Seite 2. Nr. 184. Innsbrucker Nachrichten Samstag, den 13. August 1921. Gesetzen werden, sondern jedes der größeren Industrie zentren, Beuthen, Kattowitz, Gleiwitz und Königs Hütte solle als Komplex für sich betrachtet und auf Grund des Abstimmungsergebnisses behandelt werden. Lloyd George hat diese Konzession jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt gemacht, daß dieser modus procedendi nicht dazu stihren dürfe, deutsche Enklaven in polnischem Gebiet zu schaffen. Er hat darauf bestanden
, daß das die Industriezentren umgebende Gebiet, soweit es in wirtschaftlicher Zusammengehörigkeit mit den Städten steht, von diesen nicht abgetrxunt werden dürfe, auch wenn es von polnischen Mehrheiten bewohnt sei. Die Forderungen Lloyd Georges liefen daher im allge meinen aus eine Grenzziehung nach dem zweiten Tei lungsplan des Grafen Sforza, bei Einziehung der früher genannten Jndustrieorte, hinaus, die die Franzosen den Polen gerne in die Hände gespielt hätten. Es wurde auch in der Tat gemeldet
über einen bevorstehenden Abbruch der Verhandlungen. Ueber die Ursachen, die diese Wendung herbeigeführt haben, ist der Schleier noch nicht S a gelüftet. Man darf aber nicht vergessen, daß bei Kon- nzen nicht alles im Sitzungssaale entschieden wird; die private Aussprache zwischen den Führern der Dele gation ist allein für die Entscheidung maßgebend. Und was am Donnerstag und gestern von Lloyd George und Briand besprochen wurde, ist wahrscheinlich für bas Er gebnis der Tagung bestimmend geworden. In kurzer Zeit
Frankreich alles daran setzen, um in der Zwischenzeit auf eine für Polen günstige Lösung hin- zuarbeiten. Betrachtet man das Ergebnis der Konferenz von diesem Standpunkt, so mutz man annehmen, daß Lloyd George in Paris entweder eine Niederlage erlitten hat, da es dann den Franzosen gelungen ist, die Entscheidung tzinauszuschieben, oder er hat Deutschland gegenüber ein falsches Spiel getrieben. Es ist aber eher anzunehmen, daß Lloyd George in dem diplomatischen Kampfe mit sei nem außerordentlich behenden
Gegner nachgegeben hat, um ihn zu schonen. Lloyd Georges Politik auf den letzten Tagungen des Obersten Rates war zum guten Teil von dem Gedanken geleitet, dem von den rücksichtslosen Na tionalisten bedrohten Kabinett Briand das Leben zu erhalten, um nicht einer ganz rabiaten französischen Regierung gegenüberzustehen. Es gehört zu den ältesten Grundsätzen der britischen Diplomatie, harte Fragestel lungen zu umgehen, solange nicht eigene Lebensinteres- sen auf dem Spiele stehen. Und England scheint