. Sie hat Robert, ihren Lieblingsneffen, lange nicht mehr gesehen, kennt Annemarie noch gar nicht und ist, wie sie schreibt, voll freudiger Erwartung ihres Kommens. Leider muß Robert am Montag unaufschiebbar auf einige Tage dienstlich verreisen, aber er wird jedenfalls rechtzeitig zurückkehren, um die Tante noch anzutreffen. Er bittet Annemarie, Tante Aurelie recht herzlich zu emp fangen, entwirft ein Bild ihres Wesens, zählt einige ihrer Eigenarten auf und rät Annemarie, auf diese möglichst Rück sicht
zu nehmen. Annemarie hört aufmerksam zu und sagt, sie würde schon alles richtig machen, worauf Robert beruhigt ab- reift und verspricht, sobald als nur angängig wieder da zu sein. In der Tat kommt er schon am vierten Tag abends zurück. „Wie gehtts, Annemarie?" ruft er, kaum eingetreten, er wartungsvoll. „Danke!" sagt Annemarie freundlich, „mir geht es gut, aber Tante Aurelie ist heute nachmittags abgereist." „Ab—ge—reist?!" stößt Robert ungläubig hervor. „Ja weshalb denn, um des Himmels willen
? Sie wollte doch wenig stens eine Woche bleiben." Annemarie zuckt die Achseln. „Ist etwas vorgefallen?" fragt er unsicher, und seine heitere Stimmung trübt sich. „Vorgefallen? — Nein, gar nichts!" sagt Annemarie, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und beginnt zu erzählen, wie sie die Tante am Bahnhof abgeholt hat und mit ihr heimgefahren ist. Ins hübsche Gastzimmer hatte sie einen Strauß der schönsten Nelken gestellt, aber „Annemarie", unterbricht sie da Robert, „ich hatte dir doch aufgetragen, keine duftenden Blumen
zu wählen, die Tante bekommt Kopfschmerzen davon." „Das sagte sie auch, kaum, daß sie den Strauß erblickt hatte, und ich trug ihn natürlich sofort hinaus. Aber, weißt du, Roby", lächelt Annemarie, „es waren ganz geruchlose Treib hausnelken, die ihr nicht die geringsten Kopfschmerzen ver ursacht hätten." „Na und dann?" drängte Robert weiter. „Dann wollte sie um sechs Uhr stütz geweckt werden, sie sei es so gewohnt. Ich fand aber, die Arme soll sich einmal tüchtig ausschlafen, gab Lina keinen Befehl
zum Wecken, trug ihr im Gegenteil auf, in der Frühe recht leise zu machen. Und wirk lich, die Tante erschien erst um neun Uhr zum Frühstück, sie hatte bis acht Uhr geschlafen!" „Gewiß war sie aber ungehalten darüber", ahnt Robert. „Sie hielt sich allerdings auf, daß sie nicht geweckt worden war, doch ich glaube, sie schlief recht gerne mal zwei Stunden länger." Annemarie macht ein listiges Gesicht und berichtet weiter. „Das Essen sagte ihr leider nicht ganz zu. Du hattest mir zwar gesagt, sie äße