Das Fest der leeren Stühle So geschehen vorige Woche, drei Häu ser nebenan, im besten Hotel unserer Stadt, dem Hotel „Exzelsior". Vieles ist Viktor, dem alten Oberkellner, schon an Menschlichem begegnet, auch Ver rücktes genug. Aber so etwas wie dieses Fest, das kein Fest war und doch eines sein sollte, hat er, 'bei Gott, noch nie mals erlebt. Läßt sich der gute, alte Obersanitätsrat i. R. Sylvester Heiml, ein Mann, den die ganze Stadt kennt und verehrt, ein Mann, an dem gewiß
, das in der Mitte der Tafel aufgebaut worden ist. „Blumen?“, er klärt er, „recht so! Warum immer nur Blumen auf Gräbern? Blumen hier — das ist gut." Darauf nimmt er feierlich an der Spitze der Tafel Platz. Viktor, der Oberkellner, will noch warten, bis die übrigen Herren gekom men sind und sich der Raum gefüllt hat. Doch ungeduldig ruft der Alte: „Die Suppe, Ober!“ Doch ein . Oberkellner wie Viktor weiß, was er seinen Gästen, auch den noch abwesenden, schuldig ist. Mit dis kretem Lächeln beugt
er sich zu dem alten Herrn herab, der immer noch allein auf seinem Stuhle sitzt. „Ver zeihung, Herr Obersanitätsrat“, flüstert er ihm zu, „wollen wir nicht noch war ten bis die anderen Herren ...“ „Wir sind komplett!“ fällt ihm der Alte zornig in das Wort. „Die'Suppe!“ Viktor serviert die Suppe, serviert das Menü und noch immer bleibt der alte Herr allein. Mit sichtlichem Appetit wirft er sich auf die gefüllte Pastete und läßt sich seinen Wein, „Royal Port“, in das Glas füllen. Beim dritten Glas erhebt'er
sich, räu spert sich kräftig und klopft mit dem silbernen Löffel an sein Glas. Anschei nend will er eine Ansprache halten. Viktor, der Oberkellner, weiß nun, daß er es mit einem Verrückten zu tun hat. Verrückte muß man gewähren las sen, sonst werden sie bösartig. Also entfernt er sich unauffällig, bleibt aber, weiterer Wünsche gewärtig, hinter der Türe stehen. Deutlich ist drinnen die Stimme des Alten zu vernehmen: „Meine lieben Freunde! Wieder haben wir uns hier versammelt, um des Tages zu gedenken
... Die Zahl ist voll und wir sind geblieben, die wir waren. Ein guter Jahr gang, tüchtig und solid, wie alles, was noch aus dem vorigen Jahrhundert kommt.“ Narren dieser Art, denkt Viktor, der Oberkellner, muß man wie Mondsüch tige behandeln. Man muß sie ungestört in ihren Erinnerungen herumklettern lassen, denn sobald man sie anspricht, erwachen sie und fallen vom Dachgiebel herab. Trotzdem hält er es für gut und richtig, den Chef des Hauses zu benach richtigen. „Hören Sie sich diese Versammlung