Es war bald sieben, da ivnrde plötzlich heftig geschellt. Therese schrak ans, da ivnr sic . . . Langsam schlich Therese nach der Tür und öffnete. Ja, da stand Tante, eine dicke, schwere Dame, mit funkelnden Äuglein. „Guten Tag, gnädige Frau!" sagte Therese, das grösste Erstaunen heuchelnd. „Sie hier?" „Das mußt du doch wohl wissen," herrschte Tante wütend die Magd an, indem sie in das Haus eintrat. „Aber warum war kein Wagen am Bahnhofe, wie ich in dem Telegramm befohlen hatte?" „Ein Telegramm
, gnädige Frau?" fragte die Magd mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt. „Ich habe kein Telegramm ge sehen, gnädige Frau." „Hat man hier denn kein Telegramm von mir erhalten?" fuhr die Besucherin auf. „Das ist sonderbar; dann werde ich mich so fort einmal erkundigen, wie das kommt. Aber wo sind die Herrschaften?" „Sie, treffen es sehr schlecht, gnädige Frau", stotterte die Magd, die bemerkte, daß sie ins Netz geriet, „aber es tat ihnen sehr leid... es wird ihnen sehr leid tun," ver besserte Therese
schnell, „wenn sie verneh men, daß Sie hier gewesen sind . . . Sie müssen nämlich tvissen, daß sie seit zwei Tagen verreist sind . . . nach Amsterdam, glaube ich." sagte Tante Klara ganz leise, „das ist zufällig, sehr zufällig, sie sind sonst gar nicht reiselustig . . . aber wann kommen sie nach Hause?" „Ich weiß es nicht, gnädige Frau, sie haberi nichts Bestimmtes gesagt, vielleicht in 1 echs Tagen . . ." Therese ivnrde rot wie eilt Puter und murmelte etwas von Neugierde, wonach sie so schnell
herrlich schmecken. Als sie fertig war, fragte sie Therese: „Kannst du jemand nach dem Bahnhof senden, um zu hören, ob da kein Telegramm von mir angekommen ist?" Therese erschrak, ihr Betrug mußte ans Licht kommen und dann wurde ihr ganzer Plan zunichte. Aber plötzlich kam sie auf einen Gedanken und sagte: „Ich habe heute Mittag allerdings eine Art Brief erhalten, gnädige Frau, aber sehen Sie, ich kenne das nicht so genau ... ich bin nicht sehr gelehrt, wissen Sie, und kann keine Buchstaben lesen
. Wenn das vielleicht das Fritz Reuters Grab in Eisenach. gewesen, ist . . . hier ist es, gnädige Frau." — Die kleinen Äug lein der entrüsteteten Tante schossen Blitze. „Dummes Schaf, das du M", herrschte^Tante Klara Therese au, ihr das gelbe Kuvert aus der Hand reißend, „das ist das Telegramm, in dem deutlich steht, daß man mir einen Wagen schicken sollte. Aber wenn du daun nicht lesen kannst, warum hast du es daun geöffnet?" Aber sie ließ sich nichts merken und schien sich auch wenig darum« zu bekümmern