Nr. % Samstag. den 25. April 1936 «vite 5 Venedig, die <&tabt der 117 Inseln Von Steffi Schaffelhofer Ich b n immerhin schon ein mächtiges Strick Weges in der Welt herumgekommen und habe viel Schönes gesehen. Ich habe interessante Städte besucht und bin wochenlang über Meeresweiten gefahren. Ich 'war aus höhen, sonnigen Bergen und bin durch mufsige Totenkeller gewandert. Ich stand aus mondübebfluteter Pusztalandschaft und Aoplsen- den Herzens am Rande der Wülste. Ich horte den Schnee sturm
um den Ohren heulen und in finsterer Nacht das Toben des Meeres. Das Schönste und Eindrucksvollste, das Unvergeßlichste von allem war aber doch —- Venedig, die ewig verträumte, verschlafene, adriaumspülte Lagunenstadt . . . „Von Venedig ist alles gesagt und gedruckt, was man nur sagen und drucken kann!" So lautet eine Tagebucheintragung Goethes anläßlich se.ner Jtalienrei.se. Dieser Ausspruch mag zu Goethes Zei ten vielleicht zutreffend gewesen sein, heute hat er wohl kaum mehr Anspruch auf Geltung
. Denn über Venedig gibt es immer wieder Neues zu sagen, immer wieder Neues zu schreiben, immer wieder Neues zu drucken. Wohl ist Venedig durch und durch erforscht und für alle Zeiten in der Literatur und Kunstgeschichte verewigt. Aber so wie -über eine zarte, entzückende Frau, so gibt es auch über Venedig immer wieder Schönes, immer wieder Liebes, immer wieder Reizvolles, Entzückenoes zu sagen, ohne daß jemals über Venedig alles' gesagt werden! könnte, was gesagt werden müßte. „Es ist eine sonderbare Stadt
, die gleichsam aus der See emporsteigt, voll Fleiß und Betrügerei." Herder war es, der diesen Ausspruch Wer Venedig prägte. Offenbar wollte er damit in drastischer Eise aus- drücken, daß Venedig alle Tugenden und Untugenden, alle Leidenschaften und Eigenschaften so sinnfällig verkörpert, Me wohl keine zweitandere Stadt auf der Welt. Sicher ist: Venedig vermag jedem etwas zu schenken, jedem etwas p sein, für groß und Nein, für arm und reich, für Bummler uüd Wisserschaster, für Eiüi'ame und Liebende. Wer Augen
hat, um zu sehen, was- andere nicht scheu, und ein Herz, um zu fühlen, was andere nicht kühlen — dem wird Venedig eure Offenbarung sein, wie es für mich ein ganz großes Erlebnis war und immer noch ist, so oft ich in diese Stadt zurückkehre . . . Ta ist vor allem die Lagunenstadt in ihrer Gesamt heit . . . Da ist Venedig mit den prunkvollen Kirchen, mit den großartigen Patrizierpalästen, mit den kunstvollen Brücken und Museen, in denen Kunstwerke und Kunstschätze in ver schwenderischer Ueberfülle aüfg-estapelt