Mittwoch, 25. April 1956 Air. H Seit» t Der Börse Glück und Ende Achtzig Jahre lang ist das Gebäude der Wiener Börs e auf dem Schottenring ge standen, ein Prunkbau, mit dem das zu Macht und Reichtum gelangte österreichi sche Bürgertum seine Via Triumphalis, die neue Ringstraße, krönte. Achtzig Jahre sind nicht viel mehr, als ein Menschenalter heute währt — und doch, wie haben sich Gesellschaft und Wirtschaft in dieser Zeit spanne verändert! Als die Börse im Jahre 1877 eröffnet wurde
sind die Flammen zusammengeschlagen. Das Ende der Wiener Börse regt zu Be trachtungen an, die zu höchst aktuellen Problemen führen, zu Problemen, die auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. Hier sind sie freilich vergröbert und demagogisch entstellt worden: in der Forderung der OeVP, die Erträgnisse der verstaatlichten Betriebe zu konfiszieren und in der Propa ganda für die Volksaktie. Die Börse war einmal das Herz des Kapitalmarktes. Dort wurden die Wertpapiere gekauft und verkauft, i n denen Personen
, hat sich, wie man weiß, die übergroße Mehrheit für die erste Möglichkeit entschieden. Und nie mandem kann daraus ein Vorwurf gemacht werden. Aber der Kapitalismus blieb Glück und Ende der Wiener Börse. Die arbeitende*! Menschen haben keinen Anlaß, den Zeiten nachzutrauem, wo im Prunksaal des Kapitalismus über das Schicksal tau sender Existenzen erbarmungslos entschie den wurde. Aber dieser Kapitalismus ist tot, vergangen — lange ehe die Börse ab brannte. Die Herrschaft des Kapitalismus übe r die Menschen jedoch
und noch viele Jahre später, legte eine schmale Schicht reicher Bürger ihre Ersparnisse in Aktien an; in den letzten Jahren kauften im „Börsen-Ba- sar" die kleinen Leute, die von der Straße hereinkamen, Kühlschränke, Mixer und Waschmaschinen mit dem Geld, das sie sich schillingweise zurückgelegt hatten. Wer will, kann in dem vom Feuer und Wasser zerstörten Wiener Börsengebäude, das nie mehr aus seiner Asche und seinen Trüm mern wiederauferstehen wird, ein Symbol sehen: über eine zu Ende gegangene Epoche
und Versicherungsgesellschaften, die an der Börse angebote n wurden. Sind die Sozialisten schuld? Vom Kapitalmarkt wird in Oesterreich viel geredet. Die Industrie- und Bankherren und ihre Partei, die OeVP, klagen, daß er darniederliegt. Warum? Wegen der Sozi, natürlich. Die Sozi haben das Schillings- eröffinungs- und das Bankenrekonstruktions- geset verzögert; sie haben verhindert, daß bei der Nationalbank Ordnung gemacht wird; und sie bestehen darauf, daß auch die Unternehmer und Aktienbesitzer Steuern zahlen, Mit einem Wort