Theaterschau. (Die Wiener Theaterkritik), die zu einem Bruch teil vor jedem Werk, das aus Berlin nach Oesterreich gekommen, durch Jahre hindurch devot und anbetend im Staube gelegen, hat dank der hündischen Knecht seligkeit ihrer liebedienerischen Mitglieder vom Berliner Börsencourier deshalb einen Fußtritt erhalten, weil sie, um mit den Berliner Ueberprotzen zu reden, die Un verschämtheit gehabt hat, gelegentlich des Gastspieles der Sorma im Raimundtheater zu Wien sich zur Ab wechslung
durchwegs einmal ihrer verdammten Pflicht und Schuldigkeit, objektiv zu berichten, erinnert und ein stimmig festgestellt hat, daß die Nora der Sorma ihre Zwillingsschwestern WienerischerAbkunft nicht um Haares breite überragt. Dafür ist das in Berlin maßgebendste Blatt in Theaterangelegenheiten, der Börsencourier, in gerade zu pöbelhafter Weise über die Wiener Theaterkritiker und über das Wiener Publikum hergefallen und hat sich in seiner grenzenlosen Wnth zur echt berlinerischen, großmäuligen
Behauptung verstiegen, daß das Urtheil der Wiener Presse die Künstlerin nicht zu kränken brauche, weil es, man höre und staune, völlig gleich- giltig sei, was die Kritiker und Bewohner der „Nester" Wien und Budapest von der Künstlerschast einer Sorma, die zu entdecken die kritischen Ueberprotzen Berlins die hohe Gnade hatten, denken, reden und schreiben. Diese bodenlose Unverschämtheit übertrifft selbst das bedeutende Maß dessen, woran man sich in Oesterreich Dank eben jener feilen Liebedienerei
und Unterwürfigkeit einer Anzahl unserer Kunstrichter unter die Orakelsprüche preußischer Ueberhebung ge wöhnt hat. Dieser freche Angriff des Börsencourier auf unser warmblütiges süddeutsches Kunstempfinden ist schmerzlich, weil er verdient und nur eine Folge davon ist, daß ein Teil der Wiener Presse die ein heimischen Werke mit Ausnahme der ihrer Freunde, Sippen und Magen oberflächlich, kühl und wegwerfend behandelt hat, aber alles, was von draußen kam, schrankenlos als ein wundersames Kunstwerk an erkannte
bisher geschehen. (Man lebt ja nur eimal), heißt der Titel eines Wiener Zugstückes, das deutlich beweist, auf welch einem beklagenswerten Tiefstand der Geschmack des dummen Kerl von Wien gesunken ist, daß dieser un- qualifizierbare, dramatische Dreck nicht nur an einer Wiener Volksbühne angenommen und ohne Anstand zu Ende gespielt werden, sondern auch noch eine lange Reihe voller Häuser sehen durfte. Das hiesige Publikum hat, zu seiner Ehre sei es gesagt, ihm schweigend und voller Verachtung