem Frau Griffiths lag. Zuweilen ging ich zu ihm und sah, daß er am Kamin saß, seinen großen Kopf mit dem wirren Haar schüttelte und murmelte; „Die arme Seele, die arme Mutter!" Zuweilen schlich er auf den Zehen herein, aber seine Gegenwart schien die Kranke zu beun ruhigen, und ich mußte ihn bitten, zurückzugehen. Einmal, als ich zu ihm ging und einige Minuten

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